Wie gebannt starre ich auf Calins beeindruckendes Muskelspiel, als er mit dem Rücken zu mir wieder auftaucht und sich das Wasser aus dem Gesicht wischt. Mein Mund ist plötzlich staubtrocken geworden und meine Wangen brennen vor Hitze. Ich kann noch immer nicht ganz glauben das dieser Mann mich vor gut einer Dreiviertelstunde einfach geküsst hat und nun mit mir im Meer schwimmt. Und wir haben nicht einmal über diese Sache mit dem Kuss und allem gesprochen, da er das Thema abgeblockt hat. Schätzungsweise ist ihm das Ganze unangenehm und er will mir nicht vor den Kopf stoßen. Kurzerhand tauche ich unter, um meine heißen Wangen abzukühlen und schiebe mir nach dem Wiederauftauchen die Haare erneut aus der Stirn. Weitaus besser!
Blinzelnd öffne ich meine Augen und treffe seinen Blick, den ich mal wieder nicht zu deuten weiß. Seine Brust glitzert nass in der Sonne und ich versuche nicht hinzustarren wie ein aus dem Häuschen geratenes Groupie bei einem Backstage-Treffen mit dem heißgeliebten Promischwarm. Mein lieber Scholli, der Kerl sieht aus wie ein griechischer Gott, frisch aus dem Stein gehauen und direkt ins Meer gestellt. Während ich noch darüber nachdenke was ich sage, trifft ihn seitlich ein Wasserball, der Gott sei Dank nichts wiegt, da er zu neunundneunzig Prozent aus Luft besteht, mich jedoch gegen meinen Willen zum Prusten bringt, da seine Mimik von undurchdringlich zu überrascht wechselt und das zu komisch aussieht.
„Entschuldigen Sie bitte“, kommt auch schon die Besitzerin des Balls angeschwommen und nimmt den Ball an sich. „Der Wind stand grade ungünstig – war keine Absicht.“
Calin sieht das junge Mädchen, nun wieder mit neutralem Gesichtsausdruck, an und zuckt kurz die Schultern, um ihr zu zeigen das es ihn nicht wirklich stört. Sie lächelt ihn schüchtern an und verabschiedet sich direkt wieder, zu ihren Freundinnen zurück strampelnd, dabei den Ball vor sich in den Armen haltend. Ein lustiges Bild, wie ich kichernd finde.
Ehe ich realisiere was geschieht, werde ich am Fuß gepackt und unter Wasser gezogen, wobei ich grade so noch einmal Luft schnappen und dann meinen Atem anhalten kann. Mit einem Blick hinter mich kann ich Calin erkennen, der nun wieder auftaucht. Flink tauche ich ebenfalls auf und kichere wieder vergnügt. Scheinbar habe ich ihn ein wenig aus der eisernen Reserve gelockt. Mit hochgezogener Augenbraue blickt er mich an und verlagert im Wasser seinen Standort, um sich hinstellen zu können, dennoch geht ihm das Wasser noch bis zur Brust. Ich hingegen bin nicht groß genug um hier in der unmittelbaren Nähe zu stehen und schwimme daher auf der Stelle.
„War das eine Herausforderung?“, erkundige ich mich grinsend.
„Ich weiß nicht wovon du sprichst“, gibt er gespielt ahnungslos zurück und mein Herz hüpft kurz.
Er hat mich geduzt. Bisher habe ich nicht gewusst, wie ich ihn nun ansprechen soll. Nach dem Kuss, der mein Inneres auf den Kopf gestellt hat und über den wir vermutlich nicht sprechen werden. Ganz so unnahbar, wie er sich in den letzten Tagen gegeben hat, scheint er also nicht zu sein. Vielmehr habe ich erwartet, das er das Thema totschweigen und mich weiterhin siezen wird. Da habe ich mich allerdings geirrt, wie ich nun zufrieden feststelle.
Meine Aufmerksamkeit wird auf einen in der Entfernung vorbeirauschenden Jetski gezogen und ich seufze innerlich. Mit so einem Teil würde ich ja auch gern mal über die Wasseroberfläche pesen. Leider habe ich nicht das nötige Kleingeld um mir einen zu leihen, oder gar selbst zu kaufen. Träumen wird man jedoch noch dürfen. Calin blickt sich prüfend zu allen Seiten um und wirft mir einen kurzen Blick zu.
„Bin gleich wieder da. Habe was vergessen“, teilt er mir mit und watet aus dem angenehm warmen Wasser heraus, um auf sein Haus zuzugehen, ohne auf meine Antwort zu warten.
Mysterium Mann. Ich werde sie nie verstehen. Aber ich fühle mich sicher, da ich weiß das er mich niemals allein lassen würde, wenn er nicht absolut davon überzeugt ist das mir keinerlei Gefahr droht. Seinen Job nimmt er mehr als nur ernst. Seufzend lasse ich mich nun auf dem Rücken im Wasser treiben und schließe ein wenig die Augen, da mich sonst die Sonne zu sehr blendet. Die salzige Meeresbrise atme ich tief in meine Lungen ein und lächle selig. Endlich wieder einen Hauch Freiheit spüren, ohne die ständige Unruhe im Nacken, weil ich quasi darauf warte, das Wassib mir auflauert und mich wieder bequatschen will. So kann es tatsächlich bleiben, stelle entspannt fest.
Nach einigen Minuten höre ich wieder das Geräusch eines Jetskis und beneide den Fahrer dessen. Sommer, Sonne und über den Meeresspiegel preschen. Da das Geräusch in meiner unmittelbaren Nähe verstummt, öffne ich neugierig meine Augen und richte mich im Wasser wieder auf, damit ich auf der Stelle schwimmen kann, während mein Blick erstaunt auf Calin hängen bleibt, welcher auf einem hellgrünen Jetski sitzt und mir einladend seine rechte Hand entgegenstreckt.
„Darf ich bitten?“
„Du hast einen Jetski?“, frage ich verblüfft.
„Tatsächlich zählt er zu einer meiner Lieblingsbeschäftigungen, wenn ich länger Freizeit habe. Mit dem Jetski übers Meer fahren und die Freiheit genießen, die mich dann erfasst. Komm schon, ich nehme dich eine Runde mit.“
Leute! Ich könnte gerade kreischen vor Freude, reiße mich aber zusammen und überbrücke die Entfernung mit zwei Schwimmzügen, um seine Hand zu ergreifen und mich hinter ihn auf den Jetski ziehen zu lassen. Dabei muss Calin sich scheinbar überhaupt nicht anstrengen, was mich nicht wirklich wundert. Er ist trainiert. Meine Arme schlinge ich um seinen Bauch, meine Oberschenkelinnenseiten liegen an seinen Oberschenkelaußenseiten und ein Kribbeln macht sich in meinem Körper breit. Holy fuck – dieser Kerl ist eine Sünde auf zwei Beinen! Wie kann man einen solchen Körper haben und kein Bisschen überheblich sein?
„Festhalten.“
Er gibt Gas und ich jauchze kurz vor Entzückung auf, als wir uns in Bewegung setzen und durch die Wasseroberfläche pflügen. In Nullkommanichts sind meine Haare getrocknet und flattern mir wild durchs Gesicht, was mich aber nicht sehr stört, da ich gerade riesigen Spaß habe und meine Endorphine Achterbahn fahren. Besser konnte dieser Sonntag einfach nicht mehr werden! Niemals habe ich mich freier und glücklicher gefühlt als hinter Calin auf seinem Jetski, während mir die frische Luft um die Ohren pfeift und ich seine festen Muskeln unter meinen Handflächen spüre.
Gefühlte zehn Minuten später hält er an und schaltet den Jetski ab, analog dazu schaut er mich über seine Schulter hinweg an.
„Alles in Ordnung?“, erkundigt er sich bei mir.
„Jep! Das war… wow! Danke, Calin.“
Meine Stimme klingt selbst in meinen Ohren atemlos, jedoch völlig zufrieden und ich muss grinsen. Vor Glück könnte ich die ganze Welt umarmen – stattdessen drücke ich aus einem Gefühl heraus meine Lippen an sein linkes Schulterblatt. Seine Bauchmuskulatur spannt sich merklich an, weswegen ich meinen Kopf hebe und mich leise räuspere. Ehe ich mich versehe, hat er es irgendwie geschafft mich, mit einem Arm um die Taille, rittlings vor sich auf den Sitz zu heben und selbst ein Stück nach hinten zu rutschen. Meine Beine liegen dabei über seinen Oberschenkeln. Überrumpelt blinzle ich einige Male und spüre, wie mir wieder die Hitze ins Gesicht steigt. Herrje, dieser Mann bringt mich ständig in Verlegenheit! Meinen Blick halte ich auf seine breite Brust gerichtet, da ich mich nicht traue ihm ins Gesicht zu gucken. Seinen Atem kann ich auf meiner Stirn spüren, was mir nun zusätzlich auch noch eine angenehme Gänsehaut verpasst.
„Ist dir kalt?“
„Ein wenig“, bringe ich leise und verlegen heraus, obwohl mir nicht wirklich kalt ist.
„Das kann ich mit Sicherheit ändern“, raunt er dunkel und ehe ich überhaupt darüber nachdenken kann was er meint, hat er mich mit einem Arm fest an seine Brust gezogen, hebt mit der anderen Hand sanft mein Kinn an, um seine Lippen dann leidenschaftlich auf meine zu pressen. In diesem Moment steht schaltet sich mein Kopf ab und ich schiebe meine Arme um seinen Nacken, den Augenblick mit geschlossenen Augen auskostend.
Wenn er ein bisschen Spaß haben möchte, kann er den gern haben – so profitieren wir beide davon.