Jana saß kerzengerade auf dem unbequemen Stuhl vor dem Schreibtisch des Personalchefs der Firma, wo sie sich um einen neuen Job als Apothekerin beworben hatte. Ihre Körperhaltung war trotz allem offen und sie lächelte freundlich, während sie dem Mann zuhörte.
“Also wissen sie, Frau Hofmann, ich bin ja begeistert von ihrem Werdegang. Die Schule ein Jahr eher abgeschlossen. In der Regelstudienzeit durchs Studium, aber trotzdem kann ich sie nicht einstellen”, erklärte dieser ihre gerader.
Janas Augenbraue wanderte fragend hoch. “Aha und weshalb nicht? Was bitte spricht gegen meine Einstellung? Mein Geschlecht? Die Tatsache, dass ich ein Kind habe und mit einer Frau verheiratet bin? Woran genau liegt es?”, bohrte Jana nach. Das interessierte sie jetzt doch.
“Nein, nein. Nicht was sie denken, Frau Hofmann. Wir sind ein sehr fortschrittlicher Betrieb. Wir haben kein Problem damit jemanden anzustellen dessen sexuelle Neigungen nicht der gesellschaftlichen Norm entsprechen. Auch Kinder sind kein Problem”, winkte der Mann ab.
“Aha?”
Jana machte sich nicht einmal mehr die Mühe die Frage erneut zu formulieren, sondern sah ihr Gegenüber einfach nur abwartend an.
“Nun wissen sie, wir legen sehr viel wert darauf, dass unsere Angestellten in höheren Positionen Doktortitel tragen. Das trägt zum guten Ruf der Firma bei und zeugt davon, dass wir gebildete Leute beschäftigen”, teilte er ihr mit.
Janas Augenbrauen waren inzwischen unter ihrem Pony verschwunden und sie streckte ihre Hand nach ihrer Bewerbungsmappe aus.
“Wissen sie, Herr Doktor Franken-Stein, ein Doktortitel zeugt nicht unbedingt von Bildung oder gar von sozialer Kompetenz, die in diesem Job notwendig ist. Angesichts der Tatsache, dass sie dieses für sie offensichtlich lebenswichtige Kriterium nicht in ihrer Stellenanzeige vermerkt haben, muss ich ihnen leider eine Absage erteilen. Es ist eine Dreistigkeit vor dem Herrn Leute aus ganz Deutschland hier auflaufen zu lassen, nur um ihnen mitzuteilen, dass sie nicht erwünscht sind, weil sie keinen Doktortitel tragen. Mir persönlich war meine Familie wichtiger als der zusätzliche Stress neben meinem Job, mit dem ich mein Studium im übrigen selbst finanziert habe, nach dem Erhalt meiner Approbation noch eine Doktorarbeit zu schreiben. Außerdem ist dieses Standesdünkel, dass jemand der einen Doktortitel trägt bessere Arbeit leistet und ihre Firma besser repräsentiert, ein Zeichen von einer Arroganz, die ich verabscheue und die ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren kann. Ich wünsche ihnen alles Gute bei der Suche nach einem passenden Arbeitnehmer für ihre Stelle. Auf Wiedersehen”, sagte Jana mit fester Stimme und verließ dann hoch erhobenen Hauptes das Büro.
Im Wartebereich saßen noch einige Leute und Jana blieb kurz stehen. “Wenn sie keinen Doktortitel haben, bemühen sie sich gar nicht erst um die Stelle. Die feinen Herren in der Personalabteilung sind zwar für alles offen, aber ein Doktortitel ist leider das Hauptkriterium für eine Anstellung in dieser gehobenen Stelle”, sagte sie freundlich und verließ dann endgültig das Firmengebäude.
Hinter ihr war aufgeregtes Getuschel zu hören, bevor die Tür zu fiel. Jana atmete befreit auf. In solch einer Firma wollte sie nun wirklich nicht arbeiten.