"Komm schon, Mika. Trau dich", sagte Luzifer und streckte seine riesigen schwarzbefederten Schwingen hinter sich aus, schlug leicht mit ihnen und schwebte für einen Moment einen halben Meter über dem Boden.
Mika kaute auf seiner Unterlippe herum und folgte der Aufforderung seines großen Bruders. Seine schneeweißen Flügel streckten sich, er versuchte die Bewegung zu immitieren und vom Boden abzuheben, aber es gelang ihm nicht.
Mutlos ließ er seine Schwingen hängen. Es sah fast aus, als hätte er da nasse Lappen an den Schultern.
"So wird das nie was!", schimpfte Jibril und rollte mit den Augen, bevor sie den kleineren Mika an die Hand nahm und hinüber zum wartenden Raphael schleifte.
Gemeinsam legten die beiden Erzengel ihm ein Geschirr an, hakten es in Seile und schubsten ihn dann einen kleinen Vorsprung herunter.
Erschrocken schlug Mika mit seinen Flügeln, während er an den Seilen hängend durch den Raum schwang.
Jibril schlug bei Raphael ein. "Lassen wir ihn ein wenig schwingen, dann kann er seine Schwingen durch das Schwingen stärken", sagte Raphael und grinste, als Sakuya unten am Boden stehend den Kopf schüttelte.
Mika geriet derweil in Panik. Luzifer hatte Mitleid mit seinem kleinen Bruder und so stieg der gefallene Engel auf und hielt die Hände seines Bruders, zeigte ihm, wie man seine Schwingen richtig benutzte.
Luzifer wusste, dass er es irgendwann bereuen würde, aber er konnte dem kleinen Feuerkopf nichts abschlagen und wollte nur das Beste für ihn. Egal was man ihm vorwarf, er liebte seine Brüder und Schwestern, auch wenn er zur "anderen" Seite gehörte.
Als er sicher war, dass Mika genug Kontrolle über seine Schwingen hatte, löste er die Seile vom Geschirr und obwohl Mika ein Stück absackte, fing er sich geschickt ab und dann flogen sie Seite an Seite. Ihre Schwingen ein wunderbarer Kontrast. Mika mit seinem feurig rotem Haar und den weißen Schwingen, neben ihm Luzifer mit dem langen, pechschwarzen Haar und den tiefschwarzen Flügeln.
Jibril und Raphael stiegen zu ihnen auf, rahmten sie mit ihren hellen Flügeln ein. Beide blond und wunderschön und dann war auch der letzte Erzengel da.
Uriel stieg in all seiner erdfarbenen Schönheit in einiger Entfernung auf und nahm sie alle in Empfang, schüttelte amüsiert den Kopf und bat Luzifer, den einzigen Seraphen in der Gruppe, wieder hinabzusteigen in sein eigenes Königreich, bevor Gott ihm auch noch seine Schwingen nahm.
Luzifer nickte, umarmte seinen nun missmutigen Bruder und verabschiedete sich mit einem Nicken von der Gruppe. Wie ein Stein fiel er durch ein Loch in den Wolken, bewegte sich zwischen den Welten und kehrte hinab in den She'ol, die siebte Schale der Hölle. Dort würde er warten auf ein Wiedersehen mit seinem Bruder. Egal, wie es ausfallen würde.