Fia zog ihre dunkle Sweatjacke enger um sich, als sie am Abend aus dem Haus trat. Ihr langes blondes Haar hatte sie zu einem Dutt zusammengebunden und unter ihrer Kapuze verborgen, ihre Beine steckten in einer schwarzen, kunstvoll zerrissenen Skinny Jeans und ihre Füße in schwarzen Chucks. Ihre rechte Hand umklammerte eine Dose Pfefferspray, die linke hielt ihr Ersatztelefon. Ein uraltes Samsung Outdoorhandy. Robust, langlebiger Akku und vor allen Dingen konnte sie blind den Notruf wählen, musste keinen Bildschirm entsperren oder so einen Blödsinn. Ihr Smartphone steckte zusammen mit ihrer Geldbörse in ihrer Gürteltasche, die sie unter der Jacke verbarg.
Fias Blick streifte über ihre Umgebung. Sie fühlte sich unsicher und beobachtet. Ihre dunkle Sonnenbrille war ein weiterer Versuch sich zu schützen. Seit sie am Wochenende mit ihren Freundinnen in diesem neuen Club in der Stadtmitte gewesen war, hatte sie das Gefühl verfolgt zu werden. Es war, als lastete ständig der Blick fremder Augen auf ihr, egal wo sie war. Selbst in ihrem eigenen Haus fühlte sie sich verfolgt. Ihre Mitbewohnerin hatte darüber nur amüsiert den Kopf geschüttelt und Fia paranoid genannt. Fia hingegen war sich sicher, dass sie sich die Geschichte nicht einbildete und hatte vorgesorgt.
Zumindest dachte sie das.
Sie war auf dem Weg zu einer Verabredung und ihr Weg führte sie zwangsweise durch eine enge, dunkle Gasse. Eine Gasse, die sie nie wieder verließ. Jedenfalls nicht lebendig. Kaum hatte sie die Gasse betreten, fühlte sie den Blick ihres Stalkers wieder auf sich lasten. Sie drehte sich auf der Stelle und blickte sich unsicher um. Eine einsame Laterne in der Mitte der Gasse flackerte und erstarb. Es war nun vollkommen Dunkel. Fia ging schneller, versuchte das helle Ende der Gasse zu erreichen, als sie gepackt und gegen die Backsteinmauer neben sich gedrückt wurde.
Sie spürte, wie ihre Haut von der Mauer aufgerissen wurde und begann zu bluten. Ein schriller Schrei der Angst perlte über ihre Lippen und sie spürte einen seltsam feucht-kalten Atem an ihrer Haut, als ihr die Kapuze vom Kopf gerissen wurde. Wer auch immer sie da festhielt, atmete tief ein und eine kaum hörbare Stimme flüsterte: "Ah … Fia … wie lange habe ich auf eine wie dich gewartet" Fia versuchte sich aus dem Griff der Person zu winden, als sich etwas spitzes in ihren Hals bohrte. Sie hörte schmatzende Geräusche und fühlte einen seltsamen Sog, der sich gleichzeitig an ihrem Hals und in ihrem Unterleib zu sammeln schien.
Sie keuchte auf, als würde sie zum Höhepunkt kommen und ihre Welt wurde dunkel. "Ah … Fia … Liebes … bald schon … bald schon wird die Nacht dir gehören und du wirst den dunklen Frieden finden, nach dem du benannt wurdest", sprach die Stimme. Die Gestalt hob Fias Körper hoch und verschwand mit ihr in der Dunkelheit der Nacht. Zurück blieben ein altes Outdoorhandy, ein unbenutztes Pfefferspray und für ihre Freunde das Bewusstsein, dass Fia eben doch einen Stalker gehabt hatte. Auch wenn Fia nie gefunden wurde.