Irgendwann aber hat das Warten ein Ende.
Nachdem wir verstohlen beobachteten, wie eine junge Putzfee heulend aus unserem BunBo türmt, das Krakeelen einer älteren Putzfee im Rücken, dauert es fünf Minuten und dann dürfen wir unser Boot beziehen.
Aber weil alles etwas eilt, gibt es die Einweisung in die bootseigene Technik stehenden Fußes, denn Tom soll ja schleunigst in den Charterscheinkurs.
Im Schnelldurchlauf bekommen wir den gasbetriebenen Kühlschrank, den Herd und die Dusche erklärt.
Ich spähe ins Bad, das unwesentlich größer als ein Schuhkarton ist, aber doch größer als die Bäder der anderen Boote.
Dieses hier weist immerhin eine ebenerdige Dusche mit Duschsitz auf (barrierefrei), auf den ich eben schnell mein gigantisches Beauty-Case abstelle. Die Regale sind ohnehin zu hoch, weshalb ich sie gerne den anderen überlasse. Auf dem Bördchen unterhalb des Spiegels platziere ich nur den Zahnputzbecher (Tupper) und unsere beiden Zahnbürsten (manuelle, da an Bord nur 12 Volt-Strom).
„Hoffentlich hat Steffi nicht nur E-Bürsten mit!“, rufe ich raus, was ungehört bleibt, weil er soeben erklärt bekommt, wie man Sprit nachfüllt, wo der Frischwassertank und wo der Abwassertank ist.
Oh, ein Yacht-WC, denke ich erleichtert, denn das ist Allemale besser als ein Camping-WC. Man spült mit dem Wasser, auf dem man fährt, indem es durch Betätigung einer Pumpe eingesogen wird. Durch einen Filter versteht sich, damit man keine Fische im Anschluss mitsamt Fäkalien in den Abwassertank pumpt. Die Dinger sind prima, weil sie kein Wasser aus dem Frischwassertank verschwenden.
Ich kenne sie. Als ich ein Kind war, hatten wir ein Boot.
Weshalb ich auch weiß, wie man durch Schleusen fährt, wo Backbord und Steuerbord ist, wie man eine Seekarte liest, kurz ich wäre weitaus eher geeignet für Bootsführerschein und Charterschein, aber beides gibt es eben nicht barrierefrei.
Ich schiebe die Holztür vom Bad wieder auf, suche vergeblich meinen Mann, höre lediglich seine Stimme von hinten außen auf dem Boot.
Ich linse verstohlen auf den Bollerwagen. „Kannst du“, rufe ich dazwischen, „schon mal das Gepäck rein tragen? Dann kann ich einräumen, bevor die anderen da sind!“
Fünf Minuten später stehe ich da in meinem Rolli vor einem 25 Kilo schweren Koffer in der größten, weil barrierefreien Schlafkoje und überlege, wie ich das Ding ausleeren soll.
Der Gemahl hat sich auf den Weg zur Charterschein-Gruppe gemacht.
Ich bin allein.
Aber geht nicht, gibt es nicht, demzufolge in die Hände gespuckt, aus dem Rolli auf den Boden gestemmt, Koffer umgedreht und los geht’s.
Erst mal alles aufs Bett.
Dann ich selbst aufs Bett. (Muskelkraft-Oberarme-Stützapperat-du liebe Güte ich bin 50)
Zwanzig Minuten später sind alle Klamotten im Schrank, der Koffer leer.
Fünfundzwanzig Minuten später sind alle mitgebrachten Lebensmittelvorräte verstaut, die Tasche leer.
Dreißig Minuten später habe ich alle Betten bezogen, nachdem ich die Bettwäsche von Ikea in einer überdimensionierten Ikea-Plastiktüte entdeckt habe.
Fünfunddreißig Minuten danach überzeugt mich ein Blick in den Spiegel, dass es eine gute Idee wäre, die schweißverklebten Haare zu einem Zopf hoch zu binden.
Gedacht getan. Die Bürste landet im Beauty-Case, ich schwinge herum, hinaus aus dem Mini-Bad und.....
„Ah!“, meine Hand schnellt zum Herzen. Im Eingang steht ein Delfin. Oder ein Hai.
Oder besser gesagt, ein Zehnjähriger, dessen blonde Locken aus einer Masse Stoffdelfinen oder Haien, nebst einer Schildkröte und einem Schnabeltier herausragen.
„Hallo Christiane“, lacht er und rast an mir vorbei in die andere Kajüte, deren Bett er in Beschlag nimmt.
„Hallo Nikolas!“, ich drehe mich um, nehme Steffi in die Arme, „Tom ist grad zum Charterschein raus. Wo ist Thomas?“
Und da kommt er. In dunkelblauen Bermudas und Polo zerrt er den zweiten Bollerwagen herbei und bremst ihn neben deren ersten ab, der neben dem unseren steht. Dort stehen also drei.
Pro Boot nur ein Bollerwagen, denke ich, sage aber nichts.
„Thomas darf hier nicht aufs Klo“, kichert Steffi.
„Was?“ Ich blinzele irritiert.
„Ja, wir kamen hier an, er düst aufs Klo oben zu, und schon kam so eine ältere Rothaarige und blafft, er dürfe hier nicht aufs Klo.“
Steffi kommt aus dem Kichern nicht mehr raus.
Ich wische mir den Schweiß von der Stirn. „Kaum zu glauben. Ich war aber oben. Die sind eigentlich total nett hier. Wie sah die denn aus?“
„Siehi dohort“, lacht sie gackernd, zeigt auf einen Rotschopf, der den Steg hinauf marschiert und knickt auf das Klappsofa nieder, wo sie sich den Bauch hält.
„Das ist die Putzfrau“, gebe ich lakonisch zurück.
„Huahahaha!“ ,Steffi hält sich den Bauch, „Controler im mittleren Management. In Preußen von Putzfrauhaua..hahaha...ins Achtung gestellt.“
Ich muss selber lachen. „Dann geh‘ doch hier“, schlage ich vor.
Im Hintergrund, noch auf dem Steg, winkt Jan. Ich winke zurück.
„Nee, wegen des Frischwassers. Müssen wir ja nicht direkt verschwenden.“
„Das ist ein Yacht-WC“, wende ich ein, was aber überhört wird, „Na gut. Ich komme mit.“
„Gibt’s hier W-Lan?“
„Hallo Jan.“
Oben angekommen finden wir die Putzfrau mit Dienstrang eines Heeresfeldwebels in der Nähe des Klos Lappen auf einem Wäschereck aufhängend.
„Entschuldigung! Können Sie mir sagen, warum er hier“, ich schubse den Controller nach vorne, „hier nicht aufs Klo darf?“
Sie hält inne, scannt uns mit Röntgenblick. „Er ist zu spät.“
„Zu spät für was?“
„Der Charterschein---“
„Den macht mein Mann und der ist schon auf dem Wasser.“
„Ah so! Ja, denne...“, sie fischt den Kloschlüssel aus der Kitteltasche und schließt die Toilette auf, „aber das nächste Mal pünktlich.“
„Jawoll!“, salutiert Thomas mit militärischem Gruß, was sie böse beäugt und entschwindet.
Ich tue es ihr gleich.