Wir bleiben bis kurz nach Mittag, quälen uns zurück zum Kanal und biegen nach Brandenburg ab.
Die Route ist lieblich anzusehen, ist aber bei weitem nicht so unberührt wie die, der ersten Tage Richtung Pritzerbe. So entscheiden wir, eine favorisierte Strecke zu haben, hier nur Brandenburg mitzunehmen und wieder zurückzufahren.
„Ich bezweifle, dass wir das heute noch schaffen“, wage ich einen Einwurf.
„Bis zum Plauer Hafen bestimmt“, ruft Tom vom Ruder und weicht einem Angler aus.
„Wenn wir am Hafen sind und den Abwassertank abpumpen lassen.....“, beginne ich und werde rüde unterbrochen.
„Der ist nicht voll.“
„Wenn wir am Hafen sind, und den Abwassertank abpumpen....“
„Der kann nicht voll sein.“
„Wenn wir am Hafen sind, und den Abwassertank abpumpen lassen, dessen Vollsein du konsequent negierst, können wir ja gleich Frischwasser tanken.“
Im Hintergrund, auf dem Bettsofa lümmelnd, kichert Steffi wie verrückt. Sie kichert immer, wenn sie einem Disput zwischen mir und meinem Mann lauscht.
Ich sehe sie an. „Was kicherst du immer so, wenn ich mit meinem Mann streite?“
„Wegen der eingeschobenen Nebensätze, hihihi, das ist sooo witzig.“
„Wir streiten nie“, mein Mann reicht mir seine Zigarette, damit ich sie im Aschenbecher ausdrücke, „wir diskutieren nur viel.“
„Mach mal einer die Pumpe an!“, blökt es vom Klo.
„Das ist ein Yacht-WC“, wispere ich resigniert und empfinde einen stechenden Schmerz in meinem linken Oberschenkel.
„Scheiße.“
„Was ist?“ Meine Freundin legt ihre Hand auf meine Schulter.
„Nervenschmerzen.“
„Schlimm?“
„Geht so. Ich mache ein Wärmepflaster drauf und nehm Rivotril.“
Das Wärmepflaster ist ein Hitzepflaster, und das Witzige ist, dass ich die Hitze gar nicht spüre, wohl aber die Linderung durch eben die. Das muss ich nicht erklären, das wissen alle an Bord. Und funktionieren kann das mit oben stehendem Medikament nur bei leichten bis mittelprächtigen Schmerzen.
„Wenn ich zu Hause bin, halte ich auch noch das Heizkissen auf höchster Stufe drauf“, zische ich vor Schmerz.
„Wenn wir eine Mikrowelle hätten“, seufzt Nicolas, sein kirschkerngefülltes Schnabeltier an sich drückend, „könnte Schnabli dir helfen.“
„Ist nichts zu machen, Nicki“, ich wende mich den Erwachsenen zu, „Ich leg mich hin. Macht alles, wie geplant. Ich bleibe einfach an Bord.“
Durch die Tropfen eingedöst, erwache ich, als wir gerade am Brandenburger Hafen anlegen. Direkt hinter einer Yacht, die wir nicht einmal gestreift haben. Während Tom mit der Hafenmeisterei wegen der Gebühren telefoniert, klettere ich vom Bett in den Rolli und komme aufs Deck, von wo wir entgeistert auf die Promenade stieren.
Da oben steht ein Typ in japanischer Kriegertracht und kämpft mit sich selbst.
Will sagen, es wäre Kendo, wenn er irgendwen hätte, der genauso angezogen wäre wie er, und auch einen Stock schwingen könnte.
Die meisten Leute bemerken ihn schon gar nicht mehr, als wäre er Teil der Promenade und sie seinen Anblick gewöhnt, aber wir sind das keineswegs, weshalb wir eine Weile irritiert zusehen.
Bis Nicolas, der Schnabli an sich drückt, aufgeregt an Land gestikuliert. „Wenn es da ein Geschäft gibt, kann ich ja fragen...“
„Ich bleibe auch hier“, Steffi drückt mir den Oberschenkel, „Vielleicht könnt ihr Männer Kuchen besorgen?“
Wir sehen zu, wie sie von Bord kraxeln. Ich seufze matt, froh, Steffi die Kommunikation überlassen zu können, als eine Frau aus der Hafenmeisterei angeradelt kommt, um die Gebühren zu kassieren.
Plötzlich schaukelt das ganze Hausboot.
Ich blicke auf, direkt in die strahlend blauen Augen Nicolas‘ der mir ein glühend heißes Schnabli entgegenstreckt. „Ich habe oben im Kiosk gefragt. Ob sie eine Mikrowelle haben.“
Jan, dahinter stehend, dreht sein Basecap gerade. „Stimmt. Hat denen nen ganzen Roman erzählt.“
„Danke, Nicolas“, ich lasse mich von ihm umarmen, und zu, dass er Schnabli unter meinen Oberschenkel schiebt.