Am nächsten Morgen waren wir schon früh wach und genossen das ausführliche Frühstück, ehe wir uns mit unseren Sachen auf den Weg zu Anwesen Nummer eins machten. Es war ein großes Herrenhaus und hatte eine tolle Lage. Nicht am See, dafür aber von Feldern umgeben, die dazu gehörten. Sie wurden aktuell durch einen Bauern bestellt, konnten aber bei Bedarf eben auch nicht mehr bestellt werden, was stark dafür sprach – so kam niemand an die Anlage heran und man hatte genug Platz gegebenenfalls noch weitere Unterkünfte zu errichten, so wie auch im jetzigen Club.
Das Haus an sich war etwas kleiner als das in Meckpom, aber Jan war dem ganzen nicht abgeneigt. Vom Stil her, war es recht ähnlich, wenn die Fassade auch in einem Babyblau gehalten war – nichts, was man nicht ändern konnte.
Der Zustand war solide, wobei deutliche Renovierungsarbeiten vor allem im Küchenbereich und in der obersten Etage von Nöten waren, außerdem konnte man überlegen, ob man den Speicher ausbauen wollte. Der Preis war recht hoch, aber irgendwie hatte es seinen ganz eigenen Charme, während ich mir einen Jane Austen Charakter vorstellte, wie er mit weitem wehendem Kleid über die Wiese bis hin zum Feld lief, auf dem Wein angebaut wurde.
Und der Wein war in meinen Augen ein wirklicher Glückstreffer – im Optimalfall konnte man den gleich als Hauswein anbieten, selbst produzieren. Drittes Standbein sozusagen – ein kleines Imperium. Jan schien das Ganze noch etwas reservierter zu sehen, aber deswegen war ich wohl auch die Marketingtante und nicht er.
Die Frau, die uns das Anwesen gezeigt hatte, gab uns zuletzt noch einmal ihre Karte und lächelte dann zufrieden als sie uns kurz allein ließ. Wir gingen noch einmal durch die große Scheune, die einmal aus Stallungen bestanden hatten und ich überlegte mir, wie wir Jans kleine Scheune in diese große Halle umbauen konnten. Es war ideal für den Dungeon, den es in diesem Anwesen nicht gab, weil der Keller nicht entsprechend ausgebaut worden war.
„Durchaus nett“, kommentierte Jan das Haus noch einmal mit dem Blick auf den Innenhof, ehe er mit mir ins Auto stieg und schließlich etwas Gas gab. Wir hatten uns länger als geplant mit dem Anwesen auseinander gesetzt, hatten noch einen Ordner voller Fakten mitgegeben bekommen, den wir uns in Ruhe durchlesen wollten.
„Ich finde es toll, ein wenig als würde Mr. Darcy gleich durch das Fenster schauen“, grinste ich und bekam dann von ihm einen überraschten Blick.
„Mr. Darcy also, ein verschrobener Engländer? Das gefällt dir?“
„Natürlich gefällt mir Mr. Darcy. Ich kenne keine Frau, der es nicht ähnlich ergeht. Er ist reich und gebildet und irgendwie, naja.. so wie du. Abweisend und dabei heiß“, versuchte ich es ihm zu erklären, während er nur leicht den Kopf schüttelte.
„Abweisend? Wann bin ich das denn?“
„Wenn du mich so finster anschaust und mir sagst, ich solle mich auf den Boden knien und darüber nachdenken, was ich falsch gemacht habe“, warf ich ein und schob schließlich noch die Anrede hinterher. Wir wechselten gerade die Ebene, wie mir auch deutlich bewusst wurde.
„Soso“, gab er nur amüsiert zurück und angelte wieder nach meiner Hand.
So schön das Anwesen in Leipzig auch gewesen war, so schrecklich war das in der Nähe von Düren. Ich hatte eigentlich große Hoffnungen gehabt, aber der Zustand war absolut furchtbar. Unabhängig von dem Geld, das hinein gesteckt werden musste, stellte sich heraus, dass die Angaben, die im Internet gemacht worden waren nicht einmal ansatzweise mit der Realität übereinstimmten.
Einige Fenster waren kaputt, es hatte hereingeregnet und schimmelte also an einigen Stellen, während der Garten absolut verwildert war und überall alte Gartengeräte sowie ein Traktor im Gras einwuchsen. Es war eine halbe Mülldeponie und ich war mir absolut sicher, dass das nicht das Richtige war. Jan zum Glück auch, wie er mir am Mittwochabend im Hotelzimmer mitteilte.
Wir hatten uns dieses Mal Essen auf das Zimmer bringen lassen und saßen nun mit einem großen Sandwich auf dem Bett in Unterwäsche. Absolut unsexy, aber das war uns egal. Ich liebte es vor Jan einfach ich sein zu können und das gehörte ebenso dazu, wie das Pupsen, dass sich manchmal nicht unterdrücken ließ.
„Wir haben es uns angeschaut und das war auch gut so, aber es steht nicht im Vergleich mit Leipzig. Das Herrenhaus dort hatte seinen ganz eigenen Charme, auch wenn da finanziell immernoch etwas gemacht werden muss. Köln können wir vergessen“, erklärte er mir, eine Pommes von meinem Teller mopsend und sie sich dann genüsslich in den Mund schiebend. Ich lächelte nur und hielt ihm den restlichen Teller hin. Mein Sandwich war leer und ich war pappsatt.
„Sehe ich auch so“, stimmte ich ihm zu und amüsierte mich dann darüber, wie er meinen Teller nahm und die letzten Pommes aß. Auch gut, immerhin war das Essen im Hotel nie wirklich billig. Da etwas wegzuwerfen, war eine Schande.
„Soll ich morgen als erstes fahren?“, fragte ich schließlich, mich an ihn lehnend. Er wog den Kopf leicht hin und her, nickte dann aber.
„Ja, das wäre schön. Dann hast du die ätzende Strecke aus Köln raus und ich nur schöne Autobahn“, freute er sich, woraufhin ich grinsen musste. Ja, manchmal war er schon ein kleines Arschloch.
Wir hatten die Tage über keinen Sex, während wir unterwegs waren. Weder in Leipzig, noch in Köln, was aber auch damit zusammenhing, dass wir am Ende des Tages nur noch müde in den Seilen hingen. Als wir dann in Berlin ankamen am Donnerstagabend, wurde es nicht besser und so schliefen wir am Ende aneinander gekuschelt auf meinem Bett ein, während ich mir noch Gedanken darüber machte, dass wir die letzten Tage fast ausschließlich auf Augenhöhe verbracht hatten. Das war zwar notwendig gewesen, weil wir die meiste Zeit über die Arbeit geredet hatten, aber so langsam vermisste ich den dominanten Mann an meiner Seite, der mir an den Haaren zog. Zumindest ein wenig oberflächlich.
Und obwohl ich mir am Abend zuvor erhofft hatte, dass Jan etwas härter durchgreifen würde, war ich am Freitagmorgen an meinem Esstisch sitzend, den ich noch nicht gedeckt hatte, absolut zu nervös um die ersten Anzeichen auch nur zu erkennen. Immerhin würden meine Freunde Jan kennenlernen – was war, wenn Samy und Jessi nicht mit ihm klar kamen? Was, wenn er sich nicht wohl fühlen würde? Wie sollte ich damit umgehen?
„Elena“, holte mich Jans Stimme ungeduldig aus meinen Gedanken. Er stand vor mir, die Arme verschränkt und mit missmutigem Blick in den Augen. Hatte ich ihn etwas nicht gehört?
„Hm?“
„Es reicht“, verkündete er und beugte sich dann langsam über den Tisch, sodass er mich schließlich damit einkesselte. Ich lag hingegen mit meinem Rücken auf der Kante, was nicht gerade sehr angenehm war und schluckte stark.
„Es tut mir leid, Daddy“, versuchte ich es kläglich, aber er schnappte mich nur im Nacken und drehte mich in einer unangenehmen Bewegung herum, dass nicht nur meine Brust an der Tischplatte klebte sondern auch meine Wange. Ausgesprochen hart und fast schon schmerzhaft.
„Dein ewiges Tut mir leid kannst du dir sonst wohin stecken. Du bist seit gestern Nachmittag nicht mehr bei der Sache, hörst mir nicht mehr zu. Es wird Zeit, dass du dich endlich wieder fokussierst“, entschied er und pinnte dann meine Hände in meinem Nacken mit einer Hand fest, nachdem ich versucht hatte sie dort zu lösen.
„Au“, gab ich jammernd von mir, aber er brummte nur auf, während die andere Hand erst genüsslich über meinen Rücken strich und sich dann mit einem Ruck an meiner Unterhose zu schaffen machte. Trotz zusammengepresster Knie hing sie mir fast sofort an den Knöcheln.
„Hör auf zu jammern. Das tut noch nicht weh, sondern dein Hintern, wenn ich mit dir fertig bin. Du wirst dich jetzt vollständig ausziehen und dich dann aufs Bett legen“, wies er mich an und ließ mich erst los, nachdem ich ihm das auch bestätigt hatte.
Es war komisch, dass er umgeswitcht war, zumal in meiner Wohnung, in der wir zuvor nur auf Augenhöher miteinander agiert hatten. Trotzdem befolgte ich seiner Anweisung und legte mich nackt auf das Bett, wartete ab, bis sich die Matratze neben mir senkte und seine großen Hände sich auf meinen Hintern legten, ihn fest und fast nicht mehr angenehm knautschten.
„Die Hände legst du oben ans Kopfende und bewegst sie nicht, ansonsten muss ich sie fesseln. Aber das schaffst du doch, oder?“, schnurrte er, ließ seine Hände über meinen Körper laufen. Ich seufzte zunächst wohlig auf, keuchte dann aber erschrocken auf, als er nicht gerade sanft auf meinen Hintern geschlagen hatte. Genau genommen pierte das ziemlich und tat mir weh.
„Au“, bockte ich leicht auf, aber seine Hand an meinem Rücken drückte mich wieder nach unten. Ich hätte strampeln können, aber ich wusste, dass das nichts brachte. Wenn Jan sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann kam es auch genau so. Genau so, wie er mir jetzt geduldig den Hintern rot schlug, bis ich nur noch ächzend und stöhnend auf der Decke lag. Es brannte wirklich, auch wenn mich meine Erregung langsam wieder im Griff hatte. Wie immer kroch sie langsam in mir hoch, züngelte in meinem Bauch hinauf, ließ meine Klit pulsieren. Manchmal war sie wirklich ein Miststück.
Sein Finger ertastete kurz die Feuchtigkeit in mir, ehe er mir etwas zu zischte. Irgendetwas mit Gleitgel, was ich mit einem: „Im Badezimmerschrank“ beantwortete.
Er verschwand in der Zeit, in der ich mich noch auf dem Bett rekelte, um den Brennen zu entgehen, dass sich in mir ausbreitete. Er hatte wirklich hart zu geschlagen, obwohl ich ja wusste, warum er es getan hatte. Ich war meiner Pflicht nicht nachgekommen und es war sein gutes Recht mich zurecht zu weisen. Und es war verdammt heiß. Und dennoch nagte ein kleines bisschen Zweifel an mir, ließ meine Gefühle wirr laufen.
Denn was darauf folgte, war kein eigentlicher Liebesakt. Jan war ungehalten, vielleicht ein wenig harsch, als er den ersten Finger in mich schob und danach den zweiten. Ich hingegen schwebte auf dem Schmerz, den er mir zuvor beschert hatte, fühlte die Erregung in meiner Klit, die er immer und immer wieder auf das Kissen drückte, dass er unter mir platziert hatte, während er mich fingerte, dehnte und dann einfach nahm.
Keine Vorwarnung bis auf das Belasten der Matratze, als er sich schon in mich schob, sich auf meinen Rücken legte und kaum wartete, ehe er einen intensiven Takt einsetzte. Es war hart, fast schon schmerzhaft, aber es zog sich dennoch nach vorn, während ich immer und immer wieder gequält aufstöhnte, unruhig mein Becken an ihn drängte in der Hoffnung ihn noch tiefer in mir zu fühlen.
„Fuck“, knurrte er an meinem Ohr, die Hände neben mir abgestützt, während er immer stärker, immer tiefer wurde. Und ich konnte nicht anders, als kehlig zu stöhnen und mich dem Gefühl der Erregung hinzugeben, dass mich langsam zu verzehren drohte.
„Bitte“, jammerte ich, unsicher wonach ich ihn danach fragte. Mehr? Schneller? Tiefer? Enger? Aber es war schon zu spät, denn mit einem absolut kehligen Stöhnen ergoss er sich in mir. Und dieses Mal ging ich leer aus.
Kaum, dass er aus mir war, verschwand er schon ins Bad, während ich meine Hand langsam zu meiner Mitte gleiten ließ, aber als er wiederkam und mich so sah, donnerte er mir nur eine scharfe Anweisung entgegen und haute mir noch einmal so derbe auf den brennenden Hintern, dass mir Tränen in die Augen stiegen. Dieses Mal fehlte allerdings das Zuckerbrot, denn wenn er mich sonst in den Arm genommen hatte und getröstet, so zischte er mir nun etwas in die Art wie „selbstverschuldet“ zu und machte sich dann daran mich zu säubern.
Das machte mich fertig. Neben meiner Erregung, die abflaute, hinterließ das auch ein fast schon schmutziges Gefühl benutzt worden zu sein. Seine Lust, sein Spielzeug. Und so fehlte mir die Kuscheleinheit noch mehr, als ich ihn leise um Entschuldigung bat, die er zwar annahm, mir danach aber noch einmal klar machte, dass es mein Problem war, dass ich nicht gekommen war und dass er mir keinen Orgasmus mehr erlauben würde. Doof gelaufen, sozusagen.
Ich verschwand danach für eine Dusche ins Badezimmer, starrte die Fliesen an und versuchte das Chaos in mir irgendwie zu bewältigen. Es war selten, dass er so harsch zu mir war, aber es störte mich eigentlich nicht. Es fühlte sich nicht falsch an, wenn überhaupt war ich frustriert. Frustriert nicht gekommen zu sein und frustriert ihm nicht in dem Maße gefallen zu haben, wie ich es wollte.
So raffte ich mich schließlich irgendwann zusammen, föhnte mir die Haare und tapste dann nur in Unterhose und T-Shirt, aber trocken, durch meine Wohnung, bis ich ihn am Esstisch sitzend fand. Der Tisch war gedeckt und er hatte sich bereits einen neuen Kaffee gemacht, den er in aller Selenruhe trank, während er nebenher auf seinem Rechner herum tippte, wahrscheinlich Mails beantwortete.
Kurz blieb ich stehen, genoss den Geruch der Brötchen, aber meine Gefühle lagen mir noch immer schief im Magen. Schief genug, dass ich mich selbst durchrang etwas zu tun, von dem ich bisher abgesehen hatte.
Zögerlich ging ich zu ihm hinüber und kniete mich dann so, wie Simon es manchmal vor Raphael tat, vor ihn hin. Die Beine gespreizt, die Handflächen nach oben, den Kopf gesenkt. Ich sah nicht, ob er sich mir zuwandte, wartete dort eine gefühlte Ewigkeit, in der keine Reaktion von ihm kam. Aber das war auch gut so, so hatte ich Zeit mir meine Worte zurecht zu legen, bis er endlich unter mein Kinn griff und mir einen aufmerksamen Blick schenkte. Er war nicht böse, nicht mehr.
„Es tut mir leid, Daddy. Ich weiß, dass ich manchmal Fehler mache und manchmal lasse ich deine Anrede auch absichtlich weg, aber ich wollte dich nicht ignorieren. Ich will mir auch keine Sorgen machen wegen Morgen. Ich will dich glücklich machen, aber manchmal klappt es nicht und es, es tut mir einfach leid“, versuchte ich mein inneres Wirrwarr irgendwie zu beschreiben.
„Es ist gut, dass du deine Fehler einsiehst. Dann verstehst du, warum ich gehandelt habe wie ich gehandelt habe. Aber das Ganze war auch Zweck deiner Bestrafung. Dass du mich jetzt um Vergebung bittest, wird dir deinen Orgasmus nicht zurückbringen. Das ist dir klar, nicht wahr Kleines?“, fragte er ernst. Keine Amüsement in seiner Stimme, kein Blitzen in seinen Augen. Der Dom tadelte mich und der Sub in mir, so klein er auch manchmal war, versuchte die enttäuschten Tränen weg zu klimpern, weil er es nicht geschafft hatte ihn zufrieden zu stellen.
„Das weiß ich, Daddy. Es geht nicht um den Orgasmus. Ich wünsche mir, dass du, dass wir beide..“, versuchte ich es irgendwie zu umschreiben, dass ich Angst hatte, dass er mich gerade weniger liebte. Dass er mich gerade weniger in seiner Nähe wollte.
„Hör mir jetzt gut zu, denn ich werde es dir nur einmal erklären, Elena“, erwiderte er etwas schärfer, hielt aber mein Kinn weiterhin fest und sah mir fest in die Augen, „ich bestrafe dich, weil du etwas falsch gemacht hast. Wenn du deine Fehler einsiehst und dich entschuldigst, dann ist es nicht vergessen, aber abgegolten. Ich werde dich danach nicht für etwas bestrafen, für das du schon zu Kreuze gekrochen bist.“
Erleichterung durchflutete mich, auch wenn ich das noch nicht wahr haben wollte. Immerhin war sein Blick nicht sanft, nicht liebevoll. Aber seine Hand wurde es, denn er strich mir sanft über den Kopf und griff dann nach etwas auf dem Tisch, hielt mir ein Stück Apfel vor die Nase.
„Mund auf“, kommentierte er schlicht, bis ich abgebissen hatte und kaute. Demütigung? Mit brennendem Hintern und seinem scharfen Blick? Absolut. Aber irgendwie war auch das nicht falsch.
Und so fuhr er fort, hielt mir während er sich wieder seinem Laptop zuwandte von Zeit zu Zeit ein Stück Brötchen oder aber Obst vor die Nase, fütterte mich, während ich mich irgendwann zunehmend entspannte. Etwas für jeden Tag? Absolut nicht. Aber gab mir die ganze Situation gerade Kraft, das Gefühl beschützt zu werden, gehalten, vielleicht auch geführt? In jedem Fall. Und zwar so sehr, dass die Gedanken an den Samstagabend mittlerweile nicht mehr so schlimm waren wie zuvor.
Jan hatte mir schließlich einen Kaffee runtergegeben, den ich mir langsam einverleibt hatte, den Blick auf ihn nach oben gerichtet. Er ignorierte mich nicht, das merkte ich durchaus an der Hand, die sich immer wieder in mein Haar schlich und mich von Zeit zu Zeit kraulte, aber trotzdem sah er mich nicht an. Zumindest so lang nicht, bis es an der Tür klingelte.
„Erwartest du Besuch oder ein Paket?“, fragte er verwirrt nach, während ich ächzend ob meines brennenden Hinterns aufstand und zur Tür watschelte.
„Nein, Daddy“, nuschelte ich verwirrt und öffnete dann zögerlich die Tür, nur einen Spalt breit, damit auf der anderen Seite nicht gesehen wurde, wie wenig angezogen ich war. Zumindest in der Theorie.
„ELENA SCHNEIDER“, brüllte mich eine Frauenstimme an, die ich nur zu gut einordnen konnte. Die Tür flog auf, nicht zuletzt mich ein wenig in den Raum rein schiebend und meine Mutter, samt meines jüngeren Bruders, stürmten hinein. Dass ich nur halb angezogen war, störte keinen von Beiden. Immerhin hatte ich das schon vor Jahren so gemacht.
„Mama?“, hakte ich verwirrt nach, bemerkte erst mit Blick auf meinen Bruder, dass beide ausgesprochen wütend waren und nicht zuletzt deutlich verwirrt, weil ich mich kurz zu Jan umgedreht hatte und sie damit einen Blick auf meinen roten Po werfen konnten.
„Wie kannst du es gottverdammt wagen?! Wochenlang nicht melden und dann gestern nicht einmal aufmachen! Was zur Hölle ist los mit dir?“, zischte sie mich an.
„Mama, bitte“, versuchte ich es, aber da hatte ich nicht mit meiner Mutter gerechnet. Wir stritten nicht viel, aber wenn, dann war das in der Regel nicht schön. Weder für uns beide noch für andere drum herum. So wie in diesem Fall, als eine unglaublich anklagende und wütende Schimpftirade über mir fallen gelassen wurde, die mich fast erschlagen hätte, hätte Leo, mein Bruder, ihr nicht eine Hand auf die Schulter gelegt.
„Lass ihr wenigstens den Raum zu antworten, Mama“, meinte er, nicht minder wütend, aber er zeigte das normalerweise eher in seinem Blick und giftigen Antworten. Leo wurde nie laut, wobei auch wir uns in meinem Leben nur selten gestritten hatten.
„Willst du mir nicht endlich verraten was hier vor sich geht?!“, zischte sie schließlich und funkelte mich an, ehe auch sie Jan entdeckte. Oh, oh. Das war nicht gut.
„Mama, Leo, das ist mein Freund Jan“, versuchte ich den kläglichen Versuch etwas gegenzusteuern, was sie ablenken würde, aber sie wurde nur wieder wütend, kotzte sich darüber aus, wie ich auf einmal vom Erdboden verschluckt worden war, wie ich mich nicht gemeldet hatte, wie ich nicht geantwortet hatte und wie sie die letzten Tage an meiner Tür gestanden hatte, aber niemand aufgemacht hatte.
Und zugegebenermaßen, sie hatte recht. Seit dem Tod meines Vaters hatten wir alle drei ein sehr enges Verhältnis gehabt, das ich nun gekonnt über mehrere Wochen einfach ignoriert hatte. Jan hatte mich eingenommen, auch wenn es nicht fair war ihm die Schuld dafür zu zuschieben.
„Nun, es freut mich sehr, dass du einen Freund hast, aber willst du es mir nicht endlich erklären?“, zischte meine Mutter noch einmal, ihre Handtasche bereits in eine Ecke pfeffernd und dann schnurstracks an mir vorbei zum Sofa laufend. Leo räusperte sich, nickte Jan wenigstens zu, ehe er ihr auch folgte.
Ich warf Jan einen vorsichtigen Blick zu, aber auf seiner Stirn war nur eine große Falte zu sehen. Vielleicht hatte ich ihm zwar erzählt, dass ich mich weniger als sonst gemeldet hatte, aber ich hatte vielleicht in all dem Stress auch unter den Tisch fallen lassen, dass wir sonst regelmäßig Kontakt gehabt hatten. Das würde in jedem Fall auch noch Probleme geben.
„Elena?!“, holte mich meine Mutter aus meinen Gedanken, der ich dann also ins Wohnzimmer folgte und sie und meinen Bruder auf dem Sofa musterte. Na immerhin, es hielt die Beiden aus also wohl auch Jan und mich.
„Ich höre!“, forderte sie mich auf, funkelte wütend, während ich nervös mein Shirt etwas nach unten zog und versuchte mich so zu drehen, dass sie immerhin nicht dauerhaften Blick auf meinen Hintern hatten.
„Ich war vor ein paar Wochen auf einem Business Trip, mein Auto ist kaputt gegangen und ich hatte Glück und habe ein äh Resort gefunden, in dem ich über Nacht unterkommen konnte. Es hat sich herausgestellt, dass der Besitzer ein ehemaliger Bekannter von dem Festival ist, wo ich früher im Ausschank gearbeitet habe. Und er hat mir ein wenig geholfen das mit dem Auto zu klären, dass ich bis Sonntag geblieben bin“, fing ich an und warf einen Blick auf Jan, der zwar mit verschränkten Armen im Türrahmen stand und mich musterte, aber nichts zu dem sogenannten Resort sagte.
„Hm. Weiter “, brummte meine Mutter missmutig, hatte sich die halbleere Wasserflasche neben dem Sofa geangelt. Die Wut war verraucht, jetzt wo sie mich angemotzt hatte und sie wollte eine Entschuldigung hören, das war auch mir klar.
„Ich bin danach nach Hause gefahren, aber hier ist alles den Bach runter gegangen. Jedenfalls war ich nach zwei Wochen arbeitslos und ein wenig überfordert und Jan hat sich dann um mich gekümmert. Und weil es eben grade gepasst hat, bin ich mit ihm nach Mecklenburg-Vorpommern gegangen, er hat einen großen Hof und naja, ich konnte abschalten“, versuchte ich es gut zu umschreiben. Aber wie erzählte man von Gefühlen, von neuen Dingen, die die Beziehung von uns beiden so maßgeblich wichtigmachten, ohne dabei ins Detail zu gehen.
„Und dann hast du dich auf einmal nicht mehr gemeldet, bist nicht mehr ans Telefon gegangen und hast gestern nicht einmal die Tür geöffnet. Dein Nachbar meinte schon du wärst ausgezogen!“, warf sie mir vor und schmetterte einen weißen Umschlag regelrecht vor mich auf den Tisch, ein Brief, der wohl nicht weitergeleitet worden war. Zögerlich sah ich dort hin, nahm ihn dann hoch und warf ihn dann mehr oder weniger nebenbei zurück. Nur eine Rechnung, nichts Dramatisches.
„Willst du mir das vielleicht noch einmal richtig erklären?“, zischte sie mir nun mit verschränkten Armen entgegen, warf einen wütenden Blick zu Jan, der auf mich zu kam, allerdings mich nicht berührte und nur neben mir Stellung bezog.
„Das ist nicht so ganz einfach, Mama. Jan und ich sind zusammen und ich bin vielleicht etwas überwältigt worden von äh, meinen Gefühlen?“, versuchte ich es zu umschreiben.
„Ach, natürlich. Und deswegen ziehst du dich zurück, meldest dich nicht mehr, so schlimm sogar, dass ich dich nicht einmal über das Handy orten kann. Du reagierst nicht, ignorierst uns. Bist du in einen Drogenring eingestiegen, oder was?“, warf sie mir halb vor, dass Jan neben mir die Arme verschränkte. Aber auch auf meinen flehenden Blick hin meldete er sich nicht, musterte mich nur tadelnd – vielleicht sogar enttäuscht?
„Natürlich nicht, Mama. Ich war einfach nur beschäftigt. Jan und ich haben Zeit miteinander verbracht und“, fing ich an, wurde aber unterbrochen.
„Und was ist mit der Arbeit? Du hast deine doch gekündigt“, forderte sie mehr, als ich eigentlich bereit war zu geben.
„Ich unterstütze Jan jetzt bei seinem Job“, gab ich vorsichtig zu, warf noch einen vorsichtigen Blick zu ihm, während meine Mutter schnaubte.
„Das sehe ich. Nackt mit rotem Hintern, Ela. Vielleicht doch eher eine Nutte?“
„Es reicht“, warf Jan scharf dazwischen, griff jetzt doch ein, als ich meine Mutter schockiert ansah. Es war nur fair, dass sie wütend war. Und dennoch war das ein furchtbarer Vorwurf, einer, der unterhalb der Gürtellinie lag.
„Es tut mir ausgesprochen leid, dass Sie in den letzten Wochen weniger Kontakt mit Ihrer Tochter hatten. Aber ich kann Ihnen versichern, dass Elena weder einem Drogenring beigetreten ist noch sich prostituiert. Sie arbeitet als Assistenz der Geschäftsführung auf ihren eigenen Wunsch hin. Sexuelle Leistungen sind nicht einberechnet, bevor Sie das fragen möchten. Und mit Verlaub, was meine Freundin und ich privat im Bett treiben, sollte für Sie beide keinerlei Relevanz haben, insofern ich ihr nicht schade und nichts gegen ihren Willen unternehme“, erklärte er leicht verärgert, dass ich mir auf die Unterlippe biss und nach seiner Hand angelte. Beschämt.
Und Jan akzeptierte diese kleine Geste, legte seinen Arm um mich, nicht ganz so beschützend, wie ich es gern gehabt hätte, aber am Ende sahen sie so weniger von meinem roten Hintern.
Stille herrschte zwischen uns, die sich drückend durch den Raum zog. Leo musterte mich, der Sunnyboy, der seine blonden Haare immer perfekt stylte und jeden scheiß Tag im Fitnessstudio war, der mit den Segelschuhen und dem Polo-Hemd. Meine Familie war nicht arm und das sah man ihm noch mehr an als mir.
Meine Mutter hingegen stieß die Luft aus, in etwa so, als hatte sie es geahnt. Aber sie sah mich weder voller Ekel an noch mit Vorwurf in den Augen.
„Das stimmt selbstverständlich. Vielleicht können Sie jedoch nachvollziehen, wie man sich als Mutter Sorgen macht um die eigene Tochter, wenn sie so urplötzlich von der Bildfläche verschwindet“, warf sie ein, während über ihr Gesicht kurz ein gequälter Ausdruck lief, dann Resignation, als sie mich noch einmal musterte und wohl feststellte, dass es eigentlich nicht so schlimm um mich bestellt war, wie angenommen. Und Jan machte im Grunde ja einen recht souveränen Eindruck.
Während ich erleichtert war, dass sie mich gerade nicht verstoßen wollte, schien Jan noch immer angespannt, musterte sie mit zusammengekniffenen Augen. Oh ja, er fand das furchtbar, wenn man ihm einen Strich durch seinen Plan machte. Und so hatte er das erste Aufeinandertreffen meiner Familie auf ihn garantiert nicht geplant.
Kaum hatte meine Mutter aber ihren Wutanfall gelöst, wandte sie sich mir zu und seufzte nur leise auf. Drei Schritte brauchte sie, ehe sie vor mir stand, gerade mal 5 Zentimeter größer als ich, während Jan neben mir etwas Abstand gewann.
„Wieso muss ich diese Sachen auch immer erst aus dir herauskitzeln, Ela. Das ist absoluter Mist. Du hättest es mir auch einfach sagen können“, meinte sie schließlich und strich mir über die Wange, wandte sich dann Jan zu, der mittlerweile tief Luft holte.
Das war Drama pur und gleichermaßen war die Situation noch immer angespannt.
„Ich bitte mein Verhalten zu entschuldigen. Das war keinesfalls gegen Sie noch gegen diese Beziehung gerichtet. Nach dem Tod meines Mannes habe ich immer ein enges Verhältnis zu meinen Kindern gepflegt. Dass Elena sich uns so entzogen hat, war furchtbar“, wandte sie sich dann an Jan, ehe sie ihm die Hand hinhielt.
„Ich bin Margarete, aber die Familie nennt mich Gretchen“, fügte sie noch an, woraufhin er zögerlich die Hand annahm und sie schüttelte.
„Jan“, lautete seine etwas zurückhaltende Antwort, ehe er einen Blick auf meinen Hintern warf, der wahrscheinlich immernoch leuchtete. Zumindest fühlte er sich so an.
„Leo“, warf mein Bruder von der Couch ein, wofür ich nur die Augen verdrehte und dann fast schon erleichtert zusah, wie die Stimmung wenigstens ein bisschen besser wurde. Auch wenn sie noch immer weit entfernt war von einer entspannten Situation.
„Und ihr seid jetzt wie lange zusammen?“, fragte sie schließlich, als Jan nicht weiter reagierte, überging meinen Po genauso wie die Tatsache, dass sie jetzt mehr Einblick in mein Sexleben hatte als gewollt. Interessanterweise juckte sie das wohl nicht.
„Ein paar Wochen. Elena wohnt seitdem bei mir. Es war ein Zufall, dass wir heute hier waren. Eigentlich ein Umweg“, erklärte Jan für mich, verschränkte wieder die Arme vor der Brust, als müsse er sich rechtfertigen, dass wir gestern die Tür nicht geöffnet hatten. Ich hingegen tipselte von links nach rechts, musterte die grauen Augen meiner Mutter, die mich auffordernd anschauten. Mir war auch klar, was sie von mir verlangte.
„Es tut mir leid, Mama. Ich war mir so unsicher, wie ich es dir sagen sollte. Und es war alles so viel und wir hatten so viel zu tun und ich habe einfach immer mehr Ausreden gefunden“, gestand ich ihr schließlich und bekam dafür einen Kuss auf die Wange gedrückt. Sie hatte mir verziehen.
„Dass du das ja nie wieder machst. Wir hatten schon Angst, wir würden dich verlieren“, brummte sie leise und ich schnaubte auf. Als wäre ich jemals in meinem Leben so waghalsig gewesen, etwas Dummes zu tun.
„Das weiß ich zu verhindern“, erwiderte Jan und warf ihr einen kurzen Blick zu, dann mir, den ich zaghaft erwiderte. Meine Mutter ließ mich los, setzte sich wieder zu meinem Bruder, während Jan den Platz an meiner Seite einnahm und mir die Hand in den Nacken legte. Drohung oder Halt? Wer wusste das schon so genau?
„Und ihr schlagt euch also beim Sex, ja?“, fragte Leo, nicht zuletzt etwas provokant, mit einem eindeutigen Blick in meine Richtung. Er ärgerte mich, was ein gutes Zeichen dafür war, dass auch er mir gerade verziehen hatte.
„Das geht dich gar nichts an“, zischte ich zurück, aber Jan hüstelte leicht.
„Ich werde genau genommen nicht geschlagen“, nutzte er die Gelegenheit zumindest ein bisschen Humor in die Situation zu bringen. Kurz wurde es still, ehe Leo anfing zu kichern wie ein kleines Mädchen und ich gestöhnt mein Gesicht an Jans Brust vergrub.
„Wusste gar nicht, dass du so krass drauf bist. Das mit den Halsbändern und so und dann die Peitsche und das ewige Knien“, meinte Leo, wollte mich nur ärgern, aber ich hörte da etwas heraus, dass mich aufschauen ließ.
„Na, woher kennst du dich denn so aus?“, fragte ich als Konter und sah zufrieden, wie er rot wie eine Tomate wurde. Tja, nicht mit mir.
„Gar nicht, natürlich, ich ähm“, krächzte er und sah dann auf sein vibrierendes Handy, auf dem ein Bild aufleuchtete, von einer jungen Frau mit bunten Haaren und einem Piercing in der Nase. So gar nicht das Püppchen, das er sonst immer an Land zog.
„Ist Sina schon Geschichte?“, flötete ich und bekam dafür einen giftigen Blick zurück. Die Frauen hielten oft nicht länger als drei Monate.
„Und wenn schon?“
„Dann ist das wohl dein neues Herzblatt. Legt die dich auch übers Knie?“
„Woher willst du das denn bitte wissen?“, motzte Leo zurück, deutlich in die Enge gedrängt. Das reichte mir schon, damit er nicht weiter sticheln würde.
„Du hast mir gar nicht erzählt, dass du auch eine neue Freundin hast“, warf Mama dafür ein und schenkte ihm denselben tadelnden Blick, den auch ich bekommen hatte. Ich atmete erleichtert auf, wir waren damit gerade aus der Schusslinie. Genug zumindest, dass ich kurz zwei Stühle holen konnte, dass Jan und ich uns hinsetzen konnten, während Leo uns peinlich berührt und nicht ganz freiwillig erzählte, dass er bei einer Kursarbeit in der Uni mit einem Mädchen zusammengesteckt worden war, das er eigentlich nicht hatte kennen lernen wollen und sie nun schon fast fünf Wochen zusammen waren.
Jan und ich hatten damit zwar über einen Monat Vorsprung, aber auch wir waren ja noch nicht lange zusammen. Sie hieß Maisie, studierte Kunstgeschichte und war nach dem Bild, dass er schließlich rumzeigte, deutlich rundlicher als all seine Freundinnen bisher – was ihm auch mal ganz gut tat. Er war immer sehr eitel gewesen.
„Ich wollte sie heute Nachmittag eigentlich im Café treffen, aber nachdem du länger geblieben bist, Mama“, seufzte er leise auf und warf einen Blick zu mir. Und ich war gekommen, hatte ihm ebenfalls einen Strich durch die Rechnung gemacht.
„Wir könnten alle hingehen, sie kennen lernen. Immerhin sind wir ausnahmsweise alle zusammen“, meinte die älteste anwesende Schneider im Raum und warf einen prüfenden Blick zu Jan, der leise aufseufzte. So hatte er sich den Tag wohl nicht geplant. Und ich ehrlich gesagt auch nicht.
Trotzdem stimmte er zu, allerdings wollte er vorher noch ein oder zwei Stunden arbeiten. Es gab Dinge, die er nicht aufschieben konnte. Und vielleicht mussten wir beide auch ein wenig reden, bevor wir sie wieder trafen.
„Das ist ja nicht so schlimm. Dann treffen wir uns um 16 Uhr in der Elisabethstraße“, verkündete meine Mutter, die durch mich und meinen Bruder Berlin mittlerweile auch sehr gut kannte, wobei sie gern wieder nach Hamburg wollte, zumindest am nächsten Tag, wie sie dann noch einwarf.
„Um 16 Uhr“, bestätigte ich ihr und ließ mich schließlich noch einmal von ihr drücken, ehe sie Leo gekonnt aus der Wohnung schob und ich mit Jan zurückblieb. Absolut peinlich berührt und besorgt, was er jetzt von mir denken würde.
Minutenlang sagte er nichts, starrte aus dem Fenster, dann wieder zur Tür, musterte mich lange um wieder hinaus zu starren. Seine Ruhe machte mich nervös, aber andererseits fühlte es sich wie eine kleine Strafe an. Er wog ab – aber ich wusste noch nicht was.
„Jan, bitte. Es tut mir leid, dass du so in die Schussbahn gekommen bist und es abbekommen hast. Ich wollte das nicht“, erklärte ich ihm, hörte ihn dann leise seufzen.
„Hör mir mal gut zu, Elena. Das war eine unglaublich unangenehme Situation. Für uns beide und ich wünsche mir, dass ich eine derartige Situation nicht noch einmal erleben muss. Deine Familie steht für dich an einer der obersten Stellen. Das ist gut und wichtig. Ich habe kein Recht mich einzumischen, wie und wann du dich bei deiner Familie meldest. Das möchte ich auch gar nicht. Allerdings will ich auch nicht der Grund sein, warum du dich nicht bei ihnen meldest und das war ich, das waren wir beide. Ich habe dich zu sehr in Beschlag genommen und du hast dich zu sehr auf mich fixiert. Das ist nicht gut und das ist etwas, an dem wir zukünftig definitiv arbeiten sollten“, hielt er mir eine kleine Moralpredigt, dass ich mir schuldbewusst auf die Unterlippe biss. Er hatte ja recht.
„Ich weiß, es ist scheiße gewesen. Und ich habe mich daneben benommen. Es tut mir leid. Für meine Eltern und es tut mir leid, dass du das gerade miterleben musst. Sie war wütend, das ist auch ok. Aber sie ist nicht nachtragend oder so. Aber, ich.. ich wollte das wirklich nicht“, gestand ich leise, fühlte seine Hand an meiner Wange, während er nickte, dann tief Luft holte.
„Du musst ehrlicher sein, was das angeht. Zu ihr und vor Allem auch zu mir, Elena. Ich war davon ausgegangen, dass du regelmäßig mit ihr telefoniert hast. Und ich werde mir wohlmöglich etwas einfallen lassen, um das zukünftig im Blick zu haben“, warnte er mich vor, was mich einerseits wütend machte, andererseits aber beschämt den Blick senken ließ. Vielleicht war es auch das, was ich brauchte. Dass er wieder einen Teil meines Lebens sanft anleitete. Allein schien ich es ja nicht auf die Reihe zu bekommen.
„Es tut mir wirklich leid, Daddy.“
„Ich weiß, Kleines. Aber jetzt ist es passiert und wir müssen damit leben. Lass uns arbeiten gehen, dann schaffen wir wenigstens noch etwas, bevor wir wieder los müssen“, bat er mich leise, dass ich mich kurz in seinen Arm schmiegte und ihm dann folgte. Arbeit war gut, das lenkte ab, während wir gemeinsam Zeit im Wohnzimmer verbrachten.
Er auf dem Sofa, ich auf meinem Kissen davor, den Laptop auf dem Schoß und am Mails beantworten, während er, wann immer seine Hand frei war, sie zu meinem Nacken gleiten ließ. Das schlechte Gewissen saß dennoch in mir, auch wenn ich so gesehen ihm gegenüber nichts verbrochen hatte. Außer vielleicht ein wenig geflunkert.
Als wir gegen 16 Uhr im Café ankamen, war das Wetter kurzzeitig aufgeklart, was uns die Möglichkeit gab trockenen Fußes in das kleine Geschäft zu gehen, wo die restlichen drei schon auf uns warteten.
Maisie war niedlich, etwas kleiner als ich, strahlte aber, als sie mir um den Hals fiel. Leo hatte wohl schon einiges von mir erzählt und so wie sie es ausdrückte nur Gutes. Jan reichte sie die Hand, ehe wir uns gemeinsam setzten und dann eine eher neutrale Fragerunde startete, die wohl an beide gerichtet war. Jan ließ das Ganze ruhig über sich ergehen, antwortete, hakte nach, aber ich merkte, dass er sich mehr auf mich konzentrierte als auf die anderen.
Schließlich legte er den Arm um mich, zog mich somit leicht zu sich heran, als man uns brachte, was wir bestellt hatten. Wobei Jan in diesem Fall bestellt hatte: Zwei Kaffee und ein Stück Torte, was meine Mutter irritiert zur Kenntnis genommen hatte, immerhin hatte ich kein Wort verloren. Er hatte es einfach automatisch gemacht und auch wenn das vor meiner Familie etwas komisch war, war das wieder einer dieser Punkte, die mir Halt gaben, weil ich das Gefühl hatte, dass seine große Hand in meinem Rücken lag und ich nicht nach hinten wegfallen konnte.
„Leo hat erzählt, du stehst auch auf Harry Potter?“, fragte Maisie schließlich, als es kurz etwas ruhiger geworden war. Ich nippte an meinem Kaffee, während der Rest an ihrem Stück Kuchen saß, nur eben ich nicht. Ich sah Jan zu, wie er ein Stück in seinen Mund schob und räusperte mich dann.
„Ähm, naja. Also ich habe die Bücher gelesen und ich finde die ersten Filme auch gut gemacht, aber ich habe jetzt kein Merchandise oder so“, gab ich ehrlich zu und durfte mir dann einen Monolog anhören, warum die ersten Filme sowieso besser waren als die letzten, in den ich Maisie zur Liebe einstieg – sie ging auf, war quasi in ihrem Element, während ich sie mir ansah und verstand, was mein Bruder an ihr so attraktiv fand. Sie war vielleicht keine klassische Schönheit, aber ihre Augen funkelten absolut süß, wenn etwas sie so begeisterte. Außerdem war sie ziemlich intelligent und konnte selbst einem Einwurf von Jan ohne zu überlegen etwas entgegenhalten.
So lächelte ich sie an, mochte sie wirklich, ehe Jan mir ein Stück Kuchen vor die Nase hielt. Mich füttern lassen vor allen anderen? Auf der anderen Seite war es noch komischer ihm die Gabel weg zu nehmen und ein Blick in seine Augen zeigte mir auch, dass das nicht zur Option stand.
Also öffnete ich den Mund, zog das cremige Stückchen langsam hinein, während Maisie leicht aufkeuchte. Ein Blick zu ihr zeigte mir, dass sie ziemlich rote Wangen hatte und verlegen an ihrem Pulli spielte. Meine Mutter hingegen grinste nur süffisant – ich ahnte, dass das nicht ihr erster Berührungspunkt damit war.
Leo räusperte sich, wahrscheinlich um die Aufmerksamkeit von seiner Freundin zu ziehen, aber die rote Nasenspitze zeigte, dass er selbst gerade rot wurde. Eigentlich war das nicht zu offensiv gewesen, ich ahnte nur, dass Maisie vielleicht Wünsche hatte, die Leo bis dato noch nicht gekannt hatte und daher nun so nervös auf Jan starrte, der in aller Selenruhe mein Kinn nach oben zog, um mir einen eindeutigen Blick zu schenken.
„Alles gut, Maisie?“, fragte er, den Blick nur langsam zu der Bunthaarigen wendend.
„Ja, ja, ich äh, ich habe nur gerade gesehen, was für einen schönen Ring, Elena trägt“, versuchte sie herumzudrucksen und auszuweichen, hatte den Ring wahrscheinlich noch gar nicht richtig im Blick gehabt.
Jan hingegen schmunzelte amüsiert. Oh, das genoss er dann doch. Verwirrt sah ich zu, wie er den Ring langsam von meinem Finger zog ihn dann zu Maisie rüber reichte.
„Ja, das ist er in der Tat. Passt perfekt auf ihre linke Hand. Wo würdest du ihn denn tragen wollen?“
Ich war kurz verwirrt, vielleicht auch ein wenig verständnislos, bis mein Gehirn endlich die Information hervorgekramt hatte, die mir fehlte. Dom immer rechts, Sub immer links. Er fragte sie indirekt welcher Seite sie sich zuordnen wollte, während Leo verwirrt daneben saß und Maisie auf ihrer Unterlippe herumkaute. Sie wusste wohl schon, was er sie da gerade gefragt hatte.
„Oh, ich äh, hehe, ähm links?“, fragte sie schließlich zögernd und schaute ihm nur kurz in die Augen, dann wieder weg. Ich konnte mir das Grinsen kaum verkneifen, musterte meinen Bruder, der nur verwirrt zwischen uns hin und her sah, ehe mir der Ring wieder gereicht wurde und ihn schnell ansteckte. Ich hatte ihn die Woche über nur zum Duschen abgenommen und irgendwie, wollte ich das auch weiter so handhaben.
„Links würde er dir bestimmt auch gut stehen“, antwortete Jan schließlich und strich mir wieder genüsslich über den Nacken. Die anderen hatten den Umschwung mit Sicherheit nicht bemerkt, aber ich schon. Es war der Blick, das kleine Grübchen, dass sich an seiner rechten Wange gebildet hatte, weil er ein amüsiertes Grinsen unterdrückte, während seine Augenbraue kurz nach oben zog, sich dann aber wieder im Griff hatte.
Ich hingegen räusperte mich und warf einen Blick auf den Kuchen, sah Jan fragend an, der wieder wortlos die Gabel aufnahm und mir eines der Stückchen vor die Lippen hielt. Auch gut, der erste Bissen war eh schon getan. Peinlicher würde es nicht mehr werden – und wurde es schließlich auch nicht, während ich den Ring wieder an meinem Finger richtete.
Maisie fand bald ein weniger verfänglicheres Thema, in dem sie meine Mutter und Jan einwickelte, während ich meinen Bruder musterte, der meinen Blick erwiderte. Vielleicht sollte ich mich mit ihm mal unterhalten – irgendwann. Aber nicht mehr an diesem Tag, denn nachdem der Kuchen endlich leer war, beschlossen wir alle aufzubrechen.
Jan und ich hatten noch etwas zu arbeiten und Leo wollte mit den anderen Beiden Essen bestellen. Außerdem musste ich noch ein Geburtstagsgeschenk für Samy besorgen, wobei mir da zum Glück schon vor dem inneren Auge schwebte, was es werden würde. Sie hatte einen kleinen Lieblingsladen, der nur unweit vom Café lag und der in der Regel etwas kostspieliger war – es würde also ein Gutschein werden.
Als wir eine Stunde später die Tür zu meiner Wohnung aufschlossen, waren wir beide triefend nass. Auf dem Weg zum Auto hatte uns ein Schauer getroffen, der leider wie ein Wasserfall auf uns niedergeprasselt war. Ich war nur froh, dass der Gutschein nicht durchnässt war, der Rest an mir nämlich schon.
Wir hatten auf dem Weg ein wenig geredet. Jan hatte mir gesagt, dass er meine Familie mochte, wenn er sie ja auch nur kurz kennengelernt hatte. Und irgendwie war die Stimmung am Nachmittag deutlich entspannter gewesen als am Vormittag, wobei das natürlich auch daran liegen konnte, dass die Gemüter sich ein wenig beruhigt hatten.
„Oh, ist das kalt“, jammerte ich, als ich meine triefenden Turnschuhe auf die Fußmatte schmiss, aber Jan hielt mich zurück, schob mich direkt ins Badezimmer.
„Ausziehen, und heißes Wasser an“, entgegnete er mir hart, ehe er ebenfalls aus seinen Schuhen schlüpfte und dann aus seinen Klamotten. Kurz sah ich ihn verunsichert an und folgte dem dann, stand schließlich unter der heißen Dusche, während er zu mir dazu kam.
„Krank werden müssen wir beide nun wirklich nicht“, brummte er auf, während er die Arme um mich schlang und mir so die Möglichkeit gab, ein wenig zu entspannen.
„Jan?“, fragte ich schließlich leise, sah zu ihm nach oben, während er fragend eine Augenbraue hoch zog und seine Hände an meinen Rücken legte.
„Es tut mir leid, dass ich nicht ganz ehrlich zu dir war und auch, dass ich ihnen nicht richtig von dir erzählt habe. Das wirkt jetzt vielleicht so, als hätte ich dich verstecken wollen und das tu ich nicht. Wirklich nicht. Ich, es war glaub ich nur sehr viel für meinen Kopf und habe ich eben angefangen Dinge zu verdrängen, die mich gestört haben“, erklärte ich leise und wurde dann am Kinn hochgezogen.
„Ich weiß, Kleines. Und das ist auch absolut in Ordnung so. Ich bin dir nicht böse, dass du nicht von mir erzählt hast. Immerhin weißt du am besten, wie du mit deiner Familie umgehen musst. Es wäre nur schön gewesen, wenn du das auch ehrlich kommuniziert hättest“, erwiderte er sanfter als ich es erwartet hatte.
„Es tut mir wirklich leid, Daddy. Nicht so wie heute Morgen, sondern richtig“, flüsterte ich leise und schluckte, als zunächst nichts kam.
Dann brummte er auf und zog mich eng an seine mittlerweile warme Brust.
„Ich verzeihe dir, Kleines. Versprich mir nur zwei Dinge.“
„Alles, was du willst.“
„Ich finde es gut, dass du dich so auf mich fixierst, aber lass den Rest deines Lebens nicht einfach hinten überfallen. Deine Familie ist wichtig für dich und das solltest du nicht einfach ignorieren. Außerdem wirst du mich zukünftig auch nicht mehr anflunkern, nicht? Auch nicht, wenn du mich dabei nur von unangenehmen Gefühlen bewahren willst.“
„Ich verspreche es, Daddy“, sagte ich schnell und streckte mich dann, um ihm einen scheuen Kuss auf den Mund zu geben.
Wir standen noch eine Weile so, bis er das Wasser abdrehte und mir einen innigen Kuss auf den Mund drückte, den ich gern erwiderte. Mehr gab es dennoch nicht an diesem Abend für mich, denn obwohl wir beide nackt waren, zog er mich einfach nur in die Kuscheldecke auf dem Sofa, mich zwischen seine Beine und machte dann den Fernseher an. So viel zur Arbeit.