capítulo 10
sol de la mañana
Morgens werde ich erst von der Sonne geweckt. Mit zugekniffenen Augen taste ich nach Calum, doch das Bett neben mir ist leer.
Bis sich meine Augen an das Licht gewöhnen dauert es ein wenig, doch sobald ich diesen Meilenstein erreicht habe, setze ich mich auf.
In der Küche erklingen Stimmen und Geräusche. Meine Familie frühstückt wohl ohne mich. Keiner hielt es für nötig, mich zu wecken.
Ich schleppe mich zum Schrank, um mir ein Frühstück-taugliches Outfit anzuziehen. Danach verlasse ich müde das Schlafzimmer. Ein starker Kaffee ist genau das, was ich jetzt brauche.
„Oh guten Morgen, du Schlafmütze“, begrüßt Calum mich lächelnd. „Ich dachte schon, dass du gar nicht mehr aufstehen willst.“
„Du hast tief und fest geschlafen“, meint Cassie grinsend. „Ich hab dein Gesicht angestupst.“
„Ach so ist das also?“, frage ich gespielt verärgert. „Du freches Ding stupst mich an, während ich schlafe? Na das ist aber nicht sehr nett.“
Mit einem frechen ‚Hehe‘ widmet sich Cassie ihrer Tasse Kakao.
Mein marido klopft auf den Platz neben sich. „Setz dich, Sweetie. Ich mache dir einen Kaffee.“
„Gracias.“ Verschlafen setze ich mich hin, Calum streichelt meine Schulter, als er aufsteht. „Gibt es etwas Neues wegen Sebastian?“
„Er hat sich bei niemandem gemeldet, auch nichts gepostet. Sein Auto war auch nicht in der Nähe am Straßenrand abgestellt. Ich bin die halbe Nacht auf und ab gefahren. Kann sein, dass er nach Zuzu City gefahren ist.“
„Hat Dan die Polizei alarmiert?“
„Ja. Sie suchen nach Sebastian. Später wird noch unsere Aussage aufgenommen.“
„Ist Sebastian verschwunden?“, fragt Cassie erschrocken. „Wie kann das passieren, Daddy?“
Calum seufzt, er schaltet die Kaffeemaschine ein. „Manchmal gehen Menschen verloren, deswegen wollten wir auch, dass ihr auf dem Grundstück bleibt. Wenn ihr rüber zu Dan geht, ist das natürlich eine Ausnahme, aber das dürft ihr nur machen, wenn papá und ich Bescheid wissen. Und ihr dürft nur in Dans Garten gehen, wenn er das auch weiß.“
„Aber die Polizei findet Sebastian doch wieder, oder?“, fragt Cassie nach.
„Sebastian ist nett“, beteiligt sich auch Lucía an dem Gespräch. „Er soll nicht weg sein. Ich hab ihn lieb.“
Calum serviert mir meinen Kaffee, er setzt sich wieder neben mich.
„Die Polizei findet ihn ganz bestimmt. Sebastian passt immer gut auf sich auf“, beruhigt Calum die Mädchen mit einem Lächeln. „Er ist bald wieder da und dann laden wir ihn auf Kaffee und Kuchen ein.“
Hoffentlich behalten wir Recht.
No, wir behalten garantiert Recht.
Sebastian geht es bestimmt gut, ich hab es irgendwie im Gefühl.
Ich hoffe nur, dass er sich dafür entscheidet, zurück zu kommen, immerhin hat er doch die Zwillinge…
…
Die Sommersonne versteckt sich hinter vielen Wolken, der Tag eignet sich gut dazu, Zeit im Baumarkt zu verbringen. Calum entführt die Mädchen also in besagten Baumarkt. Heute suchen sie sich die Farben für ihre Zimmer und andere Kleinigkeiten wie Lampen und Zimmerpflanzen aus.
Ich hingegen bleibe zu Hause. Mein Kopf ist immer noch bei Sebastian. Ich wurde befragt, konnte der Polizei aber keine großen Erkenntnisse liefern. Auch die Polizei hat noch keine Erkenntnisse, die uns trösten oder erleichtern. Sebastians Smartphone konnte nicht geortet werden, angeblich sind sie gerade dabei, zu versuchen seinen Wagen zu orten. Motiviert hat keiner von ihnen gewirkt…
Nachdenklich spaziere ich durch den Cindersap Forest.
Wenn ich das Zuckerstück wäre und eher sauer als süß wäre, wohin würde ich mich abseilen?
Wahrscheinlich nicht zu weit weg, damit ich schnell wieder bei meinen Babys sein kann…
Es könnte also sein, dass er durch die Polizei schnell gefunden wird.
„Trevor?“
Ich sehe mich irritiert um.
„Hier drüben!“, werde ich mit einem Winken auf eine im Gras sitzende Person aufmerksam.
Oh. Ich hebe meine Hand, um das Winken zu erwidern. Natürlich erkenne ich Emily sofort. Damals hatten wir einen kleinen Zwist, der sich jedoch glücklicherweise gelöst hat. Über all die Jahre haben wir uns ab und zu geschrieben. Ich habe ihr Familienfotos geschickt. Der Kontakt war zwar nicht besonders intensiv, ist aber nie vollkommen abgebrochen.
„Hey Emily.“ Ich gehe auf die blauhaarige Frau zu. Emily sitzt im Gras, sie pflückt einige Kräuter. Neben ihr steht ein Korb, indem auch bereits einige Blumen liegen.
„Schön, dass du wieder da bist. Ich hab dich und deine Familie in der Stadt gesehen, hatte aber keine Zeit, euch anzusprechen. Deine Mädchen werden immer größer. Sie sind bezaubernd.“
„Dieses Mal bleibe ich länger“, versichere ich ihr.
„Ich weiß. Dieses Mal ist alles anders, du bist viel offener. Es ist ein Unterschied, wenn man die Ruhe freiwillig wählt.“
„Scheint so, obwohl ich von der Ruhe noch nicht viel mitbekommen habe.“
Emily steht auf, sie legt das kleine Messer, das sie zum Ernten der Kräuter verwendet hat, in den Korb. Sie lächelt mich an, mustert aufmerksam meinen Körper.
„Dich bedrückt etwas. Sebastian, richtig? Die ganze Stadt spricht bereits davon, dass er verschwunden ist. Wir wurden alle von der Polizei befragt.“
„Genau wie wir“, antworte ich, wonach ich einen Seufzer loslasse. „Weißt du irgendetwas?“
„Vielleicht nicht im herkömmlichen Sinn. Möchtest du auf eine Tasse Tee mit zu mir kommen?“
Ich zucke mit den Schultern. „Wenn er nicht meine Aura reinigt und mich wieder zum Kotzen bringt, gerne.“
Emily lacht. Es kommt aus tiefstem Herzen. Sie hat ein wundervolles Lachen, das mich ebenso in eine fröhlichere Stimmung versetzt. Plötzlich ist es nicht mehr so schwer, wieder bei besserer Laune zu sein.
Ruhig gehen wir nebeneinander her. Die Vögel singen. Ab und zu raschelt es in einem der Büsche hinter und neben uns. Eichhörnchen oder wilde Hasen, vielleicht auch Vögel auf Nahrungssuche.
„Ich denke nicht, dass Sebastian etwas passiert ist“, unterbricht Emily die Stille, die sich zwischen uns breit gemacht hat. „Und du auch nicht, oder?“
„No. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er nur eine Pause braucht. Er war nicht so gut drauf. Er vermisst Max und muss sich um den Haushalt und um seine Jungs kümmern. Dann hat Aiden immer wieder kleine gesundheitliche Probleme. Das alles belastet Sebastian sehr.“
„Aiden…“, wiederholt Emily leise. „Das ist es.“ Sie bleibt stehen, ihre Augen sind geweitet. Aufgeregt sieht sie mich an. „Dass ich da nicht eher drauf gekommen bin.“
„Ähm… was?“, frage ich verwirrt. Emilys Gedankengänge sind für mich gerade sehr schwer nachvollziehbar.
„Komm mit mir, Trevor.“
Sie packt mich am Handgelenk und beschleunigt das Tempo ein wenig. Sie führt mich den Waldweg entlang, bis in die Stadt, in ihren kleinen Kräutergarten hinter ihrem Haus. „Aiden Morning Sun… Das ist es, das ist es“, murmelt sie, als sie wie in Trance einige Kräuter pflückt. „Ich habe das ganz vergessen.“
Ich setze mich auf einen verschnörkelten, etwas älteren Holzstuhl. Der Lack ist etwas brüchig und verblasst, doch das Kissen, das auf der Sitzfläche liegt ist farbenfroh und ziemlich bequem.
Es ist lange her, dass ich es mir abgewöhnt habe, die Praktiken von Emily zu hinterfragen. Ihr Tee hat damals ‚meine Aura gereinigt‘, außerdem wusste sie immer wieder Dinge, die sie nicht wissen konnte, außer jemand hätte ihr diese Infos zugesteckt. Vielleicht ist sie ein bisschen verrückt, da sie an Geister und Traumdeutung glaubt. Von Juno weiß ich auch, dass sie sich mit Tarot und Horoskopen beschäftigt. Außerdem hat sie mir gesagt, dass sie viel von ‚Emilys Gefühlen‘ hält. Wahrscheinlich ist Juno mindestens genauso verrückt wie Emily.
All das ist für mich eher unbegreiflich. Ich bin nicht mit Aberglaube aufgewachsen, ich wurde streng erzogen, für mich muss alles mit Logik zu tun haben. Das hier jedoch ist ein wenig wirr für mich und nicht nachvollziehbar…
„Entschuldige“, spricht Emily erleichtert. Sie atmet tief durch. „Aiden Morning Sun, das ist doch sein voller Name, richtig?“
Ich nicke. „Ja. Furchtbar, oder? Was Sebastian sich dabei gedacht hat…“
„Nein, der Name ist perfekt. Die Geister haben mich darauf aufmerksam gemacht, ich hab es nur nicht verstanden.“
„…die Geister? Emily…“
„Ja, ja. Die Junimos. Sie sprechen in Symbolen, in Träumen. Sie zeigen Geschichten, die oft genau das zeigen, was passiert ist. Manchmal sind es Bruchstücke, manchmal Symbole.“
„Emily, ich…“
„Ich weiß.“
Sie öffnet die Tür und bittet mich, mitzukommen.
Emily bietet mir einen Platz an ihrem Küchentisch an. Sie stellt aus verschiedenen Kräutern eine Teemischung zusammen, während das Wasser auf dem Herd kocht.
Ich sehe mich in Emilys Haus um. Seit sie alleine wohnt, hat sich hier einiges geändert. Der Touch ihrer Schwester ist eindeutig verschwunden. Mein Blick ins Wohnzimmer verrät mir einiges über Emilys persönlichen Stil. Die Wände sind mit Fotos geschmückt, von den Decken hängen einige Zimmerpflanzen, Traumfänger, Steine und anderer esoterischer Schnickschnack, von dem ich nichts verstehe. In der Luft liegt ein spezieller Geruch. Irgendein Kraut… wahrscheinlich hat sie ein Räucherstäbchen angezündet.
„Ich kann Aiden helfen. Ich habe seine Übelkeit gespürt. Die Kräutermischung wird seinen Magen beruhigen. Sebastian muss ihm nur den Tee geben.“
Ich blicke wieder zur Küchenzeile. „Sebastian ist aber… naja, verschwunden. Erinnerst du dich? Wir haben vor ein paar Minuten davon gesprochen“, erinnere ich sie an einen kleinen Haken ihres Planes.
„Ja, natürlich, aber Sebastian wird zurückkommen. Er wird bald nach Hause kommen und es wird ihm gut gehen, es wird ihm besser gehen. Und sobald es Aiden auch besser geht, wird diese schwere Last, die Sebastian trägt, leichter werden.“
„Was hast du der Polizei gesagt?“, frage ich nach.
Emily serviert Tee, ehe sie sich mir gegenüber hinsetzt.
„Die Polizei ist wie du. Sie wollen Fakten, Zahlen, Zeitangaben, Beweise. Doch wie weist man ein Gefühl nach? Ich kann meine Gefühle nicht beweisen. Ich habe ihnen gesagt, dass ich Sebastian zuletzt gesehen habe, als er mit seinen Kindern im Wald spazieren gefahren ist. Das war vorgestern. Wir haben uns kurz gegrüßt, ich musste aber leider weiter, weil meine Schicht im Saloon angefangen hat. Mehr konnte ich ihnen nicht erzählen.“
Ich nicke. „Aber du hättest mehr zu erzählen gehabt, richtig?“, frage ich ruhig nach.
„Ja. Sebastians Aura ist sehr gemischt. Die Liebe zu seinen Kindern erhellt alles um ihn herum, die tiefe Traurigkeit, die ihn schon sein ganzes Leben verfolgt trübt allerdings diese Liebe und Heiterkeit, die er verspüren möchte. Es wird aber besser. Mit dem Tee wird es besser. Außerdem hätte ich eine Idee, mit der er besser schlafen kann. Ich weiß allerdings nicht, wie aufgeschlossen er ist.“
„Solange er kein Tieropfer bringen muss oder nachts im Wald einen Mondtanz vorführen muss, dann-“
Emily lacht. „Trevor, das ist doch lächerlich. Ein Tieropfer… Blödsinn. Ich dachte daran, dass er einen Schutzstein tragen soll. Sebastian trägt immer Schmuck, das wird ihn also vielleicht gar nicht stören. Allerdings schätze ich, dass die beste Einschlafhilfe ein gereinigtes Zimmer ist. Er soll sein Schlafzimmer ausräuchern, das Zimmer gut lüften und er wird besser schlafen. Die gereinigte Energie wird ihn beleben, er wird sich fühlen, als hätte er noch nie besser geschlafen.“
„Und dieses räuchern ist… also das ist sicher? Das klingt ein bisschen so als wäre das mehr als ein Räucherstäbchen.“
„Wenn er Respekt vor Feuer und Rauch hat, kann ich das übernehmen.“
„Hm… Er schläft aktuell bei Robin und bei Dan. Er wechselt seinen Schlafplatz, soweit ich das mitbekommen habe.“
„Wir können es in einem Raum ausprobieren. Wenn es ihm hilft, kann ich ihm Räucherwerk mit nach Hause geben und er kann auch sein Penthaus reinigen“, schlägt Emily vor.
Ich nicke. Dieses Gespräch ist seltsam für mich, doch trotzdem versuche ich, höflich und aufgeschlossen zu bleiben. „Also… das mit dem Tee… Damals hat mein Tee starke Übelkeit ausgelöst. Was für Nebenwirkungen hat Aiden zu erwarten? Sebastian würde durchdrehen, wenn Aiden mehr Symptome entwickeln würde. Aiden ist noch so klein, Sebastian hat jetzt schon Panik, dass der Kleine dehydrieren könnte, weil er immer alles ausspuckt, was er zu sich nimmt.“
„Nein, nein. Ich verspreche, dass es keine Nebenwirkungen geben wird. Deine Zusammenstellung war anders. Da ging es um tiefe, ungelöste Probleme, die dein Geist aufarbeiten musste.“
„Verstehe… und was fehlt Aiden?“
„Das weiß ich nicht genau. Es ist eine Art kleine Blockade. Aiden fühlt sich unwohl, gehemmt. In meinem Traum habe ich gesehen, dass die Sonne nicht ihr volles Potenzial ausnutzen kann. Das Licht war getrübt. Ich hab das nicht gleich mit Aiden assoziiert, obwohl es doch auf der Hand lag. Aiden Morning Sun, was für ein wunderschöner Name.“
„Und was hältst du von Damian Midnight Moon? Für mich klingt das wie der gute und der böse Zwilling“, frage ich schmunzelnd nach. „Als ob Sebastian das schon vorbestimmen wollte.“
„Der Mond hat viele Bedeutungen. Wechsel und Wandel, tiefe Gefühlsebenen, er steht für Liebe, Emotionen, Gefühle… Das ist alles andere als dunkel oder böse. Ich denke, dass Sebastian sich mehr dabei gedacht hat, als einen ‚verrückten Namen‘ für seine Kinder zu finden.“
„Verstehe, verstehe“, antworte ich nickend. „Weißt du zufällig, wie es Sebastian geht? Hast du… naja, irgendwelche Schwingungen oder so bekommen?“
Emily lächelt. „Du musst dir große Sorgen machen, wenn du mich tatsächlich danach fragst.“
Ich zucke mit den Schultern. „Es geht um Sebastian…“ Mein Blick richtet sich auf den nach verschiedenen Kräutern duftenden Tee. „Er bedeutet mir viel. Damals hier in Pelican Town war er der einzige, der mir eine richtige Chance gegeben hat. Gut, zwischen uns gab es den einen oder anderen Streit und ich hab Scheiße gebaut, aber…“
„…aber Sebastian bedeutet dir viel und du möchtest, dass es ihm gut geht“, beendet Emily meinen Satz. Sie fasst nach meinem Unterarm, streichelt mich ein wenig. „Es geht ihm gut und er wird bald zurückkommen.“
„Und du bist dir da ganz sicher? Ich meine ich bin es auch, ich bin mir sicher, dass er zurückkommt, aber manchmal redet man sich solche Dinge solange ein, bis man sie glaubt. Der menschliche Verstand ist sehr komplex.“
„Trink etwas Tee.“ Emily lässt von mir ab, sie steht auf. „Ich kümmere mich um die Kräuter für Aiden. Sobald Sebastian wieder hier ist, sind sie bestimmt getrocknet und bereit aufgegossen zu werden. Mit einem Schuss Honig wird Aiden gar nicht genug davon bekommen.“
Emily und ich unterhalten uns noch über einiges, das sich in der Stadt verändert hat. Sie erzählt mir von den Events, die ab und zu im Community Center stattfinden. Filmabende mit Kino Atmosphäre, gemeinsames Kochen, Aerobic und vieles, vieles mehr. Pierre hatte wohl Recht damit, als er sagte, dass Pelican Town immer attraktiver wird.
Mal sehen, wie lange es dauert, bis der Wald abgeholzt wird, Wohnhäuser gebaut werden und ein großer Supermarkt zurück in die Nähe der Stadt zieht…
Sollte Pelican Town den Charme des winzigen Dorfes mitten im Nirgendwo verlieren, werde ich meine Familie und meine Sachen packen und auf die Fern Islands ziehen. Dort gibt es viele Ecken, an denen ich meine Ruhe finden kann, sollte mich hier die Hektik des Lebens einholen.
…
Nach dem Besuch bei Emily statte ich auch Dan einen Besuch ab. Anstatt über den Zaun zu klettern und mich somit selbst einzuladen, klingle ich an der Einfahrt. Wenn er Lust auf Gesellschaft hat, wird er mich einladen, wenn nicht, ist es auch okay.
Es knistert kurz, doch dann dringt Dans Stimme aus dem kleinen Lautsprecher. „Ja?“
„Hey, Dan. Ich bin’s Trevor. Ich wollte fragen, wie es dir und den Jungs geht.“
„Nett, dass du fragst. Ich bin etwas… Keine Ahnung, alles fühlt sich so dumpf an, als würde ich irgendwie schlafwandeln. Ich mache mir große Sorgen um Sebastian, ich kann kaum denken.“
„Kommst du klar?“
„Ja, muss ich, auch wenn es mir lieber wäre, wenn mein kleines Frettchen wieder zu Hause ist. Die Polizei hat ihn noch nicht gefunden, was ist, wenn…“
„Dan, nein, hör auf. Lass mich rein und wir reden.“
„Es ist kein guter Zeitpunkt. Keine Angst, ich bin nicht alleine. Robin ist hier und wir schaffen das. Du meldest dich, falls du etwas hörst, ja?“
„Das mache ich. Ich bin sicher, dass er bald zurückkommt. Er ist viel zu klug, ihm ist nichts passiert.“
„Ich könnte mir nie verzeihen, wenn meine letzten Worte zu ihm ‚Bis später‘ sind… Ich will ihm sagen, wie sehr ich ihn liebe und… fuck… Trevor, die Jungs brauchen mich.“
Es klingt nach einer Ausrede, Dans Stimme wirkt kratzig und brüchig. Ich gehe auf seine Aussage ein, da ich ihn nicht noch weiter belasten möchte.
„Kümmere dich um Damian und Aiden, sie brauchen jemanden, bei dem sie sich sicher und geborgen fühlen, bis Sebastian aus seiner Auszeit wieder zurück ist. Ich rufe dich an, falls ich etwas Neues weiß.“
„Danke. Man sieht sich, Trevor.“
Es ist wieder still. Dan hat das Gespräch beendet.
Dan, diesen sonst so selbstbewussten Mann, so gebrochen zu hören, ist nicht auszuhalten. Verdammt, Sebastian, wenn dir deine Familie auch nur ein bisschen am Herzen liegt, dann ruf zumindest an!
…
Ich lenke mich damit ab, dass ich für die Kaninchen ein bisschen Grünzeug pflücke. Ich setze mich in das hohe Gras und zwicke mit einer kleinen Gartenschere Gras und Kräuter ab.
Neugierig hebe ich meinen Blick, als unser Familienauto auf unser Grundstück fährt. Die Ruhe hat sich wohl wieder erledigt. Es ist irgendwie dumm, aber ich mache nicht auf mich aufmerksam, um noch ein paar Minuten meinen Frieden genießen zu können. Wie ein Idiot ducke ich mich, um mich vor meiner Familie zu verstecken.
„Lauft schon mal vor“, ermutigt Calum unsere Mädchen, die genau tun, was er ihnen anweist. „Zeigt eurem papá die Farbproben, dann kann er sich vorstellen, wie toll eure Zimmer aussehen werden.“
„Jaaa!“, freut Cassie sich aufgeregt. Sie nimmt Lucía an der Hand und läuft mit ihr zusammen Richtung Haus.
„Viel Glück ihr kleinen Monster“, murmle ich schadenfroh. Um mich unsichtbar zu machen, lege ich mich ins hohe Gras.
Immer wieder höre ich, dass die Mädchen und nach einigen Minuten sogar Calum nach mir ruft.
„Papá ist auch verschwunden! So wie Sebastian! Hier verschwinden Menschen, Daddy!“
Cassie klingt verängstigt. Mein kleiner Scherz ist nach hinten losgegangen. Ich bleibe liegen, um mir einen Plan auszudenken, bei dem ich nicht wie das Arschloch, das ich bin, dastehe.
Überlegend schließe ich die Augen, da kommt mir auch schon meine Idee. Klar, ich bin einfach eingeschlafen. So mache ich das.
„Cassie, hör auf an mir zu ziehen, ich rufe papá an und dann werden wir schon wissen, wo er ist. Vielleicht besucht er ja einen Freund oder eine Freundin“, nehme ich die Stimme meines Liebsten wahr. Calum ist ein schlaues Kerlchen und wie ein braver marido spielt er mir in die Hände.
Das Smartphone in meiner Hosentasche klingelt. Ich lasse es kurz läuten, warte einige Sekunden ab, ehe ich mit verstellter Stimme abhebe.
„Hey, was ist los?“, frage ich müde klingend.
„Moment… liegst du da drüben im Gras?“
„Hm? … Ich bin wohl eingeschlafen. Seid ihr schon wieder zurück?“
„Mhm. Mach dich auf was gefasst, du faules Stück.“
Die Verbindung wird unterbrochen.
„Hey. Euer papá liegt da drüben im Gras, der alte Mann ist eingeschlafen. Los, los, weckt ihn auf, damit er euch beim Tragen eurer neuen Sachen helfen kann!“
Oh no.
Immer wieder rufen die Mädchen nach mir. Sie laufen auf mich zu, ich werde regelrecht von meinen Mädchen angesprungen. Obwohl ich einige Schläge in den Bauch und auf den Brustkorb einstecken muss, lege ich meine Arme um meine Mädchen. Jede von ihnen bekommt einen Kuss auf die Stirn.
„Na? Was habt ihr denn eingekauft?“, erkundige ich mich.
„Wir haben Farbe für unsere Zimmer und ich hab eine neue Lampe und auch eine für meinen Schreibtisch“, erzählt Cassie aufgeregt. „Und Daddy hat mit uns neue Bettwäsche gekauft. Meine ist blau und da sind Delfine drauf und die von Lucía ist pink mit vielen Blumen.“
„Oh wow, dann entwickelt ihr jetzt also schon individuellen Geschmack, das ist ja interessant. Ich bin wirklich gespannt, wie ihr eure Zimmer gestalten wollt.“
„Ich hab ganz viel blau“, erzählt Cassie weiter. „Daddy hat eine tolle Meerestapete gekauft. Die kommt dann an meine Wand, dann hab ich das Meer in meinem Zimmer.“
„Oh das Meer also… So, so…“ Ich versuche mich aufzusetzen, doch die Mädchen pinnen mich regelrecht auf den Boden. „Sobald es warm genug ist, gehen wir rüber an den Strand, dann hast du das Meer nicht nur in deinem Zimmer, sondern kannst es auch in echt sehen. Wir könnten schwimmen und vielleicht finden wir auch ein paar schöne Muscheln. Die kannst du dann in dein Zimmer legen.“
„Wirklich? Ja, das will ich machen, wir sammeln Muscheln.“
Lucía, die sich die ganze Zeit still an mich gekuschelt hat, setzt sich nun auf. Sie blickt Richtung Wald und lächelt kurz, sieht dann allerdings wieder zu mir. Sie streckt ihre Hand nach meinem Kopf und zieht einen vertrockneten Grashalm aus meinen Haaren.
„Du hast Gras in den Haaren.“
Nun da ich wieder etwas meiner Bewegungsfreiheit zurück habe, nutze ich sie gleich. Ich schiebe Cassie ein wenig von mir. Kurz sehe ich mich um, pflücke dann aber zwei Wildblumen. Erst stecke ich Cassie eine in einen ihrer Zöpfe, ehe ich auch Lucías Haare mit der Blume schmücke.
„So ihr kleinen Prinzessinnen, geht zurück zu eurem Daddy, ich hole eure Sachen aus dem Kofferraum und dann zeigt ihr mir, was wem gehört. Das Werkzeug ist schon bereit, ich kann also auch gleich deine neue Lampe montieren, Cassie.“
„Jaaa!“
…
Ich sitze mit Cassie und Calum zusammen in Cassies Zimmer.
„Und du kannst das wirklich?“, fragt Calum nach.
„Ja klar“, antworte ich. „Alles, was du tun musst, ist mir mit der Taschenlampe ein bisschen auf die Finger leuchten. Ich hab das schon oft gemacht, bevor wir zusammen gezogen sind. Du warst immer derjenige, der einen Handwerker ins Haus geholt hat.“
Im Augenwinkel sehe ich, dass Calum grinst. Ah, verstehe. Die ‚Sexy-Handwerker-Fantasie‘, der Klassiker.
„Ich wollte eben, dass die Arbeit gut und professionell gemacht wird.“
„Ich kann’s dir auch gut und professionell machen, Baby“, antworte ich, ehe ich aufstehe und ein paar Werkzeuge in meine Hosentasche stecke.
„Das klingt ja vielversprechend.“ Calum gibt mir einen Klaps auf den Hintern.
„Wieso haust du papá auf den Po?“, fragt Cassie neugierig.
Gespannt, wie Calum sich da rausreden möchte, klettere ich auf die Leiter. Die alte Lampe abzumontieren ist kein großes Problem. Die Schrauben lassen sich locker mit meinem Schraubendreher entfernen.
„Das liegt daran, dass mir sein Po sehr gut gefällt. Das darf man aber nur machen, wenn der andere das erlaubt. Also wenn man verliebt ist und zusammen ist. Man darf nicht einfach so jemandem auf den Po hauen, das ist nicht nett. Das könnte sich für andere Menschen unangenehm anfühlen und wir wollen ja immer, dass die Leute sich um uns herum gut fühlen, deswegen sind wir alle immer nett zueinander.“
„Ja, stimmt, aber das heißt doch, dass du papá erst fragen musstest, oder?“
„…ja.“
„Und wann hast du ihn gefragt?“
„Puh…“, antwortet Calum geschlagen. „Das ist schon länger her. Aber er hat gesagt, dass ich das immer machen darf, ich muss nicht mehr fragen.“
Schraube für Schraube lockere ich die Deckenlampe. „Hey, Calum, kannst du mir die Plastiktüte unter die Lampe halten? Dann kann ich das ganze Ding gleich reinstecken.“
„Du willst also gleich das ganze Ding reinstecken, so, so.“
„Sí. Komm, ich brauche die Tüte, sonst mache ich hier alles schmutzig und ich will uns unbedingt eine Sauerei ersparen.“
„Ich mag’s auch nicht gerne, wenn wir zwei eine Sauerei hinterlassen…“
Calum hält die Tüte auf. Ich lasse die staubige, alte Lampe in die Tüte gleiten. Die toten Insekten und Spinnen sehe ich mir lieber nicht zu genau an, auch den Staub versuche ich auszublenden. Als ich von der Tüte aufsehe, sehe ich Calums verlangende Augen. Sieht so aus als würde ein bisschen Dirty Talk ausreichen, um ihm seine Handwerker-Fantasie zu erfüllen. Ich beuge mich zu meinem marido und gebe ihm einen sanften Kuss.
„So, mein Liebster. Jetzt reichst du mir kurz den Staubsauger, damit ich hier ein bisschen die Leitungen absaugen kann und dann leuchtest du mir auf die Finger.“
„Okay… Aber… der Strom ist aus…“
Mit dem Kopf deute ich hinter Calum auf die Kommode. „Gut mitgedacht, Baby, aber ich meinte den Handstaubsauger.“
„Oh… klar…“ Verlegen kratzt Calum sich am Hinterkopf. Er legt die Tüte mit der alten Lampe auf den Boden. „War klar, dass du Genie daran denkst. Du hast ja gesagt, dass du weißt, was du tust.“
Die Leitungen sind gar nicht so mitgenommen und veraltet, wie ich vermutet habe, doch dann kommt mir die Erkenntnis, dass das Haus in den letzten Jahren aufgestockt und renoviert wurde. Nach meinem Umzug versteht sich. An diese hässliche Lampe hätte ich mich auf jeden Fall erinnert.
Ich muss zwar einige Löcher in die Decke bohren, um Cassies neue Lampe zu montieren, doch alles läuft, wie geschmiert. Dass ich damals in meiner eigenen Wohnung in Zuzu City so gut wie alles selbst gemacht habe und auch regelmäßig kleinere handwerkliche Arbeiten bei Joey gemacht habe, hat mir genug Wissen vermittelt, um meinen Liebsten zu beeindrucken.
Auch bei Lucía montiere ich die neue Lampe. Der Geschmack unserer Mädchen könnte kaum unterschiedlicher sein. Während Cassie eher modernere, klare Strukturen gewählt hat, hat Lucía sich für sehr kitschige Blumenlampen entschieden.
Als ich die Stehlampe betrachte, bekommt der Putzteufel in mir einen Anfall. Die verschnörkelten Blätter sehen einerseits sehr verspielt und hübsch aus, anderseits sind die vielen Winkel und Rundungen ein Albtraum, was das Saubermachen angeht. Auch die pinken Blüten, in denen die Lampen versteckt sind, sind nicht gerade einfach zu putzen. Die Deckenlampe und die Schreibtischlampe sind aus der gleichen Serie, also ist es nicht nur doppelt sondern dreifach so blöd Lucías Lampen zu putzen. Wenn ihr Zimmer fertig ist, wird es hier so aussehen, als würde sie auf einer Blumenwiese leben. Cassie hat sich für das Thema Meer entschieden. Fest steht auf jeden Fall, dass die beiden ihre individuellen Vorlieben haben und dass sie offensichtlich die Natur lieben.
Hoffentlich hat Calum sich nicht von diesem Kitsch anstecken lassen und für die Umgestaltung der restlichen Wohnräume eher dezente Farben und moderne Dekoration gewählt. Eigentlich bin ich mir ziemlich sicher, dass er seinem oder besser gesagt unserem Stil treu bleibt. Alles andere wäre sehr ungewöhnlich.
…
Die Mädchen sind ihren neuen Wohnträumen ein kleines Stück näher gekommen. Für heute habe ich genug getan. Nachdem wir die Kinder ins Bett gebracht haben, nehme ich eine warme Dusche. Ich wasche mir die Haare und stutze sogar ein wenig meinen Bart, sodass Calum weniger zum Meckern hat.
Fertig für das Bett betrete ich unser Schlafzimmer. Calum sitzt mit dem Laptop auf dem Bett. Ich lasse mich zu ihm sinken, mein Blick wandert zum Bildschirm.
„Ich dachte mir, dass wir ein paar aktuellere Fotos an die Wände hängen sollten, sobald sie dann gestrichen sind.“
„Wunderbarer Plan. Stellst du gerade eine Auswahl zusammen?“
„Mhm. Ich hab so einen Fotocollagenbilderrahmen gefunden. Der passt perfekt über die Kommode neben der Couch im Wohnzimmer. Dort hätte ich gerne ein paar Fotos von unserer Hochzeit. Wir hatten bis jetzt ja immer nur das eine Bild aufgehängt. Das auf dem du mir einen Kuss auf die Wange gibst.“
„Mhm“, erinnere ich mich, kuschle mich dann an Calums Schenkel. Ich kämpfe mich mit meinem Kopf unter seinen linken Arm.
„Okay, okay. Du bekommst meine Aufmerksamkeit. Ich wollte mich ohnehin gerade dir widmen.“ Calum tippt auf die Fingertastatur. Es dauert einige Sekunden, doch der Bildschirm färbt sich schwarz. „Ich habe eine heiße Überraschung für dich.“
„Eine Überraschung?“, frage ich grinsend.
„Mhm“, bestätigt Calum sich. „Ich habe es dir schon angekündigt…“
Oh… es ist Sex…
Calum-Sex.
Das heißt, dass wir zur Abwechslung mal wieder ein bisschen spielen werden. Schon bei dem Gedanken, was Calum alles mit mir anstellen könnte, werde ich ganz nervös. Es ist eine gute Art von Nervosität. Die, die einem das Blut in untere Regionen leitet.
„Du… ziehst dir dein Shirt aus…“
„Und dann?“, frage ich grinsend nach.
„Legst du dich auf den Bauch und entspannst dich.“
Meine Augen weiten sich.
Oh no. No, bitte nicht. Ich hatte so sehr gehofft, dass er die Sache vergessen hat.
Ich setze mich auf, doch Calum hält mich am Arm fest. „Leg dich hin, hab ich gesagt. Je mehr du dich wehrst, desto länger wird es dauern und desto schmerzhafter wird es.“
„Das klingt als würdest du mich sexuell missbrauchen und das wäre mir definitiv lieber“, antworte ich genervt.
„Das kann ich ja nachher noch machen.“
„Als ob ich noch Lust darauf hätte, mit dir zu schlafen, nachdem du mir Schmerzen zugefügt und meine Haare ausgerissen hast…“
„Leg… dich… hin…“
Calums Stimme lässt keine weitere Widerrede zu. Ich schlüpfe aus meinem Shirt. Calum legt ein Handtuch auf seine Seite des Bettes, auf das ich mich lege. Mein marido streichelt meinen Kopf, doch nicht um mich zu beruhigen, sondern um meine Haare mit einem Gummiband zu bändigen.
Mein marido streicht über meine Schultern und meinen Rücken. „Da. Spürst du das? So viele Haare. Und wenn das alles weg ist, dann bist du wieder sexy und heiß.
„Gib doch einfach zu, dass du darauf stehst, mir Schmerzen zuzufügen.“
„Oh ja… Ich stehe drauf. Bitte bettle mich an und lass deinen Schmerzensschreien freien Lauf… also nicht ganz und bitte nicht zu laut, weil die Kinder schlafen, aber tu es.“
„Verarsch mich ruhig…“
Mein böser marido hat bereits alles, was er brauchen wird um mich zu quälen in seiner Schublade versteckt. Auch das Wachsgerät war bereits angesteckt und ist nun bereit zum Einsatz.
„Ich hoffe, dass dir das nicht zu heiß ist.“
„Calum, bitte bring es einfach hinter uns. Ich will nicht darüber – ah… heiß…“
„Zu heiß?“
„No…“
Von Calum enthaart zu werden gehört definitiv nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Immer wieder streicht er heißes Wachs auf eine meiner Körperstellen, legt einen Vliesstreifen auf und zieht ihn schnell, samt Wachs und Haaren wieder ab. Immer und immer wieder wiederholt er diesen Vorgang. Er kommt bereits an meiner Hüfte an.
„Ich nehme mir übrigens auch deinen Hintern vor.“
„…dafür nehme ich mir morgen deinen Hintern vor, mein Schatz“, antworte ich kalt.