capítulo 25
Luau II
Mit Domingo auf dem Arm finde ich mich wieder an unserem Tisch ein. In der Zwischenzeit haben sich ein paar Leute zu Richie und Calum gesellt. Sieht so aus, als hätte mein marido schon den einen oder anderen Drink intus, außerdem hat er sich wohl mit Haley vertragen, denn die beiden posieren für ein gemeinsames Selfie. Wahrscheinlich sieht er in ihr keine Gefahr mehr, jetzt wo sie und Juno liiert sind. Nicht nur Juno und Haley sitzen an unserem Tisch, auch Caitlyn und Sam haben einen Platz gefunden. Es wird also immer voller.
Mit einer Handgeste begrüße ich alle Anwesenden.
„Awww, seht ihn euch an. Wie cool er mit seiner Sonnenbrille ist und dann hat er einen winzigen Handtaschenhund auf dem Arm“, zieht Haley mich auf. „Wie eine dieser Promigören, die sich ohne Höschen von Paparazzi ablichten lassen.“
„Die Brille ist von irgendeinem angeblich bekannten Designer und der Hund ist ein Accessoire meiner Heimat. Du kannst mich nicht treffen, ich weiß, dass ich männlich und sexy bin“, antworte ich grinsend. Domingo leckt über mein Kinn. Einige am Tisch lachen mich aus, da er meine Coolness mit dieser Geste wohl untergraben hat. Ich gebe Domingo an Richie weiter, als der seine Arme nach ihm ausbreitet, danach setze ich mich neben Sam. Ich wische mit einer Serviette über die abgeleckte Stelle an meinem Kinn. Verdammter Hund, wie oft soll ich ihm noch sagen, dass er das lassen soll?
„Schon lang nicht mehr gesehen“, begrüße ich Sam. Ich sehe zu Cait, die ihm gegenübersitzt. „Und wie könnte ich diese blonde Schönheit vergessen. Hi, Cait.“
„Pfoten weg, die gehört mir“, meint Sam schmunzelnd. Er greift nach seinem Bier und nimmt einen Schluck davon.
„Keine Sorge, wenn ich dir etwas klaue, dann dein Bier. Cait ist zwar niedlich, aber sie hasst mich.“
„Ich hasse dich doch nicht“, antwortet sie lächelnd. „Du bist nur eine – Ich zitiere Juno – eklige Herpesschleuder. Das ist natürlich nicht meine Meinung, aber sie scheint allgemein gültig zu sein.“
Sam lacht über die Bemerkung seiner Freundin, mein Blick gilt nun Juno, die sich auf ein Selfie von Calum und Haley zwängt.
„Juno, erzählst du schon wieder Geschichten über mich?“
„Dein Ruf eilt dir voraus, mein Schatz, jeder weiß, dass du ansteckend bist. Dein hübscher Mann hat das Memo nur leider noch nicht bekommen.“
„Echt jetzt? Trevor hat Herpes?“, fragt Richie nach.
„Nein hat er nicht“, antwortet Calum überzeugend. „Jetzt reicht’s langsam, hört auf meine Hure von Ehemann so dermaßen zu denunzieren. Er ist zwar krank, aber im Kopf und nicht im Intimbereich.“
„Gracias, Baby, das hilft mir.“ Nicht.
„De nada, Sweetie.“ Calum steht auf, er beugt sich etwas über die Gläser, die am Tisch stehen, um mir meine Metallbox und meine Wasserflasche zu reichen. Ich nehme meine Sachen an mich, hauche meinem marido aus Dankbarkeit einen Kuss zu. Das hilft mir allerdings schon. Mit einer Zigarette kann ich die Beleidigungen noch besser ignorieren.
„Oh, Trevor, willst du vielleicht neben deinem Mann sitzen?“, fragt Haley mich aufmerksam. „Wir könnten tauschen.“
„No, schon gut, bleib ruhig sitzen. Mit Calum kann ich immer reden, ich mische mich heute unter’s Volk. Außerdem bin ich sicher, dass er mich ohnehin bald satt hat, wenn er keine Pause von mir bekommt.“
„Ach was. Sooo schlimm ist Trevor nun auch wieder nicht. Er ist zwar ein widerliches, arrogantes Schwein, aber wenn man das ausblendet ist er ganz okay“, antwortet Calum.
„Welch romantische Worte. Gracias, Baby.“
Auch mein Liebster haucht mir einen Kuss zu, als er lächelt, muss ich auch lächeln. Manchmal bin ich mir nicht sicher, wie ernst er seine verbalen Schläge gegen mich meint, doch da er mich noch nicht verlassen hat, wird er es nicht besonders ernst meinen. Auf die Worte der Anderen gibt er ebenfalls nicht besonders viel, sonst hätte er mich vermutlich nie geheiratet.
Unsere Gruppe vergrößert sich, als Dan, Max und Sebastian auf uns zukommen. Dan wird jedoch gleich von seiner Frau in Beschlag genommen, mehr als eine kurze Begrüßung bleibt uns nicht.
Sebastian winkt, um die Gruppe zu begrüßen, im Gegensatz zu Max, der jedem einzelnen die Hand reicht und Junos Wangen küsst, als würde er sie auffressen wollen. Diese Aktion wird von verschiedenen Smartphonekameras aufgenommen. „Ich liebe dich so sehr Juno, wenn ich doch nur hetero wäre.“
„Ich liebe dich auch, aber selbst wenn du hetero wärst, wärst du immer noch nicht mein Typ, mein Großer.“
Bei der Wortwahl wundert es mich nicht, dass Sebastian eifersüchtig sein könnte. Wahrscheinlich hat Max ebenfalls schon getrunken.
Sebastian setzt sich neben Cait, die zur Begrüßung von ihm umarmt wird, außerdem winkt er Richie noch einmal mit einem süßen Lächeln zu.
„Na, sind die Fotos etwas geworden?“, frage ich das Zuckerstück.
„Ja, die mussten sein.“ Er deutet auf sein Shirt. „Keine Babykotze, keine Breiflecken-“ Seine Finger zeigen nun auf sein Gesicht. „-und ich bin weder verheult, noch unausgeschlafen. Wenn ich das nicht festhalte, komme ich nicht mehr so schnell zu schönen Bildern für meinen Blog.“
„Ach was, deine Fotos sind immer sehr hübsch“, beschwichtigt Caitlyn den Schwarzhaarigen.
Sebastian erzählt: „Ja, das schon, aber ich muss oft mit Bearbeitung nachhelfen, um nicht wie ein Schmutzfink auszusehen. Flecken wegretuschieren ist mittlerweile der Standard und im schlimmsten Fall muss ich mich während den Shootings schon umziehen, von den Jungs will ich gar nicht erst anfangen. Aiden geht es zwar endlich besser und er spuckt nicht mehr so oft wie sonst, aber trotzdem…“
„So sind Babys eben“, meint Sam lächelnd. „Sie spucken, sie machen in die Windel, sie essen und sie schlafen. Sobald sie laufen und reden, wird es spannender.“
„Ich kann’s kaum erwarten, mich in Zwei zu teilen, damit ich verhindere, dass einer meiner kleinen Klopse sich verletzt“, meint Sebastian. „Vielleicht besorge ich mir auch diese Kinderleinen… Ach, ich weiß auch nicht. Wahrscheinlich brauche ich dann doch Hilfe.“
„Wenn du hier bleibst, kann ich dir ab und zu helfen“, schlägt Sam vor.
„Mal schauen.“
Max nimmt neben mir Platz, er legt einen Arm um mich und gibt auch mir einen dicken Kuss auf die Wange. „Was ist heute? Der Liebe-deine-Latinos-Tag?“, frage ich grinsend. Ich wische mir über die Wange. Das Klicken eines Feuerzeuges verrät, dass Sebastian sich gerade eine Zigarette anzündet.
„Nein, ich hab dich nur vermisst. Meine Pause ist schon fast vorbei, ich bin bald wieder auf Tour, aber durch die Zwillinge und meinen geliebten Mann, hatte ich nicht wirklich Zeit, irgendwen von euch zu besuchen.“
Ich nicke. „Kommt mir bekannt vor. Kaum war ich hier, hatte ich was am Rücken und durch den Entzug war ich ein paar Tage in der Klinik. Außer einkaufen habe ich kaum etwas getan seit ich hier bin. Ich gehe hauptsächlich mit dem Hund spazieren oder flechte die Haare meiner Mädchen.“
„Wenigstens kotzen deine Mädchen dich nicht voll“, meint Sebastian schmunzelnd.
„Ach, sag das nicht. Nach einer langen Autofahrt kommt das schon mal vor.“
„Hey, ähm… Kleiner Themenwechsel. Falls... Falls dir langweilig ist, könnten wir demnächst eine kleine Jam-Session machen“, schlägt Max vor. „Das würde bestimmt Spaß machen.“
„Ich weiß nicht, ob ich mit jemandem der so wenig Talent hat wie du abgeben möchte.“
Ich spüre einen Tritt gegen mein Bein, weiß jedoch nicht, woher er kommt. „Au.“
„Verdient“, antworten Sam und Sebastian gleichzeitig. Sie sehen sich an, lachen dann als sie realisieren, dass sie mich wohl beide getreten haben.
„Habt ihr ihn gerade getreten?“, fragt Max nach. „Das ist aber nicht sehr nett.“
„Ich muss dich doch verteidigen, Max. Niemand nennt meinen Mann talentlos. Sag mal Trevor, wann war deine letzte ausverkaufte Tour, die zusätzliche 20 weitere Konzerttermine bekommen hat, hm?“
„Talent ist heutzutage nicht ausschlaggebend für Verkaufszahlen oder Preise“, antworte ich. „Außerdem…“ Ich sehe Max an. „…könnten wir darüber kurz unter vier Augen reden?“
„Damit mich keiner mehr verteidigt und du mich in Ruhe fertig machen kannst oder wie?“, kontert Max, doch als ich ihm darauf keine freche Antwort gebe, steht er auf.
„Wir sind gleich wieder zurück“, versichere ich.
Als ich an Richie vorbei gehe, streichle ich seinen Kopf und auch Domingo wird kurz liebkost. Max und ich gehen bis zum Wasser, dann betreten wir den Steg. Die sanften Wellen rauschen unter unseren Füßen. Es ist die perfekte, ruhige Kulisse für ein Gespräch wie dieses.
„Willst du nicht irgendwas sagen?“
„Doch schon, aber ich weiß nicht, wo und wie ich anfangen soll.“
„Ist irgendetwas passiert?“, fragt Max nach.
„No. Sag mal… Das Projekt mit Jayson. Steht das noch?“
„Ja, Sebby hatte zwar kurz seine zickige Phase, in der er mir das verbieten wollte, aber dann hat er nachgegeben, weil er mir nicht meinen Traum ruinieren möchte, außerdem vertraut er Jayson mehr als meiner neuen Band. Wieso fragst du?“
„Ich würde mich gerne einbringen, vielleicht auch mit auf Tour kommen“, antworte ich ruhig. Max bleibt stehen, also tue ich es ihm gleich.
„Und was ist mit den Paparazzi? Den Groupies? Den Drogen? Dem Alkohol? Deiner Familie? … Bekommst du das unter einen Hut?“ Ich zucke mit den Schultern. „Du bist doch ausgestiegen, um bei deiner Familie sein zu können, was hat sich geändert?“
Ich blicke aufs Meer hinaus. „Es klingt selbst für meine Verhältnisse furchtbar, aber nur ein Elternteil zu sein reicht mir nicht. Es ist langweilig. Ich liebe meine Familie, aber ich will mehr von meinem Leben als geflochtene Zöpfe und unnötige Kinderstreitigkeiten.“
„Wenn wir wieder auf Tour gehen, wirst du viel verpassen“, meint Max nachdenklich.
„Das tust du auch.“
„Ich weiß und es tut weh Sebastian und die Kleinen nicht bei mir zu haben, aber ich liebe die Musik und wenn das heißt, dass wir uns ein paar Monate nur per Webcam sehen, dann muss ich das in Kauf nehmen.“ Max verschränkt seine Arme. „Auf Tour zu sein hat sich verändert, seit ich Aiden und Damian habe und es wird sich auch für dich ändern. Jetzt wo du Kinder hast wird es nicht einmal ansatzweise so sein wie früher. Du kannst nicht die ganze Nacht saufen und dir was weiß ich für Substanzen in den Körper jagen. Deine Mädchen wollen dich bestimmt morgens vor der Schule sehen und bevor du ein Konzert gibst wollen sie dir auch bestimmt viel Spaß wünschen und dass Calum damit einverstanden ist, dass du wieder Sex mit irgendwelchen Groupies hast, kann ich mir schwer vorstellen, nach den Gesprächen die wir geführt haben. Das Leben ist voller Veränderungen, damit muss man umgehen. Wir sind nicht mehr in den Zwanzigern, wir sind erwachsen, Trevor. Die Partys sind vorbei.“
„Ich weiß das alles“, antworte ich sauer. „Aber was soll ich tun? Was soll ich tun, Max? Wenn ich weiterhin nüchtern und vollkommen klar bei meiner Familie sitze, dann drehe ich durch. Es ist schwer für mich ständig vorsichtig zu sein und aufzupassen, was ich sage. Ich kann nicht Tag für Tag meine Kinder belügen und ihnen sagen wie toll ihre dämlichen Zeichnungen sind. Ich kann mir nicht ihre verrückten Geschichten von Fantasiefreunden anhören oder feinfühlig sein, wenn sie hinfallen und mich vollheulen als wäre das das Ende der Welt, obwohl sie nur einen kleinen harmlosen Kratzer haben. Ich kann das nicht. Ich bin ein furchtbarer papá und ich hasse mich dafür, aber ich bin dafür nicht gemacht. Ich bekomme es nicht auf die Reihe.“
Max wirkt erschrocken. „Wow… das ist selbst für dich… grade echt krass…“ Er hebt seine Arme, um mich zu beschwichtigen. „Fahr deinen Killerblick wieder runter, Trevor. Bitte.“
Genervt lasse ich mich am Rand des Steges sinken, meine Beine hängen Richtung Wasser. Max setzt sich neben mich, jedoch in Schneidesitz.
„Klar, dass ich jetzt keine Zigarette dabei habe…“
„Dabei würdest du das Gras echt brauchen, um runter zu kommen“, antwortet Max etwas scherzhaft, doch als ich knurre, entschuldigt er sich gleich. „Sorry.“
„Max, ich liebe meine Familie. Ich liebe mittlerweile sogar den dämlichen Hund, den Gabe mir aufgedrückt hat, aber wenn ich ständig versuchen muss nett und aufopferungsvoll zu sein, werde ich von Tag zu Tag immer ein bisschen wütender auf mich und die Welt.“
„Ich glaube ich verstehe, was du sagen willst, aber ich kann es nicht nachvollziehen. Für mich war nett sein nie auslaugend.“
„Ich bin einfach vollkommen verkorkst“, antworte ich geschlagen. „Ich versuche es, Max, ich versuche es wirklich. Was denkst du wie oft Calum sich freut, wenn ich ihm etwas Gutes tue und wie oft er danach wieder von mir enttäuscht wird, weil ich es mit einer vollkommen schwachsinnigen Aktion wieder ruiniere. Calum ist mir wichtig, aber ich schaffe es nicht, ihm das ständig zu zeigen. Manchmal würde ich am liebsten abhauen und ein paar Tage Pause von meinem Leben machen. Diese ständigen Bindungen sind scheiße.“
„Naja, was soll ich dazu sagen, außer dass du ein Soziopath bist?“
„Ich hasse dich, Max.“
„Und trotzdem flehst du mich an, dass ich talentloser Musiker dich wieder in meine Band aufnehme“, beginnt Max, mich aufzustacheln. Er boxt leicht gegen meinen Arm, setzt dabei seinen verdammten Charme ein, sodass sich meine Laune tatsächlich bessert. Dieses verdammte Lächeln.
„Ich hasse dich, aber ich will trotzdem in die Band. Stell dir mal vor, wenn wir drei Fünftel der Band wieder zusammen haben, könnten wir sogar unter dem Namen Highway 89 weitermachen.“
Max sieht mich an, sein Blick verrät, dass ihm die Idee mehr als zusagt. „Eine Reunion? Die Fans würden es lieben…“
„Und ich würde dich lieben, wenn du dafür sorgst, dass Calum nichts dagegen hat, dass ich wieder auf Tour bin“, erkläre ich.
Max überlegt. „Das ist eine verdammt große Bitte.“
„Du kannst ihn bestimmt dazu bringen. Calum vertraut dir.“
„Und deswegen soll ich sein Vertrauen ausnutzen?“, meint Max überrascht. „Selbst wenn ich ihm versprechen würde, dass ich auf dich aufpasse, wird das nicht klappen. Du bist stur, unbelehrbar und ein riesen Arschloch das sofort meinen wunden Punkt finden würde, wenn ich versuchen würde, dich zu kontrollieren. So sehr ich die Idee liebe und so gerne ich wieder mit dir zusammen arbeiten würde, weil du verdammt gut indem bist, was du tust, ist es das glaube ich nicht wert. Ich weiß genau, dass du dich nicht zügeln kannst, das konntest du nie und ich will nicht dafür verantwortlich sein, dass du dich zu Tode trinkst.“
„Ich verstehe“, antworte ich ihm demotiviert.
„Du bist ein genialer Musiker, Trevor, aber zwischenmenschlich ist es schwer, mit dir zu arbeiten, weil du dir kaum etwas sagen lässt. Von Dan ja, denn er ist auf deinem Niveau, aber alle die nicht so gut sind wie du, bekommen keinen Respekt von dir. Wenn du einsteigst brauchen wir noch Schlagzeuger und Bassist und ich sehe es schon vor mir, dass uns die Musiker reihenweise weglaufen. Exzentrik war vor unserer Zeit okay und es wurde toleriert, weil man meinte, dass Musiker eben so sind. Mittlerweile müssen Musiker allerdings nicht nur Musik machen, um relevant zu bleiben. Wir sind Vorbilder, wir müssen unsere besten Seiten präsentieren, uns für etwas stark machen, uns neu erfinden, unsere Fanbase pflegen… Ein Album zu produzieren und Konzerte zu geben alleine reicht nicht mehr.“
Ich nicke. „Und wenn ich mich zusammenreiße?“
„Kannst du das denn? Würde es nicht auf dasselbe hinauslaufen wie mit deiner Familie?“, fragt Max mich.
„Kann sein, dass du damit Recht hast.“
„Du kannst dich nicht ewig verbiegen und egal was du versuchst, im Endeffekt bist du immer noch du.“ Max steht auf. „Sebby vermisst mich bestimmt schon. Kommst du?“
„No… ich sollte noch hier sitzen bleiben und nachdenken.“
„Okay. Mach nichts Dummes.“
„Dieser Rat kommt ungefähr 20 Jahre zu spät, Max.“
Eine Weile sitze ich da, starre auf das Meer hinaus. Die Wellen unter meinen Füßen sind gleichmäßig, die Luft ist salzig. In meinem Kopf drehe und wende ich mein Leben in alle Richtungen, doch ich finde keinen Punkt, an dem ich mit all den Aspekten meines Lebens zufrieden war. Die abwechslungsreichste Zeit meines Lebens war vor meiner Überdosis. Vor diesem Tag war ich zumindest immer beschäftigt und unter Leuten, ich war ungebunden und konnte machen, was ich möchte.
Vielleicht hat Sebastian Recht, mit dem, was er gesagt hat. Vielleicht hätte ich mehr aus meinem Leben machen sollen. Als Anwalt wäre ich nicht glücklich geworden, vielleicht aber als Arzt, nur das Feingefühl für Patienten hätte ich wohl nie gehabt. Allerdings hat auch Max recht, ich bin Musiker, doch mit mir zusammenzuarbeiten ist schwer, weil mein Perfektionismus, meine zu hohen Erwartungen und mein schroffer Umgangston bei jedem noch so kleinen Fehler bereits einige Mitarbeiter verscheucht hat. Dan war gut. Dan konnte mit mir umgehen, sein Input in meine Arbeit war professionell und hilfreich und immer wenn ich ihm zu nahe getreten bin, wusste er, was er sagen soll, um die Situation zu bessern. Anstatt Öl ins Feuer zu gießen, übernimmt er den Part des Feuerlöschers.
Ich lasse einen tiefen Seufzer los. Neben mir lässt sich jemand sinken. Wortlos nimmt Emily meine Hand in ihre. Natürlich muss sie ausgerechnet jetzt auftauchen.
„Schöner Tag heute, nicht?“
„Emily, hattest du schon einmal das Gefühl, dass dein ganzes Leben eine vollkommene Katastrophe ist und dass du alleine der Grund dafür bist?“ Eine sanfte Brise streicht über den Steg.
„Nein“, antwortet sie. „Aber das ist das, was du fühlst, richtig?“ Sie legt meine Metallbox in meinen Schoß. „Ich dachte du brauchst sie.“
„Ay, und wie ich das tue, gracias.“ Ich rutsche etwas zurück, dabei gleitet meine Hand aus der von Emily. Ich beginne sofort damit, mir eine Zigarette zu drehen. „Weißt du, Emily. Mir fehlt der Alkohol. Mit Alkohol waren meine Gedanken erträglicher. Mit Alkohol war es leichter, mein sexuelles Verlangen zu dämpfen. …aber am schlimmsten sind meine Gedanken. Ich komme nicht mehr aus diesem Teufelskreis.“
„Woran denkst du?“
„Ich habe das Gefühl, dass ich jeden Aspekt meines Lebens liebe, aber auch gleichzeitig hasse. Ich liebe Calum, er ist wundervoll, aber ich hasse es, an ihn gebunden zu sein. Ich kann nicht mit ihm und auch nicht ohne ihn. Ich liebe meine Kinder, sie sind süß, ihr Lächeln bringt auch mich zum Lächeln, aber wenn sie mich den ganzen Tag in Beschlag nehmen oder weinen, dann würde ich sie am liebsten sofort jemanden in die Hände drücken und verschwinden.“
Kaum habe ich meine Zigarette angezündet, setze ich mich wieder an den Rand des Steges. Emily lehnt sich an mich. „Alles hat seine Vor- und Nachteile. Deine Sicht ist allerdings etwas… extrem. Alles, was du tust ist extrem, Trevor. Du hast schon viele Dinge übertrieben und das war nicht immer zu deinem Besten.“
„Ich wüsste nicht, wie ich das ändern soll oder wie ich mich ändern soll.“
„Ich überlege mir etwas“, verspricht Emily mir. Sie umarmt mich, ich kann spüren, wie liebevoll ihre Berührung ist. „Ich finde etwas, das dir hilft, die Balance in deinem Leben zu finden.“
„Wenn du meinen Kopf in Einklang bringst, dann wäre das ein neues Weltwunder“, antworte ich schmunzelnd.
„Es wäre nicht das erste Wunder, das ich bewirke.“
„Du bist verrückt, aber ich stehe auf verrückt.“
„Das ist mir nicht neu.“
…
Die Suppenzeremonie ist für mich persönlich recht langweilig. Die Idee finde ich nach wie vor sehr nett, jedoch bleibt mir nichts Anderes übrig, als auf die Suppe zu verzichten. Da ich nicht weiß, was drinnen ist, kann ich Fisch und Fleisch nicht ausschließen. Ich muss mich also mit den vegetarischen Gerichten vom Buffet zufrieden geben, aber das ist kein Problem für mich.
Cassie und Lucía haben jedoch Spaß daran, etwas in den großen Kessel zu werfen. Calum hat Cassie auf dem Arm und ich halte Lucía fest, als sie meinen Beitrag in den Kessel wirft. Ich habe mich für ein paar Kräuter entschieden. Auch Richie sieht nicht unglücklich aus, als er die geschnittene Kartoffel in die Suppe wirft.
Shanes Rede ist tatsächlich nicht mehr als ein paar nette Worte. Er bedankt sich bei allen, die gekommen sind, bei allen die mitgeholfen haben, den Strand zu gestalten und wünscht allen Anwesenden ein schönes Festival. Kurz und knapp, so wie eine Rede sein sollte.
…
Gegen Abend vergrabe ich all meine Probleme in meinem Hinterkopf. Ich packe sie in eine Truhe, die ich mehrfach verriegle. Meine Priorität ist dieser Moment mit meinem Liebsten.
Calum und ich tanzen zur Musik. Es ist nicht das, zu dem ich normalerweise tanze, sondern ein langsamer, kuscheliger Song. Ich sehe zu ihm nach oben, Calum lächelt mich an.
„Was geht in deinem Kopf vor?“, fragt er, doch ich zucke nur leicht mit den Schultern. „Du kommst ganz gut damit klar, dass du die Finger vom Alkohol lässt.“
„Als ich Domingo geschnappt habe, um mit ihm einen Spaziergang zu machen, war es kritisch, um ehrlich zu sein. Eigentlich weiß ich auch gar nicht, was schwerer ist: Nicht zu trinken oder mich von deinen Lippen fernzuhalten. Du schmeckst bestimmt nach Whiskey…“
„Deswegen fühle ich mich übrigens richtig mies. Es war ein Versprechen… Ich habe dir gesagt, dass ich aus Solidarität auch nicht trinke und jetzt wo der Alkohol überall um uns herum ist, stehst du alleine da und musst damit ohne seelischen Beistand klarkommen. Und als ob das nicht beschissen genug wäre, bin ich jetzt auch noch die größte Versuchung. Es tut mir leid“, entschuldigt Calum sich bei mir.
„Wenn du dich entschuldigen willst, putz dir heute Nacht gründlich die Zähne und mach es im Bett wieder gut.“
„Könnte sein, dass ich es zeitlich verschieben muss, aber ich mache es wieder gut. Te amo.“
„También te amo, mi corazón.“ Wir sehen uns an, mein Blick fixiert seine wundervollen Lippen. Ich kann Calum nicht widerstehen. „Fuck it, bitte küss mich einfach.“
Calum zögert kurz. „Bist du dir sicher?“
„Bitte…“ Mein marido beugt sich zu mir. Anstatt einem leidenschaftlichen Kuss bekomme ich ein vergleichsweise liebloses Küsschen. Wir berühren uns kaum, jedoch kommen wir uns so nahe, dass ich den Alkohol deutlich an ihm riechen kann. Ich hasse es, trocken zu sein. „Das ist alles?“, frage ich nach.
„Ich mache mir Sorgen um dich. Ich möchte nicht, dass der heutige Abend deine Fortschritte ruiniert.“
„Wird er nicht. Versprochen.“
Ich ziehe Calum wieder zu mir und stecke ihm beinahe wortwörtlich die Zunge in den Hals. Ich kann seinen letzten Drink deutlich schmecken. Verlangend halte ich Calum fest, doch er wehrt sich gegen meinen Griff. „Hast du sie noch alle?“, fragt er entsetzt, aber leise nach. Er will offensichtlich kein Drama in der Öffentlichkeit starten. Als ich keine Antwort gebe, zieht er mich so unauffällig wie möglich von der Tanzfläche, um die anderen Bewohner nicht zu stören.
Einige Meter weiter auf dem Steg sieht das jedoch anders aus.
„Das hat sich nicht wie ein Kuss angefühlt, Trevor.“
„Was war es dann?“
„Keine Ahnung. Es hat sich angefühlt, als wärst du an irgendwelchen alkoholischen Resten in meiner Mundhöhle interessiert… Du bist doch komplett gestört.“
Ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll. Alles, was mir durch den Kopf geht, würde es nur schlimmer machen. Ich könnte ihm an den Kopf werfen, wie sehr ich es hasse nüchtern zu sein und wie langweilig mir das Familienleben ohne Alkohol vorkommt. Ich könnte ihm sagen, dass ich am liebsten sofort ein Glas Tequila trinken würde, doch ich tue es nicht. Ich bin einfach still und sehe meinen marido an. Er ist wütend, aber eher enttäuscht als auf 180.
„Ich will, dass du es mit der Therapie probierst.“ Calum verschränkt seine Arme. „Anonyme Alkoholiker, Paartherapie, Einzeltherapie, Suchtberatung, irgendwas, Trevor, bitte. Ich meine das kann doch nur ein Scherz sein… Wenn du den Alkohol so dringend willst, dass du mich auf diese Weise überfällst, macht mir Angst.“
„Wie lange denkst du bleibe ich anonym, wenn ich in so eine Gruppe gehe?“, frage ich nach. „Und was soll das überhaupt bringen? Ich will überhaupt nicht trocken bleiben. Ich hasse es. Ich hasse mein Leben ohne Alkohol…“
Calum senkt seinen Blick. Er kickt einen kleinen Stein in das Wasser. „Dann willst du dich nicht bessern? Nicht mal für mich? Obwohl ich dir gesagt habe, dass ich möchte, dass du ein langes, gesundes Leben führst?“
Ich schüttle den Kopf. „Ich weiß nicht, was ich möchte, aber ich will mich definitiv nicht bis ans Ende meines verdammten Lebens langweilen und durch meinen Alltag quälen.“
Mein marido sieht mich wieder an. „Du bist erbärmlich. Wenn du wirklich Alkohol brauchst, um ein erträglicher, halbwegs netter Typ zu sein dann geh doch zur Bar. Los, hol dir einen verdammten Drink.“
Ich rolle mit den Augen. „Vergiss es einfach, okay?“
Um das Gespräch nicht noch mehr anzuheizen, nehme ich Abstand von meinem marido. Ich gehe den Steg entlang, dann durch den Sand, direkt auf unseren Tisch zu. Ich setze mich zu Richie und Sebastian, die sich gerade angeregt unterhalten. Das Gespräch verstummt, sobald ich mich setze. Ich streichle über Richies Arm. Seine Haut ist kalt.
„Hast du dir eine Jacke mitgenommen?“, erkundige ich mich besorgt.
„Das hab ich vergessen“, antwortet der Blonde mir.
„Sebastian, in der Tasche unter deinem Tisch ist eine schwarze Lederjacke. Kannst du ihm die rausgeben?“ Neben Richie bemerke ich Domingo, der es sich auf meinem Pullover gemütlich gemacht hat. Er macht ein Schläfchen. Sieht so aus, als könnte ich jetzt auch keinen spontanen Spaziergang mit ihm machen. Ihn zu wecken wäre nicht nett.
„Das muss nicht sein, so kalt ist es ja gar nicht.“
„Doch“, antworte ich. „Ich will nicht, dass du frierst.“
Sebastian sieht zwischen uns hin und her, die Tasche liegt bereits auf seinem Schoß. „Ich kann die Jacke zerschneiden, so als Kompromiss.“ Richie kichert, doch ich finde es nicht lustig, weil die Jacke nicht gerade billig war. „Ah ich seh schon, ich soll die Klappe halten. Du musst echt an deinem Gesicht arbeiten, Trevor. Du siehst wütend aus. Wenn du das so beibehältst, wirst du schneller Falten bekommen, als du es ertragen kannst.“
„Ich bin nicht wütend, gib ihm die scheiß Jacke“, antworte ich bissig.
„Mhm. Nicht wütend. Okay. Sogar meine Babys wissen besser, wie sie mit ihren Gefühlen umgehen können…“
„Halt die Klappe, du Klugscheißer.“
„Hör auf mich anzumachen, nur weil du Streit mit deiner eindeutig besseren Hälfte hattest“, antwortet Sebastian trocken. Er reicht Richie die Jacke über den Tisch, bedacht darauf, keines der Gläser umzuwerfen. Ich nehme ihm die Jacke ab und lege sie Richie um die Schultern.
„Ist alles okay, Trevor?“, erkundigt er sich vorsichtig.
„Möglich…“
Sebastian lacht. „Tolle Antwort. Die ist nicht besser als ‚Fick dich‘, das kannst du besser, Trevor“, mischt das Zuckerstück sich wieder ein.
Richie nimmt meinen Arm in Beschlag. „Lass ihn, Sebastian. Es geht ihm nicht gut.“ Mein Kleiner schmiegt sich an meinen Oberarm. „Sei nicht mehr sauer. Heute ist doch ein Festival, das soll Spaß machen.“
„Ich weiß, was dich aufheitern wird. Max singt gleich ein paar seiner Songs“, erzählt Sebastian mit einem Lächeln. „Du bekommst auch bestimmt ein bisschen Bühnenzeit, wenn du lieb fragst und seinen Hintern küsst.“
Ich lasse einen tiefen Seufzer los. Richie bekommt einen liebevollen Kuss auf die Stirn. „Es ist nett, dass du mich aufheitern willst, Richie und Sebastian, du bist ein Arschloch.“
Schockiert fasst Sebastian sich an die Brust. „Ich? Nein, du bist ein Arsch“, antwortet er. „Jeder weiß das.“ Er greift nach seinem Glas. Der Rand des Glases ist mit einem Ananasstück, einer Sternfrucht und einer Cocktailkirsche geschmückt, der Inhalt ist hellblau, sieht süß und lecker aus.
„Sag mal, wie viele von diesen bunten Cocktails hast du getrunken?“, frage ich nun nach, da Sebastian bereits genüsslich an dem Strohhalm saugt. Vor ihm stehen zwei leere Gläser mit derselben Garnierung, es könnte also sein, dass das ebenfalls seine Drinks waren.
„Sechs oder so…“, antwortet er grinsend. Er grinst so breit, dass er seine beinahe perfekten Zähne präsentiert.
„Merkt man gar nicht“, antworte ich nun wieder milde gestimmt. Das Zuckerstück ist betrunken und allzu böse meinte er es bestimmt auch nicht. Abgesehen davon bin ich überhaupt nicht auf ihn oder auf Calum wütend, sondern hauptsächlich auf mich selbst.
Richie kuschelt sich an meine Seite, er umarmt mich fest. An seinem Atem kann ich riechen, dass auch er nicht mehr ganz nüchtern ist. Ich hasse es, nüchtern zu sein, aber ich muss später ohnehin noch fahren, das sollte ich mir immer vor Augen halten. Der Abend ist für mich gelaufen. Calum ist wütend, nein, schlimmer, er ist enttäuscht. Und ich sitze hier und habe keine Möglichkeit, mich von meinen dummen Fehlern abzulenken.
Wie von Sebastian bereits angekündigt, nimmt Max tatsächlich auf der Bühne Platz. Er hat eine Gitarre dabei. Wie immer trägt er dieses Sunnyboy-Lächeln auf den Lippen, nachdem alle aus welchem Grund auch immer so verrückt sind.
„Hey, vorstellen werde ich mich vor euch wahrscheinlich nicht müssen, aber falls einige von euch tiefer ins Glas geschaut haben, als sie sollten, erinnere ich euch trotzdem daran, wer ich bin. Ich bin Max Black-Jackson und ich präsentiere euch heute eine Handvoll Songs, die ich nie schreiben könnte, weil ich zu untalentiert dafür bin.“
Ich schmunzle, da Max’ ehrliche Ankündigung mein Ego streichelt.
„Also ich finde, dass Max gute Musik macht“, meint Richie vorfreudig.
„Wisst ihr? Ich schreibe seine Songs“, erzählt Sebastian. Er dreht sich um, sodass auch er seinem Mann zusehen kann. „Aber wer so heiß aussieht, muss nicht schlau sein. Max ist sogar so heiß, dass er gar nichts können muss. Und den Rest macht sein riesen Ding.“
Richie lacht über Sebastians Bemerkung, auch ich finde Sebastian sehr unterhaltsam. „Ich denke, dass du genug hast, Zuckerstück“, amüsiere ich mich über seinen betrunkenen Kopf.
„Nah“, antwortet Sebastian. Er dreht sich noch einmal zu uns um, um sein Glas zur Hand zu nehmen, dann richtet er seinen Blick wieder auf die Bühne. „Ich bin kinderfrei, ich trinke bis ich falle und mir den Knöchel breche.“ Gut, dass sein Mann so kräftig ist, das Zuckerstück wird es vermutlich nicht alleine nach Hause schaffen, wenn er tatsächlich noch weitere Cocktails trinken möchte. Trotzdem bin ich mir ganz sicher, dass er es morgen bereut, sich heute so gehen zu lassen.
Die Bewohner lauschen Max’ Musik. Ein wenig neidisch bin ich schon, weil mich niemand gefragt hat, ob ich auch auf die Bühne möchte, doch ich nehme es hin, dass Max wieder einmal im Rampenlicht steht. Es war bei Highway 89 nie anders. Obwohl Jayson unser Frontmann war, wurde Max meistens ebenso oft das Mikrophon vor die Nase gehalten, sobald ein Interview begonnen hat. Er war immer schon wegen seinem verdammten Aussehen bei den Fans beliebt, nicht wegen seinem Talent…
Als ich eine Hand an meiner Schulter spüre, sehe ich auf. Calum sieht mich nicht an, sein Blick ist auf die kleine Bühne gerichtet. Wenige Sekunden später lässt er sich neben mich sinken.
„Es tut mir leid“, entschuldigt er sich leise. „Du wirst gerade mit vielen Triggern bombardiert, es ist klar, dass du dir wegen deinem Entzug unsicher bist und dass du nicht weißt, wie du fühlen sollst. Dein ganzes Leben ändert sich. Entschuldige, dass ich dir das vorhin so übel genommen habe.“ Mein marido gibt mir einen Kuss auf die Wange, kurz darauf legt auch er seine Arme um mich, sodass ich nicht nur von Richie, sondern auch von Calum gedrückt werde.
Das ist nicht die Art von Sandwich, in dem ich gerne stecke…
„Für meinen nächsten Song würde ich gerne meinen ehemaligen Bandkollegen auf die Bühne bitten. Trevor, komm zu mir, ich habe etwas mit dir vor.“
Calum setzt sich auf, auch Richie lässt mich gleich los.
„Was ist los?“, frage ich etwas lauter nach. „Brauchst du jemanden, der dir hilft, dein großes Ego zu halten?“
Max lacht. „Wenn keine Kinder anwesend wären, hätte ich einen netten Konter auf Lager. Komm rauf auf die Bühne, ich will mit dir zusammen auftreten.“
Obwohl ich genau weiß, dass er das nur macht, weil ich mies drauf bin, schätze ich diese Geste. Max will, dass ich mich besser fühle und das tue ich tatsächlich. Auch wenn das Publikum im Vergleich zu unseren Auftritten mickrig ist, bin ich nicht unzufrieden. Die Menge der Fans war mir immer egal, Hauptsache alle haben Freude an der Musik und amüsieren sich.
„Setz dich“, bittet er mich und drückt mir seine Gitarre in die Hand. „An welchen Highway 89 Klassiker denke ich gerade?“
„Forever“, antworte ich mit einem Grinsen.
Max sieht mich erstaunt an. „Woher…“
„Du bist einfach zu durchschauen, Holzklotz.“
„Ich hoffe du erinnerst dich noch, du bist ja auch nicht mehr der Jüngste.“
„Wenigstens muss ich keine vollgeschissenen Windeln wechseln“, kontere ich.
„Spielt endlich was!“, wirft Shane ein. „Wir sind nicht wegen einem verbalen Schwan-“
„Shane, es sind Kinder anwesend“, unterbricht Max ihn. „Wir wollen nichts von Schwänen hören. Schwäne haben am Strand nichts verloren.“
Ich kann Cassie schon fragen hören, was an Schwänen denn schlimm sein soll… Danke Shane, danke Max.
Um dem Publikum zu geben, was es möchte, beginne ich zu spielen. Max krallt sich das Mikrophon und beginnt, die ersten Zeilen von Forever zu singen. Ich kann mich noch deutlich daran erinnern, wie wir den Song vor mal mehr oder weniger vollem Haus in kleinen, stickigen Clubs gespielt haben. Die Anfänge von Highway 89 waren nicht glamourös, aber wir hatten unseren Spaß. Wir hatten denselben Traum und auch wenn es immer wieder Reibereien zwischen den Jungs und mir gab, haben wir dennoch unser Ziel erreicht. Jeder von uns hat seinen Traum gelebt, der eine glücklicher, der andere weniger glücklich. Abgesehen von mir ist jeder im Moment an dem Punkt seiner Karriere beziehungsweise seines Lebens, wo er sein möchte.
Ich sehe in das handverlesene Publikum. Meine Mädchen winken mir fröhlich zu. Sie lieben es, wenn ich Musik mache, auch wenn ich in dieser Zeit meistens nicht besonders gesprächig bin. Bei kreativen Prozessen bin ich immer ganz bei mir, in meiner eigenen Welt.
Obwohl ich kein Mikrophon habe, stimme ich in den Refrain mit ein. Es kommt mir so vor, als würde auch die eine oder andere Stimme aus dem Publikum mitsingen.
Das ist es…
Das ist der Moment.
So fühle ich mich am wohlsten.
Ich muss meinen Weg zur Kreativität wiederfinden. Ich brauche die Musik als Ventil gegen die Langeweile, gegen den Frust. Vielleicht finde ich auch so die Ablenkung, die ich suche. Zu erzählen hätte ich einiges, ich muss es nur noch zu Papier bringen.