capítulo 31
tiempo para pensar III
Geweckt werde ich meiner Meinung nach viel zu früh. Jedoch nicht von Kindern oder einem unruhigen Hund, sondern von einem Klopfen. Ich bin sicher, dass es von der Eingangstür kommt. Die Frage ist nur, wer mich um diese Zeit unbedingt besuchen muss. Mühselig löse ich den klammernden Blondschopf von mir. Richie hat mich heute Nacht ganz schön in Beschlag genommen. Keine Ahnung, wie Will das ständig ausgehalten hat. Kuscheln ist ja schön und gut, aber ich bin sicher, dass Richie letzte Nacht ein paar extra Gliedmaßen hatte, mit denen er mich festhalten konnte.
Sobald ich von der Couch steige, springt auch Domingo hinunter, er streckt sich kurz und folgt mir durch das Wohnzimmer bis zur Küche. Damit das Klopfen ein Ende findet, öffne ich die Tür. Vor mir steht Robin, die mich anlächelt.
„Oh Robin… Hola…“ Ich reibe mir ein Auge, der Hund macht mir gleich das Leben etwas schwerer, denn er stützt seine Vorderpfoten an meinen Beinen ab und versucht, meine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
„Sieht so aus als hätte ich dich geweckt, entschuldige.“
„Schon gut. Domingo, nicht jetzt.“ Ich schüttle den aufdringlichen Chihuahua vorsichtig ab. Es ist schwer, ihm nicht auf die Pfoten zu steigen, wenn er einem um die Beine läuft. „Was gibt’s?“
„Die Möbel für das Baumhaus der Mädchen wären fertig und ich wollte dir Bescheid geben, dass wir auf deinem Grundstück herumlaufen.“
„Mhm…“ Im Hintergrund winkt Max mir, ich hebe nur kurz meinen Arm, um ihn ebenfalls zu grüßen. „Ich bin noch nicht ganz auf der Höhe. Braucht ihr irgendetwas? Kaffee vielleicht?“
„Oh nein, danke. Wir sind in ein paar Minuten wieder weg. Wir stellen die Möbel in das Baumhaus, ich repariere noch das ausgebrochene Scharnier und die Rechnung bekommt Calum wie abgemacht per Mail.“
„Okay. Gracias.“
„Trevor?“, erklingt Richies Stimme verschlafen hinter mir. Ich rolle mit den Augen. Nach Kaffee und Zigarette bin ich eindeutig genießbarer. Ich brauche noch ein wenig, um die Welt ertragen zu können. „Ich bin aufgewacht und du warst weg.“ Der Blonde hakt sich bei mir ein, dabei schmiegt er sich sofort an meine Seite.
„Wir machen uns dann an die Arbeit, sorry, dass ich dich geweckt habe“, entschuldigt Robin sich mit einem Lächeln.
„Halb so wild. Viel Spaß. Falls ihr doch etwas braucht, die Tür ist offen.“
Robin und Max machen sich an die Arbeit. Ich hingegen schüttle Richie so sanft wie möglich ab und orientiere mich erst einmal. Ich müsste auf die Toilette, aber der Hund braucht Futter und Richie will wahrscheinlich auch recht bald verköstigt werden. Außerdem brauche ich Kaffee und eine Zigarette, damit ich in den Tag starten kann. Ich beschließe, die erste Aufgabe an Richie zu delegieren.
„Richie, kannst du Domingo füttern?“, frage ich nach. „Ich bin eben im Badezimmer und nach Kaffee und Zigarette machen wir alles, was du willst, okay?“
„Oh-Okay. Aber-“
Ich hebe meinen Finger. „Kein aber.“ Mit meinem gehobenen Finger zeige ich auf die Küchenschranktür hinter der sich Domingos Futter befindet. „Da drinnen ist alles, was du brauchst, nach meiner Zigarette können wir reden und jetzt muss ich zur Toilette.“
„Na gut. Ich mach das schon, keine Sorge.“
Zehn Minuten später sieht die Welt anders, nein sogar besser aus. Ich sitze mit meiner Zigarette und meinem Morgenkaffee auf der Veranda. Richie hat Domingo auf dem Schoß, vor ihm steht eine Tasse mit kaltem Kakao.
„Darf ich jetzt reden?“, erkundigt Richie sich nach meiner Laune.
„Sí.“
„Wir müssen heute gar nichts machen. Ich möchte mich mit einer Decke und Musik ins Gras legen und ein Buch lesen. Du musst dich also nicht um mich kümmern, ich beschäftige mich schon“, erzählt Richie mit einem Lächeln. „Außerdem muss ich Dad später anrufen und das dauert bestimmt eine Weile. Vielleicht können wir ja wieder im Saloon zu Abend essen.“
„Klingt gut. Nach meinem Kaffee mache ich noch eine kleine Runde mit Domingo und dann versuche ich Calum zu erreichen. Du kannst mitkommen, wenn du möchtest.“
„Ja, das klingt nach einer guten Idee“, stimmt Richie mir zufrieden zu.
…
Nach unserem Spaziergang im Wald sitzen Richie und ich in der Küche. Während wir zusammen frühstücken ist mein Kleiner seltsam ruhig. In den letzten Tagen hatte er so viel zu erzählen, dass diese Stille mich irritiert. Vielleicht sind ihm nach dem Spaziergang die Geschichten ausgegangen, doch den Eindruck hat er vor ein paar Minuten noch nicht gemacht. Irgendetwas muss in ihm vorgehen.
„Entschuldige, Trevor.“
„Wofür entschuldigst du dich?“, frage ich verwirrt. Hat er irgendwas angestellt, auf das ich noch gar nicht gekommen bin?
„Die Cracker.“ Oh. Das hatte ich schon wieder vergessen.
„Na und? Du hast Cracker auf Lucías Schreibtisch gelegt, ist nicht so schlimm“, winke ich das Problem schnell ab. Ich nehme einen Schluck meines Kaffees. „Gestern habe ich mich darüber aufgeregt, aber es hat mich seitdem eigentlich nicht mehr beschäftigt.“
„Aber es hat dich so sehr gestört, dass du sie weggeworfen hast. Ich verstehe nur nicht, wieso der Teller noch da liegt. Wolltest du mich ärgern? Soll das eine Lektion sein? Wolltest du mich verarschen, weil ich die imaginären Freunde gefüttert habe und es jetzt so aussieht, als hätten sie die Cracker gegessen? Ich verstehe es einfach nicht…“
Mein Blick fixiert Richie, dabei setze ich meine Kaffeetasse ab. „Du verarschst mich jetzt, richtig?“
„Was?“, fragt Richie nach. „Ich verstehe nicht ganz, was du meinst.“
„Du sagst, dass ich die Cracker weggenommen habe, aber in Wirklichkeit hast du sie weggenommen, um mir ein magisches Wunder vorzuspielen. Ich soll glauben, dass Lucías Freunde echt sind, damit ich sie jeden Tag füttere und du dich darüber amüsieren kannst.“
Richie schüttelt den Kopf. „Das wäre zu viel Aufwand, um dich ein bisschen zu ärgern. Ich habe die Cracker hingelegt, aber nicht weggenommen. Aber jetzt stellt sich mir schon eine Frage: Wenn ich sie nicht weggenommen habe und du sie nicht weggenommen hast… Wohin sind sie dann verschwunden? Cracker lösen sich doch nicht in Luft auf.“
Ich stehe auf. „Wenn ich jetzt raufgehe und da liegen die Cracker, dann versohle ich dir den Hintern…“
Richie eilt mir nach, als ich nach oben gehe. „Ich schwöre dir, dass sie weg sind und ich sie wirklich, ganz ehrlich nicht weggenommen habe.“
Zusammen entdecken wir in Lucías Zimmer einen vermeintlich leergegessenen Teller, auf dem noch einige Krümel liegen. Ich bin ziemlich sicher, dass sich Richie einen Scherz mit mir erlaubt. Die nächstgelegene Lösung wären Mäuse oder gar Ratten, doch der typische Geruch, den diese Viecher verbreiten, fehlt. Beim Putzen habe ich außerdem nie Mäuse- oder Rattenkot gefunden.
Ich nehme den Teller zur Hand, richte dann meinen Blick auf Richie. „Hat Calum dir gesagt, dass du mich verarschen sollst?“
„Ich schwöre bei Yoba, dass ich drei Cracker auf diesen Teller gelegt habe und sie nicht wieder weggenommen habe“, erklärt Richie überzeugend. „Ehrlich. Trevor, ich würde wegen so etwas doch nicht lügen. Das wäre ja nicht mal ein guter Streich. Er wäre nur gut, wenn du sie hingelegt hättest und ich sie gegessen hätte.“
Hab ich sie vielleicht doch selbst weggenommen, aber es nur wieder vergessen? Ab und zu bin ich ziemlich vergesslich…
Das kann nicht sein, ich war gestern gar nicht mehr hier oben.
Seltsam.
Vielleicht sollte ich heute Nacht eine Kamera laufen lassen, um Richies kleinen Scherz aufzudecken. Hinter diesen unschuldigen Augen könnte sich ein kleiner Frechdachs verstecken, der mich so lange davon überzeugt, dass die imaginären Freunde echt sind, dass ich es irgendwann selbst glaube.
…naja, ob Richie wirklich so clever ist?
…
Ich sitze draußen auf der Veranda, als mein Smartphone auf sich aufmerksam macht. Mein Liebster hat mir geschrieben. Ich warte schon den halben Tag auf eine Nachricht von ihm. Meine bereits gedrehten Zigaretten sind jetzt nicht mehr meine Priorität.
Calum: ‚Wir müssen reden.‘
Calum: ‚Am liebsten wäre mir ein Videochat, ich will dich sehen.‘
Grinsend sehe ich auf mein Display. Endlich wird ihm klar, dass auch er ein bisschen Action braucht. Hat ja auch lange genug gedauert. Mittlerweile ist er bestimmt wieder ausgeruht und ihm wird klar, dass ihm der Sex ebenso fehlt wie mir.
Ich tippe eine Antwort an meinen marido, während ich auf dem Weg ins Schlafzimmer bin. Mein Hintern landet auf Calums Schreibtischstuhl.
Trevor: ‚Ich nehme deinen Laptop, wenn das okay ist.‘
Calum: ‚Klar. Ich warte.‘
Mit einem Knopfdruck startet das Gerät. Während er hochfährt, schreibe ich eine weitere Nachricht an meinen marido.
Trevor: ‚Ich freue mich schon darauf, dich zu sehen. Du fehlst mir.‘
Es dauert nicht mehr lange, schon sehe ich das Gesicht meines Liebsten auf dem Bildschirm. Er winkt mir, dabei lehnt er sich auf der Couch zurück. Calum sieht blendend aus, ich muss lächeln, als ich ihn sehe.
„Hey“, begrüßt er mich. Seine Haare erstrahlen in neuer Farbe, das Türkis ist wieder aufgefrischt, die Haare an seinen Seiten sind wieder kurz rasiert. Alles in Allem sieht er sehr frisch und ausgeruht aus. Der Besuch in der Stadt tut ihm gut.
„Ich hab dich vermisst, Baby“, begrüße ich ihn mit einem Lächeln.
„Ich hab viel nachgedacht.“
Der Ton in seiner Stimme lässt mich stutzig werden, meine Mundwinkel senken sich. „Das… klingt irgendwie nicht gut.“
„Kommt darauf an, von welcher Seite man es betrachtet“, meint Calum ruhig. „Weißt du, Trevor… Ich liebe dich, aber…“
„Oh no…“
„Ich hatte viel Zeit, um nachzudenken und jetzt wo ich dich nicht ständig bei mir habe, sondern meine Zeit mit anderen Menschen verbringe, wird mir klar, was für ein arrogantes Arschloch du eigentlich bist.“
„Wie bitte?“, frage ich irritiert nach. „Was soll das denn heißen?“
„Wenn du mich ausreden lassen würdest, anstatt mich zu unterbrechen, könnte ich es dir erklären.“
Das Smartphone lege ich auf den Tisch. Ich lehne mich zurück und verschränke meine Arme. Den Camsex kann ich mir abschminken. Es könnte allerdings noch schlimmer kommen als das, denn Calums Miene verspricht, dass er eine Menge Wut auszudrücken hat.
„Danke. Also… Du bist ein negativer, anstrengender Mensch und obwohl du diese ‚Mir ist alles egal‘-Haltung hast, stellst du dich in aufgeblasener Arroganz auf eine höhere Stufe und schaust auf all die Menschen um dich herum herab. Du schimpfst nicht nur über unsere Kinder, nein, du vermittelst auch mir durch die Blume immer und immer wieder, dass du mich für dumm hältst. Nur weil du einen hohen IQ hast und studiert hast, heißt das noch lange nicht, dass du dich so verhalten kannst. Es geht immer nur um dich und deine Bedürfnisse. Ich habe lange genug zurückgesteckt und ich habe lange genug auf vieles verzichtet und ich bin es leid. Ich muss mich dir gegenüber immer rechtfertigen und erklären. Ohne dich geht es mir viel besser. Du verbietest mir so viele Dinge, die mich glücklich machen würden und du denkst, dass die Welt sich nur um dich und deinen verdammten Schwanz dreht, aber Newsflash, das tut sie nicht.“ Calum sieht wütend in die Kamera. „Ich denke nicht, dass ich zurückkomme, zumindest nicht so bald.“
Ich muss erst einmal schlucken und kurz nachdenken. Die Anschuldigungen kommen wahrscheinlich nicht von irgendwo, allerdings ist es nicht fair, diese Bombe einfach so platzen zu lassen und mir die Scheidung per Webcam mitzuteilen. Ich fühle mich ziemlich… überrumpelt.
„Jetzt darfst du gerne sprechen.“
Ich nicke. „Okay…“
„Okay? Ist das alles?“
„Keine Ahnung. Du konntest dich auf dieses Gespräch vorbereiten. Du wusstest, was du jetzt loswerden willst. Ich dachte, dass wir beide darüber sprechen, wie sehr wir uns vermissen und dass du bald wiederkommst. Keine Ahnung… Dass du mich verlässt überrascht mich. Was soll ich denn deiner Meinung nach dazu sagen? Wir hatten Streit, aber wir haben uns wieder vertragen.“ Ich kratze mich am Hinterkopf. „Alles, was ich sagen würde, würde es wohl nicht besser machen, du wirkst entschlossen. Das alles kommt sehr plötzlich für mich.“
Calum seufzt. „Es ist kompliziert, aber mit dir war es ohnehin nie einfach. Im Moment spüre ich aber, dass es einfach sein kann und ich will, dass mein Leben einfach ist, Trevor. Ich habe dir schon so oft gesagt, dass ich eine glückliche Familie haben möchte, in der alle zusammenhalten und nicht immer gegeneinander kämpfen. Aber das tust du. Du kämpfst dich immer an die Spitze und alle anderen haben das große Glück, dass du ihnen mal Aufmerksamkeit schenkst.“
„Verstehe.“
„Ich brauche eine Auszeit. Eine Beziehungspause oder wie auch immer. Vielleicht vermisse ich dich, vielleicht auch nicht, ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich wütend auf dich bin. Du engst mich ein, du zwingst mir immer deine Bedürfnisse auf, in deiner Gesellschaft fühle ich mich wie ein Sklave, der immer nur deine Bedürfnisse erfüllen muss. Ich wollte zwar vieles übernehmen, das dir zu viel wird, aber ich rede hier von einem emotionalen Gefängnis.“
„Ein Sklave? Emotionales Gefängnis?“, frage ich irritiert. „Wer trichtert dir so etwas ein? War das Carly?“
Calum klatscht sich mit der Hand auf die Stirn. „Siehst du, das ist es. Meine Meinung interessiert dich gar nicht, ich darf anscheinend gar keine haben. Wenn ich selbst denke, dann plappere ich deiner Meinung nach nur irgendwas von irgendwelchen Leuten nach.“
„Es klingt eben nicht nach dir“, verteidige ich mich.
„Weil du mich gar nicht kennst, Trevor. Du interessierst dich nicht für meine Gedanken, maximal für meinen Körper… Und ich bin mehr als ein verdammtes Sixpack und ein Arsch, dem du einen Klaps geben kannst. Nur dass du es weißt, ich treffe mich heute mit einem Mann, der sich für alles interessiert, was ich zu sagen habe. Du kannst mich mal, Trevor, ich kann dich gar nicht mehr ansehen.“
Die Verbindung wird unterbrochen. Calum ist offline.
Ich konnte ihm nicht einmal mehr eine Antwort geben oder auch nur versuchen, ein neutrales Gespräch zu starten.
Hat er mir gerade gesagt, dass er zu einem Psychologen geht oder dass er mich mit einem Kerl betrügt…?
Betrügt er mich überhaupt? Sind wir jetzt getrennt?
Was zur Hölle ist gerade passiert?
Ich sehe auf den Bildschirm, schließe dann das Programm. Das Hintergrundbild ist wie ein Schlag ins Gesicht. Ein Foto einer glücklichen Familie, die wir offenbar nicht sind und auch irgendwie nie waren. Calum und ich sitzen zusammen auf dem Boden, in unseren Armen unsere Töchter Lucía und Cassie. Das zu sehen schmerzt, immerhin steht meine Ehe und mein gesamtes Leben gerade irgendwie auf der Kippe.
Genervt und etwas zu aggressiv klappe ich den Laptop zu.
Okay, es ist so weit. Ich brauche einen Drink und zwar sofort. Jetzt wo Calum mir nicht mehr im Nacken sitzt, kann ich doch getrost wieder anfangen zu trinken, immerhin ist er der Grund, wieso ich Alkohol aufgegeben habe.
Wütend trete ich auf die Veranda. Mit vor Wut zitternden Fingern nehme ich eine der vorgedrehten Zigaretten zur Hand. Erst zünde ich sie an und dann versuche ich gleich, Calum zu erreichen. Mit so einer Info kann er mich nicht sitzen lassen, egal wie wütend er auf mich ist. Das Freizeichen erklingt an meinem Ohr, doch Calum legt nach wenigen Sekunden auf. Ein weiterer Versuch und auch der Versuch danach scheitern. Er legt einfach auf. Bei meinem letzten Versuch wird mir mitgeteilt, dass er nicht zu erreichen ist. Sein Smartphone ist aus.
Das kann nicht sein. Calum kann nicht einfach so eine Pause verlangen und kurz danach gleich mit einem anderen Kerl ins Bett steigen. Was soll der Scheiß? Sonst will er doch immer über alles reden. Wieso reden wir nur, wenn er es will, aber nicht wenn ich ein Gespräch möchte?
Ich gehe auf der Veranda auf und ab, dabei ziehe ich nervös an meiner Zigarette.
Calum verlässt mich…
Ironischerweise nicht, weil ich ihn betrogen habe oder weil ich rückfällig geworden bin, sondern wegen meiner Persönlichkeit. Ich wusste, dass es keine gute Idee ist, mit dem Trinken aufzuhören. Nüchtern sein bringt all meine furchtbaren Eigenschaften zum Vorschein. Ich wusste, dass er das nicht verkraftet. Ich verkrafte meinen Scheiß doch selbst nicht, deswegen habe ich doch immer getrunken… Alkohol macht alles einfacher.
Resignierend lasse ich mich auf meinen Stuhl sinken. Die ausgerauchte Zigarette werfe ich in den Aschenbecher. Frustriert zünde ich gleich die nächste Zigarette an. Ich lasse meinen Kopf auf die Lehne meines Sessels sinken, mein Blick richtet sich an die Decke. Ober mir bemerke ich ein Spinnennetz, in dem eine Spinne sich gerade auf ein Insekt stürzt.
Ich verstehe nicht, was passiert ist. Wir haben uns vertragen bevor Calum gefahren ist. Es hätte mir gleich seltsam vorkommen sollen, dass wir gestern nicht mehr telefoniert haben. Vielleicht war er ja da schon mit diesem Kerl im Bett.
Tequila würde diesen ganzen Scheiß auf jeden Fall besser machen…
Zu meinem Leidwesen kommt auch noch Richie auf mich zu. Ich kann sein fröhliches Summen näherkommen hören. Im Moment sollte ich lieber nichts zu ihm sagen. Ich will nicht, dass ich ihn anschnauze, er Mitleid für mich hat, mich trösten möchte oder dass er sich schlimmstenfalls auf Calums Seite schlägt.
Ich setze mich wieder etwas bequemer hin und konzentriere mich auf meine Metallbox, die auf dem Tisch liegt. Heute werde ich wahrscheinlich noch viele, viele Zigaretten rauchen. Ich brauche einen freien Kopf, um all den Scheiß zu ordnen.
„Willst du dann mit mir in den Saloon gehen?“, fragt Richie, als er die Stufen hinaufsteigt. „Max und Sebastian essen heute auch im Saloon. Es könnte lustig werden, wir könnten gemütlich essen und dann eine Runde Billard spielen. …Trevor?“
„Hm?“, ich sehe auf.
„Geht’s dir gut?“ Ich schüttle den Kopf. „Was ist los?“
„Calum will eine Auszeit“, antworte ich mit einem gequälten Lächeln. „Ich denke, dass er mich verlassen wird.“
„Aber was ist denn passiert?“, fragt Richie überrascht. Er setzt sich neben mich. „So plötzlich? Ich meine, ihr seid doch im Guten auseinander gegangen, er wollte doch nur zum Friseur und seine Freunde besuchen…“
„Mhm, das wollte er“, stimme ich Richie zu. Auch wenn ich eigentlich alles für mich behalten wollte, sprudeln die Worte aus mir heraus. „Aber jetzt hat er nachgedacht und bemerkt, dass ich ein egoistisches Arschloch bin. Ich dachte immer, dass er mich verlassen würde, weil ich in unserem gemeinsamen Bett Koks vom Hintern einer Nutte ziehe oder weil er mich bei einem Gangbang erwischt oder was weiß ich? Vielleicht hätte er mich irgendwann in meiner eigenen Kotze gefunden und meine nächste Überdosis gibt ihm dann den Rest, weil er mir nicht beim Sterben zusehen will… aber das war es alles nicht. Weder Sex, noch Alkohol und Drogen sind der Grund. Es ist meine Persönlichkeit, verstehst du?“
„Also… ist es nicht schlimm, dass er dich verlassen hat, aber der Grund macht dich fertig oder wie jetzt?“, fragt Richie irritiert. „Ich verstehe nicht ganz…“
„No. Ich… Keine Ahnung, ich bin… Ich weiß es nicht.“ Ich sehe Richie an, doch dann richte ich meinen Blick wieder auf meine Metallbox. „Ich bin wütend auf mich selbst. Ich hätte dem Alkohol nicht abschwören dürfen. Das Zeug sorgt dafür, dass ich erträglich bin. Mir ist damit viel mehr egal und ich habe eine größere Toleranz für so viele Dinge, die ich jetzt im nüchternen Zustand sehr eng sehe.“ Ich seufze. „Calum hat einiges gesagt, das mir gar nicht bewusst war… Ich wusste natürlich, dass unsere Ehe nicht so läuft, wie sie es sollte, aber ich dachte… dass wir im Großen und Ganzen doch eine zumindest halbwegs gute Beziehung führen. Es wurde doch besser… Ach, keine Ahnung… Wahrscheinlich wäre es besser, wenn er sich einen Neuen sucht. Ich bin ohnehin nicht für Monogamie gemacht. Er hat Recht, ich denke nur an mich selbst und vor allem an Sex. Es ist überhaupt ein Wunder, dass wir so lange zusammen waren. Es war nur eine Frage der Zeit, bis wir uns trennen.“ Ich zucke mit den Schultern. „Wahrscheinlich hätten wir uns viel früher scheiden lassen, wenn unsere Jobs und die zwischenzeitlichen Fernbeziehung-Monate nicht gewesen wären. Mich erträgt man nicht so leicht und schon gar nicht bis an sein Lebensende. Es war klar, dass meine Ehe kaputt geht… Irgendwie arbeite ich schon Jahre daran, Calum soweit zu bringen.“
Richie legt seine Hand an meinen Unterarm. Er streichelt mich ein wenig. „Ihr bekommt das ganz bestimmt wieder hin, Trevor. Calum braucht nur Zeit für sich. Ihr hattet viel Stress. Die Paparazzi, der Umzug, dann hast du einen Entzug gemacht… Das belastet eine Beziehung und auch die Psyche. Du wirst sehen. In ein paar Tagen werdet ihr beide sehen, wie sehr ihr einander vermisst und dann kommt Calum zurück und ihr liebt euch mehr denn je.“
Auch wenn mir nicht danach zumute ist, schmunzle ich ein wenig. „Süß, dass du das sagst, aber ich bin ziemlich sicher, dass das nicht eintreffen wird. Calum hat endlich Zeit um zu realisieren, dass ich nicht der Mensch bin, den er all die Jahre in mir gesehen hat. Es musste so kommen… Das musste passieren…“
„Du hast eine sehr geringe Meinung von dir, Trevor.“
Ich schüttle den Kopf. „Es ist bloß die Wahrheit. Würde es dir etwas ausmachen, mich eine Weile alleine zu lassen? Ich muss über das alles nachdenken und sehen, was ich machen kann.“
„Ich weiß nicht, ob das so gut wäre, wenn du jetzt alleine bist…“
Ich drücke meine Zigarette in den Aschenbecher.
„Wenn du nicht weggehst, dann gehe ich eben.“
Und das tue ich auch. Mein Weg führt mich ins Schlafzimmer. Ich lasse mich ins Bett fallen. In meiner Hand halte ich wieder mein Smartphone. Zu gerne würde ich Calum schreiben, doch es bringt ohnehin nichts, zumindest im Moment nicht. Was sollte ich überhaupt schreiben? Dass es mir leidtut? Wie inhaltslos wäre diese Entschuldigung… Er hat sich schon oft darüber beschwert, dass ich mich entschuldige, aber ohnehin nichts ändere.
Wie ein dummer Teenager, der mit seinem ersten Liebeskummer konfrontiert ist, liege ich in meinem Bett. Ich drücke mein Gesicht in das Kissen, auf das ich mich fallen lassen habe. Es duftet dummerweise nach Calum, es riecht nach dem neuen Shampoo, das er sich zugelegt hat.
Zu meiner ohnehin schon vorhandenen Wut, kommt nun noch hinzu, dass ich mich selbst noch mehr hasse, weil ich so lächerlich bin. Eigentlich sollte ich anfangen zu trinken, jemanden aufreißen und so lange weiter trinken und Sex haben, bis ich alles um mich herum vergesse. Es gäbe außerdem einige Substanzen, die mir diesen Kummer und Selbsthass erleichtern würden. Alles ist besser, als hier rumzuliegen, doch mein Körper will hier nicht mehr aufstehen.
Da mir die Luft ausgeht, drehe ich meinen Kopf zur Seite. Die Tür öffnet sich. Richie tritt in mein Blickfeld. Er setzt Domingo auf das Bett. Sieht wohl so aus, als würde er mich unbedingt trösten wollen.
Wieso ist es für ihn so schwer zu verstehen, dass ich allein sein möchte? Ich brauche jetzt keinen Trost, ich brauche Zeit zum Nachdenken.
„Domingo darf nicht ins Bett…“
„Jetzt schon.“
„No…“
Auch Richie klettert zu mir ins Bett. Er kuschelt sich an mich und drückt mich fest. Es nervt. Nicht, dass er mich trösten will nervt mich, sondern, dass ich offensichtlich so bedauernswert bin, dass ich es nötig habe, getröstet zu werden.
„Soll ich mit Calum reden?“
„Viel Glück dabei, sein Smartphone ist aus. Ich habe ihn dreimal angerufen und beim vierten Mal war es aus. Weißt du was die Härte ist? Er will nicht nur eine Pause, er hat mir noch reingedrückt, dass er sich mit einem Kerl trifft. … Und seitdem blockt er meine Kontaktversuche… Ich hätte gerne mit ihm darüber gesprochen, er hat mir kaum die Chance gegeben, etwas zu sagen. Wenn er den Kerl jetzt braucht, um seine Aggressionen loszuwerden, ist das für mich okay, aber ich hätte gerne die Möglichkeit gehabt zumindest eine Zeit auszumachen, in der ich mit den Mädchen telefonieren kann. Er blockt mich ja nicht nur von sich ab, sondern auch von unseren Kindern.“
„Calum meint das bestimmt nicht so. Vielleicht will er dich ja zappeln lassen, um dir mal zu zeigen, wie er sich fühlt.“
„Das funktioniert gut, ich zapple…“
„Kann ich irgendetwas tun, um dir zu helfen?“
Ich drehe mich auf den Rücken und sehe an die Zimmerdecke. Domingo schnüffelt schon wieder in meinem Gesicht, doch dieses Mal wehre ich mich nicht. Es ist mir im Moment egal. In meinem Kopf zählt nur ein Gedanke: Ich stehe kurz vor einer verdammten Scheidung und es sieht so aus, als würde Calum das Sorgerecht für unsere Kinder beantragen.
Ich habe mich beschwert, immer und immer wieder, aber das machen alle Eltern. Ich liebe Cassie und Lucía, auch wenn ich gerne ausschlafen würde, auch wenn sie mir manchmal den letzten Nerv rauben. Sie sind meine Töchter. Ich habe sie nicht adoptiert, weil mir langweilig war, sondern weil ich mit Calum eine Familie gründen wollte…
„Trevor?“
„Richie, ich hab dich wirklich sehr lieb, aber bitte lass mich alleine.“
„Aber wenn du hier alleine rumliegst, wird es auch nicht besser. Ich will doch nur helfen.“
„Nimm den verdammten Hund und verschwinde aus meinem verdammten Schlafzimmer, wenn du mir helfen willst“, spreche ich mit Nachdruck. Meine Stimme klingt dabei so fordernd und wütend, dass Richie nicht weiter widerspricht. Er nimmt Domingo in seine schlanken Arme und macht sich mit einem leisen ‚Entschuldigung‘ aus dem Staub.
Ich brauche einige weitere Minuten, um all das Geschehene ein wenig zu ordnen. Calum möchte eine Beziehungspause und diese Pause startet wohl heute, sonst hätte er mir nichts von seinem ‚Date‘ erzählt. Vielleicht sollte ich nicht wütend, traurig, deprimiert oder was immer ich auch fühle, sein, sondern es irgendwie positiv sehen?
Er verbringt etwas Zeit mit diesem einfühlsamen Kerl, hat ein bisschen Sex und fühlt sich wieder wie neu und dann kommt er zu mir zurück.
Vielleicht braucht Calum nur ein paar Tage, bis er sich wieder daran erinnert, wieso er mich geheiratet hat…
Ich atme tief durch.
…anderseits könnte er sich in der Zwischenzeit auch einen anderen Mann angeln. Das würde ihm leicht fallen! Calum ist attraktiv, er ist jung, er ist liebenswert, er hat ein perfektes Lachen und wundervolle Augen. Er hat so viele Eigenschaften, die ich an ihm liebe und bewundere. Ich hab ihn zu oft als selbstverständlich betrachtet.
Fuck, ich liebe Calum und ich will ihn nicht verlieren.
Auch wenn ich mir keine großen Hoffnungen mache, nehme ich mein Smartphone zur Hand. Ich schreibe ihm eine Nachricht. Sie sollte nicht zu lang sein, denn ich bin ziemlich sicher, dass er keine Lust hat, sich mit dem, was ich zu sagen habe, zu beschäftigen. Das hat er mir ja klar und deutlich gemacht, als er die Verbindung ohne weitere Worte beendet hat.
Trevor: ‚Calum, ich weiß, dass du die Schnauze von mir voll hast, aber ich möchte mich trotzdem mit dir zusammensetzen und mit dir über alles reden. Falls du eine Scheidung willst, gibt es viele Dinge zu klären und ich würde alles gerne so gut es geht ohne Anwälte besprechen und klären. Ich will keine Schlammschlacht, unter der unsere Kinder leiden. Du musst dich nicht heute oder morgen, nicht einmal nächste Woche melden, aber bitte lass uns über alles sprechen. Nimm dir so viel Zeit, wie du brauchst. Ich liebe dich.‘
Trevor: ‚Auch wenn du mich nicht sehen oder sprechen möchtest, wäre es nur fair, wenn ich wenigstens mit den Mädchen reden könnte…‘
…
Die Tür zu meinem Schlafzimmer öffnet sich von Außen. Den ganzen Tag habe ich im Bett verbracht und da werde ich auch die nächsten Stunden definitiv bleiben. Es könnte sein, dass ich zwischendurch eingenickt bin, doch jetzt bin ich hellwach, so wie meine Gedanken.
„Er liegt schon seit Stunden nur im Bett herum… Ich weiß nicht, was ich machen soll, Emily. Ich brauche deine Hilfe.“
„Lass mich das machen.“
„Okay, viel Glück.“
Wieso kann man mich nicht einfach in Ruhe lassen? So lange ich hier liege, bin ich nicht auf dem Weg zu dem nächsten Supermarkt, um mir Alkohol zu besorgen. So weit kommt es noch, dass ich bei der ersten Enttäuschung aufgebe. Natürlich ist mit Alkohol alles einfacher, aber ich kann trocken bleiben. Calums Abwesenheit wird daran nichts ändern, dazu bin ich zu stolz.
„Darf ich mich setzen, Trevor?“
„Kann ich dich aufhalten?“, stelle ich eine Gegenfrage.
„Natürlich. Wenn du möchtest, gehe ich, aber davor möchte ich mit dir reden.“
„Dann kann ich dich also nicht aufhalten“, stelle ich neutral fest. Ich setze mich auf, mein Smartphone lege ich auf den Nachttisch. „Hör mal, Emily.“ Ich falte meine Hände zusammen, als ich meine Freundin ansehe. „Calum will eine Beziehungspause. Jede Sekunde, die ich hier verbringe und darüber nachdenke, wie ich ihn zurückbekomme, ist eine Sekunde, in der ich mich nicht betrinke. Bitte mach es mir nicht schwer, ich weiß im Moment nicht, was ich tun kann, um meine Ehe zu retten.“
„Nichts“, antwortet Emily, als sie sich zu mir auf das Bett setzt. „Im Moment kannst du nichts tun, weil er alle Anrufe abblockt. Hat er dir gesagt, dass er sich scheiden lassen möchte?“
„Er hat gesagt, dass er meine Persönlichkeit nicht erträgt, das ist so ziemlich dasselbe, wenn du mich fragst“, antworte ich etwas schnippisch.
„Du hast viele Stunden nachgedacht, zu welchem Entschluss bist du gekommen?“
„Nun ja“, antworte ich etwas zögernd. „Ich wollte es auf den Alkohol schieben… Ich bin mit Alkohol definitiv erträglicher. Allerdings zeigt das auch, dass Calum Recht hat. Ich habe keine sehr angenehme Persönlichkeit. Ich bin kein guter Mensch, Emily. Ich bin herablassend, ich bin rechthaberisch, ich bin selbstsüchtig und ich behandle jeden Menschen, als würde ich über ihm stehen. Es ist Calum gegenüber nicht fair und…“ Ich räuspere mich. „Es ist auch meinen Mädchen gegenüber nicht fair. Ich habe über meine eigenen Worte nachgedacht und darüber, wie ich meine Familie behandle. Ich bin furchtbar und Calum hat etwas Besseres verdient. Vielleicht tut ihm der neue Kerl ja gut…“
Emily lässt mir etwas Zeit, zum Verschnaufen, dann legt sie ihre Hand an meine. „Du kannst dich ändern, Trevor.“
„Willst du wieder meine Aura mit Tee reinigen?“, frage ich mit vor Sarkasmus triefender Stimme. „Das hat ja wahnsinnig gut funktioniert. Ich bin ein wahrer Sonnenschein.“
„Ich fürchte, dass das nicht ausreichen wird.“ Meine Freundin lächelt mich an. „Deine Aura ist nicht vergiftet, du bist vielleicht etwas im Ungleichgewicht und da könnte ich dir helfen. Es gibt allerdings keinen schnellen Zaubertrank, der dich verändern kann. Wenn du dich wirklich von Grund auf ändern willst, ist das viel harte Arbeit. Die Frage ist nur: Ist Calum das alles wert? Willst du das überhaupt wirklich? Wenn du nur sagst, dass du es tust und deine Veränderungen nach ein paar Wochen wieder schleifen lässt, wiederholt sich dieses Schema immer und immer wieder.“
Ich nicke. „Wenn Calum mir nichts bedeuten würde, wäre ich nicht alleine in diesem Bett gelegen, sondern hätte mir eine Nutte bestellt“, antworte ich geschlagen. „Ich fürchte nur, dass es zu spät ist. Er hat sich heute mit einem anderen Kerl getroffen, sein Smartphone ist den ganzen Tag aus, ich habe ihn mindestens 50 verdammte Male angerufen…“
„Gib ihm Zeit.“
„Du verstehst es nicht, Emily. Calum trifft sich mit einem anderen Mann, weil er mich nicht ausstehen kann und er hat damit vollkommen Recht. Ich habe schon viel zu oft versprochen, dass ich mich ändere. Ich habe es immer und immer wieder versucht und ich habe Calum enttäuscht. Vielleicht ist es ja doch das Beste? Ich weiß es einfach nicht… Ich will nur, dass Calum glücklich ist. Er hat sein Glück verdient.“
Emily spricht mir gut zu: „Ich bin sicher, dass er möchte, dass du um ihn kämpfst. Er hat dir nicht aus Bosheit gesagt, dass er sich mit jemandem trifft. Vielleicht wollte er dir damit zeigen, wie ernst es ihm ist, um dich wachzurütteln.“
„Naja, was soll ich tun? Er möchte Abstand zu mir. Ich kann nicht einfach nach Zuzu City fahren, ihm Blumen und Pralinen kaufen, vor ihm auf die Knie fallen und mich entschuldigen. Das bringt nichts, das habe ich unzählige Male davor schon getan. Dieses Mal ist es ernster, also brauche ich eine andere Lösung.“
„Gut, wenn du nichts tun kannst und dir nichts Neues einfällt, dann gib auf“, antwortet Emily neutral. Sie steht auf und lächelt mich an.
Auch ich sehe sie an. Das scheint also ihr endgültiger Rat zu sein. „Umgekehrte Psychologie? Wirklich? Soll ich jetzt meinen Kampfgeist wecken und loslaufen, um mit jemandem zu reden, der mich offensichtlich schon den ganzen Tag nicht hören, geschweige denn sehen will?“ Ich atme tief durch. „Ich weiß nicht, was ich langfristig gesehen tun soll, aber ich denke, dass ich Calum tatsächlich erst einmal in Ruhe lassen sollte. Er hat eine Nachricht von mir, in der steht, dass ich reden möchte und dass er sich melden soll, wenn er soweit ist und dass ich mit den Mädchen sprechen möchte. … In der Zwischenzeit muss ich wohl meine eigenen Bedürfnisse hinten anstellen und auf ihn warten… Vielleicht ist es ja genau das, was er möchte. Die Situation ist so ernst und ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Bis jetzt hat Calum mir vergleichsweise leicht verziehen, egal wie dumm ich mich verhalten habe.“
„Frische Luft und ein Spaziergang im Wald würden dir bestimmt gut tun. Richie macht sich große Sorgen um dich. Geht zusammen spazieren. Du musst nicht reden, aber du solltest irgendetwas tun, schon alleine, damit er sich keine Vorwürfe macht, dass er dir nicht helfen kann. Richie fühlt sich schuldig, weil er nicht zu dir durchdringen konnte.“
„Ich schätze, dass ich mich ohnehin bei ihm entschuldigen sollte“, antworte ich schuldbewusst. „Er wollte nur helfen und mich aufheitern, aber in dem Moment konnte ich damit noch nicht umgehen. Ich musste mal runterkommen.“
„Richie wird dir verzeihen und auch Calum wird dir eine Chance geben, um über alles zu sprechen. Ihr habt Kinder, er kann nicht gehen, ohne, dass ihr zumindest eine Vereinbarung wegen eurer Mädchen trefft. Im Moment sieht es schlimm aus, weil er in Zuzu City ist und seine Freunde besucht, weil er Zeit für sich braucht und weil sich viel Wut angestaut hat, die er jetzt auf einmal herausgelassen hat. Lass dich nicht zu sehr hängen, Trevor. Ich bin sicher, dass ihr wie erwachsene Menschen über eure Probleme sprechen könnt. Ihr werdet eine Lösung finden.“
„Naja…“ Ich stehe das erste Mal seit Stunden aus dem Bett auf. „Sag Richie, dass er sich anziehen soll, wir sollten mit Domingo einen Spaziergang machen. Ich mache mich nur kurz frisch.“
Emily lächelt mich an, sie umarmt mich herzlich. Die Umarmung erwidere ich nur kurz, da ich schon dringend auf die Toilette muss.
Hoffentlich meldet Calum sich bald…
…
Den Spaziergang bringen Richie und ich beinahe schweigend hinter uns. Er gibt sich große Mühe, mich mit simplen Gesten und Umarmungen aufzuheitern. Mittlerweile bin ich allerdings noch deprimierter, weil Calum sich nicht gemeldet hat. Ich hätte zumindest gerne meine Kinder gesprochen. Carly stellt sich natürlich vollkommen auf Calums Seite, sie ignoriert nicht nur meine Anrufe, sondern auch die, die ich von Richies Smartphone aus getätigt habe. Mag sein, dass Calum wütender denn je ist, trotzdem habe ich das Recht, meinen Kindern zumindest eine gute Nacht zu wünschen. Das ist alles, was ich heute noch wollte.
Richie und ich finden uns vor dem Fernseher ein. Ich liege bereits auf der Couch, als er sich noch mit seinem Smartphone beschäftigt. Domingo hat sich neben meinem Kopf zusammengerollt. Ich spüre seinen warmen Körper in meinem Nacken, er schnarcht etwas, doch an dieses rhythmische Schnarchen habe ich mich bereits gewöhnt.
„Deinen Mädchen geht es gut“, spricht Richie sanft. Er zeigt mir ein Foto, das Calum gepostet hat.
Ich nehme ihm das Smartphone ab und betrachte das Bild. Meine Mädchen haben bunte Haarsträhnen bekommen. Cassie hat eine blaue Strähne im Haar. Die Locken von Lucía sind mit einer pinken Haarsträhne geschmückt. Darüber haben wir schon vor einer Weile gesprochen und July hat versprochen, dass sie die passenden Haarteile bestellt, um den Mädchen ihren Traum von bunten Strähnen zu ermöglichen.
Meine Töchter sehen auf dem Foto mehr als glücklich aus. Calum drückt sie an sich, meine Familie lächelt zufrieden und das ohne mich. So könnte das in Zukunft also aussehen, wenn Calum die Scheidung einreicht und das alleinige Sorgerecht gewinnt. Bei meiner Vergangenheit wäre es vor dem richtigen Richter ein Leichtes, mir meine Mädchen wegzunehmen…
Etwas Farbe kann nie schaden ;)
Danke @JulysBeautyDiary für die zauberhafte Behandlung, meine Mädchen lieben ihre neuen Strähnen!
- Calum Sanchez
Ich erspare es mir, die Kommentare zu lesen und gebe Richie sein Smartphone zurück. Der zarte Blondschopf legt es auf den Couchtisch und begibt sich dann in meine Arme. Er drückt mich liebevoll.
„Es wird alles wieder gut, Trevor, das verspreche ich dir.“
„Ich hoffe, dass du Recht hast, mein Kleiner…“