capítulo 41
planes futuros II
Calum und die Kinder kaufen heute Schulsachen ein. Die Mädchen sollen für das neue Schuljahr und vor allem die neue Schule gewappnet sein. Der Grund wieso ich nicht mitgekommen bin, liegt auf der Hand: Ich shoppe nicht besonders gerne und erst recht nicht in der Rubrik Schulsachen. Ich kann die Mädchen schon hören, wie sie Calum um alles anbetteln, was ihnen ins Auge springt. Glücklicherweise erspare ich mir diese Erfahrung. Ich überlasse diese Aufgabe lieber meinem marido, er liebt es Dinge zu kaufen und den Mädchen eine Freude damit zu machen. Abgesehen davon hat er viel mehr Geduld in solchen Situationen.
Ich sitze natürlich nicht untätig herum, denn auch ich habe die eine oder andere Aufgabe übernommen. Die erste Aufgabe habe ich bereits hinter mir. Der Spezialist, der Lucías Operation übernehmen wird, ist endlich wieder verfügbar. Der Termin steht, leider müssen wir jedoch noch ein paar Wochen warten. Zu meinem Bedauern ist er nicht bestechlich. Ich hätte es mir eine Menge kosten lassen, wenn er meine Tochter im Gegenzug dazu früher begutachten würde.
Auch an der zweiten Aufgabe sitze ich bereits. Für die Zukunft möchten Calum und ich einiges in unserem Leben ändern und umgestalten. Richie hat uns den Vorschlag gemacht, für gewisse Aufgaben Personal zu engagieren. Seine Eltern haben einige Angestellte, die das Haus am Laufen halten und das schon seit Richies Kindheit. Da Calum und ich der Idee nicht abgeneigt sind und wir ohnehin Hilfe bei der Kinderbetreuung brauchen werden, sobald wir beide wieder arbeiten, kümmere ich mich darum, ein Inserat fertigzustellen. Wir brauchen jemanden, der vertrauenswürdig genug ist, nicht alles auszuplaudern, was in unseren vier Wänden passiert und zusätzlich dazu wäre es auch schön, wenn alle anderen Aufgaben ordnungsgemäß erledigt werden.
Für unseren Garten habe ich bereits Dans Gärtner an Land gezogen. Auf diese Weise wird unser Gras mindestens so grün wie das unseres Nachbarn. Nun brauchen wir noch eine Haushälterin und eine Nanny für unsere Töchter. Glücklicherweise kann Dan auch in diesem Punkt helfen. Er kennt viele Leute und hat gut ausgebildetes Personal aus verschiedenen Branchen in der Hinterhand.
Ich tippe gerade die Liste mit den Aufgaben und Anforderungen ab, die Calum und ich für die zwei freien Posten zusammengestellt haben. Sobald das Inserat fertig ist, kann ich mich wieder erfreulicheren Dingen widmen.
Meinen Haushalt abzugeben fühlt sich im ersten Moment etwas seltsam an, doch auch die Villa, die wir am Stadtrand hatten, wurde regelmäßig von einem Putztrupp sauber gehalten und das habe ich auch problemlos ausgehalten. Bei Bedarf kann man ja immer noch selbst den Putzlappen schwingen.
Ein kleines, logistisches Problem bedarf jedoch noch einer Lösung. Es wäre praktisch, wenn unsere Angestellten gleich bei uns wohnen könnten, doch so viel Platz haben wir aktuell leider nicht.
Mein Smartphone vibriert neben mir auf dem Tisch. Ich wische über den Bildschirm und nehme das Gespräch an, außerdem stelle ich den Lautsprecher an.
„Hola“, begrüße ich den Störenfried auf der anderen Seite der Leitung.
„Hey du“, erwidert Max die Begrüßung freundlich. „Ich hab gehört, dass du und Calum euch jetzt ein paar Angestellte zulegt. Ganz schön dekadent, mein Freundchen.“
„Mhm“, antworte ich, während ich tippe. „Ich hätte noch eine Stelle als meinen persönlichen Schwanzlutscher frei, falls du Interesse hast, Max.“
Es ist einige Sekunden still, doch dann erklingt Max’ Lachen aus dem Lautsprecher.
„Good one, good one. Also das muss ich dir schon lassen.“
„Hast du auch einen Grund, mich anzurufen, oder wolltest du mir nur sagen, dass du ein Fremdwort gelernt hast?“
„Jetzt sei mal nicht so abgehoben, Mister Ich-hab-studiert-und-bin-schlauer-als-Max.“
„Ich wäre auch schlauer als du, wenn ich nicht studiert hätte, Max“, entgegne ich grinsend. „Im ernst jetzt, was willst du?“
„Ach“, antwortet er. „Weiß auch nicht… Ich wollte nur so fragen wie es dir geht und ob du mit mir darüber sprechen willst, dass du von der Muse ungeküsst bist. Hab mir auch gedacht, dass ich vielleicht das Thema Alkohol anschneiden sollte, nachdem Calum erzählt hat, dass du ab und zu ein Glas trinken möchtest… oder wirst oder wie auch immer.“
Skeptisch verenge ich meine Brauen. Calum ist so eine verdammte Plaudertasche. So sehr ich ihn liebe, wünsche ich mir auch, dass er ab und zu mal Dinge für sich behält. Er ist genauso schlimm wie Richie, der kann auch nichts für sich behalten.
„Es ist diskriminierend, wenn man ein Geschlecht den anderen vorzieht, wenn man einen Angestellten sucht, oder?“, lenke ich das Thema auf ein Problem, das in diesem Moment wichtiger für mich ist.
„Äh… Ja? Im Prinzip musst du mit dem Inserat alle sprechen und du darfst niemanden ausschließen. Männlich, weiblich, divers.“
„Das ist weniger praktisch… Als Nanny hätten wir nämlich gerne eine Frau. Die Mädchen haben schon genug männliche Bezugspersonen und ich schätze, dass es ihre Entwicklung positiv beeinflusst, wenn sie auch eine Frau in ihrem Leben hätten. Calum meinte zwar, dass er lieber einen Mann einstellen möchte, wahrscheinlich weil er nicht will, dass ich eine Frau in greifbarer Nähe habe… aber wir alle wissen, dass ich sowieso nicht wählerisch bin. Jeder gutaussehende Mensch könnte Calum eifersüchtig machen.“
Es ist kurz still, doch dann kann ich ein Seufzen hören. „Habt ihr immer noch Probleme?“
„Von meiner Seite aus nicht. Manchmal ist Calum bisschen zickig, wir hatten auch eine Weile keinen Sex, also bis auf gestern. Wir scheinen das also wieder halbwegs in den Griff zu bekommen. Was ist mit dir?“
„Also ich habe aktuell gar keinen Sex“, antwortet Max relativ nüchtern. So neutral wie sie scheint, ist diese Aussage jedoch nicht. Sein Grinsen kann ist deutlich in seiner Stimme zu hören.
„Max…“
„Meine Beziehung läuft, alles läuft. Dass die Tour allerdings bald vorbei ist, fühlt sich etwas unwirklich an… Es wird mir fehlen, auf der Bühne zu stehen. Die Tour ging so rasend an mir vorbei, dass ich das Gefühl habe, dass sie gerade erst begonnen hat. In ein paar Tagen bin ich schon wieder auf dem Weg nach Hause. Eigentlich wollten wir nach dem letzten Konzert noch feiern, aber…“ Max gähnt. „Ich werde noch in derselben Nacht zurückfliegen. Ich weiß nur noch nicht, ob ich dann in Zuzu City schlafe, oder ob ich mich nach Pelican Town fahren lasse…“
„Wieso die Eile? Vermisst du den Hintern deines Mannes?“, ziehe ich Max auf.
„Erstens: Ja und wie. Und zweitens: Sebastian wollte unbedingt, dass wir uns zusammen die Quallenwanderung ansehen. Wir bringen die Kinder ins Bett, spazieren am Strand entlang und kuscheln am Steg, während wir die Quallen betrachten.“
„Klingt ziemlich schwul, wenn du mich fragst“, meine ich grinsend.
„Ja, klasse, oder?“
„Mhm. Also für mich wird es eher nicht romantisch werden. Ich kann mich schon nörgeln hören. Cassie, setz dich ruhig hin… No, Lucía, du kannst die Quallen nicht anfassen…“ Ich lehne mich zurück, doch dann schnelle ich nach vorne, als ich meine Metallbox erblicke. Eine Zigarette wäre doch ein toller Plan. „Vielleicht sollte ich die Kinder auch einsperren.“
Max entgegnet: „Tz, einsperren wie das schon wieder klingt. Sebastian sagt das auch immer. … Sie werden nicht eingesperrt. Aiden und Damian sind Babys und sie verschlafen den Zirkus, so wie sie den Jahreswechsel einfach verschlafen.“
„Das würde ich jetzt auch sagen…“
„Jetzt weiß ich, was du machst“, erklingt Max erleuchtet. „Du lenkst vom Thema ab.“
„Awww, bist du da ganz alleine drauf gekommen?“, mache ich mich über Max lustig. Ich bin froh, dass er manchmal eine längere Leitung hat.
„Lenk nicht ab“, ermahnt Max mich. „Was hat es mit dem Alkohol auf sich? Wieso trinkst du jetzt wieder? Ich war so stolz auf dich.“
„Ich trinke ein oder vielleicht zwei Gläser pro Woche, Max. Wenn ich mich auf einen einzigen Drink freuen kann, dann fällt es mir nicht so schwer, jemandem beim Trinken zuzusehen. Obwohl ich stur bin und nicht nachgebe, fällt es mir schwer, den Gedanken Alkohol zu trinken, abzulegen. Shane hat es auch geschafft, wieso sollte ich nicht dasselbe Recht haben?“, erkläre ich mich.
„Nun ja… Shane hat getrunken, weil er unzufrieden war. Jetzt ist er zufrieden und alles läuft. Und Trevor, es ist doch so, dass du zu Extremen neigst. Ich will dich nicht entmutigen oder dir etwas unterstellen, aber ich halte es für eine sehr schlechte Idee. Weißt du, es ist doch so: Aus den zwei Drinks werden mit der Zeit noch ein dritter und ein vierter. Dann ist es auch schon egal und du trinkst jeden Tag ein Glas. Und dann fängt es damit an, dass du an einem Tag zwei Drinks zu dir nimmst und du nimmst dir natürlich vor, dann am nächsten Tag nicht zu trinken. Dein Alkoholiker-Gehirn findet das allerdings nicht so toll und schon trinkst du wieder regelmäßig und dann auch noch viel mehr als du solltest.“
Ich lehne mich zurück und entzünde meine Zigarette. Max’ Gedankengänge kommen nicht von ungefähr. Er hat Recht mit dem, was er sagt. Es könnte sogar sein, dass ich wieder in dieses Verhalten zurückfalle, sollte ich mich nicht zusammenreißen.
Jetzt wo er mir so vor Augen hält, wie es ablaufen könnte, fühle ich mich mies. Er hatte nicht vor, mich zu demotivieren, dennoch fühle ich mich, als hätte Max mich gerade schwer beleidigt. Ich bin trotzdem nicht wütend auf ihn, sondern auf mich selbst.
„…Trevor?“
„Du könntest Recht haben, Max.“
„Du klingst sauer.“
„Ich bin sauer, aber nicht auf dich, keine Sorge. Du kannst nichts für meine Inkonsequenz“, antworte ich geschlagen.
„Kann ich dir irgendwie helfen?“
Ich überlege kurz, doch mir fällt nichts ein. „No, ich schätze nicht.“
„Du kannst mich immer anrufen, okay?“
„Ich weiß… Hey, ich muss hier weiter machen. Calum soll sehen, dass ich nicht ganz faul war.“
„Okay. Oh, was die Musik angeht… Lass dich von einer neuen Muse küssen. Wir könnten dich wirklich für die Texte brauchen. Ohne dich wird die neue Platte mies, das weiß ich jetzt schon.“
„Ich versuche es, Max.“
„Gut so. Hey, vielleicht hilft dir ja etwas Gras beim Denken.“
„Mhm, ich lege jetzt auf Max“, antworte ich strenger.
„Sorry, bye.“
Es ist nett von Max, dass er mich aufheitern und mich bestärken möchte, dennoch bin ich nach diesem Gespräch ziemlich geknickt.
Auch die Tatsache, dass Max es in diesem Jahr geschafft hat, mehr Songs zu schreiben als ich demotiviert mich. Gut, er hat zwar nur einen Song geschrieben, trotzdem ist es ein Song mehr als ich zustande gebracht habe.
Ich kann das nicht auf mir sitzen lassen. Meine grauen Zellen müssen sich anstrengen!
…
Um mich auf die nächsten Monate einzustimmen, mache ich es mir draußen unter ein paar Bäumen gemütlich. Ich habe Notizblöcke, meine Gitarre und etwas zu trinken dabei.
Mir gehen einige Themen durch den Kopf, doch es gibt nichts, dass schnell ‚Klick‘ macht. Notizen mache ich mir dennoch, da ich genau weiß, dass man jede Zeile, die einem durch den Kopf geht, irgendwann brauchen könnte.
Ich bleibe nicht sehr lange mit meinen Gedanken alleine, denn Richie leistet mir Gesellschaft. Er winkt mir, als er auf mich zukommt und setzt sich neben mich auf die Decke. Das Buch, das er eben noch in seiner Hand gehalten hat, legt er nun auf seinem Schoß ab.
„Hey Trevor.“
„Hey.“
„Was machst du?“, fragt er neugierig.
„Ich versuche mich daran, einen Song zu schreiben.“
„Oh, cool…“ Richie blickt über meine Notizen. Ich stütze mich an meiner Gitarre ab und sehe Richie an. Als auch er mich ansieht, lächelt er. Er lächelt nicht nur mit dem Gesicht, nein, seine gesamte Seele strahlt mich in diesem Moment an. „Darf ich dir helfen?“
„Also… Max meinte, dass ich mich von einer Muse küssen lassen soll. Und dass sie mich für das Album brauchen. Im Normalfall fliegen mir die Ideen nur so zu, bis jetzt sieht’s aber ziemlich dürftig aus. Hab schon ziemlich viel Gras intus, aber geholfen hat es leider noch nicht.“
Richie lacht, dann macht er es sich etwas bequemer. „Du brauchst also den Kuss einer Muse?“
„Mhm… Der Kuss von Gras hilft leider nicht.“
Der Blonde streckt sich zu mir und drückt mir einen Kuss auf die Wange. „Los, schreib“, bittet er mich, als er sich wieder aufrichtet. Etwas verwirrt sehe ich Richie an, der gleich auf meinen Notizblock zeigt. „Jetzt hast du alles, was du brauchst. Gras und einen Kuss, also leg los.“
Diese simple Geste bringt mich zum Lachen. „Du bist herzallerliebst, Richie.“
„Danke“, antwortet er grinsend. „Es läuft wohl echt nicht so gut, oder?“
„Leider nicht…“
„Hm… Songtexte sind ja eigentlich auch nur Gedichte, oder?“
„So in der Art…“
Richie überlegt. „Will war echt gut darin, Gedichte zu schreiben.“ Er reicht mir sein Buch. Ich erkenne es sofort wieder. Mein Kleiner liest oft darin. „Es wäre cool, wenn er dir helfen könnte.“
Etwas zögerlich greife ich danach. „Ich weiß nicht, ob ich das annehmen kann oder sollte, immerhin sind das Wills Werke.“
„Bitte… Er hat sich nie getraut, jemandem die Gedichte zu zeigen. Ich bin der Einzige, der sie lesen durfte. Will würde sich bestimmt freuen, wenn die eine oder andere Zeile vielleicht in einem Song auftauchen würde.“ Ich sehe in Richies große, blaue Augen. Es ist schwer, diesem Mitleid erregenden Blicken zu widerstehen. „Es würde mir unheimlich viel bedeuten. Auf diese Weise würde er ewig weiterleben.“
„Okay. Ich kann aber nicht versprechen, dass ich irgendetwas verwenden kann. Und wie das rechtlich aussieht… Naja…“
„Es wäre cool, wenn Will dir helfen könnte. Bitte. Es ist zumindest einen Versuch wert.“
Ich lege meine Gitarre zur Seite und blättere durch Wills Notizbuch. Ein wenig seltsam fühlt es sich schon an, in seine Gedankenwelt einzudringen, immerhin bin ich abgesehen von Richie die erste Person, die das hier sehen darf.
Williams Handschrift ist gut leserlich. Jeder Buchstabe ist feinsäuberlich geschrieben, selbst die durchgestrichenen und verbesserten Passagen wirken ordentlich. Meine Notizen wirken dagegen wie das Geschmiere eines Schulkindes.
Wer Wills Muse war, ist deutlich herauszulesen. Er schreibt über Augen so blau wie das Meer, so tief wie der Ozean, über ein Lächeln, das heller strahlt als die Sonne. Er schwärmt von Küssen, die seine Seele erwärmen, von einem Lachen, das ihn selbst zum Lachen bringt. Von Berührungen, die ungeahnte Gefühle wecken.
Wie sehr William Richie geliebt hat, kann man in jeder Zeile spüren. Mir wird klar, wieso Richie nicht loslassen möchte. Wenn man einander so sehr liebt, fällt es schwer, sich ein Leben ohne seinen Partner vorzustellen.
Es ist mir ein wenig peinlich, doch in meinen Augen bilden sich Tränen. Will war ein unvergleichlicher Mensch… Ich kann nicht abstreiten, dass er in Richie ganz klar seinen Seelenverwandten gefunden hat.
„…das ist wunderschön. Er hat dich aufrichtig geliebt. Langsam wird mir klar, wieso du nicht loslassen kannst.“
„Mhm… Ich werde nie wieder jemanden wie ihn finden. Wahrscheinlich werde ich nie wieder so glücklich, wie ich es mit Will war. Mich damit abzufinden ist gar nicht mal so leicht.“
Ich greife nach Richies Hand und küsse seinen Handrücken. „Versuch nicht eine neue Liebe mit einer alten Liebe zu vergleichen… Das funktioniert nicht. Bei mir war es damals ja auch nicht anders. Die Erinnerungen an Enrique waren immer etwas Besonderes für mich, vor allem weil wir nicht abschließen konnten. Als er sich nach so vielen Jahren wieder gemeldet hat, dachte ich, dass das unsere zweite Chance wäre. Ich weiß, die Situation hat mit deiner nicht allzu viel gemein, aber ich wollte an etwas festhalten, dass ich so nie wieder erleben werde. Manchmal muss man abschließen, auch wenn es wehtut. Man muss vergangenes hinter sich lassen, um für etwas Neues offen zu sein.“
„Ich habe trotzdem ein schlechtes Gewissen, wenn ich an jemand anderen denke…“
Ich seufze, streichle dann über Richies Arm. „Das solltest du nicht. Will würde wollen, dass du glücklich bist. Hast du schon mit Adam gesprochen?“
„Mhm… Also wir wollen erst einmal Freunde sein. Ich hab ihm von Will erzählt, ich hab ihm genau genommen alles erzählt. Er weiß von meinen Ängsten, von meinen Problemen, von meinen Medikamenten und von meinen Klinikaufenthalten. Anfangs war er ein wenig verschreckt, aber dann meinte er, dass er sich trotzdem mit mir treffen möchte.“ Ich nicke. „Aber er will nicht der Lückenbüßer sein. Er will nicht versuchen Will zu ersetzen. Er möchte mir Zeit geben.“
„Klingt, als würde er Rücksicht auf deine Gefühle nehmen“, fasse ich zusammen.
„Naja…“ Richie seufzt. „Das ist aber irgendwie nicht das, was ich möchte.“
„Du willst nicht, dass er auf dich Rücksicht nimmt?“, frage ich irritiert nach.
„Doch, aber ich will eine richtige Beziehung. Entweder ganz oder gar nicht. Was ist, wenn wir ab und zu ausgehen und er dann aber einen Mann trifft, der unkomplizierter ist, weil das zwischen uns ja noch nichts Festes ist? Adam ist süß, er ist witzig und ich fühle mich bei ihm wohl, aber… keine Ahnung. Ich will nicht, dass mich jemand ausnutzt. Wenn es nichts Festes ist, dann kann er immer mit anderen Dates haben und ich weiß nicht, ob mir das recht wäre.“ Richie blickt auf das Notizbuch, dann auf mich. „Vielleicht sollte ich im Moment lieber single bleiben. Ich bin ja selbst noch nicht so weit, jemanden an mich heran zu lassen, auch wenn ich es eigentlich möchte. Wie kann ich da verlangen, dass irgendwer auf mich wartet? Ich bin unentschlossen und einsam. Es ist zu kompliziert.“
„Hm… vielleicht solltest du das Thema Liebe erst einmal ad acta legen und warten, was sich so ergibt? Arbeite an dir und finde heraus, was dich glücklich macht. Such dir ein neues Hobby, betätige dich kreativ oder spiel wieder Tennis. Mach etwas, das dir Spaß macht und schau auf deine Gesundheit. Es ist dein Leben und kein Mann der Welt kann dich glücklicher machen als du selbst.“
Richie nickt. Er rutscht etwas näher an mich und nimmt mich fest in den Arm. Ich erwidere diese Umarmung und drücke Richie einen Kuss auf die Wange.
„Ich bin immer für dich da, mein Kleiner. Egal, was dich beschäftigt, du kannst es mir immer erzählen.“
„Ich weiß, Trevor. Danke.“
„De nada.“
…
Die Kinder ins Bett zu bringen ist heute Abend gar nicht so einfach. Sie sind aufgeregt und jetzt, wo sie neue Schulsachen haben, freuen sie sich plötzlich wieder darauf, etwas zu lernen. Calum hat offensichtlich alles gekauft, was sie Kinder sich gewünscht haben und das meiste davon ist pinker als pink.
Calum und ich bleiben heute etwas länger auf, um all die neuen Schulsachen zu beschriften. Jeder einzelne verdammte Stift wird beschriftet, damit nichts geklaut wird. Ist ja nicht so, als könnte man die Sachen trotzdem stehlen. Außerdem sind wir auch so arm, dass wir uns keinen neuen Stift leisten könnten, sollte das passieren.
„Wieso hast du eigentlich alles neu gekauft?“, frage ich nach. „Die meisten ihrer Sachen waren ja noch mehr als gut.“
„Neue Schule, neue Schulsachen“, antwortet Calum neutral. „Sie waren wenig begeistert davon, dass die Schule wieder losgeht. Ich dachte, dass ich sie mit neuen, schönen Sachen motivieren kann und ich denke, dass mir das ganz gut gelungen ist.“
„Mhm…“
„Dein Blick schreit schon ‚Geldverschwendung‘. Du gönnst den Mädchen ja gar nichts.“
Ich sehe Calum an, rolle dann mit den Augen. „Vergiss es. Es ist albern. Sie haben neue Sachen, das ist schon gut so.“
„Na bitte, geht doch.“
Mit meinem Cutter schnitze ich in jeden einzelnen Buntstift eine große Kerbe, sodass Calum sie anschließend mit den Namen beschriften kann. Einen Sticker kann man ja ablösen, das reicht ja natürlich nicht.
„Denkst du, dass es okay wäre, wenn sie mit dem Bus in die Schule fahren? Weit ist es ja nicht“, fragt Calum mich. Ich bin weniger begeistert von diesem Vorschlag.
„Ich möchte niemandem die Möglichkeit bieten, sich unseren unbeaufsichtigten Kindern nähern zu können. Wie du schon sagst, es ist nicht weit. Ich mache die Mädchen morgens fertig, packe sie ins Auto und bringe sie zur Schule. Nachmittags hole ich sie wieder ab und in der Zwischenzeit können wir beide unsere Freizeit genießen.“
„Das klingt echt nicht schlecht. Und wenn deine Karriere wieder richtig losgeht, dann geht’s mit dem Privatunterricht los. Dir ist aber schon klar, dass wir die Kinder dann wieder beinahe 24/7 an der Backe haben, oder?“
„Jetzt wo du’s sagst…“
Calum beschriftet einen Stift, dann sieht er mich an. Sein Blick sagt, dass er nichts Positives denkt. „Du hast irgendeinen dummen Spruch auf Lager, stimmt’s?“
„No, no, ich nicht, nein.“
„Trevor…“
„Ach, nichts. Nada. Solange wir Zeit für Sex finden, ist mir alles Recht.“
Calum schweigt einige Sekunden, doch dann sieht er mich wieder an. Mein Liebster hebt seine Arme über seinen Kopf, schließt seine Augen und streckt sich genüsslich. Als er seine Arme wieder sinken lässt, öffnet er seine Augen wieder.
„Also… Ich hätte jetzt Zeit für Sex“, bietet er grinsend an.
Interessiert lege ich alles weg und stehe auf. Ich eile zu ihm, packe ihn an der Hand und schleppe ihn Richtung Schlafzimmer. Leider wird uns unser Schäferstündchen nicht gegönnt, denn hinter uns erklingt Richies Stimme.
„Trevor? Können wir kurz reden?“
„Muss das unbedingt jetzt sein?“, frage ich nach, wobei es mir nicht ganz leicht fällt, meine miese Laune zu verbergen.
„Bitte…“
Calum gibt mir einen Kuss auf die Wange. „Ich lege mich in der Zwischenzeit in die Wanne. Bis gleich.“
„Okay.“
Mein Liebster verschwindet hinter der Schlafzimmertür, während ich Richie in das Wohnzimmer begleite. Eigentlich möchte ich mich hinsetzen, doch Richie umarmt mich fest. Ich zögere etwas, doch dann lege ich meine Arme um ihn. Ich streichle seinen Rücken und drücke Richie etwas an mich.
„Ist irgendwas passiert?“, frage ich vorsichtig nach. Richie schüttelt den Kopf, doch er lässt mich nicht los.
„Ich weiß nicht wieso, aber ich fühle mich im Moment weniger gut und ich… Bitte halt mich fest…“
Auch wenn ich im Moment lieber meinen marido ins Bett werfen würde, um mit ihm zu schlafen, stehe ich nun hier und halte Richie fest im Arm. Ich habe ihm versprochen, dass ich immer für ihn da bin und das halte ich auch ein, selbst wenn der Zeitpunkt kaum beschissener sein könnte, als er es im Moment ist.
Wieso nehmen Menschen solche Versprechen immer wortwörtlich?
Meine Wut über den verpassten Sex wird jedoch schnell von dem Mitleid, das ich für Richie empfinde, überwogen. Es muss schwer für ihn sein, seinen aktuellen Schwarm wieder zu vergessen. Diese Liebe auf den ersten Blick ist ja irgendwie sein Ding…
„Wenn du nicht alleine schlafen willst, dann kannst du bei uns schlafen“, schlage ich leise vor. „Ich will nicht, dass du mit deinen depressiven Gedanken alleine bist. Du würdest dir nur die halbe Nacht um die Ohren schlagen…“
„Bist du sicher, dass das nicht seltsam ist?“
„Ist es, aber was soll’s. Viel seltsamer kann es ja kaum werden.“
Anstatt Calum führe ich nun Richie ins Schlafzimmer.
Anstatt meinen marido leidenschaftlich zu küssen, liege ich nun neben dem traurigen Blondschopf.
Anstatt einem wohligen Stöhnen erklingt nun ein deprimierter Seufzer.
„Entschuldige. Ich hab dir den Sex versaut.“
„Sex kann ich immer haben“, antworte ich ohne zu überlegen. „Du-“
„Nein. Ich werde keinen Dreier mit dir und Calum haben“, unterbricht Richie mich schnell.
„Zu schade“, antworte ich schmunzelnd. „Es könnte so schön sein. Da ihr beide verwandt seid, dürft ihr euch natürlich nicht anfassen, das heißt all die Aufmerksamkeit würde nur mir gehören.“
„Du bist eklig“, beschimpft Richie mich schmollend. Ich bekomme sogar einen leichten Klaps von ihm.
„Ach, mir bleibt zumindest die Fantasie, in der ich mit euch beiden anstellen darf, was ich möchte. Wenigstens in meiner Vorstellung kann ich deinen kleinen, süßen Hintern genießen.“
„Du tust mir irgendwie leid, Trevor…“
„Ich tu mir auch leid“, antworte ich grinsend. „Neben mir liegt so ein hübsches Kerlchen und ich darf ihn nicht anfassen.“
Richie kichert. „Hey, nur weil du mir ein Kompliment machst, heißt das nicht, dass ich es gutheiße, dass du versaute Fantasien von mir hast.“
„Als ob du nie an mich gedacht hättest, wenn du dich selbst anfasst.“
Ich sehe zu Richie hinüber. Er wirkt vollkommen ertappt. Geschockt sieht er mich an. Ich grinse bloß und genieße, dass mein Kleiner sprachlos ist.
„Naja… wie könnte es auch anders sein, Trevor… Zwischen uns hat es immer schon gefunkt. Auch als du mich damals nicht wolltest, hast du mir erlaubt, in deiner Nähe zu sein. Du hast damals in genau diesem Raum mit mir gekuschelt. Es stimmt schon, du hättest mich viel strenger auf Abstand halten sollen, aber du hast es nicht getan.“ Richie sieht mir genau in die Augen. Ich werde das Gefühl nicht los, dass er gar nicht mehr blinzeln wird, doch dann tut er es doch. „…aber vielleicht wolltest du das ja auch gar nicht.“
„Es war irgendwie schmeichelhaft, dass du so verrückt nach mir warst…“
„Hm…“
Wir schweigen uns eine Weile an. Ich wüsste nicht, was ich noch sagen sollte. Meine Gefühle für Richie waren schon immer sehr gemischt und auch heute bin ich mir teilweise noch unsicher, welche Rolle ich in seinem Leben überhaupt spiele. Was er für mich darstellt ist ebenso nicht ganz klar. Fest steht aber, dass ich möchte, dass es ihm gut geht. Richie ist ein guter Mensch und guten Menschen sollten keine schlimmen Dinge widerfahren…
Richie seufzt. Er dreht sich auf die andere Seite. Ich bin ziemlich sicher, dass er versucht zu schlafen. Ich hingegen denke über das nach, was er gerade gesagt hat.
Es hat immer zwischen uns geknistert, weil wir diese sexuelle Spannung nie losgeworden sind, doch selbst jetzt und vor allem in Momenten wie diesem, ist diese Spannung immer noch präsent. Wenn er nicht Calums Cousin wäre und wenn ich nicht mit Calum verheiratet wäre, dann…
„Gute Nacht, Trevor.“
„Gute Nacht, mein Kleiner.“
„Entschuldige nochmal, dass ich deine Pläne ruiniert habe.“
„Hast du nicht. Ehrlich nicht. Calum läuft mir ja nicht davon“, antworte ich nachdenklich.
Als Calum zu uns ins Bett klettert, bin ich schon beinahe dabei, einzuschlafen. Er hat sich im Badezimmer wohl viel Zeit gelassen. Ich spüre seine Lippen an meiner Wange, ich werde auch etwas gedrückt, doch dann stoppen die Berührungen wieder. Müde öffne ich meine Augen. Calum kuschelt mit Richie, anstatt sich an mich zu schmiegen.
Die Situation ist wirklich seltsam…
…
Heute komme ich meinen elterlichen Pflichten brav nach. Ich sehe den Mädchen dabei zu, wie sie ihre neuen Schultaschen mit ihren neuen und mittlerweile fertig beschrifteten Sachen packen, während Calum sich um das heutige Mittagessen kümmert.
Auf Cassies Tasche befindet sich ein weißes Einhorn mit einem glitzernden Horn und regenbogenfarbener Mähne. Lucías Tasche ist mit vielen bunten Schmetterlingen übersäht. Von so viel pink und violett schmerzen meine Augen richtig, doch den Mädchen gefällt es und so wie ich Calum kenne, gefällt es ihm ebenso.
Ich konnte mit diesem Kitsch noch nie viel anfangen und habe Calums Wunsch nach Bettwäsche mit Einhornaufdruck und regenbogenfarbenen Laken eher dem Frieden Willen nachgegeben, als mich darüber zu freuen. Ich bin eher für kühle, gedeckte Farben, doch bevor ich wegen solchen Kleinigkeiten eine Diskussion starte, sorge ich lieber dafür, dass wir das Bett bei der nächsten Gelegenheit einsauen, sodass ich die Einhörner wieder schnell loswerde.
„Du, papá? Wo ist unsere neue Schule?“, erkundigt Cassie sich interessiert.
„Im Nachbardorf“, antworte ich knapp. „Es ist nicht weit, wir fahren ein paar Minuten. Es ist auch nicht wie in der Stadt, dass wir im Stau stehen werden. Der Verkehr ist bestimmt überschaubar. Könnte maximal sein, dass wir hinter einem langsamen Traktor herumtrotten, aber den kann man locker überholen.“
„Cool.“
„Freut ihr euch schon?“, frage ich meine Kinder.
„Ein bisschen“, antwortet Lucía gleich als erste. „Und ein bisschen nicht.“
„Ich weiß, dass neue Umgebungen manchmal etwas einschüchternd sein können, aber Daddy und ich bringen euch am ersten Tag zusammen in die Schule“, erzähle ich sanft. „Ich bin sicher, dass es euch dort gefallen wird.“
„Und was, wenn es voll doof ist?“, fragt Cassie nach.
„Tja“, antworte ich. „Das ist dann euer Problem, ihr müsst trotzdem zur Schule gehen.“
„Aber wenn die Kinder gemein sind?“, erkundigt sich nun Lucía schüchtern.
„Wenn die Kinder gemein sind, dann werde ich euren Lehrern einen Besuch abstatten. Dann ist niemand mehr gemein zu euch. Ihr müsst ja auch nicht für immer dort bleiben“, verspreche ich. „Daddy und ich wollen, dass ihr so lange wie möglich einen normalen Alltag habt, bevor ich wieder arbeite.“
„Und dann bekommen wir einen Lehrer nur für uns, oder?“, fragt Cassie mich.
Ich nicke. „Sí. Es wird Zeiten geben, da sind wir dann viel unterwegs. Wir schlafen in Hotels, gehen in Restaurants essen, wir sehen uns Städte an und…“ Ich räuspere mich. „Und an manchen Tagen muss ich tagsüber arbeiten. Da probe ich mit der Band unsere Auftritte, und gebe Interviews und abends stehe ich dann mit meinen Freunden auf der Bühne. Und wenn ich arbeite, dann seid ihr bei Daddy.“
„Und unsere Kaninchen?“, fragt Lucía schmollend. „Dürfen die mitkommen?“
„Hm… Das ist eher weniger praktisch, princesa. Aber wir werden jemanden einstellen, der sich um das Haus und auch um eure Kaninchen kümmert. Domingo darf aber mitkommen und der bleibt auch bei euch, während ich arbeite.“
„Und was ist mit Daddy?“, fragt Cassie nach. „Daddy wollte auch wieder arbeiten.“
„Also das ist so: Wir versuchen die Termine so zu koordinieren, dass entweder Daddy oder ich frei haben, damit ihr nie alleine seid. Und außerdem werden wir eine Nanny einstellen. Ihr dürft sogar mitentscheiden, wer auf euch aufpassen darf. Im Herbst werden sich einige Leute hier vorstellen und die, die ihr nicht leiden könnt, dürfen gleich wieder nach Hause gehen“, erzähle ich weiter.
„Und wenn wir gar keinen mögen?“, hakt Cassie nach.
„Ich schätze nicht, dass das nicht passieren wird. Dan kennt alle Leute, die sich bei uns vorstellen und er würde nie jemanden zu uns schicken, wenn er nicht davon überzeugt wäre, dass ihr in guten Händen seid.“
„Schade, dass Dan das nicht machen kann“, meint Cassie überlegend. Sie packt gerade einen pinken Spitzer in das vordere, kleine Fach ihrer Schultasche. „Bei Dan ist es immer witzig, er hat viele Spiele und er gibt uns Süßigkeiten und er ist so cool.“ Cassie sieht mich an. „Er kann auch ganz toll singen und Gitarre spielen.“
„Mhm, das kann er“, stimme ich meiner Tochter zu.
„Mit Dan macht es viel Spaß“, erzählt Lucía. „Ich hab ihn lieb.“
„Oder Max“, erzählt Cassie lächelnd. „Max ist toll, ich hab ihn sehr gerne. Wenn er auf uns aufpassen würde, wäre das super cool.“
„Tja, das wird leider nicht funktionieren, aber ihr könnt ja auch so mal etwas mit Max unternehmen, das ist ja kein Problem.“
„Das klingt gut“, freut Cassie sich glücklich. „Ich hoffe, dass er bald wieder da ist, er fehlt mir sehr.“
„Es dauert nicht mehr lange“, antworte ich meiner Tochter.
„Das Essen ist fertig!“, ruft Calum aus der Küche.
„Na endlich!“, freut Cassie sich aufgeregt und sprintet wenige Sekunden später auch schon los.
Lucía hingegen sieht mich an. Irgendwas liegt ihr doch auf der Seele.
„Was gibt’s, princesa?“
„Gar nichts.“
„Bist du dir sicher?“
„Mhm. Ich bin hungrig.“
Ich lächle. „Na dann komm.“ Als ich stehe, reiche ich Lucía gleich meine Hand, die sie freudig annimmt. Wir gehen in die Küche, wo ich Cassie und auch Lucía noch daran erinnere, dass sie sich die Hände waschen sollen.
Beim Essen erzählen die Kinder ihrem Onkel Richie fröhlich von ihren neuen Schulsachen und davon, dass sie bald in eine neue Schule kommen. Auch, dass sie einen Privatlehrer bekommen werden, sobald Calum und ich wieder arbeiten, erwähnen sie. Ähnlich wie Calum ist Richie sehr begeistert von den Geschichten meiner Mädchen. Für mich hingegen ist diese Begeisterung immer noch schwer nachzuvollziehen. Wahrscheinlich kann ich mit den Mädchen mehr anfangen, sobald sie erwachsen genug sind, sodass ich mich nicht mehr zurückhalten muss, sondern frei von der Leber weg sprechen kann. Dass ich meine Mädchen nicht immer verstehe oder mich nicht an all ihren banalen Geschichten erfreuen kann, schmälert jedoch nicht meine Liebe und Fürsorge für die beiden.
Die nächsten Monate werden nicht ganz so einfach. Nicht nur die Arbeit wird viel Zeit beanspruchen, auch gesundheitlich könnte einiges auf uns zukommen, denn es ist nicht unwahrscheinlich, dass Lucía bald operiert wird. Der Arzttermin kann gar nicht früh genug kommen. Auch wenn sie aktuell keine Probleme hat, werden die mit dem nächsten Wachstumsschub auftreten. Ihre Brandnarben werden ihr wohl ihr restliches Leben Unannehmlichkeiten bereiten, doch ich bin bereit, meiner Tochter beizustehen, egal wie lange die Prozeduren dauern werden. Sie soll nie wieder alleine im Krankenhaus aufwachen. Wenn sie das nächste Mal operiert wird, werde ich da sein und ihre Hand halten, wenn sie ihre Augen öffnet.
Ich sehe Calum an, der meinen Blick sofort bemerkt und sich zu mir dreht. „Schmeckt es dir?“, fragt er mich.
„Es ist okay.“
„Tz, okay.“
„Ich will dich nicht beleidigen, Baby, aber du geizt mit Chili. Es ist nicht das erste Mal, dass ich dir das sage“, erkläre ich ehrlich.
Calum schmunzelt. „Na klar, das hat man davon, wenn man extra für den Vegetarier kocht. Wenn du frech wirst, du undankbarer Hund, dann bekommst du ab sofort nur noch Chili und sonst gar nichts mehr“, antwortet er mir, der Unterton verrät, dass er nur scherzt.
„Der einzige, der frech ist, bist du. Aber zum Glück weiß ich mir ja zu helfen.“
Ich stehe auf und gehe zum Kühlschrank. Ich öffne ihn und nehme ein Glas selbstgemachter Chilipaste heraus. Das Rezept stammt von niemand geringerem als meinem abuelo. Die Liebe für scharfes Essen liegt in unserer Familie. Zu schade, dass diese Liebe aussterben wird, wenn ich mir meine zarten Mädchen so ansehe.
„Was hast du da, papá?“, fragt Cassie nach.
„Etwas Scharfes, das ist nichts für dich, Prinzessin.“
„Darf ich trotzdem kosten?“
„Nein“, antwortet Calum schnell. „Glaub mir, Schatz, das würde dir nur wehtun, das ist keine gute Idee.“
Auch Richie meldet sich zu Wort: „Ich bin ziemlich sicher, dass du dir längst alle Geschmacksnerven weggebrannt hast, Trevor. Das kann dir gar nicht schmecken.“
„Ihr seid zu weich und zu flauschig, das ist euer Problem“, kontere ich schmunzelnd.
„Also ich auf jeden Fall“, stimmt Richie mir zu.
Ich setze mich wieder zurück neben Calum an den Tisch und mische etwas von der Chilipaste in mein Reisgericht. Zufrieden esse ich weiter.
„Beim nächsten Mal schütte ich Benzin in dein Essen und zünde es einfach an“, zieht Calum mich auf. Er schüttelt den Kopf und widmet sich wieder seinem Essen. Als er hinunter geschluckt hat, legt er noch etwas nach: „Ich hab in deine Portion übrigens vier Chilis geschnitten.“
„Hm… Dann waren die wohl nicht so scharf. Aber ich muss sagen, dass es sonst ausgesprochen köstlich ist. Der Salat ist sehr gelungen.“
„Den hab ich gemacht“, freut Richie sich.
Etwas beleidigt verzieht Calum die Lippen, jedoch nur für einen kurzen Augenblick. „Tja, wenn der große Kritiker dein Essen mag, dann wirst du jetzt öfter zum Kochen eingeteilt, Richie“, erklärt Calum lächelnd. „Wenn du auf Dauer bei uns bleibst, dann wäre es ohnehin nur fair, wenn du ein bisschen mitanpackst.“
„Das fände ich nicht schlecht. Ich hab sowieso schon ein schlechtes Gewissen, weil ich mich hier so kostenlos durchfresse und euer Gästezimmer belege.“
„Ach was“, winkt Calum ab. „Das ist jetzt dein Zimmer. Tu damit, was du willst. Ich hab mir ohnehin schon überlegt, ob wir nicht doch ein neues Haus bauen sollten.“
„Ziehen wir wieder weg?“, fragt Cassie schnell. „Aber ich mag es hier.“
„No, Prinzessin, wir bleiben hier, keine Angst“, beschwichtige ich meine Tochter schnell.
Calum räuspert sich, ehe er mir zustimmt: „Es ist so, Cassie, dass wir in den nächsten Monaten zwar viel reisen werden, aber wir werden auch jemanden anstellen, der sich um das Haus kümmert. Ihr bekommt auch eine Nanny, die auf euch aufpasst, wenn wir durch unsere Arbeit zu viel zu tun haben. Und wir dachten uns, dass es praktisch wäre, wenn diese Personen gleich bei uns wohnen.“
„Die naheliegendste Lösung ist, dass wir ein neues Haus bauen, in dem ihr auch größere Zimmer bekommt“, fahre ich fort.
„Richie bekommt dann auch ein größeres Zimmer und sein eigenes Badezimmer“, meint Calum lächelnd. „Und außerdem fände ich es sowieso besser, wenn wir eine Garage und einen eigenen Pool hätten. Könnte man jetzt natürlich auch bauen, aber ein Anbau ist schon eher unstylisch, als ein gut geplantes Meisterwerk eines Architekten.“
„Hm…“, erklingt Richie nachdenklich. „Und ihr seid sicher, dass ihr mich permanent bei euch aufnehmen wollt? Das sind ja ziemlich große und umfangreiche Pläne.“
Ich nicke. „Auf jeden Fall.“
„Und wenn du jemanden kennenlernst und ihr zusammenziehen wollt, dann wäre das natürlich auch okay, dann können wir dein Zimmer immer noch zu einem Gästezimmer umgestalten, das ist kein Problem.“ Calum dreht sich zu mir. „Dem Architekten hab ich übrigens schon geschrieben. Er hat schon den Grundstücksplan bekommen und er wird sich jetzt mal an einen Plan setzen.“
„Klingt gut.“
Das Gespräch schläft langsam ein, doch das stört mich nicht besonders. Vor lauter Plaudern komme ich ohnehin kaum zum Essen und dabei ist Calums Paella mit der entsprechenden Würze mehr als köstlich.
Nach der Auszeit in den letzten Monaten, sehe ich der aufregenden Zeit voller Veränderungen positiv entgegen. Ein neues Haus, ein neuer Start als Musiker und viele neue Erfahrungen liegen vor mir.
…jetzt muss ich nur noch dazu kommen, endlich einen Song zu schreiben!