Der Atem stockte, während sein Puls in die Höhe stieg und der Klang es Blutrauschens in den Ohren lauter war als das heftige Ausatmen des erfahrenen Kriegers. Er könnte meinen, auch das Pochen seines Herzens würde seinen Brustkorb sprengen. Doch das Einzige, was sich Amron mit Sicherheit sagen konnte, war die Tatsache, dass dieser Dämon, so krüppelig er sich auch gab, wohl sich seiner sicherer war als der erfahrene Krieger, der den Dämon nun bedrohte.
Doch sehr auch die Spitzen der Krallen oder das Blut jemanden beeindruckend sollen, sorgten sie nur für mehr Schelm in den roten Augen. Nicht mal die Drohung, die so unaussprechlich in der Luft hing, zeugte von Ernsthaftigkeit. Amron kam sich sichtlich albern vor, wenn die Angst nicht wäre, die seine Muskeln zum Zittern brachte. Und die Ermüdung, die stetig seinen Tribut forderte.
„Dir ist sicher bewusst, was in meinen Adern fließt und in meiner Macht steht. Doch ich bin nicht hier, um dich zu fressen oder gar zu…“ das plötzliche Grinsen wurde breiter, die Ernsthaftigkeit wich ganz „...oder gar mit dir zu schäkern. Immerhin spielen wir auf eine gewisse Weise in der gleichen Liga. Oder halt nein, wir sind auf der gleichen Seite des Boots, wie die Menschen gerne sagen.“
Amrons Hand formte sich sofort zurück, als er von Buck abließ und den Abstand zwischen ihm und dem Dämon vergrößerte. Er sagte nichts, seine Gedanken machten Luftsprünge und Tauchgänge, so unterschiedlich tiefgründig und hocherfreut war er. Seine Gefühle brachte er nicht in eine Form, sodass sein Herz weiter schlug, das Blut durch seinen Körper trieb, als wäre er auf Treibjagd. Mit ruhigen Atemzügen trieb er sich an, die Fassung zu wahren, als Buck sich aufrichtete und den Hals betastete. Amron selbst sah die Wunden nicht mehr.
„Was hat man dir angetan?“, fragte er zwischen schweren Atemzügen. Ein klares Bild formte sich in seinem Kopf. Er, wie er mit nacktem Körper auf dieser Metallplatte lag und mit tausenden Stichen bearbeitet wurde. Das blendende Licht, als sein Verstand wieder aus dem tiefen Schlaf erwachte. Diese Maschinen und Menschen in weisen Kutten und komischen Masken. Das Blut und die Kraft, wie sie stets aus seinem Körper gestoßen wurde und Flüssigkeiten, die ihn betäuben sollten.
Die Geduld, zu der er sich in der Wüste noch zwingen wollte, wich augenblicklich, als Amron die zwei Beine sah. In unnatürlichem Winkel standen sie herab, wie zwei mickrige Stöcke lugten sie aus dem grob gewebten Stoff, heraus, das Buck wohl als Hemd dienen sollte. Das stechende Braun war einmal, stattdessen sah man Flecken, die Amron nicht näher definieren wollte.
Buck selbst aber sagte nichts dazu. Amron konnte also nur Vermutungen anstellen. Wenn die paar Wunden von ihm sich derart schnell heilen konnten, was hatte man mit ihm dann angestellt, dass er nicht mehr laufen konnte? Bloße Knochenbrüche oder Verletzungen derart konnten nicht der Grund sein. Eine Erklärung, wie man aber dafür sorgen konnte, dass ein so mächtiges Wesen zum Krüppel geschlagen wurde, konnte sich Amron nicht geben.
„Ich sage mal so viel: Ich habe eine offene Rechnung zu begleichen. Und wie der Zufall will, muss ich in die gleiche Richtung paddeln wie du, wenn ich der tosenden See entkommen will, um nicht den Wasserfall hinunterzustürzen. Und da wir wie gesagt im gleichen Boot sitzen, können wir ja zusammenarbeiten. Ich erinnre dich an dein Versprechen.“ Eine Geste folgte, die Selbstverständlichkeit ausdrückte. „Und jetzt würde ich ganz gerne mal schlafen. Und du solltest dich duschen. Du müffelst nämlich.“
Aus der Kehle des Kriegers folgte ein Knurren. Panik und Angst formte sich zu Abscheu. Wer saß denn wohl länger als er wollte in einer versifften Zelle, die nicht mehr als abgenutztes Heu und Verdorrtes als Nahrungsquelle bot? „Euer Gestank beleidigt meine Nase. Wohl auch die Ratten, die es dank dessen nicht in Eure Zelle geschafft haben.“
Doch diese Provokation brachte Buck nur zum Lächeln.
„Wie ich sehe, verstehen wir uns langsam. Ich sage mir, dass du stinkst, und du sagst mir, dass ich auch müffle wie eine Horde Bisondung.“ Er klatschte begeistert in die Hände, während die braunen Haare der Kopfbewegung folgten und Buck seine roten Augen frech zusammenkniff. „Nur ich bin leider auf deine Hilfe angewiesen, mein Lieber.“ Damit zeigte er auf seine Beine und grinste breiter.
Ohne weitere Worte wandte sich der Krieger ab, stapfte in eine weitere Räumlichkeit, die genauso klinisch weiß aussah und nach dem gleichen stechenden Geruch stank wie die dunklen Hallen seines einstigen Gefängnisses, in welchem er erwacht war. Er machte die Augen zu, zwang sich zur Ruhe und plante seine nächsten Schritte.
Er sah zu seiner Rechten eine Kabine, die abgetrennt war von dem restlichen Raum. Wohl die Dusche, wie man sie hier nannte. Amron sah ein Behältnis an der Wand und ein Objekt, das ihn selbst zeigte. Die gleichen Bewegungen folgend sah er seine Kopie an der Wand. Mit Erschrecken stellte er fest, dass er nicht mehr das abbildete, was er als stolzer Krieger darstellen sollte. Tiefe Augenringe, Schmutz im Gesicht, Kratzer und Blutreste in den Haaren, aschfahle Haut und selbst das Weiß der Haare glich einem Grau. Und ein Bad, oder eben etwas einfaches Wasser, zum Reinigen würde ihn sicher wieder zu Vernunft bringen. Und bevor er dieses Etwas selbst bediente, musste er eben dem Dämon als Knecht herhalten. Doch das würde hoffentlich nicht lange anhalten.
„Wie benutzt man dieses…diese Dusche?“, rief er in den anderen Raum.
Stille. Amron schnaubte zornig und fragte erneut, nur diesmal lauter. Die Wände müssten zittern, so sehr strengte er seine tiefe Stimme an. Doch immer noch kein Laut.
Mit Zähneknirschen ging der Krieger die paar Schritte zurück zu den Betten.
„Hört Ihr denn nicht? Ich sagte…“, doch er Krieger verstummte. Was er sah, erschreckte ihn.
Ein Mann lag blutend am Boden, als wäre er von etwas heruntergefallen. Der Haarschopf war vollkommen vom Blut verklebt, während die gekrümmte Haltung und das stoßweise zittrige Atmen noch Lebenszeichen bedeutete. Der Körper wurde von Krampfanfällen begleitet, während der Bauch das war, was Amron am meisten beschäftigte. Schnell sprang er an Bucks Seite, riss seinen Kopf hoch und sah zusammengekniffene Augen. Schwarze Flüssigkeit quoll aus den Öffnungen von Augen, Nase, Ohren und der Wunde am Hals und überlagerte den Dreck im Gesicht und Hals. Ein kurzes Überprüfen des Herzens, das nur noch schwach schlug, zwang Amron zum Handeln. Die Arme hatte Buck über seinen Magen gelegt. Amron hielt es für besser, schnell die Wunde zu säubern, woher diese plötzlich auch immer stammte. Also nahm er den Dämon in die Arme, trug ihn zum separaten Raum und suchte sich alles zusammen, was er finden konnte. Ohne Weiteres zog Amron seine und Bucks Kleidung aus, warf diese in die Ecke und machte die Dusche an. Mehr Geistabwesend als wirklich wissend zog er an einigen Knöpfen, drehte an irgendwelchen Knöpfen und drückte Tasten, bis das kühle Wasser an dem dürren Leib hinabprasselte und die Wunde zeigte, die Buck so sehr zu verdecken versuchte.
Ein tiefes schwarzes Loch bildete sich auf der dreckigen Haut, die stetig Blut verlor. Winzig kleine Tierchen bewegten sich in der faustgroßen Wunde, doch es waren keine Insekten, die diese befallen haben.