„Na, da hat sich aber einer heute schickt gemacht“, hallte es in dem Foyer wieder, als Buck die Arme austreckte und feixend den Krieger betrachtete, der in die Halle trat. Seine Schritte waren durch die hochgebundenen Stiefel noch ein wenig unkoordiniert. Gleichzeitig zog der unbekannte Stoff an seiner Haut. Er roch Synthetik und Waschmittel an sich und musste den Reiz unterdrücken, sich nicht zu übergeben. Doch anders als seine Rüstung in seinen menschlichen Jahren war der schwarze Stoff an der Haut anliegend und sorgte für mehr Beweglichkeit. An den entsprechenden empfindlichen Stellen war sie entweder gefüttert oder verhärtet. Amron fühlte über den linken Unterarm, dessen Verhärtung mithilfe der Magie des Dämons dafür sorgte, dass sich dieser nicht durch stetigen Kontakt des Schwertgriffs abnutzte. Amron meinte, diese Rüstung nicht lange tragen zu brauchen, doch er schwieg. Wer konnte das schon wissen?
Der Hohedämon schlenderte fast schon zu träge auf ihn zu. Dabei bemerkte der Krieger anhand den kleinen feinen Nuancen an seinem Geruch und einzelnen Bewegungen, wie angespannt Buck war. Doch seine Maske fiel nicht. Im Gegenteil, er schien sich mehr auf den nächtlichen Einsatz zu freuen als Amron selbst. Wenn er ehrlich mit sich selbst war, würde Amron eigentlich nur seine sieben Sachen packen wollen und gehen, bevor er noch einmal in die Hölle steigen sollte. Doch viel hinderte ihn daran, die Flucht zu ergreifen. Und eines davon war sein eigener Stolz.
Buck kam an und hielt Amron ein Amulett hin. Dieses prangte voller Gold und Edelsteinen, sodass Amron unweigerlich fragen musste: „Tarnung scheint nicht euer größtes Talent zu sein, oder?“ Buck verdrehte dramatisch die Augen, zwinkerte dann schelmisch. Amron nahm es dennoch an sich. Er hatte wohl mehr am Leib, was mit der Magie des Dämons verwoben war, als er mit dem eigentlichen Dämon überhaupt körperlichen Kontakt hatte. Ein lackierter Finger tippte auf dem Zentrum des Amuletts herum, als augenblicklich das Glitzern verschwand und Amron einen schwarzen Stein in den Händen hielt. Der Obsidian war an einem Lederband befestigt, dass sich der Krieger um den Hals band.
„Das ist neben all den kleinen Zusätzen etwas Besonderes. Das kleine Prunkstück kann dir den Arsch retten, allerdings nur einmal. Das wirst du merken, wenn es soweit ist. Benutzte ihn nicht, solange du sie nicht gefunden hast oder nicht ausdrücklich in Lebensgefahr schwebst.“ Amron betrachtete den Anhänger und nickte stumm.
„Ich versuche nicht, Euch in irgendeiner Weise einmischen zu lassen, als Ihr es ohnehin schon getan habt, Burukvashrun.“
Buck seufzte ergeben und sah den Krieger mit müdem Blick an. „Zwei Dinge: Erstens, der Name sollte nicht unnötig genannt werden. Das würde zum einen Ärger dir ersparen, zum anderen mir. Zweitens, solltest du vor Einbruch der Nacht wieder hier sein. Ich kann nicht versprechen, dass du sonst lebend aus dem Ganzen rauskommst. Der Schatten ist keiner, der gerne spielt, meidet aber das Tageslicht. Dass du überhaupt noch vor mit stehst verdankst du dem Umstand, dass es Taghell war. Die Kräfte des Unheils werden immer nachts am stärksten.“
Amron nickte zum Verständnis und ging ins Zentrum des Foyers. Am Boden sammelten sich verschiedene Gegenstände, die akkurat eine Kreis bildeten, doch zumeist war es Erde oder andere Naturmaterialien. Die Striche auf dem Boden, die teils nach Blut stanken, verbanden sich zu einem Symbol, das Amron als Siegel für eine Beschwörung erkannte. Oder einer Möglichkeit zur Teleportation.
Buck konnte nicht in die Nähe der Einrichtung, in welcher man das Mädchen vermutete. Die Gefahr bestand, dass man ihm im Falle eines Kampfes wieder die Nanobots einblösen konnte und er wieder festsaß. Also half er Amron von Weitem und schenkte ihm seine Macht, während der Krieger selbst dort nach Bucks Theorie ein und aus marschieren konnte, wie es ihm beliebte.
„Bereit?“, fragte der Dämon, ohne auf eine Antwort zu warten. Er breitete die Hände aus, während Amron im Zentrum stand und Magie im Raum sirren hörte. Seine eigene reagierte darauf und half, ohne dass der Krieger etwas tun konnte, mit und sorgte für zusätzlichen Antrieb. Im Raum wirbelte Staub auf und eine Brise, die sich zu einem Wind aufbauschte, wirbelte um den Krieger umher. Dieser sah den grinsenden Dämon an, als dieser noch schrie: „Und komm nicht ohne sie zurück! Wir haben schließlich jemanden in den Arsch zu treten!“
Dann verzerrte sich der Raum, bis Amrons Blickfeld schwarz wurde und schließlich zu hell, sodass er die Augen zusammenkneifen musste.
Als würde er fallen und gleichzeitig stehen, fiel Amron auf den Grund. So versank der Krieger auf unebenem Boden. Er hustete mehrmals und blickte auf, als er sich woanders wiederfand. Etwas knirschte unter ihm, doch vielmehr störte ihn das Gefühl, als ihm wieder übel wurde. Schnell kroch er an eine naheliegende Hecke und spie hinaus, was er gefrühstückt hatte. Die breiige Masse verschwand unter dem Sand und Busch, als Amron nun endlich auch aufatmen konnte und den Wind spürte. Er roch Salz und Frische, hörte Rauschen und schwere Wellen gegen etwas schlagen. Eine Brandung?
Er richtete sich auf und spuckte den Rest des ekelhaften Geschmacks auf den Grund. Er würde sich nie daran gewöhnen, von jetzt auf gleich derart auseinandergerissen und wieder zusammengefügt zu werden. Sein Magen hob sich erneut, um ihn stumm zuzustimmen. Doch der Krieger unterdrückte das willkürliche Verlangen, sich noch einmal zu erbrechen.
Er blinzelte und erkannte trübes Wetter. Die Sonne leuchtete schwach über dem wolkenverhangenen Himmel. Doch so dicht diese waren, so sorgte die Gischt für eine düstere Umgebung und passte nur noch mehr zu der angespannten Situation.
Amron sah hinab auf die tosende See, die mit aller Gewalt gegen den Felsen haute, als würde sie ihre Wut und den Zorn das Meer entfachen und gegen den harten Stein schlagen wollen, um den Frust hinauszuschreien. Doch das Land hielt wie erwartet dem Toben der See stand, als würde sie sich nicht mal dafür interessieren. Wie eine Fliege einen Menschen nervte, so störten die Gewalten des Meeres, das unentwegt gegen die Brandung stob, sicherlich die Insel nicht mal ansatzweise.
„Wie unglaublich poetisch von mir“, brummte Amron, als er sich dessen Vergleich bewusstwurde. Ein trockenes Lachen entkam seiner Kehle, als er sich umdrehte und die kahle, mit wenigen trockenen Büscheln bewachsene Landschaft hinter sich betrachtete.
Während sich vor ihm ein Meer ausbreitete, sah er hinter sich kein Anzeichen auf Leben. Durch den Wind, der an den Ohren pfiff und die Haare stetig ins Gesicht wehten, verlor Amron innerhalb kürzester Zeit eine Geruchsspur, die er hätte folgen können. Anzeichen auf dem Boden wie Abdrücke erkannte er keine. Lediglich das Fehlen der typisch kreischenden Möwen über seinem Kopf deuteten darauf hin, dass der Instinkt der Tiere sie von diesem Ort fernhielt.
Seine Beine trugen ihn landeinwärts, und doch fand er nichts, was ihn hätte helfen können.
„Wie soll ich einen Ort finden, den ich nicht mal kenne und jemanden, der mich eigentlich töten will?“, hatte der Krieger schlauerweise vor der Teleportation wissen wollen. Buck hatte nur mit den Schultern gezuckt. „Du wirst das Kind schon schaukeln.“
Knurrend versuchte der Krieger, einige Reste gewirkter Magie aufzuspüren, manche Technik zu sehen, die sich hinter der kargen Landschaft versteckte oder derartig Fremdes wahrzunehmen, das nicht an den Ort passte. Doch erfolglos. Einige Minuten, wenn gar eine Stunde folgte Amron nutzlosen Spuren und gab es schließlich auf.
Egal, was Buck ihm an die Kleidung genäht oder ihm für Gegenständen mitgegeben hatte, keines wäre in der Lage gewesen, dem Krieger zu sagen, wo das Mädchen zu finden war. Also stieg Amron wieder an die Anhöhe und sah einige Sekunden lang gedankenverloren dem Horizont nach. Wie sehnlich er sich an seine Reise erinnerte, die seine letzte gewesen war.
Er war mit seinem Heer an dem Meer entlang in den Norden gezogen, um sein törichtes Vorhaben in die Tat umzusetzen. Ob er seinen Fehler jemals wieder gut machen könnte?
Amron musste die Augen zukneifen, als etwas ihn blendete. Er sah hinab auf die bewegenden Wellen, doch als er tiefer blickte, erkannte er erneut beim Bewegen seines Kopfes etwas Glänzendes. Er kannte nichts Natürliches, dass ihn in derartiger Entfernung hätte blenden können.
„Na bitte!“, flüsterte der Krieger, als er nun endlich Umrisse eines Kastens erkannte, das sich unter dem Meer versteckte. Die Größe erfasste der Krieger nicht, sah aber, dass es sich nicht weit unter der Oberfläche befand. Er müsste das unterirdische Gebäude erreichen können.
Er fand wonach er suchte, spannte die Muskeln an und sprang in die Tiefe.