Amron erklärte sich nichts, denn er hatte keine Ahnung, was aus dieser Wunde sah. Diese Tierchen krabbelten an der Haut entlang, bis sie von einem Wasserstrahl getroffen und von dem Stoß weggeschwemmt wurden. Dies war die einzige Idee, also tunkte Amron die Wunde unter den Wasserstrahl, als Blut und Dreck mitsamt den Biestern verschwanden. Wohin, war Amron egal. Einmal meinte er, ein kurzes Zischen zu hören oder Leuchten gesehen zu sahen, doch dies ignorierte er. Konzentriert wusch er selbst den Dreck von den Händen und zog an der Haut des Mannes unter ihm, bis er dieses klare Loch erkannte. Diese Wunde wurde Buck zugefügt und sie war nicht unbedingt neu. Die Ränder des Loches, in welchem man nun das Gewebe sah und wohl nicht allzu tief wie zuvor gedacht war, war verkrustet und teils unnatürlich wieder zusammengewachsen. Amron kannte diese Form der Wundheilung sehr gut, wenngleich er selbst gerne Wunden nur säuberte und die an der frischen Luft verheilen ließ. Doch wenn diese nicht, wie in Bucks Fall, akut waren, würden sie sich wieder entzünden. Und so schwach wie der Dämon in seinen Händen war, der im Laufe des Prozesses die Ohnmacht gesucht und gefunden hatte, würde er an dieser Wunde und seinem Zustand sterben. Irgendwann.
Zuerst fragte sich der Krieger, dass es ihn nicht kümmern sollte. Was hatte diese Nervensäge denn schon für ihn getan, als ihn nur zu provozieren und zu hänseln? Aufzuregen und zu ärgern? Niederringend mit diesen schwächlichen Gefühlen bearbeite Amron zielsicher und gekonnt die Wunde. Mit Hilfe des Schwertes zog er sein Hemd aus, wusch es ab und riss es so auseinander, dass er mehrere Streifen Kleidung als Wundverband nutzen konnte.
Bevor er aber die Wunde verbinden konnte, würde nun etwas folgen, dass Amron selbst als sehr schmerzhaft empfand. Gut nur, dass Buck in seinem Zustand diese Schmerzen wohl nicht spüren konnte. Jedenfalls hoffte der Krieger das.
Die Klinge wurde gesäubert, sodass das Metall in dem Wasser glänzte. In der rechten Hand die Waffe, der linke Unterarm vorgestreckt, erklang ein Singsang aus den tiefen seines Verstands und entfloh aus dem Mund, der sich so gut wie nicht bewegte. Diese Meldoie wog Amron in eine Zeit, in der alles noch gut gewesen war. In welcher er zu Hause gewesen war. In welcher er noch seine Familie und Freunde gehabt hatte, bevor das passiert war.
Er wog sich in seine Vergangenheit und sprach Worte in einer Sprache, die hier fremd war. Keiner würde diese Worte verstehen außer der Hersteller dieser Tür, die ihm von seiner Freiheit getrennt hatte.
„Ich erbitte Euch, ihr, die mich erschaffen habt, um Hilfe und Rat.“ Macht sammelte sich in dieser kleinen Kammer, als Amron Glas vibrieren und brechen hörte, und selbst das Rauschen des Wassers in den Hintergrund trat. Holz splitterte hinter ihm, wohl die Tür, die den Wohnbereich und das Badezimmer trennte.
„Eurer Opfer ist mein Blut, mein Leben, meine Seele.“ Damit stach er die Spitze der Klinge in seine Haut, bis das rote Blut auf den Boden tropfte. Doch es verblieb nicht aus den glatten Fliesen, denn die Flüssigkeit verdampfte und verrauchte sofort. Amron musste seine Waffe drehen, damit genug heraustropfte, bis der Rauch sich nun in seiner Nase bemerkbar machte und das Blut eine Pfütze bildete. Bei einem normalen Menschen würde er nicht mehr als einen zwei der drei Handvoll Blut brauchen. Das schwächte den Krieger nicht. Eine Wunde mit diesem Ausmaß bei einem solchen Wesen verlangte sicher mehr. Also stach Amron erneut zu, bis die Ränder seiner Wahrnehmung verschwammen und er den Dämon nur noch schemenhaft erkannte.
Bereits eine Lache sammelte sich vor ihm, während sein Blut an Temperatur gewann und weiter vor sich hindampfte. Mittlerweile kniete der Krieger vor dem Dämon. Die Tropfen formten sich zu einem Ganzen, welches auf stummen Befehl in Richtung der Dusche floss, bis es sich mit dem Wasser verband. Schnell stellte Amron die Dusche ab, bis das Blut den Körper des Dämons erreichte.
Und nun begann der Teil, den Amron selbst einige Male miterleben musste. Sein Lebenssaft bahnte sich den Weg zu allen Verletzungen, Stichen, und Löchern, die den Körper des dürren Bucks zierten. Amron sah mit großen Augen der Heilung zu, wie die Haut sich zischend an den Stellen schloss. Bei der ersten größeren Verletzung zog Buck das Gesicht schmerzhaft zusammen. Er schlief noch, doch sein Körper reagierte auf das Ritual. Das war gut für ihn, aber auch schlecht für Amron.
Alles Blut vor Amron floss auf Buck zu, doch es war zu wenig, als dass der Krieger Buck damit helfen konnte. Der rechte Arm wurde nun aufgeschnitten und erneute floss die Flüssigkeit auf die Wunde zu. Beim ersten Kontakt der Bauchwunde zischte das Blut beim Kontakt. Mit großen Augen bemerkte der Weißhaarige, wie die Wunde sich anders verhielt. Die Haut zog sich nicht sofort zusammen, sondern ätzte die Ränder weg, machte die Wunde dadurch größer. Egal, wer diese zugefügt hatte, der Angreifer hatte mehr als nur eine Waffe genutzt. Gift oder etwas ähnliches, das für Dämonen schädlich war. Und das wurde gerade neutralisiert. Zischend verschwand dieses Etwas, verrauchte und hinterließ einen süßlich-säuerlich Geruch.
Zuvor hatte sich der Dämon nur unruhig gewunden. Sofort, als der Heilungsprozess und der Neutralisierungsvorgang voranschritt schrie Buck nun vollends auf. Kaum hatte Amrons Blut Kontakt mit seinen schlimmeren Verletzungen aufgenommen, kreischte der Dämon aus voller Hals. Die Geräusche zerrten an Amrons Geduld und Nerven und fiepten an den Wänden wieder, als wäre es ein Schrei eines Todesengels.
Die Augen hatte Buck stets geschlossen, wodurch er wohl nicht verstand, was nun mit ihm passierte. Bucks Hände formten sich zu Krallen und wieder zurück, die schwitzige Haarmähne schwang hin und her. Der Mund stand die Ganze Zeit weit offen, sodass die unmenschlichen Laute gänzlich an die Ohren des Kriegers drangen. Durch den offenen Mund konnte der Krieger auch die Spitzen weisen Zähne erkennen, die Buck wohl durch eine Täuschung hatte menschlicher wirken lassen.
Doch Amron hatte ebenfalls zu leiden. Nicht nur aus den Armen des Weißhaarigen floss Blut aus Strömen. Amrons Trommelfelle waren wohl geplatzt, wodurch er nur noch stumpf alles hören konnte. Die Muskeln zitterten und verkrampfen ebenfalls, Kopfschmerzen bahnten sich an, während der Blutverlust sein restliches tat. Eines stand fest. Dieser Dämon war wohl der erste und der letzte, dem der Krieger seine Macht schenkte.
Doch dies war das einzige, dass Amron daran hinderte den Verstand zu verlieren bei diesem schrillen Kreischen und dem immer noch andauernden Blutverlust. Sein Körper war so oder so geschwächt gewesen und mit diesem Ritual schlich die Ohnmacht nun vollends in seinen Verstand. Doch bevor sich die Wunde auf dem Bauch nicht geschlossen hatte, musste er durchhalten.
Mit schwerem Schnauben hob sich Amron und wollte erneut das Schwert ansetzen, damit er sich in das Bein schneiden konnte, da hörte er eine wohlige Stimme in seinem Kopf.
„Euer Opfer ist erbracht, unsere Macht gegeben.“
Das Ritual war beendet. Endlich.
Mit zittrigen Beinen stand der Krieger auf, stützte sich an der Wand ab und schüttelte sich ein paar Mal wie ein nasser Hund. Die Heilung an den Unterarmen zog sich nun langsamer voran, doch die Ränder begannen bereits, sich zu schließen. Und diese Kraft der Heilung verdankte dem Dämon auch sein Leben. Der Blick fixierte sich auf die nun heile kahle Stelle an dem Bauch des Dämons, der immer noch mit schmerzverzerrtem Gesicht in der Dusche lag. Doch die Atmung war nun regelmäßig, sodass Amron ihn aufhob und ihn zu seinem Bett brachte. Er zog die Bettdecke über den dürren Leib und betrachtete den Dämon.
„Wartet hier, ich kehre sogleich zurück.“ Sodann kehrte der Krieger um, hob das Schwert auf und sprang aus dem Fenster.