Stunden verstrichen, nachdem beide sich auf den Pakt geeinigt hatten. Die Nacht war hereingebrochen, nachdem Amron sich herabgelassen hatte, dem Mann auf seinem Rücken zuzuhören, der keine Sekunde lang nicht redete. Amron dachte, dass er selbst beim Luft holen sprach, doch wie er das zustande brachte, vermochte der Krieger nicht zu sagen. Der Schelm, oder Buck, wie er sich nannte, vollbrachte diese Fähigkeit, für den Krieger nun mittlerweile ein Fluch, mit einer derartigen Hingabe, dass sich Amron gerne das getrocknete Gras vom Wegesrand in die Ohren gestopft hätte, als weiter den Packesel für diesen großspurigen Mistkerl zu geben. Leider war sein Gehör für loses Gestrüpp zu fein, als dass es etwas helfen würde.
Nur tonloses Gewäsch verließ Bucks Mund, selbst in den kurzen Pausen. Und auch wenn beide einen Fluss fanden und laut Buck man diesem einfach nur folgen müsse, so hielt sich Amron mit der Essen zurück. Sein Körper brauchte Energie, das war ihm bewusst. Doch seine Kraftreserven würden noch einige Tage ausreichen. Dafür hatten die nun toten Soldaten in dem Wachraum gesorgt. Buck wiederum schürfte das dreckig aussehende Wasser genüsslich eimerweise in sich hinein, als würde er in seinem Leben niemals mehr diese Gelegenheit dafür bekommen. Amron wollte gerne wissen, was diesem redebedürftig Mann passiert war. Er würde es herausfinden. Irgendwann.
Jetzt allerdings musste er sich entscheiden, lieber dem informationslosen Gewäsch zu lauschen oder die nicht vorhandene Manieren seines Reisebegleiters ansehen zu müssen. Beides war ihm zuwider, also schaute er sich die menschenleere finstere Gegend an und versuchte allerlei Dinge über die ihm unbekannte Welt herauszufinden. Was ihm ebenfalls nicht gelang.
Als der Mond nun den Zenit erreichte und Amron der braunen Brühe, die man hier wohl auch Fluss nannte, bergauf gefolgt war, sahen seine scharfen Augen Lichter funkeln, die heller waren, als er für möglich gehalten hätte. Staunend hoben sich die Augenbrauen, als er stetig auf diese zulief. Schneller als gedacht kamen beide dem Dorf näher, als er Häuser und auch Menschentrubel erkannte. Geräusche von Gesprächen und anderen, ihm unbekannten, Tönen erklangen und er freute sich innerlich, endlich Lebewesen entdeckt zu haben. Doch seine Euphorie wurde sofort niedergerungen, als ausgerechnet Buck ihn bremste.
„Hörst du nicht? Langsam habe ich gesagt“, zischte dieser und verkrallte sich in dem Leder. Gier, Lust und andere Triebe tobten in dem Krieger, doch er zwang diese krampfhaft nieder. Auch seine Freude versiegelte er in seinen Gedanken, sodass wieder eine bedrückende Stille in ihm einkehrte. Nickend verstand er die Anweisung, ließ Buck auf den Boden nieder und kniete sich neben ihn.
„Der Busch hier wird uns nicht viel bringen, aber es reicht erstmal.“ Buck klatschte einmal in die Hände, dann schnippte er und sprach: „Wir sind hier in einer Welt, in der die Menschen da“, er zeigte auf die Zivilisation „uns sofort an die Behörden ausliefern würden. Ich meine, schau mal an, wie wir aussehen. Die denken wir sind Aliens oder so.“ Amron verstand die Problematik, aber konnte damit nicht viel anfangen. Dennoch schwieg er. „Also müssen wir uns erstmal so kleiden wie die, damit wir nicht auffallen. Und dann müssen wir wieder erstmal schlafen.“ Sofort verspannten sich die Muskeln, Amron spürte Schmerzen in Nacken und Rückenbereich. Die Augen zukneifend, wischte er gedanklich über die Körperstellen, an denen man dünne Nadeln in ihn hineingestochen hatte. Bilder schossen hervor, die Amron zu verdrängen versuchte.
„Außerdem,“ fügte Buck hinzu. „Sehe ich aus wie ein Krüppel und du wie ein Psychopath.“ Amron nickte stumm, als Zeichen des Verständnisses. Es dämmerte ihm nur vage, was Buck ihm sagen wollte.
„Was schlagt Ihr vor?“
„Hör auf mir deinem „Ihr“. Das sagt hier keiner.“
„Was schlägst…“, ein Zähneknirschen war zu hören, denn es widerstrebte ihm wirklich sehr. „Welche Möglichkeiten bleiben uns?“
Buck grinste schief, als er das Ausweichmanöver erkannte.
„Auch nicht das wahre, aber wenigstens ein Versuch. Da ich hier nicht weg kann und du mich nicht einfach durch die Gegend tragen kannst wie einen gefundenen Schatz aus einer Wüste, müsstest du uns ein Zimmer besorgen. Da hinten“, er zeigte auf das erste Haus, an dessen Wänden ein großes Schild prangte „ist ein Hotel. So eine eine Art Unterkunft.“ Buck erklärte ihm den Ablauf des Plans, den Amron nun besser verstand. Da ihm keine andere Wahl blieb, und draußen schlafen zwar für den Krieger, aber nicht für Buck eine Option war, hatte er keine Einwände mehr erheben können.
„Ach ja“, unterbrach Buck ihn erneut. „Lass dein Schwert hier.“
„Ich denke nicht, dass Ihr diese Entscheidung treffen dürft.“
„Doch, weil keiner hier mit einer Waffe rumläuft.“
„Das erscheint mir nicht möglich, denn meine Verfolger und diese Wachmänner hatten durchaus schießende Objekte bei sich.“ Buck hob die Augenbrauen, rollte mit den Augen und machte eine abfällige Handbewegung. „Bockiges Kind.“
Also schritt der Krieger stumm voran, lief auf das Dorf zu und betrachtete die vor ihm auftauchende innere Sanduhr. Ihm blieb wenig Zeit. Er musste sich beeilen und in seine Welt zurückkehren. Wenn diese Option denn noch bestand.
Was blieb ihm denn, außer Wesen zu vertrauen? Und das in einer Welt, die ihm wie eine Hölle vorkam?