3 - Erinnerungen und Ideen
Erik lief zügig auf die grüne Tür zu und trat ein. Sofort umfing ihn der leichte Geruch von Alkohol und Männerschweiß. Nicht unangenehm, nicht stickig, aber dennoch ein prägnanter Geruch, der zu diesem Ort dazu gehörte. Er schlenderte zur Bar hinüber und augenblicklich erschien ein junger Mann, um zu fragen, was er wollte. Erik bestellte ein Bier, zahlte sofort und sah sich in der Kneipe um.
Dank des bevorstehenden Wochenendes war so einiges los. Ein freier Stuhl war unmöglich zu bekommen. Deshalb stellte Erik sich neben dem Tresen etwas abseits, von wo er zunächst gut beobachten konnte.
Eine Reihe der Leute waren allein da, einige zu zweit. Wie automatisch ordnete Eriks Hirn sie in ‚scheiße, sieht der gut aus‘, ‚für Sex könnte es reichen‘ und ‚fasse ich nicht mit der Kneifzange‘ ein. Nur um kurz darauf genervt darüber zu stöhnen, was für ein beschissen oberflächliches Arschloch er in den letzten Monaten augenscheinlich geworden war. Da entdeckte Erik ein Paar, das unweit von ihm entfernt an einem der kleinen Tische saß. Sie hielten Händchen und lachten.
‚Alter, wie kitschig!‘, dachte Erik mit einer Spur Widerwillen.
Dabei war es nicht einmal das, was Erik an dem Anblick so störte. Es wirkte unschuldig und frei von Zwängen oder dem hämischen Spott der anderen. Das völlige Gegenteil von dem, was er in der Schule täglich erlebte.
Hätte Erik sich nicht Anfang der Sommerferien bei einem seiner bis dahin absolut üblichen Treffen mit Freunden versehentlich im Suff verquatscht, wären seine Vormittage in der Schule heute wahrscheinlich kein beschissener Spießrutenlauf.
Stattdessen war Erik das Ziel des Spottes und der Streiche, die der Affenkönig Sandro zur Belustigung brauchte. Und der dämliche Deutschlehrer Berger hatte sich zusätzlich eingemischt. Besser gesagt, mischte er sich nicht ein. Was im Grunde sogar schlimmer war.
Missmutig nippte Erik an dem Bier. Dabei war er doch hergekommen und eben nicht mehr über diesen Scheiß nachzudenken. Um sich abzulenken und nach Möglichkeit endlich jemanden zu finden, bei dem er den Frust auf deutlich angenehmere Weise loswerden konnte.
Doch genau wie die Erinnerung an seine Zeit mit Dominik, ließ sich die Folge der Trennung von diesem sich nicht aus Eriks Kopf drängen. Immer wieder sah er die Bilder dieses verhängnisvollen Sommertages in den Ferien.
Ein Abend, der wie so viele in den Jahren davor begonnen hatte. Mirek, Hennes, Tilo und Erik – die vier, die früher den Sportverein beim Ringen vertreten und aufgemischt hatten. Wie oft hatten sie sich in den vergangenen Jahren in den Hügeln am Rand ihres Wohngebiets für ein Lagerfeuer getroffen? Freunde, Bier, Sommerferien. Eine Kombination, die immer funktioniert hatte.
Jedenfalls so lange die drei Pfeifen darauf verzichtet hatten, irgendwelche Weiber mitzuschleppen. Unnötig zu erwähnen, dass Erik es stets für verlogen und falsch gefunden hatte, sich für solche Gelegenheiten eine Alibifreundin zuzulegen, nur um nicht als einziger alleine dort zu hocken. Andererseits hatte Erik viele Dinge nicht geplant. Weder, dass er sich während seiner Schulzeit outete, noch die Trennung von Dominik.
Bis heute war sich Erik nicht sicher, warum es gerade an diesem Abend aus ihm herausbrach. Der Vorfall mit Dominik lag Wochen zurück und Erik hatte sich immer eingebildet, dass er damit klarkam. Aber zwischen Alkohol, den Flammen des Lagerfeuers und der Tatsache, dass jeder seiner Kumpel irgendeine Tussi im Arm hielt, war es aus Erik herausgebrochen.
Blöderweise hatte das, was da aus ihm gesprudelt war, nur so getrieft von Frust und der Tatsache, dass Erik verdammt verletzt gewesen war durch die Art und Weise, wie es geendet hatte.
Und mit einem Mal hatte Schweigen geherrscht – eines, das Erik mit vom Alkohol vernebeltem Geist zunächst gar nicht hatte bemerken können. Der Abend war damit gelaufen. Eines der Mädels hatte sich zu einem aufmunternden Kommentar durchgerungen. Aber auf den Blick ihres Begleiters hin, hatte sie dann doch lieber die Klappe gehalten.
Den Rest der Sommerferien hatte Erik von keinem seiner ehemaligen Freunde mehr was gehört. Als er nach den Ferien wieder in die Schule kam, hatten alle im Stammkurs schon davon gehört. Welcher seiner drei angeblichen Freunde sich verquatscht hatte, wusste Erik nicht. Spielte letztendlich auch keine Rolle. Zwei von ihnen waren ohnehin in anderen Kursen. Und Mirek sah weg, als Arschloch Sandro Erik für ihr letztes Schuljahr ‚freundlich‘ zurück in der Schule begrüßt hatte.
Erik seufzte und versuchte, die Erinnerungen in das dunkle Loch zurückzudrängen, aus denen sie aufgestiegen waren. Schließlich war er nicht hier, um deprimierter rauszumarschieren, als er hergekommen war.
Er sah zu dem Paar zurück, das er schon zuvor beobachtet hatte. Die machten echt nicht den Eindruck, als hätten sie irgendwelche Probleme. Klar, wieso sollte die Tatsache, dass er auf Männer stand, heutzutage noch ein Problem darstellen?
Okay, Erik hatte immer irgendwie befürchtet, dass seine früheren Kumpels es merkwürdig finden könnten. Immerhin sah er sich selbst nicht gerade als das Klischee, das Film und Fernsehen so gern präsentierte. Letztendlich hatte er doch auch kein Problem damit, dass jemand auf Titten stand.
‚Leben und Leben lassen.‘
Diesmal nahm Erik einen großen Schluck und wandte den Blick von den beiden Männern wieder ab. Dieses eine beschissene Schuljahr, dann hatte er es hinter sich. Sandro würde er danach hoffentlich nie wiedersehen. Und bis dahin würde Erik einfach weiter durchhalten. Von einem Arschloch wie Berger ließ er sich ganz sicher nicht den Abschluss versauen.
Mit einem kurzen Wink bedeutete Erik der Aushilfe hinter dem Tresen, dass er ein weiteres Bier wollte. Sofort nahm der das leere Glas, stellte direkt im Anschluss ein volles wieder vor ihm ab und kassierte. Mehr Alkohol würde helfen. Vielleicht. Bestimmt.
Dabei war es im Grunde genommen es widersinnig, sein Geld hier auszugeben, anstatt sich mit ein, zwei Flaschen aus dem Supermarkt zu begnügen. Wieder wanderte Eriks Blick durch die gute gefüllte Kneipe und blieb wenigstens ab und zu an dem einen oder anderen hübschen Hinterteil, respektive Schritt, hängen. Für oberhalb der Gürtellinie reichte es heute nicht.
Wenn Erik sich mit Supermarktbier begnügte, müsste er auf die Aussicht verzichten. Ein kurzes Grinsen huschte über sein Gesicht, während Erik ernsthaft darüber nachdachte, ob er nicht versuchen sollte, sich wenigstens für heute von irgendeinem Kerl abschleppen zu lassen. Unweit von ihm entfernt stand ein Mann an der Bar und beugte sich eben vor, um bei Alex einen Drink zu ordern.
‚Der wäre auf jeden Fall ein geeigneter Kandidat‘, dachte Erik bei sich und nahm einen weiteren Schluck.
Leider würdigte ihn der stramme Hintern keines Blickes und kehrte stattdessen zu einem anderen Mann an einem der Tische zurück, mit dem er sich daraufhin lachend unterhielt.
‚Schade, nicht verfügbar.‘
Und mal wieder einer, der mehr Glück hatte als Erik. War er der Einzige, der mit solchen Vollidioten wie Sandro und Berger zu kämpfen hatte? Oder ging es anderen genauso beschissen wie ihm?
Erst die Demütigung durch seinen Ex, dann war Erik von seinen Freunden fallen gelassen worden, nur um von Sandro, Berger und den ganzen anderen Arschlöchern immer wieder daran erinnert zu werden, was sie von ihm hielten. Für einen Augenblick wünschte Erik sich, dass er sie genauso demütigen könnte.
Und plötzlich zuckte ihm eine düstere Idee durch den Kopf: ‚Wenigstens einen.‘
Hastig trank Erik aus und gab dem Barkeeper das Glas. Ein paar Sekunden später stürmte er förmlich raus. Am Ende der Straße konnte er den Bus sehen. So schnell ihn seine Beine trugen, rannte Erik quer über die Fahrbahn bis zur nächsten Haltestelle. Er erreichte sie, kurz bevor der Bus ankam. Keuchend stieg er ein und zeigte seine Monatskarte vor.
Die ganze Fahrt über saß Erik unruhig zappelnd auf der Sitzbank. Zu Hause angekommen riss er zunächst Wohnungstür und dann die Tür zu seinem Zimmer auf. Erik kickte die Schuhe beiseite und setzte sich an den Schreibtisch. Kaum hatte er den Stift in der Hand, fing er schon an zu schreiben.
Irritiert kam seine Mutter herein, bereits umgezogen und fertig, um demnächst zur Arbeit zu verschwinden. „Erik? Was ist denn jetzt schon wieder los?“
Er hob allerdings nur abwehrend die Hand. „Keine Zeit. Hab Hausaufgaben!“, bemerkte Erik gereizt.
Besser, sie ließ ihn in Ruhe. Er hatte gerade Wichtigeres zu tun! Das hier musste aufgeschrieben, festhalten werden. Ehe die Gedanken aus Eriks Kopf verschwanden – bevor er den Mut verlor, sie zu Papier zu bringen.
Seine Hand flog geradewegs über den Block. Je mehr Erik sich hineinsteigerte, desto aufgeregter wurde er. Es schrieb sich quasi von allein. Kaum hatte er einen Gedankengang angefangen, erschloss sich der Rest wie von selbst. Erik sah es förmlich vor sich! Im Grunde war es, als würde er den Film in seinem Kopf Wort für Wort beschreiben.
Je länger er schrieb, desto undeutlicher wurde Eriks Schrift. Zu hastig waren die Bewegungen der Hand um die Worte, die durch seinen Kopf rasten, festzuhalten. Aufregende Gedanken, verführerische Bilder, die die Erregung in Erik selbst stetig weiter anstachelten.
Berger würde im Boden versinken, sobald er das las! Nein, besser wäre es, wenn er sich vor Angst in die Hosen machte. Furcht davor, dass dies mehr als eine ‚Illusion‘ war.
‚Selbst schuld! Warum hat der Arsch dir auch so ein beschissenes Thema aufgedrückt!‘
Ein geradezu hinterhältiges Grinsen huschte über Eriks Gesicht als er nach einer gefühlten Ewigkeit endlich den Aufsatz beendete und den Stift beiseitelegte. Ein weiteres Mal flog sein Blick über die letzten Absätze. Erik schluckte, als er die eigenen Worte dort las.
‚So roh …‘
Hatte er das tatsächlich geschrieben? War das überhaupt er selbst? Egal! Wen scherte das? Hauptsache Berger fiel dabei die Kinnlade runter! Mit zitternder Hand blätterte Erik zurück. Sein Herz schlug ihm bis zu Hals, als er seinen Aufsatz erneut überflog.
‚Scheiße! Das kannst du Berger nicht ernsthaft vorsetzen, oder?‘
Zappelnd rutschte Erik auf dem Stuhl hin und her. Etwas begann, sich in ihm zu regen. Sein Herz schlug immer heftiger von innen gegen die Rippen. Für einen Moment war da nur noch das Rauschen in seinen Ohren.
Er sollte diesen Schund zerreißen. In winzigkleine Schnipsel, damit niemand es je wieder sehen könnte. Auf keinen Fall sollte er das Berger geben. Trotzdem konnte Erik den Blick nicht von seinen eigenen Worten lösen.
Das Rauschen fachte das Hämmern in seiner Brust noch weiter an. Ein zunächst nur dezentes Kribbeln in seinem Bauch. Langsam wanderte es tiefer. Ein Pulsieren im gleichen Rhythmus wie das Pochen hinter seinen Rippen. Und dennoch anders. Verlangender, unnachgiebiger. Ehe Erik es sich versah, presste er bereits eine Hand gegen seinen Schritt, in dem sinnlosen Versuch, das immer stärker werdende Pulsieren zurückzudrängen.
‚Das ist falsch‘, versuchte Erik sich selbst zur Vernunft zu bringen.
Es war falsch, dass er hier saß und darum kämpfte, dem Ziehen und Pulsieren nicht nachzugeben. Und erst recht, dass er tatsächlich für mehr als eine Sekunde darüber nachgedacht hatte, den Mist Berger morgen früh in die Hand zu drücken.
‚Das geht doch nicht, oder?‘
Obwohl es weit entfernt war von der Gewaltorgie, die Sandro am Morgen zerfetzt hatte, konnte er dafür genauso beim Schulpsychologen landen.
‚Vielleicht auch nicht.‘
Wenn das hier die erwünschte Wirkung hatte, würde Berger lieber im Boden versinken, als mit dem Aufsatz zu irgendjemandem hinzugehen. Trotzdem war Erik unentschlossen. Immerhin brachte die Unterbrechung sein hämmerndes Herz allmählich zur Ruhe.
‚Es wird funktionieren‘, beharrte eine kleine, verführerische Stimme in Eriks Kopf. ‚Und es ist so viel besser als der Mist von gestern!‘
Er sah zur Zimmertür. Es war schon eine ganze Weile her, dass Erik das Klacken der Eingangstür gehört hatte. Seine Mutter war inzwischen auf Arbeit. Außer ihm war niemand mehr hier. Und das würde sich für die nächsten Stunden auch nicht ändern.
Rasch suchte Erik die Blätter der Hausarbeit zusammen und heftete sie mit einer Büroklammer aneinander. Noch einmal zögerte er, stand dann jedoch auf und lief zum Bett hinüber.
‚Der Scheiß wird Berger viel zu peinlich sein, als dass er den jemandem zeigt.‘
Dabei war es gut. Es gefiel Erik auf einem Level, welches er nicht benennen wollte. Zufrieden mit sich und seiner Arbeit ließ Erik sich auf die Bettdecke fallen. Langsam fing er an, den Aufsatz erneut zu lesen. Schon nach zwei Absätzen fuhr er mit der Hand über Brust und Bauch hinab bis zum Hosenbund. Dabei war es an dieser Stelle noch vollkommen harmlos. Das Wissen, was in den kommenden Absätzen passieren würde, ließ Eriks Herz trotzdem schon wieder hastiger schlagen. Pumpte immer mehr Blut südwärts.
Falls das Berger nicht die Kinnlade runter klappte, dann gab es nichts, was diesen Mistkerl erschüttern würde. Der Arsch würde am eigenen Leib erfahren, wie es war, wenn man sich erniedrigt fühlte – zum Objekt der Unterhaltung für andere degradiert wurde.
Obwohl die Art von ‚Unterhaltung‘, in deren Mittelpunkt Erik seinen Lehrer hier gesetzt hatte, nichts mit dem zu tun hatte, was Sandro oder Berger täglich mit ihm veranstalteten. Erik atmete tief durch, ließ er die Zettel auf die Brust fallen und schloss die Augen.
Zunächst waren es die Worte der Strafarbeit, die Erik auf der Rückseite seiner Augenlider zu sehen glaubte. Aber schnell verwandelten sich die Buchstaben in Bilder, während er seine Hand zunächst verhalten, dann mit deutlich mehr Sicherheit unter den Hosenbund schob. Langsam strich Erik über die sich ihm bereits erwartend entgegen streckende Spitze. Er sollte das lassen, nicht einmal drüber nachdenken. Das war Erik vollkommen bewusst.
‚Warum?‘
Ja, wozu eigentlich? Seine Mutter war nicht da und außer ihnen beiden wohnte ja schon länger niemand mehr hier. Selbst wenn sie nicht fort wäre, würde sie Erik heute garantiert nicht stören. Nicht nachdem er sie vorhin derartig angefahren hatte.
Sein Herz erhöhte die Schlagzahl erneut, während Erik die Hand in seiner Hose ein Stück tiefer schob und zögerlich zugriff. So würde er weder die Gedanken noch das Kribbeln aufhalten können. Im Gegenteil. Das dazugehörige Pochen des rasch südwärts strebenden Blutes wurde stärker. Eriks Atem hastiger.
Der Text vor seinem Auge war verschwunden, ersetzt durch die Bilder eines Films, dessen Inhaltsangabe auf Eriks Brust lag. Ein Kurzfilm, in dem sein Gegenstück soeben im Klassenzimmer hinter den nichts ahnenden Lehrer getreten war.
Sie waren allein. Der dunkle Haarschopf seines Lehrers gesenkt – so als würde er über irgendwelchen Arbeiten brüten, die er gerade kontrollierte. Zumindest hatte Erik sich immer vorgestellt. Dass die Lehrer genauso frustriert an den beschissenen Aufgaben saßen, wie er selbst – nur aus anderen Gründen. Während Erik daran verzweifelte, diese zu lösen, mussten die armen Schweine den Scheiß hinterher auch noch lesen und irgendwie bewerten.
Eriks Gegenstück war das aber egal. Der war nicht hier, um zu reden oder um zu lernen. Vielmehr wollte er Berger eine Lektion erteilen. Deshalb war es vielleicht auch nicht verwunderlich, dass der Lehrer in Eriks Aufsatz dem Arsch bis ins Detail glich. Die gleichen schwarzen Haare, dieselbe schlanke und dennoch sportliche Statur. Kein Muskelprotz – drahtig, sehnig. Sicherlich nicht zierlich und schwach. Definitiv kein typisches Opfer. Nein, genau wie Berger war der Lehrer in Eriks Aufsatz garantiert nicht schwächlich. Da steckte mehr als genug Kraft in diesem Körper. Das durfte man keinesfalls unterschätzen.
Aber der Kopf blieb abgewandt, das Gesicht war nicht zu sehen. Der Mann in Eriks Aufsatz war namenlos, gesichtslos, anonym. Und trotzdem war er für ihn selbst, der diesen Rücken, den Hintern, den ausrasierten Nacken regelmäßig anstarrte nur allzu vertraut. Die Frage, wessen Gesicht er sehen würde, sobald der Typ sich umdrehte, stellte sich nicht.
Erik wollte diesen Mann vor seinen Augen anfassen. Also ließ er seine Hände über die Schultern gleiten. Zunächst nur federleicht, wie ein Windhauch. Doch sofort wurde er bemerkt und natürlich protestierte der Lehrer in Eriks Aufsatz. Aber er drehte sich nicht um, zeigte das nur zu bekannte Gesicht nicht. Denn wenn er es getan hätte, wäre die Illusion des Films, der weiterhin vor Eriks Augen ablief vorbei gewesen.
Da war kein überraschter und entsetzter Blick. Lediglich ein Keuchen. Gefolgt von halbherzigem verbalem Protest. Berger würde anders reagieren. Der würde sich umdrehen und Erik in die inzwischen merklich herangezogenen Eier treten. Aber wen scherte das? Dieser Aufsatz war ja nur eine ‚Illusion‘ – keine Realität.
Trotzdem fühlte sich das, was diese Fantasie bei Erik auslöste verflucht real an. Scheiß auf das Internet, wenn sein eigenes Hirn so viel bessere Pornos ausspucken konnte. Sein Atem beschleunigte sich weiter, als die Bilder im Kopf an Fahrt aufnahmen und Erik in der Realität hastig an dem Knopf der Hose herumfummelte, um der allmählich unerwünschten Enge zu entkommen.
Berger würde sich vielleicht wehren, aber der Lehrer in dem Aufsatz tat das eher halbherzig. Der mangelnde Widerstand fachte Eriks Verlangen weiter an – genauso wie das seines Alteregos. Der wusste, genau wie Erik nach mehreren Jahren im Ringen, nur zu gut, wie man einen Gegner auf die Matte schickte. Und dort festhielt. In diesem Fall war es nicht der Boden, auf dem der Lehrer im Aufsatz landete, sondern der Tisch.
Grinsend verstärkte Erik den Griff in seiner Hose. Oh ja, er konnte das Objekt seines Hasses direkt vor sich sehen, wie der Misterkl ihn anfauchte, was der Scheiß sollte. Wie er vergeblich versuchen würde, sich aus dem Griff zu befreien. Sinnlos, hoffnungslos. Erik wäre stärker als Berger, sein Alterego war ebenso kräftiger und hielt den namenlosen Lehrer entsprechend mühelos fest. Auf dem Platz, wo er hingehörte, wo er nur ihm gehörte. Dem Ort, wo Erik den Ton angab und nicht irgendein Arschloch. Hier hatten sie seinem Willen zu folgen.
Sobald eine Hand über den flachen Bauch hinab in die Hose des Lehrers geführt wurde, würden dessen Proteste nachlassen. Nur noch ein verhaltenes Keuchen, durchsetzt von halbherzigen Versuchen, ihn abzuschütteln. Die aber am Ende nur dazu führen würden, dass sich dieser geradezu perfekte Hintern gegen seinen Schritt presste.
Eriks Herzschlag beschleunigte sich. Der Gedanke war so verboten falsch, dass es ihn noch mehr zu erregen schien. Mit einem Rascheln glitten die Blätter von Eriks Brust auf den Boden und rissen ihn damit für einen Moment aus seiner Fantasie. Er hielt inne. Wenige Sekunden später lagen die Klamotten vor dem Bett, während Erik in eben dieses zurück schlüpfte.
Der Lehrer im Aufsatz war ein deutlich besseres Opfer. Nicht so verstockt und kalt wie sein Eigener. Vor Eriks inneren Auge entstand die Szene aufs Neue. Der gesichtslose Berger, wie er versuchte, ihn weg zu stemmen, nur um kläglich zu scheitern. Eriks Hände glitten über den sich windenden Körper. Ja, der Mistkerl würde es spüren. Am eigenen Leib sollte Berger erfahren, wie es war, wenn andere mit einem machten, was sie wollten. Und genau das würde er tun.
‚Dann spürt das Arschloch, wie es ist, wenn man der Willkür anderer ausgesetzt ist.‘
Die Vorstellung fing an, Erik immer stärker zu erregen. Ohne zu zögern, schob er seine Hand unter die Bettdecke. Der Gedanke, dass er es diesem Mistkerl so tatsächlich heimzahlen könnte, war nicht einfach nur verführerisch, sondern geradezu berauschend. Eriks Atem beschleunigte sich erneut, als er den Griff seiner rechten Hand verstärkte.
Verdammt! Er war schon zu lange nicht mehr mit jemandem im Bett gewesen. Die Sache mit Dominik hatte zu abrupt geendet und danach war kein Ersatz aufgetaucht. Okay, wenn Erik ehrlich war, dann waren da auch vor Domi nicht sonderlich viele Männer in seinem Leben gewesen – weder in Sachen Sex und schon gar nicht in einer Beziehung. Ja, Dominik war nicht Eriks erster Mann gewesen. Das davor dennoch kaum mehr als unbedeutendes Rumgefummel und Ausprobieren.
Vielleicht war deshalb die Vorstellung, endlich wieder einen nackten Hintern vor Augen zu haben, so verboten erregend, dass das Hämmern des Blutes in Eriks Schritt allmählich zu viel zu werden schien. Mit einem weiteren, kräftigten Griff, versuchte er das Unvermeidliche hinaus zu zögern. Aber die Bilder nahmen schon wieder an Fahrt auf. Und die Vorstellung wie Bergers knackiger, fester und mit Sicherheit noch so verdammt jungfräulicher Hintern, sich nackt vor ihm ausbreitete, ließ Erik laut aufstöhnen.
„Oh, ja...“
Dominik hatte einen ebenso niedlichen kleinen Knackarsch gehabt. Perfekt, nicht nur zum Reinbeißen, sondern auch zum Vögeln. Und Bergers Hintern stand dem garantiert in nichts nach. Nur dass der nicht wirklich verfügbar war. Aber genau das schien den im Augenblick umso anziehender zu machen. Erik spürte die Haut förmlich unter den Fingern, wenn er sich vorstellte, wie seine Hände über diesen drahtigen Körper gleiten ließ. Obwohl er exakt wusste, dass es in der Realität nie so weit kommen würden, war die Vorstellung zu viel.
Erik öffnete die Augen: „Scheiße!“
Erschrocken über sich selbst griff er zum Nachttisch hinüber und zerrte eine Packung Taschentücher hervor. Hektisch wischte Erik sich sauber und kroch danach mit rasendem Herzschlag zurück unter die Decke. Ein kurzer Griff zur Lampe neben dem Bett und es wurde finster im Raum.
‚Was zum Geier treibst du hier überhaupt?!‘, fauchte eine Vernunft Erik an, die sich bis dato an diesem Abend viel zu rar gemacht hatte. Wo war diese scheiß Stimme gewesen, als er den verdammten Aufsatz geschrieben hatte?
Mit noch immer hämmerndem Puls verkroch Erik sich weiter unter die Decke, doch kaum dass er die Augen schloss, kamen schon wieder die Bilder aus dem Aufsatz hervor. Erik keuchte und versuchte, das erneut stärker werdende Kribbeln zu ignorieren. Aber je mehr er die Gedanken an Berger und den Aufsatz beiseite drängte, desto deutlicher schienen die sich in Eriks Bewusstsein einzubrennen.
Schon wieder wanderte viel zu viel seines Blutvolumens unterhalb der Gürtellinie. Erik verfluchte sich stumm dafür, dass er überhaupt jemals die Idee mit diesem verdammten Aufsatz gehabt hatte. Er war ganz sicher kein beschissenes Arschloch, das sich irgendjemandem ernsthaft aufzwingen würde!
Und mit einem Wichser wie Berger wollte er schon gar nicht schlafen! Egal wie gut dessen Hinterteil aussah, wenn es nackt vor ihm herumgeschwenkt wurde. Allein der Gedanke daran ließ die Erregung erneut ein weiteres Stück ansteigen.
‚Denk an was anderes, du Vollidiot!‘ Erik kniff die Augen zusammen und versuchte, irgendeinen Gedanken zu finden, der ihn von diesem Scheiß ablenkte. Aber alles, was ihm in den Sinn kam, war: ‚Wie kaputt bist du inzwischen eigentlich?‘
So war er nicht! Eine Illusion. Das war diese beschissene Strafarbeit. Nicht real und sicher nichts, was Erik jemals tun würde! Alles nur ausgedacht. Aber sein Schwanz hatte da eine vollkommen andere Meinung dazu. Trotzdem wollte Erik kein verfluchtes perverses Arschloch, das sich solchen kranken Fantasien hingab!
Das war es doch was Sandro und dessen Kumpel immer wieder behaupteten, oder? Pervers. Krank. Und vor allem dauergeil darauf irgendeinen Arsch vor den Schwanz zu bekommen. So war Erik nie gewesen. So wollte er auch nicht sein.
Es war allerdings nicht zu leugnen, dass ein Teil von Erik, Berger durchaus in die Ecke drängen wollte. Dieser Mistkerl sollte sich genauso erniedrigt fühlen. Berger musste endlich erfahren, wie es war, wenn man nur noch ein Objekt des Hasses und Ziel der Demütigungen war.
„Es ist nicht real“, flüsterte Erik leise. Er würde sich niemals jemandem aufzwingen. Das wusste er genau. Das in diesem verdammten Aufsatz war nicht er.
Ein Zittern lief durch seinen Körper, als Erik klar wurde, was sein Kopf da hervorgebracht hatte. Immer wieder sagte er sich, dass es nur eine Fantasie war. Eine dumme Illusion, die er nie umsetzen würde.
Niemals!
Aber diese beschissene Stimme in seinem Kopf bestand weiterhin darauf, dass er es geil gefunden hatte – und ließ Bergers Hinterteil schon wieder vor Eriks geistigen Auge herumtanzen. Mit einem Stöhnen öffnete er ebendiese und drehte den Kopf zur Seite. Sein Blick fiel direkt auf die Blätter des Aufsatzes.
Er sollte aufstehen und etwas Neues schreiben, irgendetwas anderes, Harmloses. Aber Berger hatte eine Lektion verdient. Und vielleicht wollte Erik ja auch einfach ein Stück weit, dass das Arschloch erkannte, was dieser Scheiß in der Schule nach nur drei Wochen aus Erik gemacht hatte.
Ein erneutes Zittern lief durch seinen Körper. Was für ein Mensch würde wohl aus ihm werden, wenn dieser Mist bis zum Ende des Schuljahres so weiterging?