Aiden wurde von leisen Stimmen geweckt und riss die Augen auf. Er brauchte einen kurzen Moment, um zu begreifen, dass er auf der Couch eingeschlafen sein musste.
Kurz rieb er sich den schmerzenden Nacken, ehe er sich nach der Quelle des Gemurmels umschaute.
„Danke“, sagte Jo in dem Moment, schloss die Tür und drehte sich dann mit einem kleinen Servierwagen in seine Richtung.
Noch während sie ihn erblickte, stiegen Aiden die herrlichen Aromen des Essens in die Nase, das er bestellt hatte.
„Oh“, entfuhr es ihr. „Ich wollte dich nicht wecken.“
„Schon gut.“ Er winkte ab. „In der Minibar liegen ein paar Blutbeutel, aber ich dachte, vielleicht hättest du auch Appetit auf etwas anderes.“ Aiden deutete auf den Servierwagen, der offenbar gerade vom Zimmerservice heraufgebracht worden war.
„Etwas anderes?“, wiederholte Jo und ihre Augen weiteten sich.
Aiden brauchte einen kurzen Moment um zu begreifen, wie falsch man seine Worte verstehen konnte. Seine Mundwinkel zuckten, doch Jo räusperte sich: „Das Essen. Es riecht fantastisch.“
Sie platzierte den Wagen direkt neben der Couch und ließ sich dann an Aidens Seite nieder, ehe sie nach dem ersten Teller griff und die Warmhaltehaube entfernte.
„Ja“, entfuhr ihr ein leichtes Seufzen. „Ich merke gerade, dass es ewig her sein muss, dass ich zuletzt etwas gegessen habe.“ Sie griff nach einer Gabel und machte sich daran die Spaghetti auf ihrem Teller einzudrehen.
Aiden sah ihr dabei zu, wie sie den ersten Bissen nahm und genießerisch die Augen schloss, ehe er selbst nach einem Teller griff. Diese Frau saß im Augenblick mit noch leicht feuchten Haaren und in Jogginghose neben ihm, während sie Spaghetti aß und Aiden konnte sich beim besten Willen nichts vorstellen, was auch nur annähernd so sexy ausgesehen hätte.
Er verlor in Jos Gegenwart noch den Verstand, wenn er sich nicht rasch ablenkte.
Also richtete er jetzt seine volle Aufmerksamkeit auf die dampfenden Kartoffeln und das knusprig angebratene Steak auf seinem Teller. Er probierte von beidem und als die Aromen in seinem Mund explodierten, entfuhr auch ihm ein zufriedenes Seufzen.
„Gut?“, wollte Jo wissen und er nickte. In einvernehmlichem Schweigen verputzten sie jeder ihre Portion, ehe sich Aiden noch über zwei große Stücke Pizza hermachte und Jo sich eine Schale mit Tomatensalat vornahm.
„Ich habe auch noch Nachtisch bestellt“, sagte Aiden schließlich, als er die beiden kleineren Teller erblickte. „Willst du lieber Schokoladenkuchen oder Apfelcumble?“
Jos Augen leuchteten, während sie die Optionen genaustens abzuwägen schien. „Ich kann mich nicht entscheiden“, gab sie dann zu.
„Dann nimm beide.“ Aiden reichte ihr die zwei Teller und sie lachte. „So gern ich auch würde, das schaffe ich niemals.“
„Schön.“ Aiden zuckte mit den Schultern und schnappte sich dann eine Kuchengabel von Servierwagen. „Dann teilen wir.“ Damit stach er sich die Spitze des Schokoladenkuchens ab und schob ihn in den Mund. Die herbsüße Note war einfach vorzüglich und so wunderte es Aiden nicht, dass die beiden Desserts in kürzester Zeit restlos verputzt waren.
„Das war köstlich“, erklärte auch Jo, als sie sich mit einem zufriedenen Lächeln gegen die Sofalehne sinken ließ, während Aiden rasch das Geschirr zusammenstellte.
„Allerdings ist mein Magen so voll, dass ich jetzt unmöglich schlafen kann.“ Jo rieb sich über den Bauch, ehe sie nach der Fernbedienung griff und das übergroße Gerät einschaltete. „Hast du eine Vorliebe?“, wollte sie dann wissen und überraschte Aiden damit so sehr, dass er sie sprachlos anstarrte. Als von ihm keine Antwort kam, sah sie zu ihm auf und im nächsten Moment meinte Aiden tatsächlich einen roten Hauch auf ihren Wangen erkennen zu können.
„Bei Filmen, meine ich“, murmelte sie atemlos und Aiden begriff, was ihre Frage eigentlich bezweckt hatte. Dennoch konnte er nicht verhindern, dass seine Gedanken in völlig andere Richtungen abdrifteten. „Ich bin nicht gerade der große Romantiker“, gab er offen zu. „Ich stehe mehr auf Action.“ Er schmunzelte. „Also bei Filmen, meine ich.“
Jo schnappte sich eines der Kissen und schleuderte es in seine Richtung. „Sehr witzig“, rief sie, konnte ein Lachen aber nicht zurückhalten. Aiden stimmte mit ein und ließ sich neben ihr auf der Couch zurückfallen. „Du hättest deinen Gesichtsausdruck sehen müssen“, zog er sie amüsiert auf und erntete dafür einen scharfen Blick von Jo. „Also keine Romantik“, wiederholte sie und zwinkerte ihm zu. „Ganz wie du willst. Mit deiner Gegenwart assoziiere ich auch eher einen Horrorfilm.“
Aiden wusste, dass sie ihm eins auswischen wollte, doch das würde er nicht zulassen. Blitzschnell beugte er sich zu ihr hinüber, sodass sie dicht an die Rückenlehne gepresst wurde. Sein Gesicht schwebte nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt und er konnte hören, wie sich ihr Herzschlag augenblicklich beschleunigte. „Dann fürchtest du dich also in meiner Gegenwart?“
„Das würde dir wohl so passen.“
„Nun, ich fürchte mich zumindest vor meinen eigenen Gedanken, wenn ich in deiner Nähe bin“, gestand er leise und ließ sie dabei keine Sekunde aus den Augen. Ihre toughe Ausstrahlung bröckelte, wenn auch nur ganz leicht, doch für Aiden war es eine Genugtuung. Sie fühlte die Spannung zwischen ihnen genauso und wenn er es bislang nicht gewusst hatte, dann war das Blitzen in ihrem Gewitteraugen die Bestätigung, die er gebraucht hatte.
Sein Blick zuckte zu ihren Lippen und er stellte sich vor, sie erneut zu küssen.
Doch Jo kam ihm zuvor, indem sie ihre Hände auf seine Brust legte und ihn sanft von sich schob. „Für deine Gedanken bin ich nicht verantwortlich“, erklärte sie und deutete auf den Bildschirm. „Tatsächlich finde ich Horrorfilme einfach unfassbar albern, deshalb schienen sie mir gut zu dir zu passen.“
Aiden lachte auf. „Autsch“, rief er und sank zurück auf seinen Platz. „Das tat wirklich weh.“ Er griff sich an die Brust, als schmerzte ihm das Herz. Doch Jo grinste nur, während sie durch die Programme schaltete.
Aiden beobachtete sie von der Seite, eher er sich eine weitere Spitze einfach nicht verkneifen konnte. Deshalb sagte er: „Es ist wirklich schade, dass meine Gegenwart dich dazu animiert, einen Horrorfilm ansehen zu wollen. Ich hatte vielmehr auf einen Erotikstreifen gehofft.“
„Ich hatte vielmehr auf einen Erotikstreifen gehofft“, sagte Aiden und Jos Mund war mit einem Mal staubtrocken. Noch immer spürte sie seine Nähe viel zu deutlich und das, obwohl er sich inzwischen gar nicht mehr über sie beugte. Sein Blick hatte sie mit einer solchen Intensität festgenagelt, dass in ihr das Verlangen erwacht war. Sie hatte kurz mit dem Gedanken gespielt, all ihre Bedenken über Bord zu werfen und sich einfach nur der Versuchung hinzugeben. Und Himmel, Aiden war die Versuchung in Person. Seine Gegenwart war pure Folter und ja, es war tatsächlich so, dass seine Nähe ihr Angst machte. Aber nicht auf die unheimliche Art, sondern aus dem Grund, dass sie das Gefühl bekam, bei ihm die Kontrolle über sich selbst zu verlieren. Er brachte sie mit einem einzigen Blick, einer scheinbar harmlosen Geste oder seiner schlichten Anwesenheit dazu, sich vorzustellen, wie unfassbar gut es sich angefühlt hatte, ihn zu küssen. Himmel, als sie an ihrem ersten Abend in der Umkleidekabine übereinander hergefallen waren, war da eine Anziehungskraft zwischen ihnen gewesen, die Jo noch nie gespürt hatte. Und seither konnte sie an kaum etwas anderes denken.
Wenn er also glaubte, sie würde in seiner Nähe erotische Gedanken verspüren dann traf er den verfluchten Nagel sowas von absolut auf den beschissenen Kopf.
„Träum weiter“, erwiderte sie dennoch und war selbst überrascht, wie leicht ihr die Lüge über die Lippen kam.
„Oh, das tue ich.“ Ihre Ablehnung schien Aiden kein bisschen zu stören. „Jede Sekunde, seit wir das erste Mal miteinander trainiert haben.“
Jo kroch eine Gänsehaut über den Rücken, als sie begriff, dass er gerade an genau den Abend dachte, der auch in ihren Erinnerungen herumgeisterte.
„Ich bin jederzeit bereit, dir noch einmal in den Hintern zu treten“, gab sie zurück.
„Ein verlockendes Angebot.“ Er sah sie direkt an. „Aber noch viel lieber würde ich das fortsetzen, was danach passiert ist.“
Jo erschauderte, doch sie schaffte es, ihre Stimme weiter unter Kontrolle zu behalten. „Du meinst, als ich dir einen saftigen Bluterguss verpasst habe?“
„Nein.“ Aiden beugte sich abermals in ihre Richtung und seine Stimme war jetzt ein so dunkles Grollen, das sie auf eine Weise anmachte, die sie kaum für möglich gehalten hätte. „Ich meinte, als du dafür gesorgt hast, dass sich all mein Blut zwischen meinen Beinen gesammelt hat.“
Sie schnappte nach Luft und ihr Blick zuckte unwillkürlich zu der Beule, die sich auch jetzt in seiner Hose abzeichnete. Als sie wieder aufsah, lächelte Aiden wissend und das erregte und ärgerte sie gleichermaßen. „Und“, fügte er dann hinzu. „Als wir leider unterbrochen wurden, bevor es zu weiteren Ergüssen kommen konnte.“