Kapitel 1 - Teil 1/4
Allein durch die Dunkelheit
Ich öffnete meine Augen, nur um sie direkt danach wieder schließen zu können. Nach einem kurzen Moment öffnete ich sie ein zweites Mal, doch ich konnte keinen Unterschied erkennen. Ob meine Augen geschlossen oder geöffnet waren, war vollkommen egal. Absolute Dunkelheit umgab mich.
‚Dunkelheit - was ist überhaupt die Dunkelheit?', fragte ich mich in Gedanken. Wenn man es einfach formulierte, war es im Grunde nur das Fehlen von Licht. Um allerdings etwas sehen zu können, brauchte man Licht. Diese herrlichen Lichtstrahlen, die ihren Weg in die Pupillen der Augen fanden. Dort lösten sie elektrische Impulse aus, die zum Gehirn weitergeleitet wurden, um dann in dieser Schaltzentrale des Menschen zu einem Bild zusammengesetzt zu werden.
Diese komplexen Gedanken gingen mir seltsamerweise durch den Kopf, während ich mich in dieser fremden Finsternis aufhielt. Wie ich hierhergekommen war oder warum ich mich in dieser Situation befand, war mir vollkommen unbekannt. Mich zu erinnern, wer ich war oder wie ich hieß, war für mich kein Problem. Ich war eine junge Frau, Mitte zwanzig, die auf den Namen Maria hörte. Also meistens...
Ich schloss und öffnete abermals meine Augen und versuchte angestrengt, irgendwelche Lichtstrahlen aufzufangen, die das Innere meines Kopfes erhellen sollten, aber nichts war zu erkennen. Vielleicht sollte ich meine Augen längere Zeit geöffnet lassen, damit sich meine Pupillen weiten konnten. Möglicherweise waren sie dann dazu in der Lage, noch ein paar dieser notwendigen Lichtstrahlen zu erhaschen.
Nach ein paar Momenten konnte ich ein rotes schemenhaftes Licht in der Ferne wahrnehmen. ‚Endlich!', dachte ich, ‚Ist es das erhoffte Licht am Ende des Tunnels?' Ich konzentrierte mich nur auf dieses rote Leuchten, welches unendlich weit von mir entfernt schien. Irgendwie kam mir aber dieses langwellige Licht sehr vertraut vor. Es pulsierte in einem monotonen Takt. Hatte ich es irgendwo anders schon einmal gesehen? Wollte es mich anlocken? Wie konnte ich dorthin gelangen? In dieser fast vollkommenen Finsternis konnte ich nicht so einfach ziellos umherlaufen. Blaue Flecken waren da vorprogrammiert und die würde man auf meiner hellen Haut doch sehr deutlich sehen. In dieser Schwärze würde man sie zwar nicht wahrnehmen, allerdings hoffte ich, dass ich diese düstere Situation bald wieder verlassen konnte. Seltsamerweise wurde ich in dieser lichtlosen Lage nicht panisch. Ich konnte atmen, ich war nicht unmittelbar in Gefahr. Zuhause machte ich nachts auch keine Lampen an, wenn ich mal zur Toilette musste oder dem Kühlschrank einen Besuch abstattete. Deshalb fühlte ich mich normalerweise in der Dunkelheit nicht unwohl. Ich stutzte bei diesem Gedanken. Befand ich mich vielleicht sogar in meiner Wohnung? War ich gerade aus einem Traum erwacht und mein Verstand spielte mir einen Streich, da er sich erst wieder an den Wachzustand gewöhnen musste? In solchen Momenten konnte man nicht mehr zwischen Traum und Realität unterscheiden. Leichte Beklemmung umgab meinen Körper.
Ich konzentrierte mich wieder auf das rötlich pulsierende Leuchten, das mich anlockte. Ich entschied mich, vorsichtig einen Fuß vor den anderen zu setzen. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich barfuß war, fühlte den kühlen Boden unter mir. Er saugte immer mehr Energie von meiner warmen Hautoberfläche, die sich dadurch kontinuierlich dem kälteren Untergrund anglich. Diese Tatsache machte mir ebenfalls keine großen Sorgen, da ich in meiner Wohnung selten Schuhe trug. Die Frage, die ich mir wieder stellte, konnte ich mir immer noch nicht beantworten. War es meine Wohnung? War es mein Laminatboden, auf dem ich orientierungslos herumstand? Warum erkannte ich keine Schemen der Umgebung, außer diesem roten Leuchten? Ich verdrängte diese Gedanken für einen Moment, als mir etwas anderes an mir auffiel.
Hatte ich überhaupt etwas an, oder war ich komplett unbekleidet, hier in dieser nicht vertrauten Finsternis? Ich spürte einen leichten Stoff, der meine weiblichen Formen bedeckte. Ich streichelte mit meinen Fingerkuppen darüber und erkannte, dass ich in Seide gehüllt war. Durch Abtasten meines Oberkörpers begriff ich, dass es sich um eine Art Nachthemd handeln musste. Aber der Stoff war so leicht und dünn, dass ich mir doch etwas nackt vorkam. Bei jedem kleinen Schritt, den ich machte, strich er wie zärtliche Fingerspitzen über meine Haut. In dieser Fremde ein sehr schönes, beruhigendes aber auch verwirrendes Gefühl. Es war immerhin eine kleine Erleichterung, dass ich hier nicht vollkommen nackt herumlief. Der Saum des Nachthemdes berührte meine Oberschenkel, wodurch mir klar wurde, dass das Nachthemd eher nur ein kurzes Hemdchen war.
Da ich keinen Stoff an meinem Unterleib spürte, fasste ich unter das kurze Kleidungsstück in Höhe meines Schoßes und fühlte dort einen haarigen Streifen. Dass ich mit meinen Fingerspitzen über meinen Landing Strip streichen konnte, bestätigte meine Vermutung, dass ich keinen Slip trug. Im ersten Moment wusste ich nicht, ob ich beunruhigt sein sollte, denn normalerweise trug ich nachts meistens nichts drunter. Aber in dieser unbekannten Dunkelheit?
War ich zu einer Nachtwandlerin geworden? Bisher hatte ich etwas Derartiges noch nie erlebt, aber üblicherweise nahm man so einen nächtlichen Spaziergang auch nicht bewusst wahr. Meine beste Freundin Jana, die häufiger bei mir übernachtet hatte, hatte so etwas auch nie erwähnt. Wobei wir beide bei ihren nächtlichen Besuchen eher selten geschlafen hatten. Ich kannte sie schon seit meiner frühen Jugend. Sie war sexuell experimentierfreudiger als ich und hatte mich das eine oder andere Mal mit ihren weiblichen Vorzügen verführt. Natürlich nicht gegen meinen Willen. Sie musste mich nur ab und zu schubsen, damit ich mich traute, denn ich war eher zurückhaltender. Wie jede normale Frau hatte auch ich sexuelle Träume und Fantasien, sie aber umzusetzen, war wiederum eine andere Sache. Dafür hatte ich dann meine beste Freundin, die in dieser Hinsicht viel spontaner und offener war. Nur jetzt war sie nicht hier bei mir, ich war alleine...
Ich hatte mich jetzt schon einige Meter langsam und vorsichtig vorangetastet. Bisher war ich noch an keinen Gegenstand gestoßen, den ich vorher sowieso nicht gesehen hätte. Erkennen konnte ich immer noch das pulsierende rote Leuchten vor mir. Da flackerte plötzlich, ohne Vorwarnung und nur für einen kurzen Moment, ein Licht über mir auf.
Fortsetzung mit Kapitel 1 Teil 2...