Nichts. Niemand stand vor der Tür. Ich riss sie komplett auf. Der Luftzug, der dabei entstand. ließ meine feuchte Haut frösteln. Meine Brustwarzen wurden noch fester. Ich blickte in den leeren Hausflur und hörte, wie jemand die Treppe herunter lief.
„Brian?", rief ich aufgeregt die Treppe hinunter. „Brian, bist du es?"
Vorsichtig ging ich ein paar Schritte in den Hausflur und schaute aus dem dritten Stock hinunter. Kurz konnte ich nur noch sehen, wie eine in einem Mantel gehüllte Gestalt durch die Haustür verschwand.
Einige Momente stand ich noch nackt am Treppengeländer und klammerte mich fest. War es Brian gewesen? Irgendwie hatte diese Gestalt eine andere Statur als mein neuer Bekannter gehabt. Es schien so, als hätte sie eher einen weiblichen Körper gehabt, der auf dem Kopf eine Lockenpracht getragen hatte. Das konnte bestimmt nicht Brian gewesen sein. Ich starrte die Etagen hinunter. In der Hoffnung, dass die unbekannte Gestalt umkehren und zu mir zurückkehren würde. Für einen Moment spielte ich mit dem Gedanken, hinterher zu rennen. Allerdings spürte ich immer deutlicher die kalten Fliesen unter meinen Füßen, die mich daran erinnerten, dass ich nicht nur barfuß im Hausflur stand. Meine Nacktheit wurde mir schlagartig wieder bewusst und so drehte ich mich wieder zu meiner offenen Wohnungstür um. Noch ganz verwirrt und in Gedanken versunken senkte ich meinen Blick und erkannte ein kleines Paket, das neben der Wohnungstür auf dem Boden lag.
Erstaunt beugte ich mich vor und ging in die Knie. Berührte das hellbraune Papier des Paketes, das mit einer Kordel zugeschnürt war. Ich hob das Päckchen auf, es war sehr leicht, und erhob mich wieder. War die Unbekannte etwa unsere Postzustellerin gewesen? Diese Tatsache hätte nun einiges erklären können. Ich untersuchte das unbekannte Objekt nach einem Absender, konnte aber nichts entdecken. Stattdessen klebte ein bunter Aufkleber auf dem Papier, auf dem eine Blume abgebildet war. Seltsamerweise hatte sie zweifarbige Blütenblätter. Rot und weiß. Eine Blume, die ich zuvor noch nie gesehen hatte. Oder vielleicht doch? Was sollte das bedeuten? So ein unadressiertes Paket würde die Post doch gar nicht zustellen.
Ich wog das Päckchen in der Hand und versuchte seinen Inhalt zu erraten. War es ein Geschenk von Brian? Hatte er das Date platzen lassen und mir das Paket als Entschuldigung zukommen lassen? Meine Enttäuschung steigerte sich und ich wollte gerade wieder in die Wohnung zurück, als…
„Maria?".
Etwas zu schnell erhob ich mich aus der Kniebeuge und zuckte herum. Während ich noch bemüht war, mein Gleichgewicht zu halten, erkannte ich augenblicklich meinen Nachbarn Finn. Automatisch schob ich das Päckchen in meiner rechten Hand vor meinem unbekleideten Schoß und war noch immer vollkommen überrascht. Meine linke Hand versuchte noch notdürftig, meine entblößte Brust zu verdecken, scheiterte aber kläglich daran. In meiner Überraschung erstarrte ich in meiner Position, ohne mich irgendwie anders verstecken zu können.
„Finn. Ich, ähh, du, ähhh, ich meine", stammelte ich. Er schaute mich nur grinsend wie ein Mann an.
„Hi, ich wollte dich nicht erschrecken, aber du bist ja diese Woche mit dem Putzen des Flurs dran. Daran wollte ich dich bei dieser Gelegenheit erinnern.“, versuchte er von der peinlichen Situation abzulenken. Es blieb aber nur bei dem Versuch, als er fortfuhr.
„Allerdings denke ich, wenn du gleich damit anfangen willst, solltest du dir dabei wenigstens ein Putzröckchen anziehen, damit du dich nicht erkältest oder dir eine Blasenentzündung zuziehst."
„Äh, ja", ich versuchte zu lächeln. „Ich weiß, aber nicht mehr heute. Ciao, ciao. Ich gehe mal lieber wieder rein, bevor uns deine Freundin erwischt."
Bevor ich mich wieder umdrehen konnte, um schnell in meine Wohnung zu verschwinden, sah ich sein Gesicht, das sich in diesem Moment verzog.
„Ja, ja, mein kleiner Engel soll ja nichts Falsches denken. Zum Glück ist sie noch auf der Arbeit und kommt erst kurz nach 18 Uhr nach Hause. Es wäre auch schwierig, ihr unser zufälliges Treffen zufriedenstellend zu erklären. Aber es war trotzdem nett, die „Beiden" einmal kennengelernt zu haben." sagte er und deutete mit einem Kopfnicken auf meine „beiden" Jungs.
Ich drehte mich endlich kommentarlos um und präsentierte ihm auch noch meinen feucht glänzenden Po. Seinen taxierenden Blick nahm ich nicht mehr wahr. Dann huschte ich in meine Wohnung, warf die Tür ins Schloss und lehnte mich, mit meinem Rücken gegen die kühle Holztür. Ich musste diese Situation erst einmal verdauen und atmete tief durch. Ein leichtes Zittern durchströmte meinen nackten, feuchten Körper. Teils aus Nervosität, da mich mein Nachbar nackt im Hausflur erwischt hatte und teils aus einem Frösteln, das nun meinen gesamten Körper erfasste.
Finn war ein sehr sympathischer Mann, der mit seiner Lebensgefährtin neben mir wohnte. Dass er mich nackt gesehen hatte, war für mich jetzt kein großes Problem gewesen, da er mich während meiner morgendlichen Yoga-Übungen schon mehrmals heimlich beobachtet hatte. Auch seine voyeuristische Ader stellte für mich nichts Schlimmes da, präsentierte ich mich ja, wie Gott mich schuf, nicht nur den neugierigen Sonnenstrahlen. Leider stand er nicht offen zu seiner frivolen Neigung, sodass ich es auch nur bemerkt hatte, wenn der Stoff seiner Vorhänge verdächtigt wackelte. Wahrscheinlich war er dann immer allein zu Hause, da sein Schatz berufstätig war und tagsüber in einer Boutique arbeitete. Finn war ein freischaffender Künstler und ging seiner Arbeit von ihren eigenen vier Wänden nach. So wie er mir mal erzählt hatte, malte er Aquarelle in den schillerndsten Farben. Welche Motive er dabei bevorzugte, wusste ich nicht. Vielleicht sollte ich ihm mal vorschlagen, mich zu malen, natürlich splitterfasernackt, wie Leonardo DiCaprio Kate Winslet in Titanic gemalt hatte. Dabei dürfte er meinen gesamten Körper ungeniert betrachten, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Er hätte es nur seinem Engel erklären müssen. Ihn beim Posieren dabei zu beobachten, wie er mit dieser Situation umgeht, würde mir sehr gefallen. Kurz kam mir der Gedanke, umzudrehen und ihn als Ersatz zu nehmen, um meinen Hunger zu stillen. Die Kälte, die ich jetzt verstärkt spürte, hinderte mich daran noch einmal in den kühlen Hausflur zu gehen. Jetzt hatte ich eher einen größeren Drang danach, mir etwas anzuziehen. Wenn dieses Päckchen nicht gewesen wäre.
Ich betrachtete meine Hände, die es festhielten. Das Papier schien sehr dünn zu sein, doch erkennen konnte man dadurch nichts. Es fühlte sich weich im Inneren an. Kurzerhand entschloss ich, es aufzureißen. Ich entfernte die Kordel und zerfetzte das Papier in kleine Stücke, bis eine einseitig bedruckte Karte herausfiel. Ich nahm sie in die Hand und schaute auf die Vorderseite. Dort zeigte sich eine Schlange, die sich um den Stängel einer Blume wand. Am Kopf, wo sich eigentlich die Blüte der Pflanze zeigen sollte, verschmolzen die Augen des Reptils mit den Blättern der Blume. Seltsamerweise besaß es eine rote und eine weiße Pupille. So ein Symbol hatte ich zuvor noch nie gesehen. Was sollte das bedeuten?
Verwirrt riss ich das Päckchen weiter auf, bis der Inhalt zum Vorschein kam. Brian war für einen Moment vergessen, als meine Knie weich wurden. Ich rutschte mit dem Rücken an der Tür hinunter.
Die Feuchtigkeit auf meiner Haut bekam wieder Nachschub aus dem Inneren meines Körpers.
In dem Päckchen, das vor meiner Wohnungstür gelegen hatte und wahrscheinlich von dieser weiblichen Gestalt dort anonym abgelegt worden war, befand sich ein Kleidungsstück aus Seide, aus transparenter Seide. Es war das transparente Hemdchen aus meinem Traum…
Fortsetzung mit Kapitel 7...