Für einen Augenblick wurde ich geblendet, konnte dann aber meine nähere Umgebung optisch wahrnehmen. Ich musste mich in einer Art Flur oder Gang befinden. Denn ich konnte links und rechts Wände erkennen, die die flackernden Lichtreflexe widerspiegelten. Eine Sekunde später erlosch die Lichtquelle wieder. Es wurde erneut stockdunkel. Waren es Glaswände oder Spiegel gewesen? Die Dunkelheit hatte mich wieder eingefangen. Durch den Lichtschock hatten sich meine Pupillen zusammengezogen und erschwerten mir wieder den Blick in die Schwärze, in der ich das rote Leuchten nicht mehr erkennen konnte. Was für den kurzen Augenblick sichtbar geworden war, gehörte definitiv nicht zu meiner Wohnung. Verdammt nochmal - wo, zur Hölle, war ich hier?
Bevor ich mir weitere Fragen stellen konnte, flackerte es erneut hell auf. Meine Augen wurden wieder kurz geblendet, sodass ich erst einmal nicht viel erkennen konnte. Aber dann wurde das Licht gedimmt und es sandte nur noch diffuse Strahlen aus. Von Leuchten konnte man nicht mehr sprechen. Das Licht glomm nur noch vor sich hin. Vielleicht war es mir jetzt möglich, mich an diesen Ort zu erinnern.
Wenigstens konnte ich nun etwas erkennen. Bei den Lichtspendern handelte es sich um mehrere ovale Leuchten, die oben an den Wänden hingen und nur einen kleinen Teil des Ganges beleuchteten, dessen Ende immer noch im Dunkeln lag. Ich konnte höchstens drei bis vier Meter weit schauen. Das rote Leuchten in der Finsternis war jetzt nicht mehr auszumachen, da es im schwachen Glimmen unterging.
Links und rechts konnte ich nun die nackten Wände erkennen. Es schien, als seien sie in einem beigen Farbton gestrichen worden. In diesem diffusen Licht war es schwer zu definieren. Rechts von mir stand ein mittelhohes Sideboard an der Wand, auf dem sich eine mit roten und weißen Blumen gefüllte Vase befand. Die Vase schien sehr alt zu sein. Die Farbe der Vase blätterte an zwei, drei Stellen schon ab. Sie war mit goldenen Symbolen dekoriert, die an Hieroglyphen erinnerten. Ich war zwar keine Sprachexpertin, aber die altertümlichen Schriftzeichen deuteten meiner Meinung nach auf das Land Ägypten hin. Ich beugte mich zu den Blumen herunter und inspizierte die Blüten genauer. Sie waren geschlossen. Es waren jedoch keine weißen und roten Blumen. Nein, in der antiken Vase befanden sich Blumen, deren Blüten beide Farben besaßen. Eine Blume mit roten und weißen Blütenblättern. Mir waren zwar Blumen mit zweifarbigen Blütenblättern bekannt, wie zum Beispiel eine Dahlia hortensis Starlias. Allerdings besaß die Dahlia Blätter mit einem Muster aus beiden Farben. Hier wiederum wechselten sich die Farben ab. Ein Blatt war weiß, das nächste rot und so weiter. Die Form der Blumen entsprach eher einer Mischung aus Rose und Tulpe. So eine Art kannte ich überhaupt nicht. Ich näherte mich weiter mit meinem Gesicht und wollte einen tiefen Atemzug nehmen, um an ihr zu riechen. Da bemerkte ich einen bezaubernden Duft, der mir von den geschlossenen Blüten entgegenströmte. Ich fühlte einen leichten Schwindel, der aber schnell verflog und einem berauschenden Gefühl wich. Meine Beklemmungen verschwanden und mein Körper schien wie in einem aphrodisierten Zustand zu schweben. Was war das für eine wunderschöne Pflanze? Meine Sinne vollführten Purzelbäume. Ich nahm meine Umgebung nur noch wie durch einen Schleier wahr.
In der Luft blitzten Funken auf, als über der Kommode an der Wand wie von Zauberhand ein Gemälde erschien. Es zeigte eine frivole Szene, die ich mir in meinen feuchtesten Träumen nie hätte vorstellen können. Hatte ich das Bild vorher nicht bemerkt, oder war es einfach aus dem Nichts entstanden? Spielten mir meine Sinne einen Streich, oder hatte es mit meinem erregten Zustand zu tun? Ich schaute genauer auf das erotische Kunstwerk, welches mich in seinen Bann zog. Das Motiv bestand aus einem Kreis, der aus Menschen zusammengesetzt war. Sechs nackte Männer lagen dabei mit dem Rücken auf dem Boden und bildeten den unteren Teil eines Kreises. Dabei lagen sie so, dass sie wie die Glieder einer Kette aussahen. Ein Mann lag mit seinem Kopf zwischen den Beinen des nächsten Mannes, die einerseits nach außen und andererseits in die Mitte des Kreises zeigten. Der obere Teil dieser geometrischen Figur wurde von sechs nackten Frauen dargestellt. Sie saßen mit ihrem Schoß jeweils auf dem Gesicht eines Mannes, während sie sich gleichzeitig zum aufgestellten Liebesstab des nächsten Mannes vorgebeugt hatten. So bildeten die Frauen die Verbindungsglieder der männlichen Kette.
Zwölf Menschen waren dadurch zu einer Einheit verbunden, die mich noch intensiver in Erregung versetzte. Ich betrachtete die geile Szene, die mich weiter verzauberte, während ich tief einatmete. Der wieder durch den Blütenduft aufkommende Schwindel ließ mich Halt am Sideboard suchen. Drehte sich die Welt um mich herum, oder fing das Bild an, sich zu bewegen? Der Rahmen blieb fest an der Wand hängen, aber die Szene geriet tatsächlich in Bewegung. Hatten sich vor einem Moment die weiblichen Darsteller noch zu den Lustspendern der Männer vorgebeugt, so konnte man jetzt die pralle Männlichkeit nicht mehr sehen. Sie war in den Mündern der Frauen verschwunden, die sich mit ihren Händen auf den Oberschenkeln der Männer so abstützten, als wollten sie Liegestütze auf ihnen ausüben. Bei dieser heißen Art der sportlichen Betätigung wäre ich gerne dabei gewesen. Mein aktueller Fitnesszustand hätte sicher dafür ausgereicht.
Die erst langsam ablaufenden, einzelnen Standbilder fingen an, die Geschwindigkeit eines Filmes zu erreichen. Ich sah, wie alle in einem einzigen gemeinsamen Rhythmus verbunden waren. Er war nicht schnell und hektisch, sondern sehr langsam und harmonisch. Sie ließen sich viel Zeit, dieses Ritual zu genießen. Das Ziel schien nicht der schnelle Höhepunkt zu sein, sondern der gemeinsame Weg dorthin. Obwohl es totenstill in meiner Umgebung war, schien ich das Gestöhne der Gruppe förmlich zu hören. Ich schloss für einen Moment die Augen, da ich mir vorstellte, ein Teil dieser Verbindung zu sein. Auf dem Gesicht eines Mannes zu sitzen, während ich einen weiteren Mann mit dem Mund verwöhnen durfte, erregte mich unheimlich. Mein Pulsschlag erhöhte sich weiter, als ich meine Augen wieder öffnete. Der weibliche Teil der Kette setzte sich in Bewegung. Die Frauen richteten sich auf und krabbelten auf allen Vieren eine Position weiter. Man erkannte die glänzenden Gesichter der Männer, die den nächsten weiblichen Schoß erwarteten. Ihre prallen Ständer glänzten ebenfalls vom weiblichen Speichel. Die intimen Körpersäfte tauschten ihre Besitzer. Dieses Wechselspiel ging immer so weiter, bis sie alle wieder ihre Startpositionen eingenommen hatten. Waren die Teilnehmer vorher schon eine Einheit gewesen, war sie nun durch den einmal durchlaufenden Zyklus perfekt.
Eine herrliche erotische Fantasie, die der unbekannte Künstler da verewigt hatte. Ich wollte noch gebannt auf den Höhepunkt warten, als wieder Funken aufblitzten und die Szene langsam verblasste. Die Bildfläche wurde immer schwärzer, so dass ich nichts mehr erkennen konnte. ‚Nein, nein, nein!', schrie ich in Gedanken. Meine Enttäuschung war so groß, dass ich meine Augen noch mehr anstrengte und mich auf die Schwärze konzentrierte. In diesem Moment erschienen zwei rote glühende Punkte auf der Bildfläche. Ich erschrak und stieß mich automatisch mit meinen beiden Händen von der Kommode ab.
Fortsetzung mit Kapitel 1 Teil 3...