Prompt: Licht und Schatten (19.01.2020) - nachgeschrieben 20.01.2020
Startzeit: 9:15 Uhr
Ende: 10:14 Uhr
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Wenn Schatten fallen und Nebel Einzug hält.
Wenn das Rauschen des Windes übers Land fegt.
Wenn die Dunkelheit dich umhüllen will,
dann sieh zum Mond.
Draußen ist es bitterkalt.
Jeder Atenzug hinterlässt ein kleines Wölkchen.
Hinter dir liegt ein langer, arbeitsreicher Tag.
Der kurze Fußmarsch wird dir gut tun und hoffentlich den anklopfenden Kopfschmerz vertreiben.
Es ist kurz nach Mitternacht und die Dunkelheit wird durch den Nebel noch tiefer.
Trotzdem atmest du durch, füllst deine Lungen mit der frischen Atemluft.
Dann setzt du deine Mütze auf, schlingst den Schal fest um dich und setzt dich in Bewegung.
Deine Augen gleiten zum Himmel.
Das dichte Wolkenmeer gönnt dir keine Lücke.
Du musst dich schon sehr anstrengend, das nicht als schlechtes Omen zu nehmen.
Der heutige Tag hat auch bisher keine Helligkeit zugelassen. Kein Sonnenstrahl hat es durch die Nebelsuppe geschafft. Fest und unbeirrt hat sie über dem See gehangen. Die Berge hat sie verschluckt und jedes Licht. Von früh bis spät haben die Lampen in allen Räumen gebrannt. Wie schon in den letzten drei Tagen.
Es drückt auf den Gemüt. Du sehnst dich nach Licht. Nach den Gipfel auf der anderen Seite des Sees. Nach glitzernden Reflektionen auf dem Wasser. Nach den Sternen und dem Mond.
Du kannst spüren, wie die Nebelwesen nach dir greifen und die Seele schwer machen. Ob du willst oder nicht.
Dazu kommt das Vermissen, das Fehlen des Rituals.
Du summst eine Melodie, während du dem Uferweg folgst. Diese hat dich schon den ganzen Tag begleitet, aber erst jetzt kannst du sie richtig spüren. Mit einem Mal begreifst du den Sinn und überraschenderweise ergreift sie auf eigentümliche Weise dein Herz.
Macht dich ganz ruhig und froh.
In Deinem Kopf kannst du noch mehr hören. Kannst dir vorstellen, wie es mit einem vollen Orchester klingen wird.
Der Schlüssel gleitet ins Schloß.
Gerade als du aus der Jacke schlüpfen willst, fällt durch das Küchenfenster ein Schein. Mit großen Schritten durchquerst du den Raum und öffnest die Terrassentür.
Tatsächlich.
Der Erdtrabant steht voll und hell am Himmel.
Er hat sich einen Weg durch die Wolken gesucht und scheint völlig unbeeindruckt.
Lächelnd greifst du nach deinem Handy.
Viel zu spät eigentlich.
Doch du hast Glück.
SIEH ZUM MOND - erscheint auf deinem Display.
Wo viel Schatten ist, da ist dennoch auch Licht - manchmal muss man nur zweimal hinsehen. Eben zum Mond, in deinem Fall der tröstende Wegbegleiter. Die Gewissheit, dass sie dies jetzt ebenso tut, gibt dir einen gutes Gefühl. Ein Ritual, egal wo ihr jeweils seid.
Wenn Sonnenstrahlen fallen und Licht Einzug hält.
Wenn das Schlagen der Wellen in deinem Ohr klingt.
Wenn die Helligkeit das Nebelmeer verscheucht,
dann hör auf dein Herz.