Prompt: Sandkastenliebe (16.02.2020)
Startzeit: 18:50 Uhr
Ende: 19:25 Uhr
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»Was hast du da?«
Seine Frage holt sie ins Hier und Jetzt zurück.
Er lehnt mit seiner Kaffeetasse am Türrahmen und lächelt.
»Du hast ganz verträumt ausgesehen«, schiebt er nach.
Er nimmt einen Schluck und seine grünblauen Augen ruhen neugierig auf ihr.
Mit einer Hand fährt sie über das Cover des Buches, das sie in den Händen hält.
»Mutti hat mir doch vorgestern noch zwei kleine Kartons gebracht, die beinahe dem Sperrmüll zum Opfer gefallen wären. In einem davon habe ich meine alten Tagebücher entdeckt.«
Etwas verlegen beißt sie sich auf die Lippen.
»Das hier habe ich angefangen, als ich etwa 13 war.«
Er kommt näher und setzt sich dann zu ihr auf das Sofa.
»Lass mich raten, Liebeskummer und so.«
Nun muss sie lachen. Ganz unrecht hat er natürlich nicht.
Die Seiten sind eng beschrieben und reich verziert. Mit Herzchen und kleinen Zeichnungen, Fotos und ausgeschnittenen Dingen aus den typischen Mädchenzeitschriften. Eine Zeitlang hat sie jeden Tag ihr Horoskop aus der Zeitung in das Tagebuch geklebt. Von jedem Kinobesuch sind die Billetts noch vorhanden.
Zielsicher blättert sie ein paar Seiten um und zeigt ihm die damals üblichen Passfotoserien, die man noch in diesen Fotoautomaten machen konnte.
»Das ist Timo und die hier bin ich.«
Schmunzelnd betrachtet er die vier Bildchen, die natürlich etwas verblasst sind.
»Du hast süß ausgesehen mit diesen Zöpfen«, meint er belustigt. Sie kichert und klopft ihm auf den Arm. Sie kann sehen, dass er versucht den Text zu entziffernd. Sie sieht das Buch mit einem Ruck wieder zu sich.
»Na, wer wird denn wohl so neugierig sein?« Gespielt empört sieht sie ihn an. Brummend nimmt er einen weiteren Schluck aus der Tasse.
»Wer ist denn nun dieser Timo? Sein Name war jedenfalls immer hübsch mit Herzchen umkringelt.«
Logisch, das hat er natürlich erkannt.
»Timo war quasi meine Sandkastenliebe. Wir wohnten damals Tür an Tür und haben schon mit Fünf zusammen gespielt. In der Grundschule saßen wir immer nebeneinander und später auf dem Gymi zunächst auch. Irgendwie wann dann logisch, dass wir dann ein bisschen ausprobiert haben.«
Sie kann spüren, dass sie rot wird.
Eher aus Neugierde hatten sie und Timo das mit dem Küssen ausprobiert und dann beschlossen, miteinander zu gehen. Fast zwei Jahre lang hatte sie Händchen gehalten, ein bisschen rumgeknutscht und sich ewige Liebe versprochen. Im Unterricht hatten sie sich Zettelchen geschrieben, in der Pause ihre Vesper geteilt und am Nachmittag Musik gehört und gemeinsam gelernt.
Bis dann Fabian in ihre Klasse gekommen war, aber das war eine andere Geschichte.
»Und was wurde aus Timo?«
Nachdenklich klappt sie das Tagebuch zu und lehnt sich die Schulter ihres Mannes.
»Gute Frage. Irgendwann sind seine Eltern mit ihm weggezogen und er hat die Schule gewechselt. Ich habe mal gehört, er habe in Freiburg Medizin studiert, aber wir hatten da schon lange keinen Kontakt mehr.«
Seine Finger gleiten durch ihre Locken. Dann kann sie seine Lippen an ihrer Schläfe spüren.
»Also eine gute Partie, die du dir da hast entgehen lassen«, meint er leise.
Kopfschüttelnd setzt sie sich auf und blickt ihm tief in die Augen.
Manchmal glaubt sie, in ihnen zu versinken. Auch heute nehmen sie sie gefangen. Sie greift nach seiner Hand.
»Die beste Partie für mich bist du«, entgegnet sie zärtlich.
Sie verschränkt ihre Finger mit seinen und erwidert seinen Blick. Hält ihm stand und spürt, wie ihr Herz schneller klopft.
Wie gut, dass man als Teenie nicht mal ahnt, wie anders sich echte Liebe anfühlt. Aber all diese Erfahrungen muss man wahrscheinlich machen, damit man bereit dafür ist. Er zieht sie jetzt an sich und fährt mit einem Finger unter ihr Kinn. Dann beugt er sich langsam zu ihr und dieser Kuss hat überhaupt nichts unschuldiges oder schüchternes mehr.
Seufzend kommt sie ihm entgegen.
Egal was aus Timo oder Fabian wurden, sie ist genau am richtigen Platz im Leben angekommen.