Prompt: Ich bin nicht traurig. Ich fühle gar nichts (nachgeschrieben 25.02.2020)
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Mein Körper startet ein Notfallprogramm. Ich bin nicht traurig. Ich bin nicht wütend. Ich fühle gar nichts. Nichtmal Schmerz oder Ekel, keine Angst. Einfach nur nichts.
Ich kann mich von außen sehen. Kann zusehen was passiert. Versuche mich abzuschotten, lasse nicht zu, dass es mich erreicht.
Und trotzdem splittert meine Seele.
Obwohl ich die Augen schließe und mich auf einen kleinen Punkt tief in mir drin konzentriere, erlebe ich alles mit.
Irgendwie nicht bei vollem Bewusstsein.
Ich drehe den Kopf, beobachte die Schatten an der Wand.
Das bin nicht ich, das passiert nicht mir.
Ich fühle nichts.
Ziehe mich noch tiefer zurück.
Versuche die Tränen, die lautlos über mein Gesicht laufen, aufzuhalten.
Es gelingt mir nicht.
Wie ein Geist stehe ich daneben und überlege, wie ich das stoppen kann. Ehe noch mehr zerbricht.
Jede Bewegung vergrößert den bisher kleinen Riss.
Jedes Geräusch dringt unfassbar laut an mein Ohr.
Jede Berührung vereist mein Herz.
Doch ich spüre nichts.
Ich verhalte mich still. Lass es geschehen. Versuche diesen Punkt in mir zu finden. Versuche mich innerlich zu wehren, aber ich habe keine Chance.
Sie weiß was sie will.
Sie weiß, wie sie es bekommt.
Überall die Hände, der Atem, die Stimme.
Mein Körper teilt sich in zwei Hälften.
Die Eine nimmt mein Herz und den Rest meiner Seele mit.
Wehrt sich verbissen gegen das Grauen.
Die Andere verrät mich.
Fest drehe ich den Kopf zu Wand.
Beiße mir auf die Lippe, bis ich Blut schmecke.
Doch ich kann das Unvermeidliche nicht stoppen.
Habe keine Chance.
Sie wird bekommen, was sie will.
Und ich spüre nichts.
Mein Geist scheint über mir zu schweben.
Er sieht zu, wie sie das Ziel erreicht, es auskostet und in die Länge zieht.
Bleib bei dir, mahne ich mich.
Ich halte mich fest.
Verkralle mich in den Stoff und kämpfe gegen das Aussichtslose.
Ich verliere nach nur wenigen Sekunden.
Nichts, ich spüre nichts und lasse los.
Es ändert nichts.
Nur, dass es dann vorbei ist.
Ganz langsam kehre ich zu mir zurück, die beiden Körperhelfen werden zu einer. Erstaunt nehme ich war, dass ich schwitze und sich mein Atem erst beruhigen muss.
Spott, Hohn, gemischt mit Triumph.
So werde ich bedacht.
Ungerührt sitzt sie da.
Hält mich noch immer gefangen.
Nicht, gar nichts.
In mir alles tot.
Der Riss hat alles in Stücke zerrissen.
Feinste Scherben.
Zu Eis gefroren das Herz, ein kalter Klumpen.
Zerstört.
Benutzt.
Endlich frei.
Ich fühle nichts.
Benommen, wackelig im Kopf und auf den Beinen.
Und dann muss ich funktionieren.
Weil das alles ist was zählt.
Durchhalten, überleben.
Weitermachen.
Es vergessen und sorgsam verstecken.
Es ist nie passiert.
Ich bin nicht traurig, ich fühle gar nichts mehr.
In diesen Minuten und den endlos folgenden nicht.
Als der Schmerz und die Scham sich ihren Weg suchen, das Eis dank der wärmenden Liebe langsam schmilzt, ist die Wut und der Hass brachial.Die Erkenntnis, das Eingestehen, das Zulassen eine viel zu große Last.
Doch irgendwann spüre ich wieder.
Mich selbst, tief drinnen, dort wo die Scherben unsortiert am Boden liegen.
Licht und Hoffnung kehren langsam zurück.
Als ich endlich wieder spüre, bin ich unendlich traurig.