- Start: 13.11.2020 - 10:59 Uhr
- Ende: 13.11.2020 - 11:45 Uhr
Kurze Info: Diese Geschichte spielt in der Welt meines NaNo-Projekts "F.O.X.hunt", und zwar in Teil 3 zwischen Kapitel 8 und Kapitel 9. Ich habe Spoiler vermieden - die Kapitel sind nämlich noch gar nicht veröffentlicht - deswegen kann der Ausschnitt aber auch ein bisschen verwirrend sein.
Die Buchreihe muss aber nicht bekannt sein, um den Text zu genießen.
"Mir gefällt der Plan auch nicht", sagte Todd. "Aber es ist unsere beste Chance."
Zweifelnd sah Josh über die Köpfe der Menge im Gedränge des großen Weltraumhafens. Die drei Freunde hatten sich an den Rand des stetigen Stroms aus Alienrassen gerettet, Gäste des Marktes oder Besatzungen der unterschiedlichen Raumschiffe, die hier ankerten und ihre Ladung ausspuckten.
"Und wie kriegen wir in dem Gedränge einen Kapitän, der uns mitnimmt?", fragte Josh.
Todd blickte sich um und fasste einen der Polizei-Androiden ins Auge. "Wir beweisen unser Geschick als Parcours-Läufer."
Er machte einen Schritt vor. Bonnie hielt ihn fest. "Todd! Du bist verletzt und wir beide können nicht so rennen wie du oder Cait oder Maarifa."
Todd löste ihren Griff um sein Hemd sanft. "Deswegen wird das ja so eine gute Show! Bleibt einfach am Rand und unterstützt mich, in Ordnung?"
Bonnie schüttelte den Kopf. "Todd, nein ..."
Er tauchte in den Strom der vielen Besucher ein.
Für einen Moment hörte er Bonnies Schimpfen, ehe die anderen Geräusche des Weltraumhafens sie verschluckten. Todd wühlte sich an Menschen, blassen, ovaläugigen Aliens, mehrarmigen Froschkreaturen und allen anderen Lebewesen von DomeXishâ vorbei. An einer Ecke spielte ein NPC in Gestalt eines rötlichen Riesentausendfüßers auf einem futuristischen Saxofon. Spieler und KIs drängelten sich in diesem Bereich der Xishâ-Dimensions-Spielewelt, die auf Todd noch viel realer wirkte als Xishâtharos. Gerüche, Farben und Lärm waren schier überwältigend, und jeder hier wollte etwas kaufen oder verkaufen. Da brauchte es schon einen ordentlichen Knall, um Aufmerksamkeit zu gewinnen.
Todd sah sich suchend um. Selbst ein normaler Diebstahl würde es nicht bringen. Er sah mehrere aktive Verfolgungsjagten, blaue Androiden jagten flüchtende Diebe an allen Ecken und Enden der mehrstöckigen Docks.
Dafür interessierte sich schon niemand mehr!
Todd brauchte etwas, mit dem er aus der Menge der gewöhnlichen Spieler herausstechen konnte. Er näherte sich einem der blauen Droiden, und fasste etwas ins Auge ...
Die Wächter des Marktes waren annähernd humanoid, wenn man davon absah, dass ihre unteren Segmente mit den motoradähnlichen Rollern verwachsen waren, auf denen sie saßen. Sie hatten einen fast dreieckigen Oberkörper, breite Schultern und eine Taille, die in ein Kugelgelenk mündete. An den Schultern saßen Arme mit drei weiteren schwarzen Kugelgelenken, auf dem Hals ein eckiger Kopf mit zwei glühenden, runden Augen, einem Schnurrbartbalken - scheinbar ein Mikro - und vorspringender Schirmmützenstirn.
Beine hatten sie ebenfalls, die sich offenbar wie Ständer aus dem Düsenroller ausklappen ließen. Alles in allem hatte Todd in der realen Welt überzeugendere Polizeiandroiden gesehen. Aber das hier war erstens ein Spiel, und zweitens änderten sich die Modelle der heimischen Kreaturen offenbar von Planet zu Planet.
Einer der Gründe, warum DomeXishâ so eine beliebte Welt war, war die Abwechslung, die sie bot.
Doch Todd interessierte sich vor allem für die aufgesetzte silberne Marke auf der Brust des Androiden. Im Gedränge verborgen näherte er sich so weit, wie er es wagte. Dann sprang er vor, streckte die Hand aus und zog die Marke ab.
Jackpot! Sie ließ sich nicht nur lösen, der Polizist wirbelte auch sofort herum und stieß einen kurzen, schrillen Sirenenlaut aus. Die Umstehenden zuckten zusammen und wichen erschrocken zurück, während der Warnruf über den gesamten Markt hallte.
Todd grinste. Die Aufmerksamkeit war ihm gewiss.
Dann bemerkte er, wie sich überall an den Docks blaue Polizisten in die Luft erhoben und zu seiner Position schwärmten.
Er hatte mal wieder vergessen, den nächsten Schritt durchzuplanen. Auf's Geradewohl rannte er in die Menge. Manche Kreaturen - vermutlich die NPCs - wichen ihm aus, andere starrten ihn entsetzt an oder stolperten auf dem Weg. Todd setzte über ein dürres, baumartiges Gewächs hinweg und spürte beim Aufkommen ziehende Schmerzen im verletzten Oberschenkel.
Er biss die Zähne zusammen und suchte einen Ausweg. Auf seine Geschwindigkeit konnte er sich nicht mehr verlassen. Doch er bemerkte einen Marktstand, packte dessen aus Metallplatten bestehenden Überhang und warf sich über die Auslage.
"Hey!", brüllte der Besitzer. "Was fällt dir ein, du Noob?"
Todd rollte hinter den Tresen und krabbelte auf allen Vieren zur Tür des Standes. Er schlüpfte hindurch, als es hinter ihm krachte und prasselte. Mindestens ein Polizist war in den Stand gefahren. Klirrend fielen verschiedene Metallwerkzeuge zu Boden.
Todd blieb nicht stehen, um den Schaden zu bewundern. Die Tür hatte ihn in eine schmale Gasse zwischen anderen Ständen geführt. Er rannte los, doch während die Stände alle Dächer hatten, war die Gasse offen. Über Todd war ein zwei Meter hoher Luftraum, in dem die fliegenden Polizisten navigieren konnten. Laser prasselten auf die Stände und zu Todds Seiten auf den Boden.
Er warf sich um eine Ecke. Die Wege hinter den Ständen waren ein schmales Labyrinth chaotischer Wege. Jeder Stand hatte eine Tür und Todd riss die nächstbeste aus. Dampf aus riesigen Kochtöpfen wallte ihm entgegen, als er in eine Straßenküche rannte. Er packte einen Haken an der Decke, an dem sonst offenbar Fleisch hängen sollte, und katapultierte sich über drei riesige Bottiche mit undefinierbarem Eintopf hinüber.
Er stolperte mitten zwischen die Besucher des Marktes und rannte los. Die Laser blieben aus - offenbar wollten die Polizisten keine Opfer unter den Unbeteiligten riskieren. Doch mindestens zwanzig folgten Todd mit schrillem Sirenengeheul wie eine Wolke großer, sehr zorniger Mücken.
Und die Wege leerten sich. Todds Deckung, die NPCs, waren darauf programmiert, in solchen Situationen Schutz zu suchen. Die Spieler, die hier eindeutig in der Unterzahl waren, hatten ebenfalls keinen Grund, sich für Todd einen Laser einzufangen.
Er suchte nach einem Ausweg, als er jemanden winken sah.
Bonnie hatte sich auf eine große Holzplattform gezogen, auf die mehrere Fässer gestapelt worden waren. Diese lagen auf der Seite und waren mit Spanngurten befestigt.
Das war schon zu gut. Todd bog ab und rannte durch die Gasse direkt unter den Fässern. Er hörte es rumpeln, als Bonnie die Seile durchschnitt. Dann krachten die Fässer hinter ihm auf's Pflaster, barsten und verteilten knallrote Fische auf dem Markt. Todd hörte mehrere laute Knalle und Geräusche, die an alte Computer erinnerte, denen der Strom abgeschnitten worden war.
Einige der Polizisten hatte es erwischt. Doch die Sirenen sagten ihm, dass er noch nicht in Sicherheit war.
Mit jedem Schritt wurde der Schmerz in seinem Oberschenkel schlimmer. Von einem unangenehmen Pochen zu einem nervigen Ziehen und nun zu einem immer stärkeren Brennen.
Keuchend suchte er nach der nächsten Ausweichmöglichkeit und entdeckte ein Transportsystem, über das Kisten mit Waren auf eine der höheren Ebenen getragen wurden. Sie verliefen leicht schräg über dem Weg und so hoch, dass man von unten unmöglich daranspringen konnte.
Todd wendete und hielt auf einige Mülltonnen zu. Er sprang darauf, ignorierte den Schmerz und zog sich auf das Dach der Stände.
Mit fauchenden Drüsen jagten ihm die Polizisten über dem Markt hinterher. Todd rannte zum Förderband und passte den richtigen Moment ab, um an eine der Kisten zu springen.
Sie wackelte und ruckelte in dem Netz, das an einem der vielen großen Haken befestigt war. Todd kletterte an den Maschen hinauf und zog sich in den Schutz der Holzkiste. Er hörte das Brummen, mit dem die Scooter ihn umringten, damit einer der Polizisten freies Schussfeld bekam.
Das Förderband stockte.
"Scheiße!", rief Todd. Jetzt klebte er wie eine Fliege in der Falle. Rings um ihn glühten die Drüsen der Laserkanonen auf.
Er ließ los und spürte die Hitze im Gesicht, als die Laser abgefeuert wurden. Krachend zerfetzten sie die Kiste und ein Regen von Schrauben krachte mit Todd auf die Straße.
Zwei Polizeiscooter waren getroffen. Einer explodierte sofort, der andere geriet ins Kreiseln und fiel, eine Rauchspur hinterlassend, mitten in die Stände. Mehrere Verkäufer flüchteten mit Hechtrollen aus ihrem Laden. Eine zweite Explosion erhob sich bis zur Decke und ließ brennende Trümmerteile zu Boden regnen.
Es waren noch sieben Polizisten übrig - nein, sechs. Einer kämpfte gegen den stotternden Motor, offenbar waren Trümmerteile aus der ersten Explosion in seinen Filter geraten.
"Stehen bleiben!", verlangte einer der anderen Androiden.
Todd widersetzte sich der Verhaftung und rannte wieder los. Er fühlte, wie ihm langsam die Luft ausging. Verzweifelt rettete er sich in einen anderen Stand und kehrte in die Gasse zurück, doch ihm fiel rasch ein, dass die Polizisten hier ja das Feuer eröffneten. Durch einen Laden mit Kupferschmuck für den Steampunk-verliebten Spieleranteil floh er zurück ins Gedränge.
Immer weniger Leute waren auf den Straßen. Die NPCs hatten das Feld geräumt und Todd konnte fast mühelos auf die Docks zuhalten: Vereinzelte Laser summten und brannten Löcher in die Steine neben ihm.
Todd umklammerte die Marke in seiner Hand so fest, dass die Kanten in seine Hand schnitten. Das lenkte ihn nur wenig von dem Schmerz in seinem Bein ab.
Sein Körper drängte danach, aufzugeben.
Todd senkte den Kopf und konzentrierte sich auf das Trommeln seiner Füße auf dem Boden. Er dachte an Cait und Maarifa und Crane und an den Grund, warum er das hier machte.
Zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen zwängte sich ein Schrei heraus und er wurde schneller. Laser zersprengten das Pflaster hinter seinen Sohlen. Vor ihm tauchte das Dock auf, ein niedriger Zaun vor dem offenen Feld des Hafens.
"Todd!"
Er wandte den Kopf. Joshua winkte aus dem Führhaus eines Krans und deutete in das Nichts hinter dem 'Ufer' dieser Ebene.
Todd rannte noch ein Stückchen schneller. Sechs Scooter rasten hinter ihm her.
Er bog nicht ab, sondern sprang über das Geländer, packte es mit einer Hand und schrie, als ihm durch den Ruck beinahe die Schulter ausgekugelt wurde. Sein Körper wurde gestoppt und schwang herum, auf die nächsttiefere Ebene der Docks.
Über ihm rauschte der Arm des Krans heran. Die Polizeiscooter konnten nicht mehr rechtzeitig bremsen.
Todd krachte in eine Gruppe Schaulustiger auf dem unteren Dock, während ein kleines Feuerwerk explodierender Androiden die Luft hinter ihm schwarz färbte.
Stille senkte sich über die Docks. NPCs und Spieler starrten ihn an.
Todd rappelte sich ächzend auf und massierte die schmerzende Schulter. Dann kletterte er auf das Geländer dieser Ebene und beugte sich vor. In der Hand hielt er noch immer die Marke, die er gestohlen hatte.
"Ich brauche einen Kapitän, der drei Leute zu einem Ziel unserer Wahl mitnimmt!", brüllte er und hob die Marke in die Luft. "Wir zahlen nur dem Schnellsten!"
Das mochte ein riskantes Geschäft für die Spieler von DomeXishâ sein, doch Todd wollte auf keinen Fall ihr wahres Ziel hinausbrüllen. Er wusste noch nicht, ob sie nicht vielleicht doch noch verfolgt wurden.
Allerdings brauchte er sich deswegen keine Gedanken machen, denn auf mehreren Schiffen ertönten laute Rufe über Megafone mit der Geschwindigkeit der Raumsegler.
Todd grinste triumphierend unter Keuchen. Sein Plan war voll aufgegangen!