- Start: 05.10.2019 - 17:09 Uhr
- Ende: 05.10.2019 - 17:41 Uhr
Die Rollläden klapperten im Wind. Regen prasselte auf das Dach und die kleine Hütte quietschte und wackelte im Sturm.
Der alte Mann kauerte vor dem kleinen Ofen, der im Wohnzimmer verloren aussah, und drückte die Hände gegen das Glas, hinter dem die Flamme nur noch schwach flackerte. Der kräftige Mann zitterte am ganzen Leib. Drei Decken hatte er sich über den Buckel geworfen, aber sie vermochten seine alten Knochen nicht zu wärmen. Der Raum selbst war groß und leer. Es gab nur ein dunkles Sofa, das auch als Bett diente, ein paar Regale, einen Kleiderschrank und eine kleine Küchenzeile in der Ecke.
Plötzlich erklang ein seltsames Geräusch im Sturm. Das war weder der Donner noch das Kratzen der Zweige außen, sondern ein ... Fiepen? Der alte Mann sah auf und lauschte. Stille. Donnerkrachen. Da! Wieder dieses Fiepen.
Schwerfällig erhob er sich, auf die Knie gestützt. In seinen Pantoffel schlurfte er zum Fenster. Mit jedem Schritt fort vom blassen Orange des Feuers zitterte er stärker. Als er die faltige Hand an das Glas legte, trommelten seine bebenden Finger leise dagegen.
Draußen war es dunkel, fast schwarz. Der Regen fiel in dichten Strömen und die Tannen bogen sich unter dem Atem des Sturms. Doch was war das? Etwas Oranges blitzte draußen auf. Der alte Mann beugte sich weiter vor und spähte durch die Scheibe. Da zappelte etwas am Gartenzaun. Ein Fuchs hatte sich zwischen den Holzlatten verfangen und versuchte verzweifelt, sich zu befreien.
Der alte Mann sah dem Fuchs einen Moment zu. Doch es sah nicht so aus, als könnte das Tier sich freizappeln.
Nach einem letzten, wehmütigen Blick zum Feuer nahm der alte Mann seine Kappe und setzte sie auf. Er ging durch den in tiefe, blaue Schatten getauchten Raum zur Tür und öffnete sie.
Der Wind fauchte herein und das Feuer flackerte noch stärker. Der alte Mann warf einen besorgten Blick zurück und trat einig hinaus, bevor seine Wärmequelle noch ausgepustet wurde.
Der Regen prasselte auf seine Schultern und der Mann musste das Gesicht mit dem Arm schützen. Mit kleinen, unsicheren Schritten, gegen den Sturm gestemmt, ging er zum Zaun.
Der Fuchs erstarrte, als er den Menschen bemerkte. Dann fletschte das hilflose Tier die Zähne. Der alte Mann blieb wie erstarrt stehen.
Der Fuchs zappelte noch heftiger, doch die Hinterbeine passten einfach nicht durch den Zaun. Mit den Vorderbeinen wühlte der Fuchs den Vorgarten des alten Mannes auf. Vor Panik waren seine Augen ganz schwarz geworden.
Mit leisem, beruhigendem Brummen und Murmeln ging der Mann in die Knie. Nun hielt der Fuchs doch inne. Seine Flanken hoben und senkten sich in schnellem Tempo. Das lange, spitze Maul hatte er halb geöffnet.
Der Mann streckte eine Hand aus und der Fuchs schnappte danach. Allerdings war der Mann nicht nah genug gekommen, als dass das Tier ihn beißen könnte. Er brummelte weiter und drehte die Hand dabei sanft hin und her. Der Fuchs folgte den Bewegungen mit dem Blick und konnte die Hand von allen Seiten sehen.
Mit einem leisen Ächzen ließ sich der alte Mann auf die Knie nieder, weil er nicht so lange hocken konnte. Der Fuchs beobachtete weiter die Hand. Langsam entspannten sich seine Lippen und die Zähne schienen dadurch zu schrumpfen. Mutiger geworden streckte der alte Mann seine Hand weiter aus. Der Regen prasselte auf sie beide herab.
Der Fuchs tat noch einmal, als würde er zubeißen wollen, doch der Mann zuckte nicht zurück. Vorsichtig schnupperte der Fuchs an der ausgestreckten Hand. Der Mann rückte ein kleines Stückchen weiter vor und hob die Hand über den Kopf des Fuchses. Das mochte das Tier aber gar nicht! Wieder zappelte er und verdrehte den Hals, um der Bewegung der Hand mit dem Blick folgen zu können. Als der Mann leise und beruhigend auf ihn einsprach, sah der Fuchs aber das von Falten geprägte Gesicht über dem weißen, bereits durchnässten Bart an. Der Mann senkte die Hand und konnte den Fuchs vorsichtig streicheln. Zuerst zuckte das Tier zusammen, doch dann entspannte der Fuchs sich. Er erkannte, dass der alte Mann ihm nichts böses wollte.
Dieser stemmte sich nun unter Mühen nach oben. Schlamm hatte seien Hose verschmiert. Mit ruhigen Bewegungen trat der Mann zum Zaun und umfasste den Körper des Fuchses. Das Tier schnupperte an den Händen und legte nervös die Ohren an. Dann hob der Mann den Fuchs sanft aus dem Zaun und setzte ihn auf den Rasen des Gartens.
Einen Moment sah der Fuchs seinen Retter aus gelben Augen an. Dann huschte er um den Mann herum und zurück in den Wald.
Der alte Mann sah dem Tier nach und lächelte. Als der Fuchs nicht mehr zu sehen war, schlurfte der Mann gebeugt zurück zur Hütte.
Plötzlich - auf halber Strecke - musste er heftig niesen. Er rieb sich die Nase und schlurfte weiter. Dann packte ihn aber ein Hustenanfall. Er beugte sich noch weiter vor und hustete sich fast die Seele aus dem Leib. Mit zitternder Hand schaffte er es, die Klinke zu bedienen. Die Tür schwang auf und der Wind wehte Blätter und Regen herein. Der alte Mann brach auf der Schwelle zusammen, hustete noch ein paar Mal und rührte sich dann nicht mehr.
Der Wind heulte. Das Kaminfeuer flackerte im plötzlichen Wind und die Flamme wurde immer tiefer gedrückt und immer schwächer ... und schwächer ...
Müde hob der Mann den Blick. Er wollte sich hochdrücken, aber seine Hände rutschten kraftlos ab. Mit mattem Blick sah er, wie das Licht zu erlöschen drohte.
Da spürte er plötzlich, wie ihn etwas am Ärmel zupfte. Erstaunt drehte der Mann den Kopf und sah, dass der Fuchs zurückgekommen war. Das Tier hatte den Mantel des Mannes sanft mit den Zähnen gepackt und zog daran.
Ein Lächeln huschte über die spröden Lippen des Mannes. Mit neuer Kraft stemmte er sich hoch. Der Fuchs sprang aufgeregt um ihn herum, als der Mann sich erst auf die Knie, dann auf einen Fuß und schließlich auf beide Füße aufrichtete. Der alte Mann stemmte sich gegen die Tür. Der Fuchs drückte sich von unten ebenfalls dagegen. Mit vereinten Kräften konnten sie die Tür schließen.
Innen wurde es schlagartig still. Fuchs und Mann sahen einander an und der Mann lächelte.
Dann knisterte das Feuer und flackerte kräftig auf. Sein kräftiger, oranger Schein erfüllte mit einem Mal die ganze Hütte bis in den letzten Winkel.
Die Rollläden klapperten im Wind. Regen prasselte auf das Dach und die kleine Hütte quietschte und wackelte im Sturm.
Der alte Mann saß auf dem Sofa, eine Tasse Tee in der Hand und in frische Decken gehüllt. Die alten trockneten neben dem Feuer. Die Füße des Mannes ruhten auf dem Tischchen vor dem Sofa und neben ihm lag der Fuchs zusammengerollt, den Kopf auf dem Schoss des Mannes gebettet, und ließ sich streicheln. Behagliche Wärme füllte die Hütte und das Knistern des Feuers übertönte den Sturm draußen.