- Start: 08.12.2021 - 20:49 Uhr
- Ende: 08.12.2021 - 21:11 Uhr
CN: Rassismus
Die Hitze der Wüstensonne hatte seit dem Mittag glücklicherweise etwas nachgelassen. Friedlich summend hatte er seinen Wagen auf dem Marktplatz aufgeschlagen, zwischen Händlern aus aller Welt, die in der Stadt Pforte zusammenkamen. Die meisten waren Nunya-Indianer, die ihre primitiven Talismane, Pfeile und Zaubersteine auf buntgewebten Decken und Teppichen anboten. Dann gab es castrische Handwerker, Bauern aus Dhubayaana und Lirhajn oder Weber von der Insel Irumada. Ein vinpallischer Zwergenschmied bot Kampfäxte an, aber die meisten Waren dienten dem Alltagsleben der Siedler auf dem neuen Kontinent: Pflanzenstecklinge und Samen, Pflug und Hacke, Goldsiebe und Biberfallen. Kamele und Bakaris standen in Pferchen am Rand des Markts, aber kaum einer der Siedler hier konnte sich ein Reittier leisten. Die meisten trennten nur einige Dinan von den Bettlern am Straßenrand.
In all diesem bunten Trubel fiel der Wagen des Brauers trotzdem auf. Es war ein kleinerer, klappriger Karren mit einem aufgesetzten Kasten, dessen Fensterläden er weit geöffnet hatte. Der farbenfrohe Sonnenschutz war mit Windfängern behangen, die im heißen Luftzug der Steppe klimperten und klirrten. Der stechende Geruch seiner brodelnden Tränke waberte wie eine eigene Persönlichkeit über den Platz und viele Blicke streiften die chaotische Auslage, die von der Decke baumelnden Kräuterbündel und die Phiolen mit Zutaten in den engen Regalen, die sich durch das gesamte Wageninnere und sogar über die Türen zogen. Der breit grinsende, kräftige Händler mit Turban, Goldketten und weiten Gewändern konnte sich kaum in diesem Chaos bewegen.
Doch obwohl mit Sicherheit jeder ihn bemerkte, kam kaum jemand zu ihm. Die meisten schlugen einen Bogen um den kauzigen Händler, doch daran störte er sich nicht. Er war nicht hier, um Gold zu machen. Die Dinan interessierten ihn nicht. Er war auf eine weniger quantitative, dafür qualitativere Ware aus.
Geduldig wie ein Sharrkodhi wartete er. Und schließlich, in den Abendstunden, kam sie, die Gelegenheit.
Er bemerkte die Gruppe sofort, die nach getaner Arbeit auf den Marktplatz marschierte. Sie stachen aus dem Gewimmel der Siedler heraus. Nicht, weil sie so besonders wären. Menschen, Elfen und Zwerge gab es hier zuhauf. Aber diese blieben stets unter sich und reisten nicht gemeinsam.
Diese hier dagegen gehörten offenbar zusammen. Die Zwergin bemerkte den Braustand und verabschiedete sich von ihren Gefährten, die allesamt wie Abenteurer aussahen: Staubig und mit schlecht zusammenpassender Kleidung, dafür aber hochwertigen Waffen. Die Zwergin kam nun zu ihm herüber und der Händler rieb sich still die Hände.
"Ihr bietet Tränke an?", fragte die Zwergin und musterte seinen Laden mit einem Blick, der nach dem Preisschild suchte. Doch natürlich hatte er keines aufgestellt.
"Die besten weit und breit!", erklärte der Händler. "Und ich bilde auch talentierte, junge Alchemisten aus."
Er sah das Flackern in ihren Augen, das einem gewöhnlichen Wesen entgangen war.
"Wie viel kostet so eine Ausbildung?"
"Nicht einen einzigen Dinan, meine Liebe. Nur einen Abend eurer Zeit, und ich zeige Euch, wie man einen feinen Trank zubereitet. Einen, der Euch schweben lässt, oder einen, der jedes Gebrechen heilt." Er zog ein Schild herunter, auf dem seine fünf Tränke ausgeschrieben waren. Die Augen der Zwergin weiteten sich leicht.
Zu recht! Seine Tränke waren einzigartig, geradezu magisch. Der Geschwindigkeitstrank etwa würde die Zeit für den Trinker fast stehen bleiben lassen, sodass er sich innerhalb eines Augenblicks unmöglich schnell bewegen könnte. Der Heiltrank würde jedes Gebrechen verschwinden lassen. Und so ging es weiter!
Er bemerkte das Misstrauen im Blick der Zwergin und reichte ihr eine Phiole über die Theke. "Hier, versucht es nur einmal. Der hier geht auf's Haus."
Mit glühenden Augen sah er zu, wie sie trank. Gleich darauf hob sie vom Boden ab und schwebte einen Moment in der Luft. Ihre Augen weiteten sich verzückt, während der Tränkebrauer ihren Arm mit einer langfingrigen Klaue umfasste, um sie daran zu hindern, zu hoch zu fliegen. Seine dünnen, langen Finger mit den gelblichen, krallenartigen Nägeln passten so gar nicht zu seiner feisten, freundlichen und sauberen Gestalt, doch die Zwergin war zu sehr vom Trank begeistert, um etwas zu bemerken.
"Bitte, bring mir das bei!", bat sie, nachdem sie auf dem Boden gelandet war.
"Natürlich doch!" Der Händler lächelte breit. "Einen Trank kann ich dir heute beibringen, und ich werde auch morgen wieder hier sein. Mit welchem sollen wir beginnen?"
Sie wählte und er zeigte ihr ein Rezept, das denkbar einfach war. Die Zwergin konnte ihr Glück kaum fassen, und der Händler seinerseits auch nicht. Die naive Alchemistin würde seine Tränke herstellen und in ihrer Gruppe verteilen. Und ehe sie sich versahen, würden diese Abenteurer feststellen, dass es durchaus einen Preis für dieses Wunder gab.
Denn die Tränke waren denkbar einfach, da sie nicht mehr als Wasser mit einigen Kräutern waren. Die wahre Kraft lag in der Magie des Händlers, die sich entfaltete, wann immer jemand einen der Tränke zu sich nahm.
Und dann würden die Albträume kommen, nach und nach, immer wieder, denn der Dämon würde ihre Seelen besitzen und nicht ruhen, bis die Schuld beglichen war.