Nirug war schon da, als Rikhon die wuchtige Tür der WG zuknallte. Erschrocken fuhr der Drache zusammen und fiepte fragend. Rikhon zog den Hut tiefer ins Gesicht, strampelte seine Stiefel von den Füßen und legte den langen Mantel ab.
»Ich hab nichts gefangen! Gibt heute nichts zu Essen!«, knurrte der Chronistenkrieger und stapfte in das Badezimmer, um sich frisch zu machen. Als er sich das Gesicht wusch, blickte er in den Spiegel – und schrie erschrocken auf. Hinter ihm stand eine schwarz gekleidete Gestalt, die ihn aus roten Augen höhnisch anfunkelte.
»W-w...«, stammelte Rikhon. Der ungebetene Gast grinste.
»Hat dir mein Bruder nie von dem epischen Kampf in der Taverne oder auf der Lichtung erzählt?«
Rikhon hob die Schultern. Fanóla hatte freilich mehr als einmal von seinem schwarzen Bruder Mørliga erzählt. Immer mit trotziger Angst in der Stimme.
»Er ist weg!«, knurrte der Chronistenkrieger, der sich inzwischen wieder gefangen hatte. Er wirbelte zu dem dunklen Elfen herum und starrte ihn böse an. »Du kannst also verschwinden! Niemand will dich hier!«
Mørliga seufzte. »Immer diese Vorurteile gegen die dunklen Mächte! Dabei gehöre ich noch nicht mal zu denen.«
Er stieß sich von der Wand ab, an der er gelehnt hatte, und kam auf Rikhon zu.
»Fanóla ist ein Trottel. Nur ein Dummkopf beschwört einen Luftdämon, um Topfpflanzen auf ein Feld zu bringen. Er hätte wissen müssen, dass er dafür einen Preis zu zahlen hat. Aber –«
Mør verstummte, als Rikhon eine rasche Geste machte. »Jiin hat Fanó dazu angestiftet! Und glaub mir, Fanóla hat genau gewusst, welchen Preis Shokán verlangen würde.« Nach einer kurzen Pause fuhr er weitaus aggressiver fort: »Warum bist du hier? Du kannst Fanó nicht retten, außerdem wollen Nirug und ich dich nicht mitnehmen! Ich denke auch nicht, dass dein Bruder so begeistert davon wäre, wenn ausgerechnet du ihn rettest!«
Mørliga zuckte lässig die Schultern. »Naja, ich bin so ziemlich der Einzige hier, der mit den Dämonen auf einer Ebene der Akzeptanz wandelt. Ihr braucht mich. Ohne mich wisst ihr doch gar nicht, wo ihr hin müsst.«
Rikhon stieß ein Knurren aus. »Oh doch, zuerst suchen wir diesen verdammten Schneeschwanwolf, um ihm den Hals umzudrehen und seine Flügel als Trophäe über die Eingangstür der WG zu hängen.«
»Interessanter Plan. Der könnte glatt von mir kommen«, grinste Mørliga. »Und dann?«, fragte er gespannt.
Der Chronistenkrieger holte Luft, aber er schwieg. Er wusste schlichtweg nicht, wie sie Fanóla finden sollten.
Mørliga wartete ab. Während Rikhon mit finsterer Miene zu Boden sah, hängte der Elf sich kopfüber von einem Deckenbalken. Aber der Mensch blieb stumm.
»Du brauchst mich. Du und dieser Nirug«, sagte Mør. »Wer ist das überhaupt?«