»Waaaaaahhhh! Nirug nei Abyss, nei, nei! Nirug Waaaaaaaaaaahhh!«
»Schau gefälligst, dass du da reinfliegst!«, brüllte Rikhon, dem die Nerven zerrissen. »Es geht um Fanó, du blöde Riesenechse!«
Doch Nirug wimmerte und jaulte vor lauter Angst. Er kreiste um den Spalt, der das Meer teilte. Bodenloser Abgrund. Ein Fall in Schwärze. Ins Ungewisse.
»Keine Angst, Kumpel! Dir passiert nichts«, versuchte auch Mørliga, den völlig kopflosen und panischen Drachen zu beruhigen.
Vergebens. Nirug war viel zu verängstigt. Rikhon stand auf, schulterte seinen Rucksack, hielt mit einer Hand den Hut fest und kämpfte um sein Gleichgewicht.
»Rikhon?«, kam es sowohl von Mør als auch von Nirug.
»Was hast du vor?«, fragte der Elf.
»Was wohl? Ich spring da jetzt rein!«, knurrte Rikhon. »Wegen diesem Angsthasen verreckt Fanó noch! Dann war alles umsonst!«
»Bevor du da allein reinspringst und die Dämonen sich auf dich stürzen, lass mich dir eins sagen«, sagte Mørliga. Er kam ganz nah zu Rikhon heran und legte plötzlich seine Arme von hinten um ihn.
»Du hast keine Chance, und ich hab keine Wahl. Du willst Fanó um jeden Preis retten. Und du brauchst dazu mich. Wenn du da jetzt reinspringst, ist Fanóla verloren. Deshalb machen wir das zusammen, ja? Nirug bleibt erstmal hier. Wir haben eine Vereinbarung getroffen.« Mit diesen Worten umschlang Mør Rikhon und raunte dem verblüfften Chronistenkrieger ins Ohr: »Spring!«
Und Rikhon tat, wie ihm geheißen. Es war der schlimmste Fall, den er jemals hatte. Ein normaler Mensch verlor bei einer solchen Tiefe irgendwann das Bewusstsein, doch im Abyssos herrschten andere Gesetze. Rikhon rechnete mit einer Landung, die ihn geradewegs ins Jenseits befördern würde – seine Seele, die mit Sünden nur so bespickt war, wie ein Nadelkissen mit Nadeln, konnte gleich hier im Abyssos bleiben –, doch stattdessen wurde der Flug immer langsamer, bis sie wie Federn zu Boden schwebten. Die Schwärze wich. Schatten waren hinter dunklen Schleiern erkennbar. Sie kamen näher, entfernten sich aber rasch wieder.
Mørliga packte Rikhon an der Schulter.
»Bevor wir losgehen, musst du einige Dinge wissen. Hier existieren Regeln. Und ich bin der Herr dieser Regeln. Ich bin das Tier aus dem Abgrund. Die Dämonen, die hier leben, sind mir unterstellt. Solange ich bei dir bin, passiert dir nichts. Niemand wird dich angreifen, aber manche Dämonen sind ganz wild auf solche knackigen Burschen wie dich. Sie werden dich zu sich locken wollen, und was sie dann mit dir machen, liegt nicht in meiner Hand. Wenn du so dumm bist und auf sie reinfällst, dann kann ich auch nichts machen. Darum: Ignoriere sie. Konzentriere dich nur auf mich. Hast du verstanden?«
Die Augen des Elfen glommen mit einem Mal wie zwei helle Flammen auf. Rikhon nickte.
»Gut. Dann gehen wir.«
Es wurde ein Spaziergang, den Rikhon nie vergessen würde.