Rikhon richtete sich ächzend auf und funkelte Mør drohend an. »Der Dunkle Lord braucht dich nicht zu verbannen, wenn Fanó was passiert. Das erledige ich zuerst!« Damit zog er seinen Dolch und hielt die Klinge auf Mørliga gerichtet.
Der schwarze Elf zog lediglich die Augenbrauen hoch. »Ernsthaft?«, spottete er. »Hast du vergessen, WER dich im Abyssos vor den Dämonen beschützt hat? Ohne mich wärst du da nie wieder rausgekommen!«
»Nirug hätte mich schon geholt, verlass dich darauf! Ich hätte Fanó bestimmt auch allein aus dem Abgrund holen können!«, schoss Rikhon zurück und trat einen Schritt näher.
Mørliga lachte böse auf. »Verreckt wärst du! Vielleicht sollte ich mir überlegen, dich nicht doch zu meinem Untertan zu machen. Die Dämonen kennst du ja jetzt.«
Obwohl er es nicht wollte, wich Rikhon unwillkürlich einen Schritt zurück. Natürlich bemerkte Mør das und grinste. Doch das Grinsen verging ihm rasch, als Nirug plötzlich laut fauchte und sich aufbäumte. Die Augen des Drachen funkelten wild, seine Zähne waren gebleckt, die Krallen rissen den Boden auf. Dann schrie er. So laut, dass sämtliche Wesen in Belletristica es hörten und klugerweise das Weite suchten.
»He, Nirug, was soll –« Rikhon kam nicht mehr dazu, den Satz zu beenden, denn Nirugs Schwanzspitze zog ihm mit einer blitzschnellen Bewegung die Füße weg. Fluchend kämpfte Rikhon sich wieder auf die Beine und sah, dass Nirugs Pranke Mørliga unter sich begrub. Der Elf stieß einen panischen Schrei aus.
»Nirug, lass das!«, brüllte der Chronistenkrieger, doch der Drache fauchte nur.
Noch nie war Nirug so ausgerastet, wie jetzt. Zum ersten Mal hatte Rikhon Angst vor seinem Mitbewohner. Was mochte nur mit ihm los sein?
»Mørli nei böse, Rikhon. Rikhon mutig, Mørli. Fanooo Narrrm wir drei.« Mehr zu sagen brauchte Nirug nicht. Rikhon und Mørliga verstanden ihn. Sie warfen sich betretene Blicke zu.
»Tut mir leid«, murmelte der Elf überraschenderweise. »Du bist ein sehr mutiger Mann, da hat Nirug ganz recht. Du bist ein Krieger mit dem Herzen eines Freundes, der für andere im wahrsten Sinne des Wortes durch die Hölle geht. Und das ehrt dich und macht dich zu einem ganz besonderen Menschen.«
Der Chronistenkrieger nahm den Hut vom Kopf und wendete ihn verlegen zwischen den Händen. Er räusperte sich.
»Ich muss mich entschuldigen. Mein Misstrauen dir gegenüber ist jetzt nicht mehr gerechtfertigt. Du hast einen sehr schlechten Ruf hier in Belletristica, aber durch unser Abenteuer habe ich erfahren, dass in dir nicht nur schwarze Bosheit steckt, sondern auch ein Funken Loyalität denen gegenüber, mit denen dich das Schicksal zusammenführt.«
Mørliga starrte Rikhon sekundenlang an. Nirug hob seine Tatze und ließ den Elfen aufstehen. Mør neigte den Kopf und dann tat er etwas Überraschendes: Er verbeugte sich tief und klopfte dreimal mit der Faust auf seine Brust.
»Möge Frieden zwischen uns herrschen!« Mørliga sah auf.
»Ich werde jetzt zu meinem Bruder gehen und ihn zurückholen!« Damit ließ er einen völlig verdatterten Rikhon und einen zutiefst zufriedenen Nirug zurück und verschwand in der Gestalt des Lyfux in Richtung der Feengrotte, in die die Feen Fanó während des Empfanges vom Herrscher über Belletristica gebracht hatten.