Sie waren noch nicht weit gegangen, als ein Kreischen ertönte und etwas über Rikhon hinweg sprang. Erschrocken zog der Chronistenkrieger den Kopf ein, und bemerkte sofort, dass ihm sein Hut abhanden gekommen war.
Ein freches »Uaah-uaah!« lenkte seine Aufmerksamkeit auf den Dämon. Es war ein Affe, der ihm spöttisch mit seinem Hut zu winkte.
»Bali, du Schlingel!«, rief Mørliga amüsiert und streckte den Arm aus. Bali brummte und gab dem Elfen mit sichtlichem Widerwillen den Hut. Dann hängte er sich um Mørs Hals und fuhr ihm mit langen Fingern durch das weiße, lange Haar. Mørliga reichte Rikhon den Hut und kraulte den Affen.
Rikhon hielt sich hinter den beiden, darauf bedacht, sie nicht in der Schwärze zu verlieren. Er sah nur den Affen und Mørliga, ansonsten nichts. Weder Wände spürte er, noch einen Lufthauch. Kein Laut, außer die seines Begleiters und dessen … Untertan, drang an sein Ohr.
Unter seinen Schuhen – schwere, eng geschnürte Stiefel mit Stahlkappen – war der Boden fest, aber es war kein Steinboden. Auch kein Holz oder was anderes. Rikhon konnte nicht festmachen, aus was der Boden bestand.
Schweigend gingen sie weiter; Bali sprang irgendwann von Mør runter und verschwand lautlos in der Dunkelheit.
Auf einmal blieb Mørliga stehen und hielt den Arm vor Rikhon, als wolle er ihn beschützen.
Oder ihn daran hindern, zu den hübschen sieben Frauen zu gehen, die sich aus dem dunklen Schleier schälten und keck zu Rikhon hinüber blickten. Sie hatten fuchsrote Haare, wie er, und grüne, neugierig funkelnde Augen. Lachend gestikulierten sie mit ihren schlanken Armen, bewegten sich anmutig und wollten offensichtlich, dass er zu ihnen kam.
Rikhon hatte Durst. Er fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen, doch ehe er einen Schritt machen konnte, stieß Mør ein lautes Fauchen aus, und augenblicklich verschwanden die Frauen.
»Du Idiot!«, brüllte der Elf den Chronistenkrieger an. »Was hab ich dir gesagt? Wiederhole!«
Verwirrt blinzelte Rikhon, aber er erinnerte sich der Worte des Elfen und wiederholte sie sinngemäß.
»Na also! Dann halte dich auch daran! Tot nützt du Fanóla gar nichts!« Mit diesen Worten, und obwohl es ihm sichtlich widerstrebte, nahm er Rikhon wie ein kleines Kind an der Hand und zog ihn mit sich. Weiter in undurchdringliche stille Schwärze. Das hieß, still war es plötzlich nicht. Etwas hüpfte. Kam näher.
Rikhon spürte, wie Mørliga den Griff um seine Hand lockerte und einige Worte murmelte, die er nicht verstand. Aber der Dämon, den er erspähte, schien keinerlei Verständnisprobleme zu haben. Scharf sog Rikhon die Luft ein. Vor ihnen stand eine Tonne. Eine Tonne mit einem Maul, das sich öffnete, spitze Zähne und einen gewaltigen Schlund zeigte, und wieder zuklappte. Er glaubte, ein beleidigtes Seufzen zu hören, als die Tonne, wie zuvor Bali, lautlos verschwand.
Mit einem weiteren Dämon, der kurz darauf erschien, kam der Durst wieder zurück. Ein junges Mädchen in einem wunderschönen grünen Kleid sprang um Mørliga und Rikhon herum, zupfte an Rikhons Mantel und zeigte beim Lachen weiße Zähne. Aber diesmal heftete der Chronistenkrieger den Blick fest auf Mørligas weiß schimmernde Haare und bekam als Dankeschön von dem Mädchen eine schallende Ohrfeige.
Fluchend stolperte Rikhon hinter dem Elfen her, der sein Kichern nicht verhindern konnte.
»Lieber eine Ohrfeige, als im nächsten Moment tot im eigenen Blut zu liegen«, erwiderte Mør ungerührt, als Rikhon immer noch fluchte. »Das war Baobhan-Sith, ein Vampir. Sie hätte dir das Blut ausgesaugt, wenn du ihre Avancen erwidert hättest.«
Rikhon rieb sich die pochende und warm prickelnde Wange und blieb verwirrt stehen. Da sang jemand!
»Oh, bei den dunklen Mächten, diese verfluchten Pixies!«, fauchte Mørliga, mit einem Mal sehr wütend, und zog den verdatterten Rikhon mit sich. Recht bald kamen rothaarige, frech grinsende und augenschielende Elfen in Sicht. Sie lachten und führten sich auf wie betrunkene … Chronistenkrieger.
»Euch kann man nicht allein lassen!«, brüllte Mørliga die Pixies an, die sich ängstlich zusammenrotteten und nicht mehr wagten, zu grinsen.
»Bringt das, was ihr angerichtet habt, wieder in Ordnung! Ansonsten …« Er stieß ein drohendes Knurren aus, was die Pixies augenblicklich dazu veranlasste, zu dem leiser werdenden Gesang zu rennen. Rikhon und Mør blieben allein in der Schwärze.
»Willkommen im Abyssos. Die Dämonen, die du bis jetzt kennengelernt hast, waren noch die Harmlosen. Jetzt kommen erst die richtig Schlimmen. Wir sind an dem Ort, wo Fanó gefangen gehalten wird. Bist du bereit, den Obersten des Abyssos gegenüberzutreten, Mensch?«, flüsterte Mørliga.
Rikhon schluckte. Er hatte noch keine wirkliche Angst verspürt, aber nun kroch die Furcht wie eine Schlange heran.
Tief atmete er durch, verbannte seine Gefühle. »Ja. Ich bin bereit.«
Dann folgte er Mørliga in das Herz des Abyssos.
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Erklärung der Dämonen: Liste von www.daemonen.de
Bali
(hinduistisch)
Dämon und Affenkönig, der gerne zu einem Schabernack bereit ist.
Koki-Teno
(japanisch)
Weibliche Fuchsdämonen aus Japan, die des nächtens Männer verführen und sie verderben. Da sie sich auch als Menschen zeigen können werden sie auch als Werfüchse bezeichnet.
Kabandha
(sanskrit: Tonne)
Der höchste Dämon im ind. Ramayana. Ihm wurde von Indra Kopf und Schenkel in den Leib gedrückt, sodaß er eine alles verschlingende Tonne darstellt.
Pixies
Elfenwesen, die im Südwesten England leben, böswillige Schwindler und Betrüger.Als die Feen nach England kamen, wurden sie zuerst von den Pixies begrüßt, doch dann bekamen diese Angst um ihre Länder, und zettelten einen Krieg an, bis sich die Feen aus den drei Grafschaften zurückzogen. Pixies können ihre Gestalt vergrößern oder verkleinern, je nach belieben. Sie haben rote Haare, ein hinterlistiges Grinsen und grüne meist schielende Augen. Ihr Lieblingstrick ist Wanderer auf den falschen Weg zu bringen. Manchmal können Pixies Sterbliche so sehr verwirren, daß dieser sich nie mehr erholt, und in einer geheimnisvollen Sprache singend, ziellos durch die Gegend wandert. Das nennt man dann "Pixieled". Wenn man durch Pixieland wandern muß, kann man sich schützen, indem man seinen Mantel mit der Innenseite nach außen trägt.
Baobhan-Sith
Schottische Vampirdämonin, die als grün gekleidetes, hübsches Mädchen erscheint um Jünglinge anzulocken und ihnen das Blut auszusaugen.