Angesichts der Kriesen in der Welt verzweifelt so manch eine*r zeitweilig oder auch dauerhaft. Tatsächlich frage ich mich auch manchmal, ob sich denn nie etwas ändert, wir nicht endlich Vernunft annehmen, herzlicher werden und uns um unsere Heimat Erde kümmern, deren Teil wir sind.
Leider hatte ich solche Anfälle von Resignation schon als Jugendliche, als die Grünen die politische Landschaft betraten. Damals war ich sehr darauf aus, endlich erwachsen zu werden und mich einsetzen zu können.
In meinem Umfeld gab es jedoch Gegenwind: Es bringt doch alles nichts. Man kann nichts ändern. Warum willst du nicht einfach ein normales Leben führen?
Angesichts des Gegenteils von Förderung und Unterstützung versickerten meine Ambitionen und Träume irgendwo. Soweit, dass ich auch den Phrasen glaubte, dass es nichts bringt, mich einzusetzen.
Und aus den Augen verlor, was ich mal vorhatte.
Ich befürchte, dass es vielen so geht oder gegangen ist.
Statt erwachsen werden liebevoll zu begleiten, dahin, wo es die Kinder hinzieht, und ihnen bei ihren Träumen zu helfen, war Erziehung das Gegenteil: Ein Reinpressen in Vorstellungen und 'Erfahrungen' (die nicht beseelt sondern traumatisiert waren) der Erwachsenen.
Boden, auf dem das Neue nicht gedeihen kann.
Oder nicht optimal gedeihen kann.
Dies ist einer der Ebenen, auf denen jede*r Veränderung bewirken kann: Die eigenen Verletzungen heilen und der nächsten Generation Raum geben, sich ins Erwachsenen-Sein zu entfalten.
Das ist zuallererst Aufgabe der Eltern, da sie den größten Einfluss haben, der Raum sind, in dem die Kinder groß werden.
Aber auch aller anderer, soweit eben der Einflussbereich reicht.
Aus meiner Sicht, wenn ich die heutigen Studenten beobachte, und uns damals vor Augen habe, sehe ich den Unterschied. Es hat sich was geändert, positiv. (Was nicht heißt, dass das für alle Individuen gelten muss.)
Ebenso ging es mir, als meine Nichte heranwuchs. Im Vergleich zu meiner Jugend war sie bedeutend freier, hatte nicht mehr (oder nicht mehr so stark) unter den Unterdrückungsmechanismen von Weiblichkeit zu leiden.
Mir geht es in vielen Bereichen so, wenn ich Rückschau halte und Entwicklungen sehe, dann merke ich: Es verändert sich doch was.
Nicht in dem Tempo, das ich gerne hätte.
Aber es bewegt sich.
Gleichzeitig ist immer noch viel zu tun, und das lässt manchmal resignieren.
Deswegen ist es umso wichtiger, sich der Prozesse auf den unterschiedlichen Ebenen - persönlichen, familiären, gesellschaftlichen etc - bewusst(er) zu werden.
Mir hilft es zum Beispiel, wenn ich beobachte: Früher wurden Tiere als Sachen gesehen. Mittlerweile gab es eine Rechts-Änderung.
Sie ist kein Endziel. Sie ist eine Etappe.
Es gibt viele Organisationen und Menschen, die sich kümmern, die an verschiedenen Punkten arbeiten.
Ich bin mit meinem Anliegen ein bisschen spät dran, aber nicht allein.
Anderes Beispiel: Vegetarisch war im Wortschatz der meisten Menschen in den 80ern nicht vorhanden. Bratkartoffeln ohne Speck zu kriegen, in Restaurants (und manchen Privathaushalten) unmöglich.
Und jetzt? Selbstverständlich werden überall in Lokalen wenigstens ein paar vegetarische Gerichte angeboten. Das Thema ist längst ins Bewusstsein des Mainstreams eingegangen. Wenn auch nicht unter dem Vorzeichen, das es für mich hat.
Am Bewusstsein für das Recht auf Leben der Tiere muss noch gearbeitet werden. Angesichts von Krisen und Kriegen hat das Thema zurzeit nicht die Priorität in der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit, die ich ihm gerne geben würde. Aber es gibt gleichzeitig viele Menschen, die sich ihm widmen und die Flamme am Leben halten. Die Entwicklung hin zu weiterem Bewusstsein ist nicht aufzuhalten. Auch wenn sie quälend langsam ist.
Natürlich gibt es die Entwicklung nicht, weil ich mit dem Konzept Vegetarier eine Sprache für das gefunden habe, was ich gefühlt habe, und dementsprechend handelte.
Gleichzeitig gab es viele, viele andere Menschen, die ähnlich dachten und fühlten und dementsprechend handelten.
Das hat dafür gesorgt, dass sich etwas verändert.
Und das zu sehen, gibt dem täglichen Leben Sinn: Es ist eigentlich nicht von Bedeutung, was ich sage, tue, schreibe, entscheide.
Wenn es aber viele tun, dann wird es das.
Viele Sandkörner nennt man Strand. Jedes Korn alleine ist kaum wahrnehmbar.
Viele Tropfen nennt man Meer. Ein Tropfen alleine versickert im Erdreich oder verdunstet.
Dem eigenen Empfinden, dem inneren Kompass, dem Herzen vertrauen, dem folgen, in der eigenen Umgebung das tun, was nötig und möglich ist. Unabhängig davon, ob andere es verstehen, mögen, gutheißen.
Wohlwissend, dass andere ebenfalls ihren authentischen Impulsen folgen.
Wenn jemand beginnt, folgen andere.
Auch wenn es unangenehm ist. Auch wenn man belächelt wird. Auch wenn man auf Komfort verzichten muss.