Inzwischen ist es Mai, der Wonnemonat, in dem Anton und Angie sich das Jawort geben wollten. Der Termin stand fest, die Gäste waren eingeladen, abgesagt hatte als Einziger Daniel, da er es terminlich nicht schaffte, nach Deutschland zu kommen. Er übermittelte aber die besten Wünsche für das Brautpaar und bedauerte es sehr, nicht selbst anwesend sein zu können.
Angie legte sich mit ihren Freundinnen ins Zeug, die Feier vorzubereiten. Die Örtlichkeit war gebucht. Der Wirt, bei dem sie feiern wollten, hatte seine Hilfe angeboten, den Festsaal zu schmücken und das Catering zu übernehmen, was Angie auch dankend annahm. Sie lief auf Hochtouren und war durch nichts zu bremsen. Wie ein Wirbelwind wuselte sie umher, immer darauf bedacht, auch ja alles perfekt zu machen. Immerhin sollte es der Tag der Tage werden, an den sie noch sehr lange mit Freuden zurück denken konnte.
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Den letzten Abend und die Nacht vor der Hochzeit verbrachte Anton wie es Brauch war, ohne die Braut. Angie war diesbezüglich etwas altmodisch. Auch das Hochzeitskleid hatte er noch nicht zu Gesicht bekommen, das durfte er erst sehen, wenn er seine Angie vor dem Standesamt traf. Er wusste nur, dass sie ein schlichtes, aber edles Kostüm in beige gewählt hatte. Sie mussten sich ja mit der Farbe der Kleidung abstimmen, dass es auch zusammen passte.
Etwas verlassen saß er im Wohnzimmer und dachte über die vergangenen Wochen und Monate nach. Er erinnerte sich nur zu gut daran, als er seiner Angie im Schlosspark den Heiratsantrag gemacht hatte und wie sie sich darüber gefreut hatte. Wie sehr hatte er es sich doch gewünscht, sie würde den Antrag annehmen. Und dann sagte sie ja. Er hätte Freudentänze aufführen können. Mit einem Schmunzeln im Gesicht sah er die Szene wieder vor sich, als er sie, damals nachdem sie ja gesagt hatte, im Pavillon vernascht hatte und später, als sie auf einem Spaziergang durch den Park das Pärchen auf der Parkbank beobachteten. Sie selber waren dadurch so geil geworden, dass sie es eilig hatten, zurück in ihre Suite zu kommen. Wobei ihnen Edwin auf dem Weg nach oben nur im Wege herum stand. Später wurde er von der Empfangsdame gerügt wurde und er dastand wie ein kleiner Junge, der bei einem Streich erwischt worden war. Sie bekamen damals fast Mitleid mit Edwin.
Anton wurde etwas melancholisch. Diese so schöne Zeit würde wohl nie wieder kommen. Innerlich freute er sich aber schon auf die wunderbaren Zeiten, die nun vor ihm lagen.
Voll beruhigt lehnte er sich zurück und streckte die Füße aus. Die Hektik der letzten Tage fiel zwar von ihm ab, aber trotzdem blieb eine leichte Unruhe in ihm zurück. Morgen um diese Zeit würde seine geliebte Angie endlich angetrautes Eheweib sein und seinen Namen tragen, so wie er es sich schon lange wünschte. Er dachte nach, was in der Zeit, in der sie zusammen waren, schon geschehen war. Sie hatten sich geliebt, sie hatten sich gestritten und wieder vertragen, sie hatten Höhen und Tiefen erlebt, aber sie hatten immer zusammen gehalten. Eigentlich waren sie schon wie ein altes Ehepaar, nur dass noch jeder seinen eigenen Nachnamen trug. Anton war sehr überrascht, als Angie ihm offenbarte, sie würde seinen Familiennamen annehmen.
Einen kleinen Trumpf hatte er allerdings noch im Ärmel, von dem Angie weder etwas ahnte noch wusste. Er hatte Mathilde und Edwin vom Schloss Sonnenhöhe eingeladen. Es sollte eine Überraschung für sie werden. Mathilde hatte damals beim Abschied vom Schloss schon ihr und Edwins Kommen zugesagt. Nun war Anton froh, die beiden erreicht zu haben, um ihnen den Termin der Hochzeit mitteilen zu können. Er freute sich schon, Mathilde wieder zu sehen. Bei Edwin schieden sich bei ihm zwar die Geister, der Typ war ihm irgendwie suspekt, er sah es aber als unhöflich an , Mathilde alleine einzuladen, also nahm er es in Kauf, dass sie mit Edwin im Schlepptau anreisen würde. Als er daran dachte, was er damals im Schloss beobachten durfte, bekam er Platzschwierigkeiten in der Hose. Aber leider war Anton ja tabu für Mathilde.
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Zur selben Zeit saß Angie im Wohnzimmer ihrer besten Freundin Susanne, die auch ihre Trauzeugin sein sollte und plauderte mit ihr bei einem Glas guten Wein. Angie hatte schon ganz rote Ohren vom Alkohol. Die beiden amüsierten sich vorzüglich. Angie erzählte kleine Episoden, die sie mit Anton zusammen erlebt hatte.
Susanne bekam große Augen, als sie erfuhr, dass Anton seine frisch angetraute Frau zur Hochzeitsreise nach Afrika in eine Lodge entführen wird. „Das wird bestimmt herrlich, ich beneide dich dafür“, gab sie ohne zu zögern zu.
„Ganz bestimmt“, meinte Angie. „Ich freu mich auch schon auf die schwarzen Männer. Ob die wirklich so gut gebaut sind, wie immer gemunkelt wird“, scherzte sie weiter.
„Du nun wieder!“ Susanne lachte über Angies Worte. „Du hast doch dort deinen Mann! Oder bist du immer noch so unersättlich! Wie ist Anton eigentlich darauf gekommen, dich nach Afrika zu entführen?“, wollte sie dann noch wissen.
„Ganz einfach“, entgegnete Angie. „Der Lodgebesitzer ist ein alter Bekannter von Anton und der hat uns eingeladen. Unsere Hochzeitsreise kam da gerade recht, dorthin zu fliegen. Auch wenn es mir schon vor dem langen Flug graust.“
Noch bis spät in die Nacht saßen die beiden zusammen, tranken Wein und plauderten.
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Endlich war es Morgen, Angie erwachte frisch und munter aus dem Schlaf. Susanne half ihr, sich anzukleiden. Die Friseurmeisterin hatte sie extra ins Haus bestellt, damit Angie nicht vor der Hochzeit im Kleid durch die Stadt bis in den Friseursalon fahren musste.
Dann war es Zeit, zum Standesamt zu fahren. Angie war bereit auf das Kommende. Endlich kam Antons Trauzeuge Max mit dem geschmückten Mietwagen, mit dem sie vor dem Standesamt vorfahren würde. Anton selber würde im Taxi kommen.
Fast genau zur gleichen Zeit erreichten sie den Parkplatz vor dem Standesamt. Einige der Gäste waren auch schon anwesend, darunter auch Mathilde und Edwin.
Als der Mietwagen hielt, half Max Angie galant aus dem Fond. Gemeinsam gingen sie zum Eingang, wo Anton sie etwas nervös erwartete. Er trug den Brautstrauß, den er auf der Fahrt hierher noch abgeholt hatte und überreichte ihn Angie. Er strahlte über alle Backen, als er seine Geliebte sah, wie sie elegant über den Platz auf ihn zuschwebte ohne auf die anwesenden Gäste zu achten. Sie hatte nur Augen für ihn.
„Du siehst hinreißend aus“, lobte Anton sie, als sie ihn erreichte. „Zum Anbeißen.“ Er zog sie an sich und versuchte sie zu küssen.
Angie lachte. „Anbeißen später, küssen auch, bringen wir erst einmal die Formalitäten hinter uns, ich kann es kaum noch erwarten“, sagte sie leise zu ihm. Er nahm ihre Hand und führte sie hinein ins Standesamt in den Trausaal, der dem Anlass gemäß geschmückt war. Der Standesbeamte erwartete sie schon, genau wie die Gäste und die Trauzeugen, die vor ihnen hineingegangen waren. Angies Herz klopfte vor Aufregung, dass sie dachte, es springt ihr oben aus dem Hals. Auch Anton schien es nicht anders zu ergehen, immer wieder drückte er Angies Hand und sah sie liebevoll an.
Leise erklang „Musica Fantasica“, gespielt von Rondo Veniziano aus den Lautsprechern, die im Raum verteilt waren. Die Rede des Beamten begann, er sprach über die Vorteile der Ehe, die sie nun eingehen wollten, aber auch darüber, sich zu vertrauen und zu ehren.
Dann endlich bat er die Anwesenden, sich von ihren Plätzen zu erheben, damit er die Frage stellen konnte, auf die alle schon gespannt warteten. Wieder erklang festliche Musik, diesmal der Hochzeitswalzer und dann stellte er erst Angie die Frage:
„Willst du, Angie, den hier anwesenden Anton zum Manne nehmen, in guten wie in …“, weiter kam er nicht, denn er wurde von Angie mit einem ungeduldigen „Ja, ich will“ unterbrochen. Alles im Saal lachte, denn genau so ungeduldig kannten sie ihre Angie.
Dann wurde Anton dieselbe Frage gestellt, die er auch sofort mit einem lautem, für alle hörbarem „Ja, ich will“ beantwortete.
„Dann erkläre ich euch hiermit zu Mann und Frau“, verkündete der Standesbeamte, nachdem sie ihre Ringe getauscht hatten. „Ihr dürft euch nun küssen.“
„Nun bist du endlich mein“, flüsterte Anton, als sich ihre Lippen nach einem langen Kuss wieder trennten. „Jetzt musst du mir immer willig sein“, fügte er grinsend hinzu.
Angie zog eine Augenbraue nach oben: „Darüber müssen wir noch mal verhandeln“, meinte sie leise. „Es kommt drauf an, was du mir als Gegenleistung anbietest“, konterte sie.
Dem konnte Anton erst einmal nichts entgegnen, da ihm die Sprache wegblieb. Angies Antwort brachte ihn doch etwas zum nachdenken. Äußerlich grinste er nur dazu und dachte sich, dass sie das noch ganz in Ruhe besprochen werden müsste. Er konnte sich da schon so einiges vorstellen.
„Ich habe noch eine Überraschung für dich“, sagte er zu seiner jetzigen Frau, als sie alle Urkunden unterschrieben und die Trauzeugen gratuliert hatten. Die anderen Gäste blieben noch im Hintergrund um die Zeremonie nicht zu stören.
„Eine Überraschung?“, freute sich Angie. „Na da bin ich mal gespannt, was das für eine Überraschung ist.“
„Schau mal zur letzten Stuhlreihe“, gab ihr Anton einen Tipp.
Angie schaute in die besagte Richtung und sah dort zwei Personen, die ihr irgendwie bekannt vorkamen. Dann erinnerte sie sich: „Mathilde“, rief sie erfreut. „Und Edwin, das gibt es doch gar nicht.“ Freudestrahlend ging sie auf die beiden zu und begrüßte sie. Herzlich umarmte sie Mathilde, auch Edwin bekam einen Kuss ab, der daraufhin errötete wie eine überreife Tomate. Anton kam hinzu und begrüßte die Gäste.
„Komm“, sagte er zu Angie. „Wir müssen los, das Essen wartet. Ihr könnt nachher noch plaudern“, trieb er die Gäste und Angie an, die sich angeregt unterhielten. Er nahm seine frisch angetraute Ehefrau am Arm und führte sie hinaus. Als sie durch das Portal des Standesamtes auf den Vorplatz traten, hatten sich die Hochzeitsgäste schon wie ein Spalier aufgestellt, durch das sie gehen mussten. Hochrufe klangen über den Platz und Blütenblätter wurden vor ihnen von den Kindern gestreut.
Anton war stolz wie Oskar, seine Angie jetzt auch seine Ehefrau nennen zu dürfen. Lange genug hatte es gedauert, dass sie diesen Schritt gewagt hatten.
Die Feier ging bis spät in die Nacht, keiner der Gäste wollte nach Hause. Anton und Angie hielten aus bis zum Schluss, als sich die letzten Gäste von ihnen verabschiedeten, auch wenn dadurch ihre Hochzeitsnacht sehr kurz wurde.