Pakhet wandte sich ab und rannte ins Haus. Jetzt war die Frage, wo Li war.
Sie sollte nicht zu lange warten.
Das erste Zimmer war eine recht breite Diele inklusive einer Garderobe zu ihrer linken. Hier war auch eine Tür. Wahrscheinlich ein Gäste-WC. Vorsorglich öffnete sie diese dennoch – nur um sicher zu gehen, dass er sich nicht versteckte.
Sie ging weiter. Am Ende der Diele waren zwei weitere Türen. Eine rechts, eine links.
Nach kurzem überlegen öffnete sie die linke mit ihrer Prothese. Ihre Waffe hielt sie auf der Höhe ihrer Schultern. Sie sah in eine recht geräumige, moderne Küche. Diese war jedoch leer.
Die andere Tür. Eine Art Wohn- und Esszimmer, dass in einer Fensterfront endete, die Blick auf den Rest des Gartens erlaubte. Dabei eine weitere Tür und eine Treppe, die ins obere Stockwerk führte.
Zuerst aber ging Pakhet zu der zweiten Tür hinüber, die sich in einen kurzen Flur öffnete. Pakhet kannte diese Art von Häusern, war sie doch selbst in einem ähnlichen aufgewachsen. Wahrscheinlich war hier ein Gäste- oder Kinderzimmer und das untere Bad.
Sie schlich den Flur entlang, öffnete die erste Tür – ein offenbar länger nicht gebrauchtes kleines Schlafzimmer, dessen Bett mit einem Staubschutz überschlagen war. Das nächste war tatsächlich ein kleines Bad. Dennoch blieb eine weitere Tür. Wahrscheinlich ein Abstellraum, der parallel zum Wohnzimmer lag. Von der Breite des Gebäudes her konnte es nicht viel mehr sein.
Sie öffnete die Tür und musste sich korrigieren. Eine Treppe offenbar in einen Keller hinab.
Für einen Moment zögerte sie.
Sie hörte niemanden hier im Haus. Hatte Li sich schon abgesetzt? Er hatte mit ihr gerechnet – wahrscheinlich weil die komische andere Frau bescheid gesagt hatte, dass Pakhet ihr gefolgt war. Pakhet kannte Leute wie Li. Sobald jemand entkam wurden sie nervös, paranoid. Die Information, dass sie noch in der Stadt war, musste ihn alarmiert haben. Vielleicht war er abgehauen, saß vielleicht in einem Flieger nach Peking, Hongkong oder ganz aus dem Land heraus.
Egal. Sie würde das Haus durchsuchen. Dass war sie sich schuldig.
Sie trat auf die Treppe und ging langsam hinab. Die Wand zu ihrer rechten öffnete sich zu einem fein verzierten Netz aus Metallstreben, durch die das Licht eines Swimmingpools schimmerte. Das Haus war feiner als sie angenommen hatte.
Vorsichtig bückte sie sich um nach unten schauen zu können. Dann erstarrte sie.
Er war hier.
Und nicht allein.
Natürlich nicht.
Aber er war hier. Li kniete auf der anderen Seite des Raums mit einer Hand im Wasser. Natürlich. Er war Magier. Er bereitete etwas vor. Verflucht. Sie würde sich nicht noch einmal von ihm überwältigen lassen.
Außer ihm waren noch vier andere hier. Zwei von ihnen saßen ebenfalls am Rand des Pools. Magier wahrscheinlich auch. Die anderen beiden waren Männer mit Schusswaffen.
Scheiße. Das hier war deutlich eine Falle. Sie hatten etwas vorbereitet. Vielleicht einen Zauber. Oder eine Beschwörung. Sie hatten sie noch nicht bemerkt, Eventuell konnte sie noch abhauen. Aber es war keine Option. Sie musste dieses Mal nur besser sein, als er. Schneller. Dieses Mal würde er sterben.
Kurz schloss sie die Augen und sammelte sich. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Doch sie war nicht feige. Sie brauchte das hier. Ihre Rache.
Also schlich sie weiter die Treppe hinab, bemüht darum keinen Mucks zu machen. Dann hob sie ihre Waffe, zielte auf die eine Frau, die sie für eine Magierin hielt, und schoss. Zwei Mal. Sie zielte auf den Kopf. Überlebende Magierinnen konnte sie sich nicht erlauben.
Rot öffnete sich die Wunde auf der Stirn der Frau, ehe sie vornüber in den Pool fiel, während sich das Wasser rosa färbte.
Alle zuckten zusammen. Die beiden bewaffneten Männer fuhren herum, während Pakhet auf die andere Magierin zielte.
Dann aber bewegte sich etwas im Wasser. Also doch ein Geist. Scheiße. Sie hasste Geister, weil es so wenig gab, was Messer und Kugeln gegen sie ausrichten konnten. Ihr blieb nur eine Chance.
Sie rannte weiter in den Raum hinein, zielte wieder auf die andere Frau und schoss, während sich das Wasser zu einer Gestalt formte, in deren Zentrum eine leuchtende Kugel schwebte. Elementargeist auch noch. Womit hatte sie das verdient?
Einer der bewaffneten Männer rief etwas, hatte sie offenbar nun gesehen. Ihr Zauber schützte sie nur bis zum ersten Schuss. Doch verdammt, sie hatten eh gewusst, dass sie kam.
Beide Männer zielten auf sie, während Li zu ihr herübersah. Aus seinem Blick sprach eine Mischung aus Angst und Hass. Zumindest darin waren sie verbunden.
Schüsse durchschnitten die Luft, ließen Pakhet zur Treppe zurückweichen. Das Geländer wäre ein relativ guter Schuss. Es war sehr schwer, Menschen zwischen Metalstreben zu treffen.
Auch der Blick des Geistes folgte ihr. Arme schossen aus der Gestalt heraus. Arme aus Wasser, das durch die Streben spülte und sie gegen die Wand drückte, bevor sie verstand, was geschah. Sie hasste Geister.
Das Wasser strömte über ihren ganzen Körper, fühlte sich zähflüssig an, schien sie festzuhalten. Es strömte auch über ihr Gesicht, wollte sie ersticken. Großartig.
Für einen Moment war da wieder die Panik, die sie zu übermannen drohte, aber sie kämpfte sie zurück. Wenn sie panisch wurde, würde der Geist sie umbringen. Sie schloss die Augen und dachte nach, während das Wasser versuchte in ihren Mund und ihre Nase zu kriechen.
Eine Idee kam ihr. Sie hatte noch einen der Luftzauber, mit dem sie sich abgefangen hatte. Er war nicht hierfür gedacht, aber hatte eventuell eine Chance, ihr zu helfen.
Die Flüssigkeit fühlte sich viskose an, kämpfte gegen sie an, als sie nach ihrer Tasche tastete. Sie musste ihre Waffe loslassen, dann aber bekam sie den Anhänger in ihrer Tasche zu fassen. Sie zerbrach ihn.
Ein Luftzug breitete sich vom Anhänger ausgehend aus, bildete eine Blase, die das Wasser verdrängte und schließlich den ganzen Arm des Geistes platzen ließ.
Pakhet ließ ihm keine Zeit, sich neu zu bilden. Stattdessen eilte sie die Treppe hoch. Den Geist von dem Pool zu trennen erschien ihr als eine gute Idee.
Wasser prasselte hinter ihr die Treppe hinauf. Sie spürte mehr, als dass sie sah, wie einzelne kleine Ströme nach ihren Füßen greifen wollten. Sie sprang, landete beim oberen Treppenabsatz. Da blieb nur noch die Frage, wie sie das Ding loswurde.
Doch eigentlich war es keine Frage, denn die Antwort war offensichtlich. Sofern der Geist nicht an einen Anker gebunden war, war seine Gestalt nicht stabil. Wenn sie Li tötete, würde er vielleicht wieder in die Geisterwelt verschwinden oder zumindest von ihr ablassen. Immerhin war es Lis Befehl, der das Vieh auf sie gehetzt hatte, nicht der Wille des Geistes selbst.
Sie stürmte ins Wohnzimmer, während das Wasser ihr hinterherströmte. Es war von den roten Schlieren des Blutes durchzogen. Es blieb zu hoffen, dass dies nicht reichte, um den Geist zu binden.
Im Wohnzimmer wich sie an die Wand zurück.
Schritte erklangen auf dem Parkett hinter ihr. Die beiden bewaffneten Männer. Sie zog ihr zweites Messer, machte sich bereit. Um dem Geist zu entkommen, blieb sie in Bewegung. Als der Mann aber die Tür durchtrat, stürzte sie sich auf ihn. Wieder durchschnitt sie seine Kehle. Er war zu überrascht, um sich zu wehren.
Anders sah es mit seinem Kollegen aus. Er hatte sie bemerkt, hob nun seine Waffe und gab gleich drei Schüsse in ihre Richtung ab.