Es brauchte zwei Tage, bis die Erkältungssymptome besser wurden. Natürlich. Selbst wenn sie geschwächt war, halfen die magischen Kräfte, es schneller zu beenden. Auch ihre physischen Wunden heilten langsam. Die Kratzer am Hals hatten sich bereits geschlossen, waren nur noch rot auf ihrer Haut zu sehen und selbst die beiden Schusswunden schlossen sich nun auch. Einzig die an der Seite wässerte noch ein wenig, offenbar ein Überbleibsel der Entzündung.
Dennoch. Physisch ging es besser. Langsam.
Sie erlaubte es sich rauszugehen. Es war heiß, aber sie genoss die Sonne. Sie half ein wenig ihre Gedanken zu erleichtern und die bedrückenden Erinnerungen etwas weiter zu verscheuchen. Jedenfalls solange sie draußen war.
Saß sie abends drinnen auf ihrem Sofa oder lag im Bett kamen sie wieder. Erinnerungen an die Berührungen. An ihr Lachen. An die Schadenfreude.
Natürlich half das Schlafmittel, doch bei weitem nicht so sehr, wie sie es sich erhofft hatte. Sicher, es erlaubte ihr einzuschlafen, doch konnte es Albträume nicht verhindern. Albträume, die wieder und wieder sie in das Gefühl der Machtlosigkeit zurückversetzten. Dann war sie gefesselt. Ihr Körper schmerzte. Sie weinte. Männer ohne Gesichter berührten sie. Es gab nichts, was sie tun konnte, bis sie atemlos und mit brennenden Augen erwachte.
Pakhet seufzte, als sie sich in die Kissen zurückfallen ließ. Ihre Wangen waren feucht. Sie hatte im Schlaf geweint.
Sie hasste es so sehr. Sie hatte nicht mehr geweint, seit sie ein Kind gewesen war. Es machte alles noch schlimmer, gab ihr das Gefühl auch jetzt noch keine Kontrolle zu haben. Doch was konnte sie tun?
Müde legte sie sich auf die Seite und schaute zum großen Balkonfenster ihres Schlafzimmers. Von draußen fiel das Licht der Straßenlaternen herein. Vielleicht in einem Versuch nicht sofort wieder in den Schlaf und die Träume zurückzufallen, zog sie eins ihrer Kissen weiter herunter, so dass sie sich dagegen lehnen konnte.
Sie wusste einfach nicht, was sie tun konnte. Wie gern hätte sie mit Robert darüber gesprochen? Aber sie wusste, dass es ihm gegenüber nicht fair war. Er wollte mit ihrer Welt dahingehend nichts zu tun haben. Es würde ihn wahrscheinlich nur traumatisieren davon zu hören. Was, wenn sie ihn als Freund verlor?
Deswegen behielt sie es für sich. Was sollte sie auch sonst tun?
Ausnahmsweise wünschte sie sich wirklich, jemanden zu haben, der ihr zuhörte. Der davon wusste. Der verstand. Doch so jemanden gab es nicht und würde es nicht geben. Am Ende war das hier nur eine Phase. Und dann? Nein. Sie wollte keinem ihrer Kollegen in der Hinsicht näher kommen. Denn in ihrem Job waren die Chancen zu groß, dass einer von ihnen starb. Enge Bindungen machten die Wahrscheinlichkeiten größer, dumme Entscheidungen zu treffen. Und dumme Entscheidungen waren tödlich.
Außerdem würde es Michael nicht gefallen. Und dann?
Warum machte sie sich überhaupt Gedanken, was ihm gefiel und was nicht?
Doch die Wahrheit war, dass er so etwas jeder Zeit wieder tun konnte. Er konnte sie jederzeit auf eine Selbstmordmission schicken. Sie kannte Menschen wie ihn aus ihrer Zeit bei der Army – aber wenigstens waren die Arschlöcher dort offen damit gewesen, was es war.
Michael dagegen war ein manipulatives Arschloch.
Sie konnte ihm nicht vertrauen und war doch auf ihn angewiesen.
Ach, zur Hölle. Vielleicht hätte sie sich hierdrauf nie einlassen sollen. Vielleicht wäre es besser gewesen, hätte sie die ehrenhafte Entlassung in Kauf genommen. Aber was hätte sie danach gemacht? Wäre sie dann zu einer der Veteraninnen geworden, die auf die Hilfe der VA angewiesen wären? Drüben? In den USA?
Den Gedanken hasste sie noch mehr.
Verdammt. Sie wollte nicht in die USA zurück. Sie hatte es dort gehasst. Und dabei war es ihr nicht einmal wirklich schlecht gegangen. Aber irgendwie … Ja, irgendwie war es nie eine „Heimat“ gewesen. Wenigstens hatte sie hier das. Wenigstens war Kapstadt so etwas wie eine Heimat.
Zumindest das war ein tröstlicher Gedanke, der sie schließlich in den Schlaf begleitete.