CN für diesen Abschnitt:
Gewalt, Folter
Pakhet antwortete nicht. Was konnte die antworten. Sie war zu stolz, um „ja“ zu erwidern. Wie lange würde es dauern, bis ihr Stolz brach?
Wieder wurde die Tür geöffnet.
„Meili“, raunzte eine vage bekannte Stimme. Die folgenden Worte waren Mandarin.
Pakhet atmete bewusst. War das Li? Es musste Li sein. Die Frau hatte was von „Heung Chu“ gesagt. War das nicht eine Position bei den Triaden? Genau wusste sie es nicht. Wieso hatte sie nicht alle Informationen gehabt?
Laut Michael war Li ein Gangboss. Ein Gangboss, der irgendwas mit Drogen und Waffenhandel machte. Hohe Position? Nicht niedrig, doch auch kein Chef. Etwas ließ sie daran zweifeln – vielleicht auch, dass er eindeutig Magier war.
Noch immer wurden Worte in Mandarin gewechselt. Dann schon jemand einen Stuhl über den Boden. Zu ihr. Natürlich. Machtspiele. Als hätte sie davon noch nicht genug gehabt.
„Ich höre, Sie sind wach, Ms Kirby“, meinte die Männerstimme wieder.
„Wach und schwer enttäuscht von Ihrer Gastfreundlichkeit.“
„Sie wollen unbedingt die Starke spielen?“, fragte er.
Es war nicht sonderlich schwer zu erraten. Doch was blieb ihr für eine Wahl? Betteln würde wenig bringen – und sie war noch immer zu stolz dafür. „Nein, was ich unbedingt will, ist, dass Sie mich losbinden.“
„Das kann ich mir vorstellen“, erwiderte er ruhig. „Da gibt es allerdings das kleine Problem, dass sie versucht haben mich zu töten. Mit einer Überdosis Heroin, wenn ich nicht irre. Das ist … außergewöhnlich.“
„Ich gebe zu, das ist ein Problem“, murmelte sie.
Er atmete aus. Selbst durch den Stoff über ihrem Kopf konnte sie den Zigarettenrauch riechen. Mit einer Hand schob er den unteren Bund ihres Kleides hoch. „Deswegen würde ich vorschlagen, wir schauen, was Sie zu Ihrer Verteidigung zu sagen haben und beschließen dann, was wir mit Ihnen machen.“
Sie biss die Zähne zusammen, wohl ahnend, was er als nächstes tun würde. So machte sie keinen Laut, als er die Zigarette auf der Innenseite ihres Oberschenkels ausdrückte.
„Ich sehe schon, Sie sind … Wie sagt man auf Englisch?“ Er überlegte kurz. „Dickköpfig.“
Pakhet atmete tief durch. Sie durfte nicht der Angst nachgeben. So biss sie sich auf die Unterlippe. „Wir können das Ganze abkürzen“, sagte sie bemüht den Schmerz nicht durch ihre Stimme klingen zu lassen. „Ich bin eine Söldnerin aus Südafrika. Jemand war bereit mit 2500 Dollar plus Umkosten zu zahlen, damit ich Sie mit einer Überdosis Heroin umbringe. Ich arbeite in einem professionellen Umfeld, was bedeutet, dass ich nichts über meinen Auftraggeber weiß. Von allem was ich weiß, könnte er irgendwo hier im Raum sein.“
Ein schweres Seufzen erklang. „Das ist aber langweilig, finden Sie nicht? Zumal ich Ihnen noch keine Fragen gestellt habe.“ Er stand auf. Ein Klacken verriet, dass etwas von einem Tisch oder dergleichen genommen wurde. „Und jetzt sind Sie erst einmal besser still.“
Für einige Momente geschah nichts, selbst wenn es nur eine Taktik war, um ihr eine Reaktion zu entlocken. Dann aber wurde etwas gegen ihren Schenkel gedrückt. Ein ratterndes Geräusch erklang und einen Moment später durchzuckte der Schmerz Pakhets Körper.
Elektroschocker. Taser. Der Schmerz brannte sich in ihr Bein, zuckte dann durch ihren Körper. Wie wütende Insekten rauschte der Schmerz mit tausenden Stichen ihren Körper hinauf, wollte ihr die Sinne rauben. Vollkommen unwillkürlich begann sie zu zittern. Ein Keuchen kam über ihre Lippen, doch kein Schrei.
Endlich – es fühlte sich wie eine Ewigkeit an – nahm er den Taser weg.
Noch immer zitterte Pakhet. Zu viel Speichel hatte sich in ihrem Mund gebildet, zwang sie trotz des Stoffs davor auszuspucken. Sie atmete tief durch. Scheiße. Sie wollte das hier nicht.
„Dickköpfig, wirklich …“, murmelte Li.
Ein Klacken. Dann traf der Taser erneut ihr Knie. Dasselbe noch einmal. Schmerzen. Zittern. Brennen. Wütende Insekten. Ein Keuchen. Schwerer Atmen. Sie hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen, selbst als er den Taser entfernte.
Was konnte sie nur tun?
Nichts, außer zu versuchen einen Fehler zu provozieren. „Und was ist der Sinn dahinter?“, flüsterte sie.
„Wohinter?“
„Mich zu foltern.“
„Ein Exempel zu statuieren“, erwiderte Li. „Sie können es vielleicht nicht sehen, aber Sie werden gefilmt. Nur für den Fall, dass noch jemand auf solche Ideen kommt.“
„Gilt es bei Ihnen nicht als unprofessionell?“ Eigentlich riet sie nur. Aber es war eine Möglichkeit. „Ich dachte Tote sind okay, aber …“
„Leute wie Sie lassen sich nicht vom Tod abschrecken, oder?“ Ein metallener Klang verriet, dass er den Taser zurücklegte. „Schmerz dagegen …“ Er stand auf. Stoff rutschte. Zog er sein Jacket aus? Dann wurde wieder etwas bewegt. Er kam zu ihr. „Oder fürchten Sie sich davor, wenn ich Ihre Kehle durchschneiden würden?“ Etwas Kühles drückte gegen ihren Hals. Fraglos ein Messer.
„Sie wissen, dass ich Ihnen diese Genugtuung nicht geben werde.“
„Ja, so viel habe ich bereits mitbekommen“, erwiderte er. „Sie haben Training. Militärische Ausbildung? Anti-Terror vielleicht?“
Erstaunlich nahe dran. Natürlich schwieg sie. Das schlimmste, was ihr passieren konnte, war, dass jemand herausfand, wer sie eigentlich war.
Das Messer wanderte tiefer, wanderte zu ihrer linken Schulter. Würde er sie stechen? Stechen oder Schneiden wahrscheinlich. Oberflächlich. Immerhin wollte er nicht riskieren, dass sie starb, so viel hatte er klar gemacht. „Wir werden schon etwas finden, wovor Sie Angst haben“, meinte er schließlich und trennte den linken Träger des Kleides durch. Als sie nichts erwiderte fuhr er mit dem zweiten Träger fort.
Ihre Position sorgte dafür, dass das Kleid nicht rutschte, doch er schob es mit dem Messer hinab. Es war kein Zufall, dass die Spitze des Messer dabei immer wieder unter ihre Haut drang.
Sie aber presste sie Lippen aufeinander. Es war alles Taktik. Scham würde sie angreifbarer machen. Doch es machte praktisch keinen Unterschied. Das Kleid hatte ihr ohnehin nie Schutz geboten.
Einer der anderen Männer, die wohl noch immer im Raum waren, sagte etwas auf Mandarin. Ein anderer lachte abfällig. Wahrscheinlich eine Anmerkung über ihr Aussehen. Vielleicht über die mangelnde Größe ihrer Brüste oder darüber, dass sie zu viel Muskulatur hatte.
Weiter konzentrierte sie sich auf ihre Atmung. Nur nicht nachgeben.
„Wissen Sie“, meinte Li, „es wäre leicht Sie zu töten.“ Die Spitze des Messers stach unterhalb ihrer Brust in ihr Fleisch.
Pakhet machte einen verächtlichen Laut. „Und deswegen werden Sie es nicht tun?“
„Jedenfalls nicht auf die einfache Art“, erwiderte er und zog das Messer weg.
Das war wirklich keine gute Entwicklung. Und es gab wenig, was sie tun könnte. Verflucht, wenn sie nur irgendwie aus den verdammten Fesseln rauskäme. Vielleicht, wenn sie versuchte die Handschellen über die weichere Außenschale der Prothese zu ziehen … Eine neue Prothese kaufen wäre es wert!
Für einen Moment war Li ruhig. Er sagte nichts, tat nichts. Dann traf seine Faust ihren Kopf. Sie hätte es wissen müssen.
Wieder verkniff sie sich einen Laut. Sie schloss die Augen, konzentrierte sich auf die Handschelle. Mit der Rechten griff sie nach dem Ring, der um die Prothese lag, bewegte ihn ein Stück, ehe der nächste Schlag sie traf.
Ihr Kopf dröhnte. Eine Gehirnerschütterung würde alles noch schlimmer machen.
Sie musste sich fangen. Sie musste gefasst bleiben. Bis sie hier draußen war. Nur bis dann. Um Verletzungen konnte sie sich später kümmern.
Ein weiterer Schlag, ein weiteres Stück. Sie sollte sich in Zukunft angewöhnen einen Ersatzschlüssel unter der Haut der Prothese zu tragen. Ob sie damit durchkäme? Es wäre einen Versuch wert. Wäre die Hand der Prothese nur beweglicher …
Noch ein Schlag, dieses Mal auf ihren Magen. Sie kam nicht umher zu keuchen, als der Alkohol von zuvor drohte, ihr wieder hochzukommen.
Nein. Nein. Irgendwie würde sie hier herauskommen. Sie war noch immer in Kontrolle der Situation. Sie hatte die Kontrolle.
Mit der rechten drückte sie gegen den Daumen der Prothese. Ihn zu Brechen würde ihr keine Schmerzen bereiten, also wartete sie den nächsten Schlag ab, sammelte ihre Kraft und drückte zu. Ein leises Knacken erklang, nicht gänzlich zur selben Zeit, wie der Schlag, doch Li hatte es offenbar nicht bemerkt.
Ja, die Handschelle ließ sich weiter bewegen. Gut.
Der nächste Schlag traf sie in die Seite, doch sie schaffte es, die Handschelle zu lösen. Sie schärfte ihre Sinne, wartete den nächsten Schlag ab, um sich kurz vorher mit einem Ruck nach hinten zu werfen. Unsanft landete sie samt Stuhl auf dem Boden, streckte sofort die Beine aus, um die Fesseln dort zu lösen.