CN für diesen Abschnitt:
Folter, Blut
Pakhet wusste, dass mit jeder vergangenen Stunde, mit jeder neuen Verletzung ihre Chancen zu fliehen schwanden. Sie würde hier sterben, wenn sie nicht bald entkam. Selbst jetzt waren ihre Gedanken schwergängig. Ihr Kopf schmerzte. Würde sie überhaupt allein stehen können? Sie war sich nicht sicher. Dennoch: Sie konnte hier nicht sterben. Sie musste entkommen. Sie würde sich nicht von so einem Arsch töten lassen. Nicht so. Sie konnte nicht die Kontrolle verlieren.
Dabei hatte sie diese in Wahrheit bereits schon lange verloren.
Sie wusste nicht einmal mehr, wie lang sie schon hier war. Immer wieder hatte Li ihr Drogen gegeben. Irgendetwas, das er in ihre Nase gesprüht hatte und das ihre Gedanken hatte wirr werden lassen. Selbst jetzt war es noch, als säße sie auf der Rückbank in ihrem eigenen Kopf, während jemand anderes die Kontrolle hatte.
Jemand, der weinte, der Li anflehte, sie zu lassen, während er wieder nicht von ihr abließ.
Wie lange ging das schon so? Da die Jalousien heruntergelassen waren, hatte sie die Zeit nur schätzen können und selbst das fiel zwischen Drogen und Schmerzen schwer. Es mussten mindestens zwei Tage sein, selbst wenn es sich wie mehrere Wochen anfühlte.
Wieder vergewaltigte er sie und sie konnte nichts tun. Gar nichts. Sie war eingesperrt in ihrem Kopf, während jemand anderes die Kontrolle über ihren Körper hatte. Dass sie überhaupt wach war, dass sie selbst überhaupt dachte, war neu. Alles war so fern. Der einzige Vorteil an der Droge. Mit ihr waren die Schmerzen weit von ihrem eigentlichen Geist entfernt. Doch war es ihr eigentlicher Geist, der mehr und mehr den Halt verlor.
Sie musste hier raus.
Sie musste …
Wieder ließ er sie zurück. Er hatte sie seit mindestens einem Tag mit den Fesseln an der Decke fest gemacht. Ein Seil schnitt permanent in ihren Hals – jedoch nicht genug, um ihr ganz Blut und Atem abzuschnüren. Das wäre zu einfach.
Sie blutete. Sie wusste, dass sie blutete. Da waren mehrere Wunden. Zu viele. Wie lange würde es dauern, bis sie starb?
Zumindest hatte er ihr Essen und Trinken gegeben. Selbst wenn sie immer weniger bei sich behalten konnte. Es war letzten Endes nur eine Geste von ihm, um ihr Leiden zu verlängern. Dennoch nahm sie es an. Ohne fehlte ihr die Energie. Ohne würde sie nicht entkommen.
Sie musste entkommen.
Zeit verging. Sie war nicht allein. Immer war da jemand, beobachtete sie. Manchmal mehrere. Manchmal sprachen sie. Manchmal folterten sie sie. Da war auch eine Kamera. Sie filmten das hier. Als Abschreckung? Oder um sich daran aufzugeilen.
Nein. Nein. Nein. Sie wollte so nicht enden. Sie durfte so nicht enden.
Sie musste entkommen.
Sie wollte nicht weinen. Doch sie hatte keine Kontrolle. Das war nicht sie. Sie selbst war kaum mehr als ein kleiner Funke im Hinterkopf, der darauf wartete, dass die Wirkung der Droge nachließ.
Wie lange noch? Wie lange konnte sie noch überleben?
Aktuell war da ein recht muskulöser Mann im Raum. Er saß auf dem Sofa, rauchte. Er schien abgelenkt zu sein, doch das brachte ihr nichts. Sie war komplett gefesselt. Es gab nichts, was sie tun konnte, um zu entkommen.
Wenigstens hörte das, was auch immer sie kontrollierte, mit dem Weinen auf. Wenigstens das.
Sie hing da nur. Stumm. Still. Ausgeliefert. Wenn sie nur schlafen könnte. Doch was, wenn sie nicht mehr aufwachte?
Zeit verging. Der Typ kam zu ihr rüber, drückte die Zigarette an ihrer Schulter aus. Das hatten sie so oft getan. Sie sagte nichts. Sie rührte sich nicht. Sie konnte ihnen nicht die Genugtuung geben.
Moment. Das hieß, sie kam langsam wieder in die Kontrolle über den Körper. Das musste heißen die Wirkung ließ nach. Gut. Oder auch nicht. Denn es hieß auch die Schmerzen würden nach und nach zurückkehren.
Tatsächlich taten sie es. Und es waren so viele Schmerzen. Die blauen Flecken, die ihren Körper bedeckten. Die zwei Beulen, an ihrem Kopf. Da waren die Brandwunden, die angebrochenen Rippen. Schnitte. Und was auch immer in ihrem Inneren gerissen war.
Unter ihr hatte sich ein kleiner Pool aus Blut, aber auch anderen Körperflüssigkeiten gebildet.
Raus. Sie musste raus.
Die Tür wurde geöffnet. Aber es war nicht Li. Stattdessen wieder die Frau, die Pakhet ursprünglich für Lis Bodyguard gehalten hatte. Doch was auch immer sie war: Es war mehr als nur das. Denn auch wenn sie vor Li duckte, so hatten die anderen Respekt vor ihr. Ja, sie schienen sie beinahe zu fürchten. Pakhet hätte es nicht gewundert, wenn sie auch in irgendeiner Form magisch gewesen wäre. Mehr als ein einfacher Mensch.
Mit flötender Stimme sagte die Frau etwas zu Pakhets Wache. Sie trug ein Kleid, war fein herausgeputzt wie die ganze Zeit schon. Da sollte man meinen, dass die Leute schlechtere Dinge anzogen, wenn sie jemanden foltern wollten.
Die Frau wechselte ein paar Worte mit dem Wächter, ehe sie zu Pakhet hinüberstolzierte.
„Lebst du noch, Gweimui?“, fragte sie und sah ihr ins Gesicht. Da war eine kaum unterdrückte Freude in ihrem Blick. Was auch immer sie daran so spannend fand.
Verdammt. Pakhet fiel es schwer zu sprechen. Sie wollte etwas erwidern, wollte etwas sagen, doch das Seil, dass gegen ihre ohnehin raue Kehle drückte, schnürte ihr die Worte ab. Dennoch bemühte sie sich, soweit möglich, um einen widerspenstigen Blick, durch das nicht zugeschwollene Auge.
„Du hältst länger durch, als viele andere.“ Die Frau drehte sich zum Tisch, nahm den Taser, der ihr die meiste Freude zu bereiten schien. „Wir haben gewettet, weißt du?“
Pakhet schwieg. Sie schloss die Augen, erwartete den neuen Schmerz. Was konnte sie nur tun? Sie würden sie nicht losmachen, solange sie lebte, oder?
Ihr Körper zitterte, als die Frau die Kontakte des Tasers gegen ihren Bauch drückte. Für einen Moment schwanden ihr die Sinne, doch es war nicht mehr als ein Moment. Wahrscheinlich hatten sie das Gerät extra so eingestellt.
Pakhet atmete schwer. Sie würde es echt nicht viel länger ertragen können.
Jetzt betrachtete die Frau sie enttäuscht. „Mit Drogen machst du mehr Spaß“, murmelte sie und seufzte. „Schrei wenigstens mal.“
Pakhet fiel es schwer sie durch den dichten Dialekt hindurch zu verstehen. Letzten Endes war es eh egal. Sie würde nicht antworten. Das Weib verdiente keine Antwort. Sie war genau so sadistisch wie Li. Wahrscheinlich war sie nur eine der Personen, die sich hinter jemanden Mächtigen versteckten, der es ihnen erlaubte, ihre Fantasien, ihre Gelüste auszuleben.
Scheiße. Es war echt egal.
Sie kam hier nicht raus. Nicht lebend.
„Hast du nicht gehört, Gweimui?“, schnauzte die Frau jetzt. „Du bist langweilig.“ Wieder ratterte der Taser, ehe sie ihn gegen Pakhets Unterleib rammte.
Der Schmerz schoss durch Pakhets Körper und doch gab sie nicht mehr als ein leises Stöhnen von sich. Sie zog die Beine unterbewusst an oder versuchte es zumindest, doch waren auch diese gefesselt und an den Boden gebunden.
Verdammt.
Sie konnte wirklich nichts machen. Außer zu hoffen …
Nein. Es gab etwas. Es gab etwas, das funktionieren konnte. Und selbst wenn nicht hatte sie nicht mehr viel zu verlieren.
Wieder sah sie die Frau an, soweit ihre Augen es ihr noch erlaubten. So gut sie konnte, leckte sie sich über die Lippen. Sie schluckte, versuchte sich zu beherrschen, bemühte sich ein einzelnes Wort über ihre Lippen zu bringen.
„Was war das?“, zischte die Frau und beugte sich vor.
Pakhet holte tief Luft. „Bitch“, hauchte sie dann.