CN für diesen Abschnitt:
Gewalt, Tod
Er schrie auf, während sie sich zittrig bemühte, die Beine unter sich zu bringen. Nur kurz. Nur kurz
Sie stieß das Messer in seine Kehle, schnitt sie ihm durch und damit seinen Schrei ab.
Die Frau rief etwas auf Mandarin, doch hatte sie einen Fehler gemacht: Sie hatte den Taser abgelegt. Pakhet ließ das Messer fallen, warf nur einen kurzen Blick darauf. Ja, da war ein Regler. Bestens. Sie stellte ihn höher, schlug damit nach der Frau. Doch wie vorher zeigte sie, dass sie wusste, was sie tat. Sie war Kämpferin. Allerdings hatte ein Taser einen Vorteil: Eine Berührung genügte. Und so drehte Pakhet den Taser. Kurz kämpften sie, aber dann schaffte es Pakhet den Taser gegen den Oberschenkel der Frau zu drücken. Sie kreischte kurz, zitterte, verkrampfte sich. Gut.
Pakhet ließ den Taser sinken und griff nach dem Messer, um es in den Bauch der Frau zu rammen. Sie dachte nicht wirklich darüber nach. Es gab nur eine Sache, die wichtig war: Sie musste hier heraus.
Die Schreie hatte wahrscheinlich jemand gehört. Selbst wenn sie vermutete, dass der Raum gegen Geräusche leicht isoliert war. Wahrscheinlich waren da draußen irgendwo Leute. Diese sollten besser nicht hierher kommen.
Sie sah sich um. Jetzt was?
Ihr Körper schmerzte. Dennoch zog sie das Messer aus dem Bauch der Frau und schnitt die Fesseln, die ihre Fußgelenke aneinanderhielt damit auf. Dann Egal wie sehr es weh tat: Sie kämpfte sich auf die Beine, schaute zur Tür hinüber.
Irgendwas um diese zu versperren …
Dankbarerweise öffnete sie sich nach innen. Der Tisch. Der Tisch könnte funktionieren.
Sie musste den Schmerz ignorieren. Nur etwas. So kämpfte sie sich zum Tisch hinüber und schob ihn. Ihr Kopf pochte und immer wieder bildeten sich dunkle Flecken in ihrem Blickfeld. Aber verdammt. Sie durfte sich nicht aufhalten lassen. Das hier war die beste Chance. Und so stellte sie den Tisch vor die Tür.
Was draußen wohl gerade los war? Sie musste irrsinniges Glück gehabt haben, dass soweit niemand da war. Vielleicht hatte es doch niemand gehört.
Und jetzt?`
Raus.
Es gab nur eine Methode. Die Fenster.
Also gut. Jalousien waren dafür gemacht mit zwei Händen geöffnet zu werden, nicht mit einer halb tauben Hand. Dennoch kämpfte sie das Rollo weit genug auf, als dass sie hindurchpassen würde.
Sie sah hinaus. Es war Nacht. Die wievielte Nacht auch immer.
Doch das war nicht das Problem. Das größere Problem war, dass sie in einem oberen Stock war. Zehnter, elfter, zwölfter Stock. Es ging ein ganzes Stück in die Tiefe.
Scheiße.
Aber es war egal. Es musste egal sein. Besser in der Tiefe sterben, als hier. Sie brauchte die Kontrolle. Und vielleicht … sie war magisch. Sie hatte Möglichkeiten. Sie hätte mehr, würde ihr Körper nicht so schmerzen.
Sie sah an sich hinüber. So viele Wunden. Blut lief zwischen ihren Beinen hinab. Wahrscheinlich aus ihrer Vagina. Li hatte nicht lang gebraucht, um zu merken, dass er damit die meisten Reaktionen von ihr bekam. Er war ein kranker Bastard. Fakt war: Sie hatte zu viel Blut verloren und wenn sie den dumpfen Schmerz in ihrem Bauchraum richtig deutete, waren da auch innere Blutungen. Vielleicht ihre Nieren. Vielleicht ihre Eierstöcke …
Sie würde sterben, wenn sie nicht schnell Hilfe bekam.
Hilfe, die nicht in einem Krankenhaus sein durfte. Einmal davon abgesehen, dass sie nicht sicher war, ob Li sie dort finden konnte … was auch immer es war, sie würden es entfernen. Das war, wie menschliche Ärzte damit umgingen.
Nein. Nein. Falscher Ansatz! Sie musste erst hieraus kommen.
Sie brauchte Kleidung. So nackt würde sie auffallen, würde man sie festnehmen. Kleidung.
Sie wandte sich zu den beiden um. Seine Kleidung wäre etwas passend, vielleicht etwas klein. Es würde reichen. Für den Moment würde es reichen.
So rasch sie konnte, zog sie ihm das Hemd aus. Es war Blutdurchtränkt, doch das konnte sie im Moment nicht ändern. Wenigstens fand sie in seinen Taschen ein Portemonnaie, gefüllt mit einigen Yuan-Scheinen. Gut. Es würde ihr helfen.
Vielleicht auch die Frau?
Erst einmal schlüpfte Pakhet in Hemd und Hose des Mannes. Seine Schuhe konnte sie vergessen.
Jemand rüttelte an der Tür.
Scheiße.
Ein Ruf von draußen.
Pakhet schnappte sich die Handtasche der Frau, schaute hindurch. Ja. Auch etwas Geld. Gut. Wenigstens etwas.
Sie atmete durch, ging zum Fenster. Eine Waffe mitzunehmen machte keinen Sinn. Sie würde aktuell kaum kämpfen können. Dann öffnete sie das Fenster, lehnte sich hinaus. Sie war im zweitobersten Stockwerk. Ob sie es schaffen konnte das Dach zu erreichen? Aber was von da?
Nein. Sie brauchte einen anderen Plan.
Es sei denn …
Da über ihr war das Ende eines Krans. Ja. Eventuell konnte sie das als Brücke benutzen.
Aber was dann?
Egal. Erst dahin kommen.
Sie zog die Jalousien gänzlich hoch. Ihre Beine zitterten vor Schwäche, aber das durfte nicht sein. Sie wollte nicht sterben. Nicht so. Nicht …
Mühsam kämpfte sie sich auf die Fensterbank, bemüht sich mit dem noch immer halbtauben Arm zu balancieren. Dann sammelte sie die Energie. Ob sie überhaupt reichen konnte? Wäre sie wenigstens ein Blutmagier …
Aber so hatte sie keine Möglichkeit, als zu hoffen. Was war schon das schlimmste, was passieren konnte?
Sie schloss die Augen, ging in die Hocke und stieß sich ab.
Ihre Energie, die Magie in ihren Muskeln katapultierte sie gut drei Meter empor. Ja, es reichte gerade. Sie streckte die Hand auf, stöhnte, als ihr Gewicht an dem einen Arm hing.
Sie würde nicht aufgeben. Sie würde nicht loslassen. Sie würde das hier überleben. Irgendwie.
Wie sie es schaffte wusste sie nicht genau, doch am Ende zog sie sich aufs Dach, blieb für einen Moment liegen, verschnaufte. Smog und Lichtverschmutzung sorgten dafür, dass die Sterne nicht zu sehen waren.
Dann kämpfte sie sich auf die Beine.
Stimmen erklangen von unten. Schreie. Rufe. Sie suchten nach ihr. Bald würden sie die ganze Gegend absuchen. Spätestens wenn sie ihre Leiche nicht fanden.
Das Dach war mit Schotter belegt, der unsanft in ihre Fußsohlen drückte, als sie das Dach entlang Richtung Kran humpelte. Dieser stand nur knappe zehn Meter oder so vom Haus entfernt. Das konnte sie schaffen. Sie musste es einfach schaffen. Es brachte sie zumindest auf die andere Seite des Hauses. Da hinten war der Fluss. Dahinter ein anderer Distrikt.
Was würde man wohl sagen, wenn sie so ein Taxi rief?
Blieb ihr eine andere Wahl?
Sie schaffte es zu Fuß nicht zum Hotel. Nicht so. Sie hatte nicht genug Zeit. Selbst mit dem Taxi war es schwer. Doch wen hatte sie, den sie hier fragen konnte? Tenzien war entweder tot oder ein Verräter. Sonst kannte sie niemanden hier. Sie brauchte Michael und Michael konnte sie nur von ihrem Handy aus erreichen.
Also nahm sie Anlauf, rannte, sprang, schlug unsanft gegen das Metall des Krans. Zumindest war sie weit genug gewesen. Doch sie rutschte ab, klammerte sich nur mühselig fest. Die schwarzen Flecken vor ihren Augen breiteten sich aus.
Sie schloss die Augen, während sie sich an das kühle Metall klammerte. Sie durfte nicht loslassen. Sie wollte nicht sterben, verdammt … Sie wollte nicht sterben. Nicht hier. Nicht jetzt. Nicht bevor sie … ja, was eigentlich?
Es war egal.
Einige Male atmete sie tief durch. Atmete die Luft ein, die in ihrer Kehle brannte. Dann schob sie sich zwischen den Streben des Krans hindurch, um zur Leiter zu gelangen. Sie musste überleben. Irgendwie. Ja. Irgendwie.