Nur vage konnte ich mich an letztes Weihnachten erinnern.
An einen Weihnachtsbaum im Wohnzimmer und bunte Pakete, die abends plötzlich unter dem Baum lagen.
Sandro erzählte eines Tages davon und er fragte mich, wie ich mir das erste Weihnachtsfest hier vorstellen würde. Er sah mich ernst an.
Mir war dabei ein wenig komisch, weil mich noch nie jemand gefragt hatte, wie ich Weihnachten feiern möchte. Das kam doch einfach und die Großen machten das alles ...?
Ich kann mich dunkel erinnern, dass er lange darüber geredet hat. Er hat mir versucht zu erklären, was dieses Weihnachtsfest eigentlich zu bedeuten hat. Es kamen viele Worte darin vor, die ich noch nicht verstand. Besinnlichkeit, Freude (die kannte ich!) und vor allem Liebe. Das fand ich schön. Aber was wollte er von mir?
Am Ende hörte ich kaum noch zu, nur soviel begriff ich: Wir würden keinen armen Baum fällen, um ihn für ein paar Tage in ein Haus zu stellen, wo er nichts zu suchen hatte. Und es würde keine Geschenke geben. Na gut.
Zweifelnd sah ich ihn an, aber sagte nichts dazu. Was hatte ich ihm schon entgegenzusetzen?
Er nahm mich irgendwann auf den Schoß. Wir kuschelten lange begleitet von vielen Streicheleinheiten, die mir gut gefielen. Fast hätte ich es überhört, als er mich fragte, ob wir uns nicht in der Adventszeit, jeden Tag etwas ausdenken und machen wollten, was dem anderen gefällt und ihm so zu zeigen, dass man ihn lieb hat.
Als ich ihn groß anschaute, erklärte er es mir mit einem Beispiel.
»Wir können damit sofort beginnen. Wir brauchen nicht auf die Weihnachtszeit warten, weil wir uns jeden Tag im Jahr zeigen können, wie lieb wir uns haben. Ich habe für heute eine Idee für dich und bin gespannt, was du davon hältst. Beim letzten Besorgungstag habe ich ein schönes Öl mitgebracht, das wunderbar nach Vanille duftet. Wenn du magst, würde ich dich damit einreiben, wenn wir kuscheln. Wenn du genug hast, sagst du es mir und ich höre auf. Aber der Duft wird dich auch danach noch den ganzen Tag begleiten. Würde dir das gefallen, mein Engelchen?«
Die Aussicht von Sandro weitere Streicheleinheiten zu bekommen, ließ mich freudestrahlend nicken und ich hopste von seinem Schoß und begann ich alles vorzubereiten. Als ich einen Blick in Sandros Gesicht erhaschte, bemerkte ich, wie er sich verstohlen über die Augen wischte, bevor er im Schlafzimmer verschwand, wohl um das Öl zu holen. War er etwa traurig? Verunsichert schaute ich ihm entgegen, aber als er zur Tür hereinkam, lachte er schon wieder und ich hüpfte fröhlich auf mein Kuschelfell, was wir oft für die Kuschelzeit benutzten.
Zumindest gefiel es mir, dass ich nicht bis Weihnachten warten musste, sondern dass es sofort losging. Es war anders als bisher. Ohne Öl hatten seine Hände mich kaum berührt, nur wie ein Hauch waren sie über mich geglitten. Diesmal waren seine Hände mit dem Öl getränkt und er legte sie sanft aber gut spürbar auf und seine Hände glitten sanft an mir entlang und verstärkten hier und da ein wenig den Druck, sodass mir richtig schön warm wurde. Wenn er kurz innehielt, gab ich einen maunzenden Protestlaut von mir, dann vernahm ich ein unterdrücktes Lachen und er widmete sich gleich darauf wieder intensiv seiner Aufgabe. Ich zappelte, weil es mir so gut gefiel. Sandro merkte sich die Stellen, auf die ich besonders reagierte und fuhr meistens nochmal darüber. Er reagierte auf die kleinsten Bewegungen von mir und ich wollte, dass es nie wieder aufhörte und lag ganz still auf dem Bauch. Sanft schob er meine Haare zur Seite, fuhr über meine ausgestreckten Arme bis zu den Fingerspitzen und zurück, an meinen Seiten entlang zu meinen Beinen, hinunter und wieder hoch, hinüber zu meinem Rücken, bis zu meinem Nacken und dann wieder von vorne. Irgendwann war ich total ruhig und genoss es, ohne mich zu rühren, die Augen hielt ich geschlossen und beinahe wäre ich eingeschlafen, als Sandro dicht an meinem Ohr flüsterte: »Magst du dich umdrehen?«
Ich nickte nur, ohne mich zu bewegen, also drehte er mich um. Ich blinzelte ihn an und sah, wie er neues Öl auf seinen Händen anwärmte und diese dann beide auf meinen Bauch legte und wieder Arme und Beine mit einbezog.
Ich musste irgendwann eingeschlafen sein. Als ich erwachte, lag ich noch auf dem Fell, aber eingehüllt in ein großes Handtuch und umgeben von dem herrlichen Vanilleduft. Als ich den Kopf drehte, war Sandros Gesicht unmittelbar neben mir. Sein Blick in meine Augen war unbeschreiblich intensiv, er ließ mich erschauern, aber schön.
»Du bist eine kleine Genießerin, meine Süße. Hat es dir gefallen?«
Ich lächelte und nickte. Dann umfasste er mein Gesicht vorsichtig und ich spürte seine Lippen auf meiner Stirn, die dort ein Weilchen verweilten, ehe er sich seufzend von mir löste.
Ich mochte den Duft des Öls und ich wünschte es mir so oft, dass es nicht immer lange hielt. Später haben wir es besser eingeteilt.
Eines Tages, unsere Wunschaktion lief schon eine Weile, fiel mir etwas ein.
»Sandro, ich darf mir immer etwas wünschen, um zu sehen, wie lieb du mich hast. Warum wünschst du dir nichts von mir? Willst du gar nicht wissen, wie lieb ich dich habe?«
Das Glas, das Sandro in der Hand gehalten hatte, fiel scheppernd auf den Boden und zersplitterte auf dem Fußboden. Erschrocken wich ich zurück.
Ich wollte mich bücken, um die Scherben aufzuheben, da hörte ich Sandro das erste Mal in meinem Leben brüllen.
»Halt!«
Vor Schreck sprang ich nach hinten, kam ins Straucheln und plumpste auf meinen Po. Tränen stiegen mir in die Augen, ich schlug die Hände vors Gesicht und schluchzte haltlos.
»Bleib da sitzen und rühr dich nicht vom Fleck, bis ich dich hole!«
Ich wagte es nicht ihn anzusehen, bis er die Scherben aufgefegt und weggeworfen hatte. Dann kam er auf mich zu. Ich versuchte, noch weiter vor ihm zurückzuweichen, aber hinter mir war der Schrank und so griff er nach meinen Händen und zog sie mir vom verheulten Gesicht. Sanft strich er mir meine Haare aus dem Gesicht und zog mich dann an sich, hob mich hoch und ging mit mir zum Sofa.
Als mein Kopf an seiner Brust lehnte, spürte ich seinen schnellen Herzschlag. Er murmelte an meinem Kopf, sprach direkt in meine Haare etwas von Entschuldigung und Angst.
Das verstand ich, denn er hatte mir auch Angst gemacht und es dauerte eine Weile, bis wir uns beide beruhigt hatten. Leise begann er mir ein Trostlied zu singen und schaukelte mich behutsam, wir kamen zur Ruhe.
Als er mich wieder absetzte schauten wir uns einen Moment an, bis er mich anlächelte. Dann war wieder alles gut.
Er hatte mich immer noch lieb.