Auch wenn mich das rote Licht in Angelinas Augen etwas irritierte, es schien keinerlei weitere Auswirkungen zu haben. Außer vielleicht der merkwürdige Gedankenaustausch, den man an- oder abschalten konnte.
Beides schob ich zur Seite. Jetzt endlich wollte ich mit Angelina einfach mal eine sorgenfreie Zeit verbringen und das taten wir ausgiebig.
Schon sehr schnell spielten wir uns als Team ein, wir verstanden uns ohne viele Worte und hatten wenige Differenzen, die wir, wenn sie denn mal auftraten, dann schnell aus der Welt schaffen konnten.
Bis ich nochmal nach Ungarn musste, hatten wir noch einige Wochen für uns, die wir nutzten.
Als sie mich eines Abends mit einem romantischen Essen überraschte, dachte ich mir gleich, was sie mir sagen wollte. Ein Kind. Ich freute mich spontan, aber dann fing ich doch an, mir Sorgen zu machen. Bisher hatte ich die Gedanken daran zur Seite geschoben. Die Gefahr war so unwahrscheinlich, das Risiko war doch so gering gewesen.
Trotzdem beschäftigte mich der Gedanke mehr, als er sollte und ich suchte nach einem Gespräch mit Gio. Ich wollte wohl insgeheim eine Bestätigung, dass ich mir unnötig Sorgen machte. Nur leider sah Gio das ganz und gar nicht so locker. Besorgt sah er mich an. als ich ihm davon erzählte und ihn um Rat fragte.
»Nicht dein Ernst - ihr habt das nicht nachgerechnet vorher?« Als er sah, wie mir meine Gesichtszüge entgleisten, brachte er keine Vorwürfe mehr, aber sein besorgtes Gesicht sprach Bände. »Bist du sicher, dass es aus der Wandlung ist?«, fragte er noch nach. Ich zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht genau. Vielleicht nicht.«
»Wollen wir es mal hoffen, mein Freund. Du solltest trotzdem auf alles vorbereitet sein. Das wird haarig. Sowas steckt eine Frau nicht eben weg.«
»Ich weiß doch. Aber ich kann es doch jetzt nicht mehr ändern.«
»Nein, kannst du nicht. Schick sie zu uns, wenn du weg bist. Sie sollte auf keinen Fall alleine sein. Falls was passiert, sind wir wenigstens greifbar.«
Ich versprach, dafür zu sorgen und dankte ihm. Er umarmte mich tröstend und wünschte mir Glück. Ich konnte es jetzt gebrauchen.
Mit einem sehr mulmigen Gefühl fuhr ich nach Ungarn und versuchte, die Angst daheim zu lassen. Das schaffte ich zwar leidlich, aber nur, bis mich Gios Nachricht erreichte.
Wir hatten kein Glück gehabt.
Ich versuchte, so schnell wie möglich alles in Ungarn zu erledigen, damit ich zurück zu Angelina konnte und fand sie ungefähr so vor, wie ich es befürchtet hatte. Sie war tieftraurig und verzweifelt, aber sie hielt sich tapfer und ich hoffte von Herzen, dass wir auch diesen Schicksalsschlag irgendwann verarbeiten konnten.
Nach der Beerdigung unseres Babys verkrochen wir uns eine Weile und trösteten uns gegenseitig, bis wir uns allmählich wieder hinauswagten und so etwas wie ein neuer Alltag einkehrte in unser Leben ein.
Ganz vorsichtig wurde ich wieder optimistischer und versuchte Angelina zu helfen, mit der Situation fertig zu werden. Wann immer sie das Bedürfnis hatte, wieder darüber zu reden, dann tat ich das. Ich trauerte ebenso um unser Kind, ich hätte mir so gewünscht, dass es hätte leben dürfen.
Genau das war dann der Grund, warum ich eines Tages den Fehler machte und das aussprach, was ich gerade dachte.
»Es ist so tragisch. Das hätte nicht sein müssen, wenn wir ein wenig überlegt hätten vorher.«
Eine Bombe ungeahnten Ausmaßes schlug ein.
In dem Moment, wo ich es aussprach und in ihr Gesicht sah, wusste ich, dass es falsch gewesen war, aber ich konnte es nicht mehr zurücknehmen. Ich wollte auf sie zugehen, sie in den Arm nehmen, ihr alles erklären, aber sie schrie mich so an und wich vor mir zurück - ich spürte sofort den Hass, den sie mir entgegenschleuderte, der mir den Atem nahm, ich spürte den Schmerz, als sie an unserem Band riss, voller Wut und mit einer Kraft, die mir einen Schmerz zufügte, den ich kaum zu ertragen vermochte.
Ich kam gerade noch bis zur Tür, aber wenn ich mich nicht am Rahmen festgehalten hätte, wäre ich dort zusammengebrochen. »Angelina, bitte ... komm zurück zu mir ...«
Meine Stimme erreichte sie nicht mehr, sie weigerte sich, ihre Gedankentür war verschlossen - ich war verloren!
Mir wurde schlecht und mir brach der Angstschweiß aus, als ich langsam zu Boden ging. Mit letzter Kraft rief ich Gio über die Wolken zu Hilfe.
Er musste alles stehen und liegen gelassen haben, weil er wirklich schnell da war. Trotzdem ging es mir immer noch schlecht, als er mich ins Bett verfrachtete.
»Gio, sie ist völlig von Sinnen - sie zerrt an unserem Band, ich weiß nicht, was sie schon alles zerrissen hat, ich kann nichts mehr tun. Wie konnte das nur passieren?« Ich ließ mich erschöpft fallen.
Gio betrachtete mich sehr ernst und deckte mich erstmal zu.
»Sie wird wieder zur Vernunft kommen. Halt durch, Sandro! Sie kommt ganz sicher zurück. Ich habe Sophia informiert, sie wird sie suchen und herbringen. sie schafft das bestimmt.«
Ich hatte nicht mehr diese Zuversicht, aber wenigstens hatte sie nicht sofort alles zerrissen, sondern nur im ersten Anflug, aber es hatte schon gereicht, um mich umzuhauen. Ich spürte nicht mehr ihren Hass, sondern nur noch die Trauer und Verzweiflung, aber das musste nicht heißen, dass er nicht jeden Moment wieder hervorbrechen konnte und dann konnte alles vorbei sein.
Meine Brust schmerzte, ich brauchte sie unbedingt, sonst würde ich schon an diesen Verletzungen sterben. Wie viel Zeit hatten wir noch?
Ich merkte, wie ich dahindämmerte mit meinen unerträglichen Schmerzen. War vielleicht das Beste, was mir passieren konnte. Einschlafen und nicht mehr aufwachen.
Gio blieb bei mir, auch wenn ich immer nur in einem lichten Moment bemerkte, wenn ich die Augen aufschlug und mich umsah. Es war dunkel, es musste schon Nacht sein. Aus dem Wohnzimmer sah ich ein Licht, aber ansonsten war alles still und dunkel. Ich versank in Hoffnungslosigkeit, weil ich immer schwächer wurde. Wenigstens war die Todesangst verschwunden, aber Angelina meldete sich nicht und Sophia hatte sie bestimmt auch nicht gefunden.
Dann fiel mir etwas ein. Ich hob unter größten Anstrengungen meinen Kopf, sah Gio an.
»Sie ist bestimmt am See - bei unserem Baby ...«, murmelte ich.
Dann verlor ich wieder das Bewusstsein.