Ich schwankte tagelang zwischen Vorfreude und Angst, aber er ließ mich in Ruhe. Das war keine einfache Entscheidung und er bedrängte mich nicht, ließ mir die Zeit, die ich brauchte.
Manchmal suchte ich seine Nähe, ein anderes Mal brauchte ich Freiraum, aber irgendwann wollte ich einfach, dass ich endlich richtig zu ihm gehörte. Ein Fest wollte ich allerdings nicht daraus machen, obwohl ich genau wusste, dass Sophia und Gio hergekommen wären.
Aber diese Wandlung - ich wollte sie unbedingt, nur jetzt erschien sie mir plötzlich doch nicht so ungefährlich, weil sie praktisch unmittelbar bevorstand.
Aber ich hatte keine andere Wahl.
Je länger ich es vor mir herschob, desto unsicherer wurde ich, also brach ich die Grübeleien ab.
Ein paar Tage später nach dem Frühstück setzte ich mich zu ihm auf das Sofa und kuschelte mich an ihn. Wortlos, aber er ahnte, was in mir vorging und nahm mich einfach nur in den Arm. Dann redete er für mich.
»Das wird für uns beide etwas völlig Neues werden. Ich verspreche dir, dass ich vorsichtig sein werde. Ich will dir nicht weh tun und trotzdem kann es sein. Vermutlich wird dieses erste Mal für dich nicht so, wie du es dir vorstellst und wünschst, aber bald schon wirst du es genießen können, wie alles andere vorher. Die Wandlung ist im Fordergrund heute - und auch die Altersfestsetzung. Ich werde nicht von deiner Seite weichen und immer bei dir sein und dich halten und ...«
Ich zog seinen Kopf zu mir und legte meine Lippen auf seine, bis er aufhörte zu reden. Wir hatten genug geredet darüber.
Kurz danach trug er mich ins Schlafzimmer. Wir befreiten uns von unseren Sachen und dann schauten wir uns tief in die Augen.
»Der Mensch verabschiedet sich nun«, murmelte ich leise.
Ich konnte es an der Bewegung an seinem Hals sehen, wie hart er schluckte. Dann umfasste er sehr sanft mein Gesicht und küsste mich, während wir auf das Bett sanken. Wie schon so oft, ließ er seine Hände über meinen Körper wandern, er kannte meine empfindlichen Stellen, die mich die Luft einziehen ließ wenn er sie berührte und er besuchte sie so lange bis ich trotz der Aufregung zum Höhepunkt kam und nutzte den Moment kurz danach, um seine Erektion in Stellung zu bringen und vorsichtig in mich einzudringen.
Es war ein Wahnsinnsgefühl, wie er mich in einer Bewegung so ausfüllen konnte!
Das fehlende Puzzleteil war eingefügt und der Weg bis dahin war für mich, als wenn ich ein Portal geöffnet hätte, das mir eine neue Welt zeigte. Unbekannt, aufregend und ungewohnt. Er hatte einen Moment innegehalten, dann begann er sich in mir zu bewegen, sich zu entfernen und wieder einzudringen und ich konnte nichts weiter, als ihm zuzusehen und Halt an ihm zu suchen. Ich hatte kein Zeitgefühl mehr, schloss einfach meine Augen, bis er letztendlich mit wenigen Stößen in mir kam und mich dann festhielt, als wenn er Angst hätte, ich würde plötzlich weglaufen. Es war geschafft und wieder spürte ich diesmal seine Lippen, die mich liebkosten, als er aus mir herausglitt und ich fühlte mich so leer in diesem Moment, dass mir die Tränen in die Augen stiegen. Er sah es und schaute mich betroffen an, als er fragte: »Hab ich dir wehgetan? Ich ...«
Ich unterbrach ihn sofort.
»Nein, alles gut. Ich ... es war so umwerfend. Und anders, ungewohnt. Ich kann das noch nicht beschreiben. Ich weiß nur, dass wir das Richtige getan haben. Endlich gehöre ich zu dir ...«
Erleichterung blitzte in seinen Augen auf. Seinen sanften Kuss nahm ich gerade noch wahr, dann spürte ich, wie ich anfing zu zittern und mir wurde so kalt, dass ich Angst bekam. Sandro merkte sofort, was los war. Er schloss mich fest in die Arme. wollte mich trösten, aber ich hörte nur noch aus weiter Ferne: »Keine Angst, ich passe auf dich auf, mein Schatz. Ich bleibe jede einzelne Minute bei dir und ...«
Dann wurde mir schwarz vor Augen.
Als ich erwachte, durchströmten mich so viele Gefühle und Eindrücke, dass mir schwindelig wurde. Ich war total desorientiert und schaute mich fast panisch um, weil alles was ich fühlte, mich total überforderte.
Sandro lag neben mir und schlief, was mich sofort ein Stück weit beruhigte. Trotzdem tobten in mir die verschiedensten Gefühle durcheinander, dass ich mich am liebsten verkrochen hätte, um sie in Ruhe zu sortieren, aber dazu bekam ich keine Chance. Angefangen mit dem rasenden Herzschlag in meiner Brust, der in meinem Hals ankam und mir fast die Luft nahm. Ruckartig setzte ich mich auf. Ich versuchte krampfhaft, mich zu beruhigen und allmählich gelang es mir. Ich horchte in mich hinein und konnte nach einer gewissen Zeit hören, wie meinem üblichen Herzschlag ein sogar relativ starkes Echo folgte. Das Schattenherz, es meldete sich sehr eindrucksvoll, mich erfasste ein Glücksgefühl, das mich lächeln ließ - ich konnte es spüren.
Vorsichtig drehte ich mich zu Sandro um und ließ mich neben ihn ins Bett zurückgleiten, weil mir schon wieder ein emotionaler Orkan den Atem nahm. Ich hatte das Gefühl, ich könne ohne ihn nicht mehr leben, als sei er mein Atem, der mir erst das Leben einhauchte, so überwältigend schlug die Zuneigung zu ihm über mir zusammen, es tat weh, weil es noch einen Abstand zwischen uns gab. Trotzdem widerstand ich, ihn zu berühren, weil er so erschöpft und verletzlich dort lag und ich seinen Schlaf nicht unterbrechen wollte.
War das etwa das Gefühl, was Sandro seit Jahren mir gegenüber gehabt hatte? Die Macht der Seelenverwandtschaft. die so lange rief, bis man nachgeben musste? Wie hatte er das nur ertragen können?
Ich dachte an die Trennung, die mir schon so unsagbar schwer gefallen war, aber wie sehr musste er darunter gelitten haben?
Ich beobachtete ihn eine Weile im Schlaf, während mein Herz überquoll vor Liebe zu ihm. Wenn mir jemand vor der Wandlung gesagt hätte, dass ich ihn noch mehr lieben könnte, hätte ich ihn Lügner genannt. Aber es war wahr! Es durchströmte mich in unfassbarer Weise und ich schloss einen Moment die Augen, um mich wieder einzufangen.
Aber es war immer noch nicht vorbei, denn jetzt stiegen Bilder in mir auf, Bilder von denen ich nie gedacht hätte, dass ich sie jemals wieder sehen würde. Weil sie aus dem davor kamen. Mein Kinderzimmer, meine Eltern, wie sie mit mir dort spielten. Ein Friedhof, den ich nie sehen wollte und wo ich so viel geweint hatte, das Waisenhaus. Es erschütterte mich, all diese Erinnerungen zurückzubekommen. Ich brauchte ein paar Minuten, bis sie verblassten, dann ging es mir wieder besser.
Das war es, was ich hinter mir gelassen hatte, als ich mit Sandro damals wegging. Ich war so froh, dass ich jetzt erwachsen war und damit besser fertig werden konnte. Auch wenn es plötzlich wehtat, wieder Zugriff auf diese Erinnerungen zu haben, so war es doch gut und richtig, dass ich es konnte. Meine Eltern hatten es verdient, dass ihre Tochter ab und zu an sie denken konnte. Selbst wenn es ihre Marie gar nicht mehr gab.
Ich spürte eine sachte Bewegung neben mir und schlug die Augen wieder auf. Sandro erwachte und sah mich verschlafen an, bis ihm bewusst wurde, dass ich auch wach war. Dass ich da war. Alles war gut gegangen!
Aber seine grenzenlose Erleichterung in seinem Gesichtsausdruck wurde von einer großen Verwirrung abgelöst.
Diese Augen - was ist mit der Farbe los?
Seine Stimme klang aufgeregt und seltsam.
Du solltest meine Augenfarbe langsam kennen.
Ich konnte nichts anderes, als ihn zu necken, um die Spannung herauszunehmen, aber er schaute noch verwirrter.
Dann setzte er sich auf und starrte mich an.
Träume ich? Wieso höre ich deine Stimme, wenn du gar nicht sprichst?
Keine Ahnung?
...