Das konnte doch nicht wirklich sein Ernst sein? Ich konnte sehen, dass er mich wollte, was sollte diese Weigerung?
Ich würde auf keinen Fall mehr warten, nicht einen Tag länger! Es war Zeit, alle Register zu ziehen.
Ohne ein Wort begann ich nun meinerseits, ihn auszuziehen, wobei er mir nach einem zunächst misstrauischen Blick bereitwillig half und mich dann neben sich aufs Bett zog. Bevor ich begriff, was er vorhatte, zückte er bereits ein Kondom und hatte es in Nullkommanichts übergestreift. Dann beugte er sich über mich, und begann mich mit vielen winzigen Küssen zu verwöhnen, was mich bestätigte und anspornte, meinen Plan umzusetzen.
Nur schaffte ich es nicht sehr erfolgreich, mich diesen zärtlichen und aufregenden Berührungen zu entziehen, er ließ wirklich keine Stelle aus und so dauerte es nicht lange, bis ich es genoss ohne nachzudenken. Ich drängte mich an ihn, klammerte mich japsend an ihm fest und statt ihm die Sinne zu vernebeln - tat er es einfach mit mir und ich musste es geschehen lassen, ob ich wollte oder nicht.
Ich dachte noch, gleich, gleich werde ich ihm zeigen ... und dann driftete ich bereits wieder ab und wollte mich meinem nahenden Höhepunkt hingeben, als er plötzlich abbrach und mich nur im Arm hielt, während ich der nun wieder abnehmenden Welle fast verzweifelt hinterhertrauerte. Als sich mein Herzschlag etwas beruhigt hatte, machte Sandro plötzlich weiter, aber alles wieder so langsam, dass ich dachte, ich müsse gleich zerspringen, weil ich die Erregung wieder anschwellen spürte, aber an seiner Geschwindigkeit nichts beschleunigen konnte, obwohl doch alles in mir schon nach der Erlösung schrie. Unruhig versuchte ich mich, unter seinen Liebkosungen zu bewegen, ihm entgegen zu kommen, um ihn zu animieren, mich endlich kommen zu lassen, aber er ließ sich nicht beirren.
Ich begann zu murren, fast zu knurren, ein so verzweifeltes Geräusch, dass ich noch nie von mir vernommen hatte, aber ich konnte es nicht unterdrücken. Überrascht hob er seinen Kopf und sah mich an. Unsere Blicke trafen sich und es schien mir, als hätte ich einen Schalter umgelegt, denn endlich sorgte er dafür, dass ich mich in seinen Armen aufbäumte, als mich der Orgasmus überkam, wie ein Orkan fegte er mich ins Universum meiner Empfindungem. Ich hörte mit geschlossenen Augen mein Keuchen und dann plötzlich spürte ich seine Hände an meinem Gesicht, ein kurzer Druck an meinem Hals und dann - gar nichts mehr.
Das böse Erwachen kam am nächsten Morgen, noch sehr früh, es war dunkel und im Haus noch ruhig.
Zu ruhig.
Mein Blick huschte zur anderen Seite des Bettes.
Sandro war weg.
Er hatte seine Ankündigung wahr gemacht und war gegangen und hinterließ in mir nach der letzten Nacht eine Leere, die mich total erschreckte. Ich spürte ihn vermeintlich noch überall auf meinem Körper und ich fühlte mich so verlassen, wie noch nie in meinem Leben.
Spontan griff ich nach meinem dünnen Morgenmantel, der an der Tür hing, rannte vor die Haustür in der Hoffnung, ihn noch zu sehen, aber er musste schon vor Stunden gegangen sein.
Verzweifelt setzte ich mich ungeachtet des Regens auf die Treppe zur Haustür und weinte mir die Augen aus dem Kopf.
Ich konnte gar nicht mehr aufhören.
Sehr viel später fand mich schließlich Sophia dort.
Sie brachte mich sofort ins Haus und steckte mich in die Badewanne, denn ich war nass wie eine Katze, unterkühlt und es sollte auch nicht ohne Folgen bleiben. Eigentlich hatte sie mit mir schimpfen wollen, doch sie ließ es angesichts meines desolaten Zustands.
Am nächsten Tag bekam ich Fieber, doch das Schlimmste war meine Enttäuschung und Trauer wegen Sandros Verschwinden.
Erst nachdem drei Tage später das Fieber zurückging und nur noch eine böse Erkältung mich im Griff hatte, wagte es Sophia, mit mir zu reden. Natürlich über Sandro.
»Du hast es noch nicht gesehen?«, fragte sie, als sie mir mein Frühstück brachte.
Ich hatte überhaupt keinen Appetit, aber das wollte ich Sophia nicht sagen, weil sie sich so rührend um mich kümmerte. Ich zog die Augenbrauen hoch und sah sie fragend an.
»Was meinst du?«, fragte ich zurück.
»Die Nachricht von Sandro, die er dagelassen hat.« Sie deutete auf den Nachttisch, auf dem ich nun ein kleines Zettelchen entdeckte. Ich hatte es bisher völlig übersehen und schüttelte daher den Kopf.
»Vielleicht solltest du es lesen, bevor wir reden, meinst du nicht?« Ihre Stimme klang sanft und einfühlsam, trotzdem konnte ich den Kloß in meinem Hals nicht runterschlucken, als ich nach dem Zettel griff und ihn zögernd aufklappte.
Du bist meine Welt, Engelchen
Ich starrte darauf, meine Hand zitterte dermaßen, dass alle Buchstaben verschwammen. Da nahm mir Sophia den Zettel aus der Hand und legte ihn ohne ihn zu lesen wieder zurück.
Dann setzte sie sich zu mir und wiegte mich in ihren Armen. Wie Sandro es früher immer getan hatte ...
»Warum ist er weggegangen? Wieso meint er, dass ich noch nicht erwachsen genug bin für die Wandlung? Ich verstehe es einfach nicht.«
Meine Stimme klang so schrecklich erstickt.
»Ich schon«, sagte sie dann leise und ich schaute entsetzt hoch.
»Hast du das gesehen?« Sie deutete auf das Handtuch, welches zusammengeknüllt in einer Ecke des Bettes lag und ich bekam große Augen. Ein Stück eines gebrauchten Kondoms schaute hervor. Sollte Sandro etwa doch ...? Fragend ging mein Blick zu Sophia und sie nickte lächelnd.
»Das wird er dir nicht ohne Grund dagelassen haben. Was meinst du, wollte er dir damit wohl sagen? Der ordentliche Sandro, der niemals solche Hinterlassenschaften liegen lassen würde?«
Mir wurde schlagartig heiß und kalt gleichzeitig.
Mir rauschte mein Blut in den Ohren, als Sophia weitersprach.
»Sandro will dich als seine Gefährtin - das steht spätestens seit seiner Abreise und seiner "Nachricht" wohl eindeutig fest. Aber er will nicht, dass du ihm unterlegen bist. Er will dich auf Augenhöhe, nicht weiterhin als seine Schutzbefohlene. Und wenn du ehrlich bist, dann dürfte das auch dein Wunsch sein, Angelina. Du willst nicht hunderte von Jahren nur sein kleines Engelchen bleiben. Du willst eine echte Partnerin sein, stimmt es nicht? Meinst du, wenn du wirklich schon erwachsen wärst, wie du von dir ja annimmst - hättest du versucht, ihn dazu zu bringen, seine Vorsätze zu vergessen und dir nachzugeben? Das hast du doch versucht, oder?«
Ich senkte den Kopf. Sie hatte leider Recht.
Sophia war mir wie eine Mutter, irgendwie wie meine Ersatzmutter begegnet und Gio wie mein Vater, denn an meine eigenen Eltern konnte ich mich nicht erinnern und ich wurde von Anfang an in ihre Familie aufgenommen und ihre Kinder waren immer wie Geschwister für mich gewesen. Sie waren meine Familie.
Sandro dagegen war sofort wie ein Freund für mich gewesen - mein bester Freund, der aus dem Nichts aufgetaucht und sich immer um mich gekümmert hat. Sophias und Gios Kinder sahen in Sandro immer sowas wie einen großen Bruder. Es war okay für mich, mich sollte er einfach nur liebhaben. Das sich das mal zu echter Liebe entwickeln könnte, hatte ich nie erwartet, aber als ich ihn plötzlich nicht mehr um mich haben durfte, als er mich wegschickte, wurde ich zwar von der Familie aufgefangen - aber ich merkte wie sehr mir Sandro fehlte. Es hatte sich etwas verändert in meinen Gefühlen und das konnte ich lange nicht verstehen.
Sophia nahm mich in den Arm, weil sie merkte, dass ich immer noch mit mir kämpfte, um Sandros Entscheidung zu verstehen.
»Anderes Beispiel. Meinst du denn, es war besonders erwachsen, dich draußen stundenlang halb nackt hinzusetzen - und dir dabei fast eine Lungenentzüdung zu holen? Nennst du solch ein Verhalten erwachsen?«
Ich schüttelte beschämt den Kopf.
»Dann stimmt es also wirklich? Ich muss warten und weiß nicht wie lange? Wie soll ich das aushalten?«, fragte ich kleinlaut.
»Wie eine Erwachsene, Angelina. Ihr werdet einen Weg finden, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen. Gio und ich haben das auch mal exerziert - und ich sage dir, heute bin ich für die elendige Warterei so dankbar! Er wäre mir sonst Zeit seines Lebens auf der Nase herumgetanzt.«
Trotz meiner Tränen musste ich jetzt beinahe lachen.
»Nun werde erstmal wieder gesund und dann sehen wir weiter, wie wir die Zeit bis Sandros Rückkehr verbringen, ja? Jetzt frühstückst du erstmal. Du willst ja lernen, vernünftig zu sein, wie eine Erwachsene, oder?« Sie zwinkerte mir zu und machte sich auf den Weg nach unten, als ich sie an der Tür zurückrief, sodass sie innehielt und mich fragend ansah.
»Meinst du, Gio würde mich nochmal nach Hause fahren? Ich muss Sandro unbedingt noch einen Zettel schreiben ...«
»Das wird er bestimmt mit Freuden tun. Nun iss schön!«
Sophia ging hinaus. Das Handtuch mit dem verdächtigen Inhalt hatte sie mitgemommen. Ich liebte sie dafür, dass sie es für mich dagelassen hatte, denn so war ich mir plötzlich sicher, dass Sandro mich durchaus begehrenswert gefunden hatte - vielleicht sogar gern mit mir geschlafen hätte. Hatte er wirklich für mich verzichtet?
Sophia hatte bisher immer Recht behalten, also vertraute ich auch jetzt ihrem Urteil und seufzte leise. Mütter hatten doch meistens Recht, oder?
»Dann muss ich nun wohl schnell erwachsen werden. Vernünftig. Ich fang einfach mit dem Frühstück an.«
Eigentlich sahen die belegten Brote sehr lecker aus.
Hunger hatte ich auch, also griff ich zu.
Später würde ich mit Gio nach Hause fahren und den Zettel schreiben. Als Ergänzung zu dem, den ich ihm in mein Tagebuch gelegt hatte.
Ich hoffte, dass er das als einen echten Beweis von "erwachsen werden" ansehen könnte.
Jedenfalls wenn ich auch noch den Mut aufbringen würde, ihm beide Zettel zu geben. Ich seufzte, dann biss ich wieder vom Brot ab.
Wenn ich nur wüsste, was er mit mir angestellt hatte, weil ich mich an nichts mehr erinnern konnte ... Vielleicht würde ich Gio nachher mal danach fragen.