Es lief einfach hervorragend. Nachdem Sandro wieder bei mir war, kam mir alles andere plötzlich gar nicht mehr so wichtig vor und als Studpartnero konnten wir mehr als genug Spaß haben.
Die Wandlung war mir mit einem Male gar nicht mehr so wichtig. Mir gelang es, sie einfach für lange Zeit auszublenden und dafür lieber alles Mögliche über die Savantoj herausfinden. Auch die Wolkensprache lernte ich in Höchstgeschwindigkeit, leider nur, sie zu lesen. Sie selbst zu schreiben ging ja noch nicht.
Es hatte sich bei uns so etwas wie eine Alltagsroutine eingeschlichen, manchmal kam es mir vor, als wenn wir ein altes Ehepaar wären, die sich einfach blind verstanden. Nach zwei Jahren auch kein Wunder - oder waren es schon drei? Ich müsste bei den Schleifen nachzählen, aber ich fand es nicht mehr so wichtig. Aber ein altes Ehepaar? Ich grinste.
Naja, Savantoj heirateten nicht unbedingt, früher noch öfter, weil es unter Menschen so üblich war, schon wegen der Kinder, aber heute reichte es ihnen, wenn sie die nötigen Papiere vorweisen konnten. Alles andere interessierte nicht, sie wussten, dass sie zu ihren Partnern gehörten und sowas wie Fremdgehen gab es praktisch nie. Ich hatte inzwischen schon viel über die Ziele gelernt, obwohl mir noch nicht so richtig klar war, wie die Savantoj eigentlich auf die Erde gekommen waren - und so weit verteilt, dass sie weltweit in allen Bevölkerungsgruppen auftauchten, aber da wollte Sandro mit mir später nochmal irgendwohin fahren, damit ich da mehr erfahren konnte. In Büchern oder bei anderen Savantoj - ich wusste es nicht, aber weil es noch nicht gleich zu erledigen war, hakte ich es vorläufig gedanklich ab und stürzte mich auf die nächsten Themen. Die da wären, was nach der Wandlung geschehen würde, denn dass interessierte mich brennend.
Ich glaube, ich habe Sandro manchmal den letzten Nerv gekostet mit meinen vielen Fragen. Trotzdem hat er mit einer Engelsgeduld erklärt, was passieren würde mit meinem Körper. Ich musste zugeben, das war schon so unglaublich, dass ich es kaum fassen konnte.
»Wenn ein Savanto einen Menschen wandelt - wie weißt du ja nun schon - dann wird jede Zelle in ihm gewandelt. Es ist ein Prozess, der unterschiedlich lang dauern kann und er ist der einzig gefährliche Teil dabei. Geschieht es zu schnell, kann es sein, dass der menschliche Körper kollabiert und stirbt. Bestimmte vorsorgliche Voraussetzungen zu schaffen, damit das nicht geschieht, ist also im Interesse der betreffenden Personen, damit möglichst eine gute Umsetzung möglich ist. Also zum Beispiel, sollte die Zuneigung sehr stark sein, damit das Herz durchhält. Das Vertrauen zueinander sollte ebenfalls so stark wie möglich sein. Dass man den Körper bis dahin gesund und fit hält, versteht sich von selbst, aber auch der Savantoj muss in möglichst guter Verfassung sein. Ab einem bestimmten Zeitpunkt, kann er dem Menschen bei der Wandlung helfen - aber das funktioniert nicht immer, weil dazu bereits bestimmte Bereiche fertig gewandelt sein müssen.«
Ich staunte nicht schlecht, aber das Beste wusste ich noch gar nicht, damit hatte er noch gewartet. Er sah mich tatsächlich zweifelnd an, überlegte wohl, ob er das noch weiter ausführen sollte, aber natürlich drängte ich ihn dazu. Schließlich betraf es ja mich und ich wollte unbedingt wissen, was dann an und in mir anders sein sollte. An Sophia hatte ich keine nennenswerten Eigenschaften entdeckt, die mir darüber Aufschluss geben konnten.
»Weiter?« Ich musste mich zwingen, nicht zu ungeduldig zu wirken, aber er machte es auch wieder zu spannend.
Sandro nickte ergeben.
»Ich weiß nicht, ob du diese Vorstellung jetzt so gut findest, aber du hast Recht - es geht schließlich um dich. Also gut. Savantoj können sich untereinander erkennen. Das ist wichtig, wenn man Aufträge erhält und in ein fremdes Land reisen muss, um diese zu erfüllen. Die Wolkensprache gilt über den gesamten Globus, das ist der eine Teil, damit kann man sich Botschaften schicken, ohne dass man miteinander sprechen muss, also völlig unauffällig miteinander reden, was niemand bemerken kann, selbst wenn er unmittelbar daneben steht. Wenn sie sich begegnen und in unmittelbarer Nähe zueinander sind, brauchen sie sich nur in die Augen zu schauen. Savantoj haben ein kleines grünes Licht in den Augen, das Menschen nicht sehen können. Sehr hilfreich.«
Er lächelte mich an und sofort fragte ich mich, wie er wohl mit diesem Licht aussehen würde.
»Und sonst noch was? Das Beste hebst du doch immer bis zum Schluss auf, ich kenn dich doch.«
Jetzt zögerte er kurz, aber fuhr dann tatsächlich fort.
»Das Wichtigste überhaupt und natürlich ist es das Beste, du hast mich durchschaut ...« Hier zwinkerte er mir zu und ich lächelte zurück.
»Es entsteht ein zweites Herz, ein Ombrokoro, ein sogenanntes Schattenherz. Es versorgt das Menschenherz nach der Wandlung mit Energie, sodass das dann theoretisch ewig leben könnte. Darum werden Savantoj sehr, sehr alt. Jedoch muss man auf das Schattenherz achtgeben, es ist mit dem des Savanto verbunden, wird genährt von der Liebe, die die beiden Partner füreinander empfinden. Solange sie sich lieben, kann nichts geschehen. Wenn sie sich jemals gefühlsmäßig voneinander trennen, wird die Verbindung verkümmern und das Herz absterben. Wobei ich nicht davon ausgehe, dass das passieren könnte, denn wenn sich zwei so lange darauf vorbereiten, sollten sie sicher sein, dass sie sich lieben. Selbst wenn dann durch einen Unfall einer der beiden Partner sterben sollte, wird dieses Band weiter bestehen. Also so lange wie die Liebe hält, ist alles gut.«
Ich muss ihn ziemlich ängstlich angesehen haben, denn er zog mich in seine Arme und spürte mein klopfendes Herz.
»Es wird alles gut, Angelina. Hab keine Angst. Ich vertraue dir und meine Liebe zu dir kann nichts erschüttern, ich schwöre es dir.«
Ich schmiegte mich an ihn und schluckte. Das war trotzdem eine Vorstellung, die mir Angst machte.
»Ich sage dir noch etwas, damit du noch besser verstehst, dass du nichts zu befürchten hast, wenn es soweit ist - vorausgesetzt die Wandlung klappt. Etwas, was ich dir bisher verschwiegen habe, weil ich dir wirklich ehrlich die Chance geben wollte, dich für mich zu entscheiden ohne dieses Wissen. Wir Savantoj , besser nur einige von uns, warum weiß ich selbst noch nicht so genau, können durch die sogenannte Bestimmung einen Auraeho erhalten. Einen Seelenverwandten, der optimal zu einem passt und die perfekte Ergänzung zu einem selbst ergibt. Ohne ihn ist man nicht vollständig. Man kann existieren, aber es wird einem immer etwas fehlen, auch wenn man nie erfahren wird, was das ist.«
Hier machte er eine kleine Pause, ließ die Worte auf mich wirken und sie wirkten, weil sie mich elektrsierten, wie nichts zuvor in meinem Leben.
»Meine Auraeho bist du, Angelina. Ich habe dich gespürt vom ersten Tag deiner Existenz und als ich mein Studpartnero-Fest hinter mich gebracht hatte, bin ich sofort losgefahren, um dich zu suchen, zu finden und mitzunehmen. Ich hatte solche Angst, weil ich mich mit den Gefühlen von Menschen nicht auskannte und weil ich nicht die geringste Ahnung hatte, wie du auf mich reagierst, wenn du mich siehst. Aber alles war völlig unnötig. Die Bestimmung hatte auch für dich kleines Menschenkind vorgesorgt und dir das Vertrauen in mich geschenkt, dass ich an deine Seite gehöre. Natürlich nicht als Gefährte, wie es jetzt der Fall sein soll. Dazu musste ich dich erst groß ziehen, aber nachdem ich dich endlich bei mir hatte, war mir das alles egal. Ich wusste, oder hoffte, dass sich alles zum Guten wendet. Und bisher sieht es nach einigen Irrungen und Wirrungen ganz danach aus, als ob die Rechnung endlich bald aufgeht.«
Das waren jetzt Eröffnungen, die mich gelinde gesagt, ziemlich durcheinander brachten.
Ich wollte darüber nachdenken und Sandro verstand es, ohne weiter nachzufragen. Er nahm nur meine Hand und wir liefen schweigend durch den Wald zu unserem See, bei dem wir eine Pause machten.
Es war unheimlich, aufregend und verwirrend. Aber auch spannend, denn er würde mir eine völlig neue Welt eröffnen. Langsam begriff ich, was Sandro alles auf sich genommen hatte, um mir diese Möglichkeit zu geben. Das alles ohne eine Garantie, dass sich alles so erfüllt, wie er sich das gewünscht hatte, wie die Bestimmung ihm das aufgetragen hatte. Dabei hätte er es so einfach haben können - ich hätte mit dem Wissen über die Auraeho bestimmt sofort alles andere gar nicht mehr in Erwägung gezogen. Ich liebte Sandro wirklich, aber allmählich fragte ich mich, ob ich auch nur erahnen konnte, wie sehr er mich liebte?
Scheu schaute ich zu ihm hinüber, aber er starrte auf das Wasser, Er sah nicht ein bisschen besorgt aus. Er lächelte dieses Lächeln, das ich so liebte und wartete.
Wie immer auf mich.
Ich lehnte mich an ihn und konnte mein Glück irgendwie nicht fassen - auch wenn ich immer noch ein Mensch war.
Aber nur drei Tage später legte er mir morgens die nächste goldene Schleife auf mein Kopfkissen und ich fragte ihn nur, ob wir sie gemeinsam anbringen wollten.
Seine Gegenfrage brachte mich dann völlig aus der Fassung.