Samstag. Ruhe. Himmlische Ruhe. Willi und Familie sind wieder in Singen. Zuvor stand mir Blondi noch einmal Model. Mir, rein privat. Einen Satz Bilder nur an Willy, als Ehemann. Und soll ich euch mal was sagen? Blondi war immer noch das tolle Model von früher. Ihre Kurven waren zwar etwas abgeschliffen, aber immer noch brennend heiß. Details nahm ich übrigens keine mehr auf.
Wir faulenzen am Pool, bestens bedient von Sara. Kim und Lis hatten es gemanagt, dass sie, fast wie nebenbei, bei Paolo, dem Koch, lernte was High Cuisine und was gute Häppchenküche ist. Kim meinte, zurück in Stuttgart würden wir sicher unsere Freude an ihr haben. „Mit dem, was sie so für die Küche gelernt hat“, präzisierte sie, nach einem nachdenklichen Blick zu mir. Ich wusste was sie dachte und zog ihr den Zahn sofort. Sara ist unsere Angestellte. Oder doch nicht, vielleicht schon ein bisschen eine Freundin? Geliebte niemals.
Das Personal war bereits mit aufräumen und putzen beschäftigt. Nur Mikel war noch da. Kim und er machten zuerst die Abrechnung für das Fotomaterial. Wir hatten 5000 Filmrollen bis auf 10 Rollen verbraten, knapp 180000 Dias. Literweise Entwickler und über 50 Rollen Papier. Lis hat das meiste davon entwickelt.
Mikel gab ihr, ebenso wie Kim, einen Extrabonus. 10000 Bilder waren von mir, 280 Filme. Mikel übernahm 240, der Rest war sowieso Übungsmüll. Von den Bildern der Studenten kaufte er 3000.
Willi wollte nur 1000 Bilder haben.
Die Studenten wollten natürlich ebenfalls Abzüge der gelungenen Fotos. Auch von den lustigen Patzern wurden Abzüge bestellt. Im Enderfolg waren es echte Mengen von Bildern. Kim machte auch für die Studenten den Sonderpreis, eine Mark pro Stück. Jetzt sah sie mich völlig entsetzt an. Es ging um 125000 Bilder und um 20000 Kopien von Dias. Dann, noch knapp 1000 Bilder für die Uni, Belege zu den Prüfungsunterlagen, meist zehn Bilder je Shooting. Die fielen kaum mehr ins Gewicht.
„Unsere Models haben eigentlich das Recht, auch einen Abzug zu bekommen. Zumindest von denen, die Mikel und Willi rausgesucht haben. Und dann haben wir ja noch ein paar Bilder, du weißt schon. Die Bumsfotos und superheißen Details“, meinte Lis treuherzig.
„Bumsfotos? Details? Da habe ich keine gesehen. Stehen die zum Verkauf?“, sprang Mikel sogleich an.
„Ich weiß es nicht. Es sind nur 20 Filme, die ich aus eigenem Vorrat dazugab. Ausbeute 95%, also rund 700 Bilder. Irgendwie haben wir die einfach vergessen. Haben wir die Adressen, Kim?“
„Haben wir.“
„Haben wir einen Schrieb wegen der Veröffentlichung?“
„Haben wir.“
„Haben wir die Filme parat?“
„Haben wir“, sagte Kim lachend.
„Dann sehen wir sie uns später an. Ich fürchte, das kostet mich noch mehr Geld“, lachte nun Mikel.
„Haben wir“, fügte er an.
„Du hast doch genug Fotos gekauft. Was um alle Welt willst du mit all den Bildern? Ich meine echte Spitzenklasse ist bei den Studenten erst in der letzten Woche dabei. Sonst warst du eigentlich viel wählerischer. Oder wollt ihr noch mal ein Lingerie Sonderheft rausgeben? Willi hat auch verblüffend viele Bilder gekauft. Sicher, ihr habt sie billig bekommen, aber rechtfertigt das solch einen Rieseneinkauf? So ganz komme ich da nicht mit?“
„Ganz einfach, Teens braucht was, eventuell auch ein Sonderheft für Teens. Die normale Fiesta braucht was. Die Sonderausgabe Studenten ist klar. Ein zweites Italien ebenfalls. Das kann ganz locker sogar noch ein Drittes werden. Und dann das Projekt von Willi und mir ...“ Er brach ab und sah mich etwas verstört an.
„Das hat dir ja noch gar keiner gesagt?“
Ich schüttelte, sicher etwas hilflos, den Kopf.
„Wir machten es vorgestern erst klar. Willi und der Verlag wollen ein Bildarchiv gründen. Kleine Verlage und Werbeagenturen haben ihm und uns das Haus eingerannt, um Bilder in Erst- und Folgeauflagen zu bekommen. Er hat mit dir wohl schon einmal darüber gesprochen. Wir wollen nun einen Katalog mit monatlichen Ergänzungen machen, nach dem verkauft werden kann. Jedes Bild im Katalog wird mit 10 Mark honoriert. Bei Verkauf bekommen Model und Fotograf ein Honorar, abhängig vom Verwendungszweck. Willi arbeitet alles noch ein wenig aus. Komplette Unterlagen gibt’s im August.“
„Das ist eine gute Idee. Wem gehören die Rechte bei einer Veröffentlichung?“, fragte ich. Ich bin nicht unbedingt geldgierig. Es war mehr allgemeines Interesse, wohl auch im Sinne der Models.
„Dem Eigner des Copyrights natürlich. Er ist der einzig, legitime Partner. Was dachtest du? Er gibt dem Model sein Geld. Wie ich schon sagte, alles abhängig von der Auflage des veröffentlichen Mediums. Kleine Auflage, kleines Geld; große Auflage großes Geld. Davon geht natürlich ein kleiner Teil an uns, ein größerer Teil an den Fotografen und ein sehr großer Teil an das Model. Genau gesagt, wir bekommen 15% für die Vermittlung.“
„Das ist in Ordnung. Ich nehme an, die Bilder sind klein genug, dass der Katalog nicht zum ... sagen wir mal Vergnügen dient.“
„Richtig. Dazu geht er nur an echte Kunden und zu einem echten Preis. Die Selbstkosten müssen voll gedeckt sein. Mit allen Unkosten. Wir denken an eine Auflage von 200 Bänden. Etwas gedruckter Text, dann Fotoabzüge mit jeweils 24 bis 36 Bildern pro Seite. Das müsste eigentlich reichen. Abzüge in 13 x 18 cm, wo man etwas mehr daraus sehen kann, können gegen Geld bestellt werden. “
„Ich verstehe. Wer macht die Fotoseiten?“
„Da fordert Willi Angebote an. Ihr, als Spezialisten, habt eine faire Chance, denke ich mal. Es ist ein Riesenauftrag. Rechne nach.“
„Genug Geschäfte“, murrte Kim. „Habt ihr die Zahlen von vorhin schon vergessen? Ich denke, Paul, du solltest Roland bitten morgen zu kommen. Das mit den Kopien muss erledigt werden und die Filme müssen sicher nach Stuttgart. Er wird arg jammern, die Bilder werden aber bis Donnerstag durch sein. Dann die Filme raussuchen und ab damit nach London. Du hast den Kopf voller Flausen, ans Geschäft denkst du wohl gar nicht, Meister Paul.“
Ich nahm die leicht zornige Kim in den Arm und küsste sie. Mikel lachte, dann nahm er sie auch noch in den Arm.
„Du bist der wahre Schatz der Firma. Die Seele vom Geschäft. Ich habe nicht aufgepasst, leider kam nun Jane dazwischen. Als meine kleine Frau hätte ich mir dich aber sehr gut vorstellen können. Jetzt hat dich halt leider dieser Paul am Wickel.“
Kim gab ihm lachend eine Ohrfeige. Es war blödes Geschwätz und das wusste jeder von uns nur zu genau.
Ich rief Roland an. Er ist Sonntag da.
Mit ihm kommen Papa und Mama Bronner. Schwiegersohn Axel und die älteste Tochter Kristin übernehmen solange das Geschäft. Für zwei Wochen. Mit ihnen kommen aber auch Rama Radama und Friedrich. Sozusagen als Vorhut.
***
Wir saßen an diesem Abend noch lange auf dem Balkon in unserer Wohnung, oben. Mikel wurde mit Geschichten aus dem Seminar versorgt; halt mit dem letzten Klatsch und Tratsch, da sind meine Frauen einfach perfekt. Was gab es auch sonst für sie hier zu erleben. Mikel lachte Tränen, als ihm Kim von ihrem Unfall mit Josi erzählte. Er wollte die Bilder, die hatte Kim mir aber abgeluchst. Mikel durfte sie sehen, bekommen tat er sie aber nicht. Sie sei kein Pornostar, wurde er kühl abgefertigt.
Langsam wurden wir alle müde, da meinte Mikel zum Abschluss: „Ich freue mich für euch, Paul, nun ist ja nicht nur deine Firma, auch deine Ehe konsolidiert. Deine Ehefrau erwartet euern Nachwuchs, dein Studio steht auf soliden Beinen, du bist Meister, und Kim, deine Nebenfrau, ist glücklich mit ihrem eigenen Geschäft, wie sie mir versichert. Hättet ihr das gedacht, als du vor 4 Jahren angefangen hast?“
„Nein. Gehofft schon, aber nicht so schnell und vor allem nicht so erfolgreich“, musste ich gestehen. „Die Konsolidierung kam eigentlich 10 Jahre früher als ich es mir erhoffte. Meine damaligen Pläne sahen ja noch ein Studium vor. Alleine dafür würden wohl locker vier Jahre draufgehen. Heute, mit euch als Partner, sehe ich keine Probleme auf uns zukommen. Bilder, wie ich sie mache, werden kaum mehr zu unterdrücken sein. Gut, das Fernsehen mit seinen dummen Pornofilmchen ist eine kleine Konkurrenz - ich sehe aber nicht, dass ein Film jemals das Bild ablöst. Nein, um auf deine Frage zurückzukommen, nein, das hätte ich nicht gedacht.“
„Es sieht nicht so aus, sagt der Doktor, als würde es Schwierigkeiten mit der Geburt geben. Ich denke jedoch, die Konsolidierung ist erst abgeschlossen, wenn meine beiden Lümmel da sind“, sagte Lis völlig zu Recht und Kim nickte bestätigend. „Erst, wenn die Familie Oktober Junior komplett ist, kann man von einer Konsolidierung sprechen. Das ist wenigstens meine Meinung.“
„Jetzt kommen erst mal die wohlverdienten Sommerferien. Das eine oder andere Bild werde ich da sicher noch schießen. Wenn wir zurück in Stuttgart sind, widme ich mich wieder ganz den Nachbarn bis Lis niederkommt. Dann bin ich für 14 Tage unabkömmlich.“
„Das ist völlig klar“, meinte Mikel. „Ruft mich gleich an, wenn es so weit ist. Jane und ich wollen zur Taufe unbedingt kommen. Apropos Jane, sie hat mir in ihrer Großmut gestattet, wenn alles so liefe, wie ich es mir erhoffte, dürfe ich Kim zum Schmusen auf mein Zimmer einladen, wenn sie Lust dazu hat.“ Ich nickte, Kim lachte und ging mit ihm.
Mikel flog am nächsten Tag zurück nach London. Reichlich mit Bildern versehen und, nicht zu vergessen, zumindest für einige Zeit, voll zufrieden, was Fotos angeht. Ich konnte es auch etwas lockerer angehen. Ich hoffte dabei auf Freunde, die zu uns in Urlaub kommen und vielleicht noch ein paar Italienerinnen, die immer noch Nachschub aus dem Lager von Willi brauchen. Auch sonst ...
***
Alberto brachte Mikel weg und holte unsere neuen Gäste ab. Lis warf sich in Schale. Kim konnte das natürlich auch. Nachdem Mom und Pop sich ebenfalls aufputzten, blieb mir nichts anderes übrig als anstelle des bequemen T-Shirts und der Shorts, lange Hosen und ein gutes Hemd anzuziehen. Das mit der Krawatte ließ ich aber. Auch Sara hatte ein sehr schickes Sommerkleidchen an, das ihr Willi geschenkt hat. Als Dank für ihre Mitarbeit.
Mama und Rama schnappten sich zuerst Lis. „Wie geht es dir, wie geht es den Kindern, ist das nicht alles zu viel für dich du arme Kleine, wäre es in Stuttgart nicht viel besser für dich gewesen, hier ist es doch viel zu warm ...“
„Ach haltet doch die Klappe. Ich bekomme nur ein ... nein, zwei Kinder. Das haben Millionen von Frauen geschafft. Was soll da der Stress. Das ist meine Aufgabe und fertig“, lachte Lis nur.
Mutter und Stammmutter sahen es ein. Endlich hatte auch Papa Bronner eine Chance seine Jüngste zu begrüßen. Er hatte sie lange genug nicht mehr gesehen.
Ich ging mit Roland in mein Büro. Im Safe lagerten die Filme des Seminars. Roland wurde bleich. „Ich hatte schon mal gerechnet, aber ihr müsst total verrückt geworden sein. Ich habe Papier für 100000 Bilder bestellt. Ich hatte Bammel es sei zu viel, dann wäre Kim über mich gekommen. Nun, wir können sowieso nicht alles auf einmal machen. Ist denn wenigstens alles so gelaufen, wie du es dir vorgestellt hast?“, fragte er zum Schluss.
„Ja, ist es. Eigentlich noch viel besser. Ich muss beim Cocktail ja sowieso meinen Gästen alles erzählen, du bist natürlich dabei. Bis dahin rate ich dir, mache es dir bequem - gehe baden.“
Danach nahmen mich Rama und Mama in Beschlag. Sie waren mit ihren Suiten sehr zufrieden, sie fanden sie vielmehr einfach toll. Und meinen Meister ... und Lis sieht ja so prächtig aus, ob sie auch ganz sicher keine Probleme hätte ... ob ich den auch lieb genug zu ihr sei.
Lis und Kim nahmen mir die Damen wieder ab. Ich verzog mich mit Pop, Papa und Friedrich ins private Wohnzimmer. Papa stellte fest, dass wir keinen ordentlichen Teppich hätten. Jetzt haben wir einen. So ein teppichhandelnder Schwiegervater hat schon seine Vorteile.
Zur Feier des Tages hatte ich extra 100jährigen Cognac gekauft und dicke Havannas. Selbst Papa rauchte eine. Der Cognac goutierte uns allen, wir verpassten beinahe die Cocktailstunde. Die alten Herren waren sehr zufrieden. Mit Gott, der Welt und mit mir.
Zur Cocktailstunde wurde ich gefordert. Kräftig unterstützt von Lis und Kim, erzählten wir. Auch von ein paar Schandtaten der Studenten. Pop lächelte dabei etwas verkniffen, der Rest lachte umso fröhlicher. Mom wurde von den Neuankömmlingen bewundert, ob ihrer guten Figur und ihrer sprühend guten Laune. Roland wurde bedauert, ob der vielen Arbeit, die auf ihn zukam.
„Das ist kein Problem. Wenn Paul mich braucht, bin ich auch für Sonderschichten da. Es ist mein Job und ich tue ihn gerne. Meiner kleinen Tochter wird der Vater noch nicht so sehr fehlen. Sie schläft halt noch viel und die Lisl, die hilft mir einfach.“
Einige wussten noch nichts von der Tochter. „Leider hat sie keine echten Mandelaugen, wie ich es mir doch so sehr gewünscht hatte. Wir haben sie aber auch so genommen. Lisl ist ganz vernarrt in unsere Tochter. Beinahe hätte sie unsere Vortragsserie an der Uni deshalb platzen lassen. Beide Omas haben sich aber darum gerissen für sie zu sorgen. Sie hat trotzdem in jeder Pause angerufen. Oder ich“, erzähle Roland frei weg.
Dann mussten Kim und ich von der Krim erzählen. Wir hatten ja nur ein paar Tage zwischen der Rückkehr aus Jalta und dem Seminar in der Villa Rama Radama. Dieser Name stand inzwischen in vergoldeten Lettern über dem Eingangstor. Rama hatte es natürlich sofort erspäht. Sie hat bisher aber so getan, als hätte sie es nicht gesehen. Friedrich sagte mir aber schon in der Herrenrunde, dass sie sehr gerührt war, dass wir dabei an sie dachten.
Nach den Geschichten aus Russland, bei denen Kim besonders glänzte, kam natürlich viel Privates hoch. Wie geht es Leila, Peter, Traudl ... Wir wurden mit dem neuesten Stand der Dinge bekannt gemacht. Leila und Peter haben jetzt eine eigene kleine Wohnung. Beide müssen aber noch ihre Lehre beenden.
„Leila lernen Friseurin und Traudl auch. Sie wollen in Stadt machen Salon. Bis selber soweit, einstellen Meister“, erzählte Rama. „Salon groß, elegant und teuer. Haben gelernt von Kim, wie machen Geschäft. Nun lernen viele Stunden an Tag. Wollen sein bestes Friseur in weite Welt. Sonst nicht können sein teuer. Sie arg fleißig, beide sehr. Wir uns freuen dafür.“
„Ja, Rama, das glaube ich. Alle Frauen des Hauses, einschließlich der meinen, scheinen das irgendwie im Blut zu haben. Wenn die Zwei das so wollen, dann werden sie das auch können. Und was wird Peter später machen? Hat er schon Pläne? Er bleibt doch beim Kaufmann? Oder hat er gar etwas ganz anderes vor?“
„Oh nein. Haben große Pläne, aber noch sehr geheim. Ich verstehen, soll sein etwas mit machen aus Schweiz. Du fragen ihn selber. Sehr kompliziert. Ich nicht begreifen.“
Ich lachte. Rama wollte sich mit Sicherheit nur davor drücken, voreilig etwas zu sagen, was noch nicht spruchreif war. Wenn sie, Prinzessin aus dem Hause Radama, es nicht begriffen hätte, könnte sie niemals die leitende Geschäftsführerin des Hauses für Europa sein. Und das ist sie nun halt mal, dabei hatte ich den Eindruck, sie machte es keinesfalls schlecht.
***
Es begann eine sehr schöne Urlaubszeit. Alle genossen es. Mit Beginn der Ferien trudelten genug Gäste ein, um das Gästehaus zu füllen. Kunden, Schulfreunde, Mickimäuse und D-Girls. Die hatten natürlich schon gehört, was hier so los war. Sie bezahlten und bekamen die Juniorsuiten bei uns unter dem Dach. Natürlich nicht mehr zum Sonderpreis. Das erwarteten sie auch nicht. Hochsaison. Finanziell sind sie alle nicht schlecht gestellt. Zwei brachten den neuen Freund mit, zwei der Freunde von Axel, die wir ihnen einmal vorstellten. Sie schienen damals wohl wirklich gut angekommen sein, bei jenem Gartenfest in dem alten Gasthof von Martha und ihrer Schwester.
Für besondere Freunde waren unsere großen Suiten reserviert. Dazu gehörten natürlich auch Hans und Renate, wenn sie sich auch nur für ein langes Wochenende freimachen konnten.
Zum Wochenende danach kamen, zu meiner Freude Fortune und Martin. Renate hatte das mit Lis und Kim klar gemacht, für mich war es eine Überraschung, als sie donnerstagabends plötzlich zur Blue Hour, wie sie in Martinique die Cocktailstunde nennen, auftauchten.
„Hallo, Fortune, was für eine Freude dich hier zu sehen. Das ist ja eine hübsche Überraschung“, freute ich mich.
Ich wurde heftig abgeküsst, erst dann meinte sie: „Ich habe Renate darum gebeten, es war uns sehr, sehr wichtig“, mit diesen Worten zog sie Martin heran. Ich hatte ihn in meiner Freude noch gar nicht gesehen. Wer schaut schon nach anderen, wenn man von einer so schönen jungen Frau wie Fortune geküsst wird. Wir begrüßten uns, wie es sich für gute alte Freunde so gehört.
„Wir haben ein ganz besonderes Attentat vor“, meinte Fortune dann, mit blitzenden Augen. „Renate sagte, hier bei euch sei der richtige Platz unsere Verlobung bekannt zu geben und sie auch zu feiern. Ich hoffe, wir überfordern euch nicht damit. Renate sagt die Kosten ...“
„Renate hat hier gar nichts zu sagen. Abgesehen davon, dass ich alles weiß“, sagte Lis. „Es ist alles vorbereitet. Ihr bekommt ein schönes Zimmer und heute Abend gibt es ein Gala Diner alleine zu eurer Verlobung kreiert. Dabei kann Martin dann seinen Antrag machen, vor all den anwesenden Gästen und in allen Ehren. Der Abend gehört ganz euch.“
Wie zu erwarten, gab es freundliches Gemurmel unter den Gästen, die an der Cocktailstunde teilnahmen. Die beiden schritten zur Begrüßung, mit Händeschütteln.
Ich schnappte mit Lis und Kim. „Warum habt ihr nichts gesagt? Da hätten wir doch noch ...“
Die Eltern einladen können?“, grinste Lis. „Wer, denkst du schläft in den Juniorsuiten auf unserem Flur? Sie werden gerade vom Flughafen abgeholt. Die Eltern von Martin, Fortunes Oma und Opa aus Norden und natürlich auch ... Heidi. Sie hat das einfache Zimmer neben ihren Eltern. Es ist aber geplant, dass sie, inoffiziell, bei uns schläft. Es ist ihr eigener Wunsch. Fortune und Martin wissen von nichts.“
Ich nahm meine Frau in den Arm und bedankte mich. „Danke für die gute Idee, ich freue mich ja so für Fortune, vor allem, dass jetzt alles gut für sie wurde. Unsere Intervention scheint geholfen zu haben. Wenn aber Renate um die Verlobung so einen Zirkus macht, dann sind die beiden bestimm gut in ihrem Job.“
Das Gästehaus war inzwischen mit Mickimäusen und deren Freunde, Verlobten oder Gatten, belegt. Freunde aus Stuttgart und Freunde von Leila und Traudl belegten den Rest. Die beiden, mit Peter und Josef, dem Verlobten von Traudl, wohnten in den restlichen Juniorsuiten bei uns unter dem Dach. Leila meinte grinsend, die seien auch für eine junge Prinzessin, wie sie, völlig ausreichend. Kristin und Axel König bewohnten eine der größeren Juniorsuiten. Papa und Mama waren seit dem Vortag wieder daheim, so wurde eine der große Suite frei. Unser Haus war sonst gut gefüllt.
Nach dem Cocktail brachten Lis und ich, Fortune und Martin in die freie große Suite. Fortune zögerte kurz, sah mich und Lis etwas seltsam an, dann packte sie Martin am Arm.
„Das Schicksal hat es so gewollt. Dann soll es halt heute, nach der offiziellen Verlobung, geschehen“, dabei wurde sie knallrot.
„Oh, ihr habt noch nicht ...“, lächelte Lis die Situation sehr schnell erkennend.
„Nein, wir haben nicht“, sagte Martin. Wir haben ein ganzes Leben vor uns, warum sollten wir es jetzt übereilen. Die erste Erfahrung haben wir ja beide hinter uns“, grinste er nun. Die beiden hatten offensichtlich miteinander geredet. Gut so. „Geküsst haben wir uns natürlich schon und schmusen gehört auch schon zu unseren Spielarten“, gab er noch zu. „Aber nun beginnt meine Ausbildung an der Fachschule härter zu werden. Ich werde jetzt in der Woche ganz dort sein. Fortune und ich haben uns nun entschlossen, vorher unsere Beziehung zu legalisieren. Daher die Verlobung.“
„Ich glaube es war mein Wunsch“, erklärte die immer noch errötete Fortune „Wenn Martin an den Wochenenden kommt, mag ich ihm dann nicht mehr verweigern, was ich ja auch gerne möchte. Aber ich habe mir geschworen, keine Abenteuer mehr - und Martin hatte das von Anfang an akzeptiert.“
„Nun ja“, lächelte jetzt Martin. „Ich kam mit meiner Liebsten gut zurecht, wobei unsere Schmuserei ja nicht unbedingt als keusch zu bezeichnen war. Dieser Urlaub schien uns beiden die richtige Gelegenheit, uns nun gegenseitig die Ehe zu versprechen, wenn ich ihre Mutter bisher auch nur schriftlich um die Hand ihrer Tochter gebeten habe. Ich bekam die Erlaubnis. Wir wollen ja später sowieso nach Martinique, dann werde ich sie wohl kennen lernen. Es ist ja geplant, soweit ich weiß, ist es euch bekannt, dass Fortune das Hotel dort übernehmen soll“, erklärte uns Martin noch sehr ausführlich.
„Bitte kleidet euch dem heutigen Anlass entsprechend, Sara holt euch um fünf vor acht ab“, bat Lis laut lachend.
***
Wir kamen zurück in die Halle. Die Haustür ging auf und - da kam schon ein blonder Wirbelwind angeschossen. Ich hatte Heidi, Fortunes Mutter, am Hals, Heidi, fast im Alter von Mom. Recht brutal wurde ich schrecklich abgeknutscht, dann kam, sehr viel vorsichtiger, Lis an die Reihe. Ihr Bäuchlein ließ sich nun nicht mehr verbergen.
„Ihr glaubt gar nicht, wie glücklich ich bin und wie neugierig auf Martin. Seine Eltern sind nett, das haben auch Mama und Papa gesagt. Ach ja, darf ich vorstellen ...“
Martins Eltern kannten wir ja von verschiedenen Schulfeiern her. Ich war das eine oder andere Mal auch bei ihnen zu Hause. Die Eltern von Heidi waren rüstige Rentner, gerade geworden. Sie wirkten ein wenig steif, die Umgebung war ihnen halt fremd. Lis brachte sie und Heidi auf ihre Zimmer. Ich kümmerte mich um die Eltern von Martin.
Die Überraschung gelang Lis total. Alberto hatte für die Gäste des Haupthauses, die bequemen Sessel zu einer großen Tafel am Pool arrangiert. Die Plätze für die Gäste im Gästehaus waren heute etwas zurückgesetzt. Ein Buffet mit Antipasti barg das Beste, was die Küche hergab. Als Hauptgericht sollte es Seeteufel an Safrancreme geben. Paolo war heute über sich selbst hinausgewachsen. Die Drohung von Lis, wegen der Spitzenküche bei Heidi, hatte seine letzten Reserven mobilisiert. Er wollte uns und sich keinesfalls blamieren.
Jetzt saßen die Eltern und Großeltern links und rechts von zwei freien Plätzen an unserer großen Tafel. Wir saßen gegenüber. Sara brachte Fortune und Martin. Ein Aufschrei von Fortune, dann hing sie am Hals der Mutter. Martin wurde herangezogen und vorgestellt. Heidi ließ die hochgezogenen Schultern fallen, Martin gefiel ihr wohl. Seine Eltern hatten es einfacher, sie kannten Fortune ja schon.
Das Essen begann. Ein Mandolinenorchester klimperte im Hintergrund. Es kam jetzt öfters her. Eine schmälzende Stimme sang oh sole mio. Lis hatte an unserem Tisch zur Feier des Tages Moet Champagner rausgerückt.
Nach dem Hauptgang stand Martin forsch auf und schlug ans Glas. „Nachdem die romantische Stimmung hier, fast alle Damen zum pubertierenden Wahnsinn treibt, ist mein Anliegen wohl nur noch von geringem Interesse: Fortune willst du mich heiraten? Heidi Janssen gibst du sie mir zur Frau?“
Die Stimmung explodierte. Von den Nebentischen her, klangen Hochrufe; dann gab es ringsum eine wilde Küsserei. Lis, der Satansbraten, hatte für ein kleines Feuerwerk gesorgt, das jetzt fröhlich losknatterte, dann brachte Paolo mit seiner Crew, italienische Eisbomben mit sprühenden Wunderkerzen und das Orchester legte erst so richtig los. Das Ja von Heidi und Fortune hörte wohl keiner mehr. Da sie sich aber alle in den Armen lagen, musste es wohl erfolgt sein.
Später, sehr viel später, gingen wir zu Bett. Mit Heidi, wie gewünscht. Kim kam mit. Zuerst jedoch war, gemeinsam, unser Whirlpool angesagt. Die Nacht war lau und wir verschwitzt von der Party.
„Lasst mich zuerst mal die Grüße von Contessa und Juan ausrichten. Sie haben einen 5-Jahres-Vertrag in Jamaika angenommen. Sie haben mich mal kurz besucht. Die beiden sind happy. Conte sagt, ihre kühnsten Träume seien mehr als erfüllt und Juan Carlos sei wirklich der Mann ihrer Träume. Ein richtiger Mann“, berichtete Heidi.
„Das freut uns aber“, meinte Lis fröhlich.
„Fortune hat mir oft, sehr oft geschrieben. Auch von und über Martin. Sie war erst etwas zögerlich, sie traute sich wohl selbst noch nicht. Aus ihren Zeilen sprach aber die aufblühende Liebe. Ich riet ihr so gut ich konnte. Nun glaube ich, sie hat das Beste daraus gemacht. Er scheint auf alle Fälle sehr nett zu sein. Ich hatte ihr ja so einen Mann von Herzen gewünscht. Ihr habt ihn, für sie, gefunden.“
„Er ist ein guter Freund, ich denke auch zuverlässig. Wie aber geht es dir, wer macht die Arbeit?“, wollte ich wissen. „Erzähle.“
Izabel und unser Student machen das Bisschen. Die eine Woche wird das schon, ohne größere Katastrophen klappen.“
„Woche? Ich denke du fliegst morgen schon wieder“, wurde Lis wieder einmal hellhörig.
„Ja, nach Bremen. Von dort geht es mit meinen Eltern nach Norden. Ich war damals kaum ein paar Tage alleine, da kam ein Brief meiner Mutter; ein guter alter Freund von mir hatte seine Frau verloren. Ich schrieb ihm, er antwortete. Ich werde nun Karli besuchen, den alten Freund. Wenn wir noch zusammenpassen, wird er seinen Hof dem Sohn übergeben, sein Sparbuch einpacken und mitkommen. Er hat Lust noch einmal einen Neuanfang zu wagen. Dort erinnert ihn zu viel an Leni, seine Frau. Ob wir heiraten? Ich finde das nicht mehr so wichtig. Lieben können wir uns auch so, wenn es denn dazu kommt. Freuen würde es mich. Immerhin war ich mal als Teenager sehr in ihn verknallt.“
Ich nahm Heidi ganz fest in den Arm und küsste sie. Mehr brüderlich, dann gab ich sie an Lis ab. Wir quatschten noch bis zur Morgenröte. Auch Kim war fröhlich dabei, sie kannte ja die ganze Geschichte aus unseren Erzählungen.
***
Fortune und Martin kamen, vor Glück fast berstend, erst um zehn zum Frühstück. Lis und ich hatten dieses Glück am nächsten Morgen, nun schon mehrmals gesehen und es auch selbst erlebt.
Nicht nur Heidi sah sofort was los war. Sie nahm Martin fest in die Arme. „Mache sie glücklich, ihr werdet ein prima Paar. Lernt fleißig, denn euer Hotel wartet auf euch.“ Dann wurde die Tochter in den Arm genommen. Ich sah Tränen glitzern. Tränen des Glücks, da war ich ganz sicher. Lis sah es auch, sie ging raus, auch weinen denke ich mir mal. Kim, in letzter Zeit stets in ihrem Schatten, ging ihr nach.
Beatrix Mai, oder war es Mom? Sie lächelte vor sich hin. Ich war sicher, eine neue Story reifte in ihr. Herz, Schmerz und dann die Erlösung, der Aufbruch zum Glück; das ist ihre Welt, ihre Romanwelt. Und ihre zahlreiche Leserschaft muss stets unterhalten werden.
***
Am 10. August verkündete Lis, dass sie nach Hause wolle. „Ich denke, solange kann es ja nun nicht mehr dauern. Am 25. bin ich fällig. Zu Hause will noch so Einiges geregelt werden. Wer möchte, kann bleiben. Paul kannst du das bitte regeln? Irgendwie stehe ich ein wenig neben mir. Nein. Keine Angst, es geht mir gut, aber bitte, sicher ist sicher. Schließlich bekomme ich das erste Mal Kinder.“
Völlig klar, dass sofort der Urlaub abgebrochen wurde. In 5 Tagen wäre er sowieso vorbei. Es war schwer Plätze im Flieger zu bekommen. Papa half, von Stuttgart aus. Einige Gäste blieben gerne noch, das verringerte das Problem. Das Stammpersonal wurde ganz einfach behalten, wenn auch mit reduziertem Gehalt. Sie hatten nun wohl ein paar Monate nicht viel zu tun. Jetzt hatten sie Ferien und diese waren wohl verdient und gegönnt. Alle waren ganz prima.
Zurück in Stuttgart, begann bei meinen Frauen eine hektische Tätigkeit. Auch Mom ließ sich davon anstecken. Mehr schlecht als Recht, machte ich meine Arbeit für die Nachbarn. Ohne viel Hilfe und (leider) auch ohne viel Lust. Das kann allerdings auch daran gelegen haben, dass ich das Pech hatte, hintereinander, nicht gerade unfähige aber doch unbegabte Nachbarn anzutreffen. Wenn es sowieso schon zäh geht, nervt das noch mehr. Nur Kristin und manchmal Lisl waren mit dabei. Die Zeit verging nur äußerst langsam.