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Kapitel 1
Ein Morgen in der Welt der Menschen
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Der Mensch – Killian – führt mich in ein Menschengebäude. Er öffnet eine verschlossene Tür. Seine Handgeste wirkt freundlich, als er mich vorgehen lässt und die Tür dann hinter uns schließt. Nach einem Klick ist das Zimmer hell erleuchtet. Die Magie der Menschen wirkt so einfach und dennoch ist sie bemerkenswert.
„Ich würde vorschlagen, dass du dich aufwärmst und ein Bad nimmst und ich bringe dir etwas Bequemes zum Anziehen. Dich nur in meiner Jacke und deinem Kostümchen herumsitzen zu lassen, wäre nicht besonders gastfreundlich von mir.“
Diese Aussage wirft schnell eine Frage auf: „Ihr Menschen verhüllt also immer eure Körper?“
„Ihr Meerjungfrauen nicht?“, fragt Killian amüsiert.
„Nein, unter Wasser ist Kleidung nicht besonders praktikabel.“
„Klar, unter Wasser. Macht Sinn. Aber an Land solltest du dir vielleicht doch etwas anziehen.“ Killian zwinkert mir zu, diese simple Geste bringt mich dazu, ihn anzulächeln.
Er öffnet eine weitere Tür und mit einem Klick erhellt sich auch dieser Raum durch Zauberhand. Ich trete auf den Menschen zu und sehe an ihm vorbei, sodass ich einen Blick hineinwerfen kann. Der Raum ist nicht besonders groß.
„Hier ist das Badezimmer. Brauchst du irgendetwas Bestimmtes?“, fragt er mich, dabei öffnet er die Tür eines Schranks und nimmt etwas heraus. „Handtücher sind hier.“ Als er spricht, legt er die Tücher zur Seite. „Badewanne ist da. Shampoo und Schaumbad sind auch da, nimm dir, was du brauchst.“ Ich muss Killian so irritiert und verwirrt ansehen, dass er sofort versteht, dass ich keine Ahnung habe, wovon er redet. Der Mensch lacht und schüttelt dann den Kopf. „Okay, verstehe. Meerjungfrauen kennen das nicht. Du darfst gerne aus der Rolle fallen, ich mache mich hier sonst zum Affen.“ Als ich den Kopf schief lege, räuspert er sich und reibt sich über den Nacken. „Am besten wäre es wohl, wenn ich dir einfach ein Bad einlasse und die Klappe halte.“
Der Mensch betätigt einen Hebel und plötzlich fließt Wasser in eine große Wanne. Ich sehe ihm begeistert zu, wie er eine blaue Flüssigkeit in das Wasser gießt und sich im Anschluss Schaumblasen auf dem Wasser bilden.
„Faszinierend, wie schön die Blasen aufsteigen und auf der Oberfläche schwimmen“, gebe ich leise von mir. Eigentlich gehe ich davon aus, dass der Mensch mich nicht hört, doch er sieht zu mir.
„Du bist unglaublich“, meint er grinsend.
Ich sehe den Menschen lächelnd an, als ich ihm das Gewand reiche, mit dem er mich draußen bedeckt hat. Er wendet seinen Blick recht schnell von mir, doch das macht mir nicht viel aus, denn das Wasser ist für mich ohnehin interessanter in diesem Moment. Es liegt in meiner Natur, mich danach zu sehnen. Ich beuge mich über die Wanne und streiche mit meinen Fingern ich durch das warme Wasser. Der Duft, der davon ausgeht, ist betörend.
„Ich äh… bring dir dann gleich etwas Bequemeres zum Anziehen…“
Als ich mich wieder zu dem Menschen umdrehe, verlässt er den Raum und schließt die Tür. Ich bin ein bisschen enttäuscht, dass er weggeht, doch ich bin auch sicher, dass er wiederkommen wird, immerhin hat er es gerade angekündigt.
Mein Verlangen lässt sich nicht weiter zurückhalten und auch wenn ich in der Wanne nicht schwimmen kann, setze ich mich hinein. Glücklich darüber, Wasser zu spüren, lehne ich mich zurück und schließe meine Augen. Der Pegel steigt immer weiter und weiter. Als meine Beine komplett von Wasser umhüllt sind, schließen sie sich zusammen und verwandeln sich zurück in eine Flosse. Vorsichtig taste ich nach dem Hebel und betätige ihn. Das fließende Wasser stoppt. Neugierig tippe ich mit meinen Fingern auf dem Hebel herum, ehe ich ihn wieder nach oben ziehe, so wie der Mensch es getan hat. Das Wasser fließt erneut in die Wanne, erst als ich ihn wieder nach unten drücke, stoppt das Wasser erneut. Mit großer Begeisterung wiederhole ich den Vorgang einige Male, lasse den Hebel dann jedoch unten, denn in der Wanne ist kaum noch Platz für weiteres Wasser. Genau genommen ist kaum Platz für mich selbst. Meine Flosse ragt über den Rand hinaus, doch das stört mich nicht weiter, ich genieße es, Wasser um mich zu haben, selbst wenn es nur so wenig ist.
Der Mensch klopft an der Tür, ich sehe gleich hinauf. „Darf ich reinkommen?“
„Natürlich.“
„Hier-wow, what the fuck?!“ Der Mensch bleibt mit offenem Mund in der Tür stehen und lässt die Kleidung fallen, die er gerade hereinbringen wollte. „Das-Du-Wie?“
Ich bewege meine Flosse ein wenig und sehe den Menschen mit einem Lächeln an. „Du hast mir bis jetzt nicht geglaubt, richtig? Glaubst du mir jetzt?“
„Du…“ Der Mensch reibt sich mit beiden Händen über das Gesicht. „Wie?“
„Ich habe dir doch gesagt, dass ich eine Meerjungfrau bin.“
Killian setzt sich ungläubig vor die Wanne. Er betrachtet meine Flosse und blinzelt mehrere Male. „Das ist ein Trick, ein Scherz, richtig?“
Ich beuge mich enthusiastisch zu ihm, greife nach seinem Arm und lege seine Hand an das herausstehende Ende meiner Flosse. „Es ist, wie ich es dir gesagt habe, Mensch.“
Zaghaft und sehr vorsichtig berührt der Mensch meine Flosse. „Wow, das ist… Du bist echt.“ Er dreht seinen Kopf zu meinem Gesicht. „Entschuldige, dass ich dir nicht geglaubt habe, aber das ist so verrückt. Wie… in einem Film oder einem Buch. Wow, fuck.“ Der Mensch nimmt seine Hand von meiner Flosse und sieht mir wieder ins Gesicht. „Das ist so verrückt. Der glaubt mir keiner. Eine Meerjungfrau in meiner Badewanne.“ Killian betrachtet wieder meine Flosse, dabei schweigt er für einen sehr langen Moment. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass das gerade wirklich passiert.“
„Wieso ist das so abwegig?“, frage ich irritiert. „Du nutzt doch selbst Magie.“
„Was? Magie? Wie kommst du darauf?“ Ich deute auf das Licht über ums. Sein Blick folgt meinen Fingern. „Das Licht? Oh, nein, nein, das ist Elektrizität. Technik. Wir Menschen nutzen viel Technik. Zur Fortbewegung, zur Beleuchtung, zur Veränderung der Temperatur, um Essen zuzubereiten, zur Unterhaltung,…“
„Elektrizität“, wiederhole ich nachdenklich. „Was ist das?“
„Oh, okay, wie erklärt man das am besten?“
Der Mensch streicht über seinen Bart, den er am Kinn trägt, sichtlich in Gedanken. Während er überlegt, wie er mir die Menschen-Technik erklären kann, beschäftige ich mich mit den Blasen, die auf dem Wasser schwimmen. Der Mensch hat tatsächlich Schaum für mich erzeugt. Killian lehnt sich mit dem Rücken zu mir an die Wanne.
„Blitze und Gewitter sind dir ein Begriff, oder?“, fragt er mich.
„Aber natürlich.“
„Okay, guter Ansatz“, beginnt er. „Vereinfacht gesagt: Wir Menschen erzeugen eine Art Blitz mit Hilfe von Kraftwerken und Maschinen und das nennt sich Elektrizität. Mit dieser Elektrizität funktioniert das Licht über uns. Alles, was dir bei uns Menschen wie Magie vorkommt, lässt sich mit Elektrizität und Technik erklären.“
„Hm… Dann habt ihr gar keine magischen Fähigkeiten?“
„Nein, nicht wirklich. Manche behaupten es, aber das sind eher Tricks und Illusionen. Menschen sind nicht fähig, irgendwelche Zauber zu wirken.“
Dass der Mensch mir den Rücken zudreht, während wir uns unterhalten, irritiert mich etwas. Normalerweise dreht man Fremden nicht den Rücken zu, das könnte gefährlich ausgehen, wenn nicht sogar tödlich enden. Ich strecke meinen Finger aus und streiche ganz vorsichtig über seinen Nacken. Der Mensch zuckt und nimmt Abstand.
„Lass das, bitte“, meint er etwas zurückhaltend. Er reibt sich den Nacken und steht auf.
„Entschuldige, ich wollte dich nicht vertreiben, Mensch.“
„Schon okay, du vertreibst mich nicht. Ich muss ohnehin noch etwas erledigen, bevor ich zu Bett gehe. Äh… Wie läuft das mit dir und der Flosse? Bleibst du jetzt so?“
„Solange ich im Wasser bin, ja.“
„Okay.“ Er räuspert sich. „Willst du dann wieder rauskommen? Also es hat keine Eile, aber ich würde mich auch gerne noch waschen. Bin ziemlich erledigt und müde und will langsam ins Bett.“
„Oh, ich halte dich auf“, stelle ich fest. „Das tut mir leid.“
„Nein, nein, lass dir Zeit und ich geh eben… da raus und…“ Er öffnet wieder die Tür. Dass er mich wieder nicht ansieht, macht mich etwas nervös. „Komm einfach nach, wenn du soweit bist. Und zieh dir etwas an, sonst wird dir noch kalt.“
Der Mensch lässt mich zurück. Ich nutze die Zeit, um mich ein wenig umzusehen. An dem Rand der Wanne stehen einige Flaschen. Neugierig nehme ich eine davon zur Hand. Ich kann nicht lesen, was darauf geschrieben steht, aber ich bin überrascht davon, wie leicht und weich das Material ist. Ich drehe und wende das Behältnis in meinen Händen und öffne mit etwas Aufwand auch den Verschluss. Ich nehme gleich einen interessanten Duft wahr, den ich allerdings nicht ganz zuordnen kann. Meine Neugierde ist jedoch für’s Erste befriedigt.
Für einige Minuten genieße ich das Wasser, doch ich behalte im Hinterkopf, dass auch Killian die Wanne nutzen möchte. Ich lege meine Hände an den Rand der Wanne und versuche aus dem Wasser zu klettern, doch ich fürchte, dass ich abrutschen und mich verletzen könnte. Ich sehe mich um, doch an den glatten Wänden kann ich mich nicht festhalten. Dummerweise stecke ich also fest.
„Mensch?!“, frage ich etwas lauter. „Killian?!“
Er öffnet die Tür, kommt jedoch nicht herein. Ich kann nur seinen Arm erblicken. „Brauchst du etwas?“
„Ich brauche Hilfe…“
„Was fehlt dir?“
„Ich komme nicht mehr aus der Wanne.“
„Oh… Steckst du fest?“, hakt er nach.
„Nicht direkt. Ich schätze, dass ich auf den Boden falle, wenn ich versuche, aus dem Wasser zu kommen.“
„Okay, also rausheben wird schwer. Wenn du nicht mehr nass bist, dann bekommst du Beine, hab ich das richtig verstanden?“, erkundigt er sich, worauf ich nicke.
„Ja“, antworte ich zusätzlich, da der Mensch mich ebenfalls nicht sehen kann.
„Siehst du ganz vorne bei deinen Fü… Ich bin so ein Idiot. Bei deiner Flosse sollte ein Knopf sein.“
„Kannst du bitte wieder zu mir kommen?“, frage ich nach. „Mit einer Tür zu reden ist albern. Komm rein und hilf mir, Killian. Bitte.“
Der Mensch redet nicht mehr viel. Er tritt zu mir in den Raum, legt die Kleidung, die er vorhin auf den Boden fallen hat lassen zur Seite und beugt sich über die Wanne. Vorsichtig fasst er wieder an meine Flosse, was er dahinter macht, weiß ich nicht, doch es ertönt ein Geräusch.
„Ich lasse das Wasser ab. Sobald du auf dem Trockenen sitzt, solltest du es alleine schaffen.“
Der Mensch sieht mich nur kurz an, ehe er wieder den Raum verlässt. Er murmelt etwas, das ich nicht verstehe.
…Menschen sind sonderbare Wesen.
༄ ♫ ༄
Die Kleidung, die Killian mir gegeben hat, ist weit und passt mir nicht richtig, doch ich trage sie, da der Mensch mich darum gebeten hat. Um meine Haare habe ich eines der Handtücher geschwungen.
„Oh, du bist fertig, perfekt.“
Killian kommt lächelnd auf mich zu. Er legt seine Hand an meinen Rücken und begleitet mich zu einer Sitzmöglichkeit.
„Setz dich, mach es dir auf der Couch bequem, kuschel dich in die Decke, ganz wie du willst. Ich nehme eine schnelle Dusche und bin in ein paar Minuten wieder da. Brauchst du noch irgendetwas?“
Ich setze mich und bin erst einmal überwältigt davon, wie weich und bequem das Mobiliar der Menschen ist. Interessiert streiche ich über die Decke. Sie fühlt sich ein bisschen wie Fell an, aber irgendwie dann doch nicht. Jedenfalls ist sie sehr weich und kuschelig.
„Ilaria?“
„Hm?“
„Kann ich noch irgendetwas für dich tun?“
„Nein. Ich warte hier auf dich“, antworte ich, wobei ich meinen Blick von der weichen Decke nehme und auf Killian wende.
„Du weißt ja, wo ich bin.“
Ich antworte Killian mit einem Nicken.
Der Mensch lässt mich wieder alleine. Ich befühle den Stoff der Decke, die Oberfläche der Sitzgelegenheit und auch den Tisch vor mir. Das Material des Tisches kenne ich. Es handelt sich um Holz. Ich überblicke den gesamten Raum. An den Wänden hängen einige Bilder. Der Mensch besitzt so viele Dinge, dass ich mich nicht gleich zurechtfinde. In dem Zuhause des Menschen gibt es sehr viel zu entdecken. An einer Wand nicht weit von mir steht ein weiterer Tisch, auf dem das reinste Chaos herrscht. Ich erkenne einen Stapel Bücher und viel Papier. Wahrscheinlich liest und schreibt er gerne. Im gesamten Raum gibt es viele Dinge, die ich noch nie in meinem Leben gesehen habe. Ich hätte so viele Fragen, die ich dem Menschen am liebsten sofort stellen würde.
Wie vorgeschlagen mache ich es mir bequem. Ich strecke mich der Länge nach aus und schließe meine Augen. Das Handtuch rutscht von meinen Haaren, doch ich lasse mich nicht weiter davon stören. So weich und kuschelig zu liegen, sagt mir überaus zu.
Ich nehme Geräusche und dann Schritte wahr, der Mensch ist wieder zurück.
„Schläfst du?“, fragt er leise.
„Nein.“
„Möchtest du noch irgendetwas essen?“
„Nein, aber danke für das Angebot.“
„Schlafen kannst du in meinem Bett, da hast du es bequemer, als auf der Couch.“ Der Mensch tritt auf mich zu, er reicht mir die Hand. Als ich sie ergreife, wirkt er überrascht. „Jetzt sind deine Finger schon wieder so kalt.“
„Das liegt in meiner Natur“, antworte ich lächelnd.
„Ach, tatsächlich? Dir ist also nicht kalt?“
„Nein, ich fühle mich großartig, danke der Nachfrage.“
Killian führt mich in einen weiteren Raum, auch hier erhellt sich der Raum durch diese Menschentechnik. „Leg dich hin, schlaf dich aus. Ich schlafe auf der Couch.“
„Oh, ich schlafe nicht“, erkläre ich. „Mein Volk schläft nicht, wir haben zwar Ruhephasen, aber keinen richtigen Schlaf wie andere Wesen.“
Der Mensch blinzelt mich an. „Das ist ja verrückt“, antwortet Killian verblüfft. „…und überraschend. Ich hoffe, dass du dich die nächsten Stunden nicht langweilst, ich werde nämlich ein paar Stunden schlafen. Aber du darfst mich wecken, falls du irgendetwas brauchst.“
„Ich werde darauf zurückkommen, Mensch.“
Killian lächelt mich an. „Du kannst mich ruhig beim Vornamen nennen.“
„Entschuldige.“ Ich betrachte die eisblauen Augen des Menschen genau, dabei spreche ich seinen Namen aus. „Killian…“
„Wow…“ Ich scheine den Menschen in Verlegenheit zu bringen. Er meidet den Augenkontakt und streicht sich über den Nacken. „Ich bin dann mal… im Wohnzimmer.“
Ich setze mich auf das Bett und richte meinen Blick zur Tür. Der Mensch sieht mich noch kurz an, ehe er das Zimmer verlässt. Die Tür lässt er einen Spalt geöffnet. Schlau, so muss ich nicht schreien, wenn ich etwas von ihm möchte.
Recht hat er trotzdem. Nach dem heutigen Tag kann ich ein wenig Ruhe vertragen. All die neuen Eindrücke und die Tatsache, dass ich bei Menschen gelandet bin, müssen verarbeitet werden. Einige Sekunden sehe ich noch zur Tür, doch dann lege ich mich hin und schließe ich meine Augen, um mich auszuruhen. Ich befühle die Decke neben mir, ehe ich sie über meinen Körper ziehe. Auch in diesem Punkt behält der Mensch Recht. Das Bett ist sogar noch weicher und bequemer als die Couch. Die Menschen wissen, was bequem ist.
༄ ♫ ༄
Ich habe die Ruhephase, den Schlaf des Menschen, sehr unterschätzt. Der Tag ist bereits wieder angebrochen, draußen strahlt die Sonne und Killian liegt immer noch auf der nun veränderten Couch. Gestern Abend war die Liegefläche etwas kleiner, ich bin ein weiteres Mal positiv überrascht über die Technik der Menschen.
Nachdem ich mich gründlich in Killians Zuhause umgesehen habe, langweile ich mich ein wenig. Obwohl Killian sehr viele Dinge besitzt, hilft es mir nur bedingt, mich alleine umzusehen. Es fehlt mir an Erklärungen und die bekomme ich nur von Killian. Ich beschließe, mich zu dem Menschen zu legen, um mir nun ihn genauer anzusehen. Vorsichtig und leise klettere ich zu ihm. Die Couch unter mir knarrt ein wenig, doch Killian scheint weder das Geräusch, noch mich zu bemerken. Neugierig sehe ich den schlafenden Menschen an. Eine seiner hellbraunen Haarsträhnen hängt in sein längliches Gesicht. Seine faszinierenden, eisblauen Augen sind geschlossen.
Der Mensch atmet ruhig und gleichmäßig, er wirkt friedlich und fühlt sich in seiner Umgebung wohl so sicher, dass er mich nicht als Gefahr betrachtet. Ich rutsche etwas näher zu ihm, die Wärme die von Killian ausgeht, fasziniert mich. Mir ist schon lange nicht mehr so ein warmes Wesen untergekommen. Alle Wesen mit denen ich zu tun habe, sind um einiges kühler als der Mensch.
Ich zucke zusammen, als Killian sich bewegt. Er schmatzt im Schlaf. Seine Augen bleiben weiterhin geschlossen, als er sich von mir wegdreht. Die Couch quietscht unter seinen Bewegungen, sogar noch lauter als vorhin als ich zu ihm geklettert bin. Ein wenig enttäuscht bin ich schon, weil er immer noch schläft, doch ich lasse mich schnell von diesem Gedanken ablenken, als ich Stimmen wahrnehme.
Behutsam ziehe ich die Decke, die nur noch eines seiner Beine bedeckt, höher, damit der Mensch es bequem hat. Im Anschluss steige ich so leise und langsam wie möglich von der Couch, um zu erfahren, was da draußen passiert. Neugierig folge ich den Stimmen, sie scheinen von der anderen Seite einer Tür zu kommen. Es ist die Tür, durch die wir das Zuhause des Menschen betreten haben. Um besser lauschen zu können, lege ich mein Ohr an die Tür. Mit meinen Fingern streiche ich über das Holz und schließe für einen Moment die Augen, um mich vollkommen auf die Stimmen konzentrieren zu können. Für meine Mühe ernte ich leider keine Ergebnisse, ich verstehe nicht, was gesagt wird, auch wenn ich mich noch so anstrenge. Es klingt wie eine Sprache, die ich noch nie gehört habe.
Ein plötzliches, schrilles und lautes Geräusch erschreckt mich. Ich weiß nicht, woher es genau kommt, doch ich flüchte sofort vor der Tür. Eilig laufe ich den langen Gang entlang, bei dem schlafenden Mensch vorbei und zurück in das Zimmer, in dem ich mich ausruhen sollte. Das laute Geräusch ertönt ein weiteres Mal und dann sogar noch einmal, dieses Mal sogar noch länger. Erschrocken und verängstigt lasse ich mich neben der Tür zu Boden sinken, dabei halte ich mir die Ohren zu. Mein Herz klopft wie wild. Ich kneife meine Augen zusammen. Was für ein furchtbarer Lärm! Verschreckt bleibe ich genauso sitzen und hoffe, dass es schnell wieder vorbei ist und mir nichts passiert.
Ich höre den Menschen sprechen, doch ich verstehe nicht, was er sagt. Ich nehme meine Hände von meinen Ohren. „Nicht mal ausschlafen kann man.“
Der Schreck sitzt tief. Als das Geräusch ein weiteres Mal ertönt, zucke ich vor Angst zusammen. Was ist das und wieso hört es nicht auf?
„Ja, verdammt! Ich komme ja schon!“
Ich versuche die Situation einzuschätzen, doch ich bin vollkommen überfordert mit diesem neuen, unbekannten Erlebnis. Der Mensch wirkt auch nicht gerade begeistert. Vielleicht ist es ja doch gefährlich?
Einige Momente verharre ich in meiner Position. Ich kann hören, dass draußen gesprochen wird, bevor ich Schritte wahrnehme. Die angelehnte Tür neben mir öffnet sich, sie kommt immer näher auf mich zu. Ich lege meine Hände an meinen Kopf und kneife die Augen zusammen. Das alles ist mir nicht geheuer.
„Ilaria? … Die hab ich mir doch nicht eingebildet, ich war doch nicht high… What the fuck?“
Die Tür bleibt geöffnet, der Mensch entfernt sich jedoch von mir.
„Ilaria?“, höre ich ihn nun auch einem anderen Raum fragen. „Irgendwer muss mir was in den Drink gekippt haben. Es kann doch nicht sein, dass ich mir jetzt schon Meerjungfrauen in meiner Badewanne einbilde.“
„Killian?“, antworte ich zögerlich.
Seine Schritte kommen wieder näher. „Okay, wo versteckst du dich?“
„Hier“, antworte ich ihm leise.
Die Tür neben mir schließt sich, vor mir steht nun der Mensch. Eingeschüchtert sehe ich von seinen Beinen zu ihm nach oben. Killian setzt sich etwas schwerfällig zu mir. Als ich ihn ansehe, sieht auch er mich an. Seine Haare sind etwas zerzaust, er reibt sich über seine müden Augen und fixiert mich im Anschluss wieder.
„Versteckst du dich vor mir?“
„Nein… vor dem Lärm… Ich hatte Angst.“
„Lä-oh. Das war nur meine Türklingel. Damit macht ein Besucher vor der Tür auf sich aufmerksam, damit man weiß, dass jemand draußen ist. Habt ihr so etwas nicht?“
Ich schüttle den Kopf. „Nein.“
„Absolut ungefährlich, laut und nervtötend, aber ungefährlich. Du musst wirklich keine Angst haben. Versprochen.“ Killian lächelt. Als ich das sehe, entspanne ich mich wieder ein wenig. „Geht es dir besser?“ Zaghaft nicke ich, doch dann lasse ich mich in Killians Arme sinken. Der Mensch seufzt, er streicht über meinen Rücken. „Das hat dich wohl richtig erschreckt.“ Ich nicke eilig und klammere mich erleichtert an den Menschen. „Na komm. Ich brauch einen Kaffee…“
Killian nimmt mich mit in das andere Zimmer, Wohnzimmer hat er es genannt. Mit einer Handgeste bietet er mir die Couch an, auf der er vor ein paar Minuten noch geschlafen hat. Ich setze mich und lehne mich an, mein Blick folgt jedoch dem Menschen. Er reibt sich die Schläfen, als er durch das Zimmer geht. Außerdem murmelt er irgendetwas, das ich nicht verstehen kann.
„Willst du auch einen Kaffee?“, fragt er mich müde.
„Was ist das?“
„Ach, richtig. Verschieben wir die Fragen, bis ich richtig wach bin, okay?“ Ich nicke. „Super. Aber Wasser… trinkst du doch, oder?“
„Oh ja, ich mag Wasser“, antworte ich dem Menschen lächelnd.
„Kann ich mir denken.“
Der Mensch verschwindet in einen anderen Raum, der durch einen Türbogen mit diesem Raum verbunden ist. Da ich nicht alleine bleiben will und zu neugierig bin, folge ich ihm. Interessiert lehne ich mich an den Türbogen, der Mensch kratzt sich am Kopf. Er wirkt immer noch so, als wäre er nicht ganz fit.
„Was machst du?“
„Kaffee.“ Killian öffnet einen Schrank und nimmt ein Gefäß heraus. „Oh, ich warne dich vor, das Geräusch wird gleich ziemlich laut.“
Ich halte mir sofort die Ohren zu, während Killian das Gefäß unter ein graues, glänzendes Ding stellt. Wird wohl etwas Technisches sein. Er wollte Kaffee machen, also wird dieses technische Ding wohl genau das tun. Obwohl Killian mich gewarnt hat, erschrecke ich trotzdem bei dem Lärm. Wieso ist die Menschenwelt so laut? Das Geräusch stoppt zum Glück recht schnell und aus der Maschine fließt dunkles, beinahe schwarzes Wasser. Interessiert lasse ich meine Hände von meinen Ohren sinken.
Killian füllt zwei Gefäße mit Wasser, das Material ist durchsichtig und auch das Geräusch, das es beim Abstellen macht, lässt mich darauf schließen, dass es sich um Glas handelt. Die Menschen nutzen also auch Gläser, um daraus zu trinken. Sehr spannend.
„Darf ich den Spieß mal umdrehen und dich etwas fragen?“
„Aber natürlich.“ Killian wirft etwas in eines der Gläser, das Wasser fängt an zu sprudeln. Interessiert sehe ich auf das Glas, dann wieder zu dem Mensch.
„Woher kommst du? Also, dass du aus dem Meer kommst kann ich mir schon denken, aber irgendwas passt da nicht zusammen.“
„Hm…“ Ich beobachte Killian dabei, wie er weißes Pulver in den Kaffee rührt. Eigentlich erwarte ich, dass sich die Farbe ändert, dass der Kaffee leuchtet oder etwas Anderes passiert, doch es passiert gar nichts. Sehr eigenartig.
„Willst du nicht darüber reden?“, knüpft der Mensch an seine Frage an.
„Ich weiß nicht, was ich dir antworten soll, Killian. Ich weiß nicht, wie ich hier herkomme. Ich erinnere mich nur an einen Sturm und… an grüne Blitze.“
„Mhm… Grüne Blitze.“ Killian legt seine Stirn in Falten. „Ich hab Hunger, wie sieht’s mit dir aus?“
Ich lege den Kopf schief. „Was esst ihr Menschen?“
„Ich glaube, dass es das Beste wäre, wenn du das selbst herausfindest“, antwortet Killian mit einem Zwinkern.
„Das heißt, dass du mich probieren lässt?“
„Du isst natürlich mit mir zusammen. Ich wäre ein mieser Gastgeber, wenn ich so ein hübsches Wesen wie dich hungern lassen würde.“
Das Kompliment des Menschen bringt mich sofort zum Lächeln. Ich kann mich glücklich schätzen, einem so netten Mann wie ihm über den Weg gelaufen zu sein. Killian bietet mir wieder einen Sitzplatz an, außerdem stellt er ein Glas Wasser vor mich. Ich sehe erst auf das Glas, dann auf den Menschen, der mir wieder den Rücken zudreht und sich am Kopf kratzt. Ich trinke aus dem Glas, dabei liegt meine gesamte Aufmerksamkeit auf den Bewegungen des Menschen. Im Gegensatz zu mir trinkt er sein Glas schnell leer. Als er es abstellt, verzieht er etwas das Gesicht. Sein Wasser schmeckt durch die sprudelnde Zugabe wohl nicht so gut, wie meines.
„Was isst du denn für gewöhnlich? Wahrscheinlich alles Mögliche, das so im Meer herumschwimmt, oder?“
„Muscheln, Fische, Algen, Seetang…“
„Okay, verstehe. Alles roh nehme ich an?“
„Natürlich. Unter Wasser Feuer zu machen ist nicht so einfach“, antworte ich schmunzelnd.
Der Mensch dreht sich zu mir, er grinst etwas. „Willst du mir dabei zusehen, wie ich ganz ohne Feuer koche?“
Meine Augen weiten sich vor Überraschung. „Das kannst du? Ehrlich? Das ist ja spannend.“
Killian lacht. „Dich zu beeindrucken ist erstaunlich einfach. Schade, dass nicht alle Frauen so sind. Komm her, ich erkläre dir alles, was du über eine Küche wissen musst.“
Ich stehe sofort auf und eile zu dem Menschen. Er legt eine Hand in meinen Rücken und zeigt mit seiner freien Hand auf einen Schrank. „Das ist ein Kühlschrank, da bewahren wir Menschen all unsere verderblichen Lebensmittel auf. Wie der Name schon verrät ist es da drinnen recht kühl, damit das Essen länger haltbar bleibt.“
„Oh, das ist interessant. Ihr Menschen seid so einfallsreich.“
Killian lächelt mich an. Als nächstes zeigt er auf das Objekt, das er zum Kaffee machen benutzt hat. „Das ist eine Kaffeemaschine. Hier oben-“ Der Mensch öffnet eine Klappe. „-kommen die Kaffeebohnen hinein. Die werden gemahlen, deswegen auch der Lärm und dann werden sie mit Wasser aufgegossen und hier unten kommt der Kaffee raus.“
„Wieso trinkt ihr Menschen Kaffee?“
„Deine Fragen…“ Er lacht etwas. „Ähm. Kaffee ist ein koffeinhaltiges Getränk, das uns Menschen aufweckt.“
„Dann solltest du den öfter trinken, du hast sehr lange geschlafen. Ich hab mir schon Sorgen gemacht, dass du vielleicht nie wieder aufwachst.“ Interessiert sehe ich dem Menschen ins Gesicht, genauer gesagt fixiere ich seine eisblauen Augen. Mit meiner Aussage bringe ich den Menschen ein weiteres Mal zum Lachen.
„Acht Stunden Schlaf pro Nacht sind für uns Menschen vollkommen normal.“
„Acht Stunden?“, frage ich nach. „Das ist echt lang, Killian.“
„Das haben wir Menschen nun mal an uns, daran lässt sich leider nicht rütteln.“
Der Mensch zeigt mir, wie er sein Frühstück zubereitet. Ich lerne von ihm, was ein Herd ist. Durch die erzeugten Blitze wird die schwarze, glatte Platte oben heiß, außerdem glüht sie in auffälligem Rot. Mit diesem Herd kann Killian ganz ohne Feuer sein Essen kochen. Der Mensch zeigt mir außerdem ein kleines, eckiges, technisches Gerät, das er Toaster nennt. Damit kann man weiches Brot erhitzen und knusprig machen. Ich darf sogar helfen und eine Scheibe Toastbrot in einen der Schlitze stecken. Dieser Toaster hat eine ganz ausgeklügelte Art, um zu zeigen, dass das Brot fertig ist. Sobald das Toastbrot knusprig ist, springt es aus dem Toaster. Killian amüsiert sich etwas darüber, dass ich mich erschrecke, doch für die Zukunft bleibe ich nun auf der Hut.
Die vielen neuen Dinge faszinieren mich, ich hänge an Killians Lippen und sauge all das Wissen wie ein Schwamm auf. Jede neue Erklärung und jedes neue technische Gerät der Menschen wecken meine Neugierde. Dass ich eines Tages etwas so spannendes erleben darf, wäre mir niemals in den Sinn gekommen.
Je länger Killian und ich Zeit in der Küche, so nennt er den Raum, in dem er kocht, befinden, desto wacher wird er. Der Kaffee scheint also wirklich zu helfen. Die zweite Tasse Kaffee nimmt er mit zu dem kleinen Tisch, an dem wir essen.
„Wenn es dir nicht schmecken sollte, musst du nichts davon essen“, sichert Killian mir zu. „Dann organisieren wir dir etwas Anderes zu essen, du musst mir nur Bescheid geben.“
Ich nicke und sehe gespannt auf meine Teller. „Vielen Dank, Killian.“
Killian hat Spiegelei zubereitet, außerdem gibt es knusprigen Toast mit Marmelade. Bevor ich anfange zu essen, beobachte ich die ersten Bissen des Menschen. Den Toast nimmt er in die Hand, um davon abzubeißen, für das Spiegelei nutzt er Messer und Gabel, das habe ich auch bei anderen Wesen öfter gesehen und auch ausprobiert.
Gespannt, was auf mich zukommt, beiße ich in den Toast und beginne zu kauen. Killian hat mir bereits gesagt, dass Marmelade süß schmeckt und dass er sehr gerne Süßes zu sich nimmt. Ich für meinen Teil kann dem sofort zustimmen.
„Und?“, erkundigt Killian sich.
„Das… ist so lecker“, antworte ich aufgeregt und beiße schon ein weiteres Mal in den Toast. „Das Beste, was ich jemals gegessen habe.“
Der Mensch lächelt mich an. „Ich kann immer noch nicht richtig glauben, dass du tatsächlich vor mir sitzt. Eine Meerjungfrau in meiner Wohnung…“ Killian schüttelt den Kopf. „Das glaubt mir kein Mensch.“
Neugierig koste ich von dem Spiegelei. Der Geschmack ist faszinierend. Killian hat Gewürze und Kräuter hinzugefügt, die mich beinahe überwältigen.
„Das Essen in eurer Welt ist ganz anders als alles, was ich jemals probiert habe. Ihr Menschen wisst, was gut ist. Der Geschmack ist so besonders. Überraschend. Aufregend.“
Killian wirkt amüsiert. „Und dabei ist das erst das Frühstück. Mach dich darauf gefasst, einige Köstlichkeiten kennenzulernen. Ich schätze, ich weiß schon, was ich dir heute Abend anbieten werde.“ Er lächelt mich an, ich erwidere dieses Lächeln sofort.
„Ich kann es kaum erwarten, mehr von deiner Welt kennenzulernen, Killian.“
Mit meinem Marmeladentoast in der Hand lehne ich mich zurück. Ich beiße genüsslich hinein, während ich mich in Killians Küche umsehe. Mir ist zwar immer noch nicht klar, wie ich hier hergekommen bin und wo ich mich genau befinde, doch für den Moment kann ich diese Fragen aufschieben. Es gibt so viele andere Eindrücke, die ich zuerst verarbeiten muss. So viele Fragen, die ich stellen will und scheinbar auch unendlich viele Köstlichkeiten, die ich probieren muss.
Wie auch immer ich hier hergekommen bin, eines steht fest, die Welt der Menschen gleicht bereits jetzt einem beindruckenden Abenteuer. Ich kann es kaum erwarten, mehr zu sehen und zu erleben.