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Kapitel 25
Gitarrenklänge und Scheinwerferlichter Teil I
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Killian endlich zu seiner Arbeit begleiten zu dürfen, macht mich glücklich. Für diesen Abend mache ich mich besonders hübsch, da ich herausgefunden habe, dass Killian sich immer wieder an meinem Anblick erfreut. Ich trage das schwarze Kleid, das wir im Thrift Shop gekauft haben, dunkle Strümpfe, um die Schuppen an meinen Beinen zu verdecken und meine hohen Schuhe. Damit mir nicht kalt wird, schlüpfe ich außerdem in meine dunkle Jacke. Killian scheint mit dem Anblick zufrieden zu sein. Bei jeder Bewegung spüre ich seine Blicke auf meinem Körper.
Die neue Situation macht mich nervös, aber dadurch lassen sich meine Freude und Aufregung nicht trüben. Wir treffen uns auf der Straße mit Killians Freund Ian. Zur Begrüßung nimmt er mich in den Arm, Killian hingegen wird mit einem einstudierten Handschlag begrüßt.
„Ich hab' übrigens noch ein paar Freunde eingeladen. Jean und Luna kommen auf jeden Fall. Beim Rest bin ich mir nicht ganz sicher.“
„Cool, danke“, antwortet Killian. „Kommt deine Schwester auch?“
„Leider nicht. Sie ist nicht in der Stadt, aber ich bin sicher, dass deine anderen Fans ihr Gekreische ausgleichen können.“
Killian schnaubt. „Das denke ich nicht. Ihre Stimme ist …“
„Ja, ihre Stimme ist ziemlich penetrant. Ich weiß.“
„Das Talent ist in eurer Familie ungerecht verteilt worden“, meint Killian grinsend, worauf sein Freund nickt. „Können wir los?“
„Klar“, antwortet Ian und macht einen Schritt Richtung Straße. Er öffnet die Tür eines Autos. Mit einer höflichen Handbewegung bietet er mir den Sitzplatz an. „Steig ein, Ilaria.“
„Vielen Dank, Ian.“
Kaum sitze ich, schließt er die Tür. Meine Tasche lege ich auf meinem Schoß ab. Ich erinnere mich daran, dass ich den Sicherheitsgurt anlegen muss. Mit einem Klick ist diese Aufgabe erledigt. In Ians Auto duftet es süß. Ich sehe mich um, kann aber nicht erkennen, woher der Duft wohl kommt. Obwohl ich Blumen rieche, kann ich keine entdecken. Auf dem Sitz neben mir liegt eine kleine durchsichtige Plastiktüte, in der sich mehrere kleine Bälle und Mäuse aus Stoff befinden. Interessiert nehme ich sie in die Hand und betrachte die bunten Gegenstände. Als ich die Tüte hochhebe, nehme ich ein Geräusch war. Ich schüttle die Tüte, das Klimpern ertönt ein weiteres Mal. Ich entdecke außerdem, woher das Geräusch kommt. In einem der durchsichtigen, aber bunten Bälle befindet sich eine winzige Glocke. Wozu Ian diese Dinge wohl braucht? Vielleicht für ein Spiel?
Killian und Ian setzen sich auf die vorderen Sitze. Ich lege die Tüte wieder zurück. Die Türen fallen zu.
„Sitzt du hinten bequem?“, erkundigt Ian sich, als er sich zu mir umdreht. Sein Lächeln ist freundlich wie immer. Er ist so ein netter Mensch. Wenn er heute Abend auf mich aufpasst, passiert mir garantiert nichts.
„Ja, vielen Dank.“
„Super. Den Gurt hast du auch angelegt, dann können wir ja los.“ Er dreht sich wieder nach vorne. „Ey, Großer. Ich hab uns 'ne Playlist zusammengestellt. Du wirst sie lieben.“
„Ich bin gespannt.“
Auf der Hinfahrt erklingt Musik, zu der die beiden Menschen begeistert singen. Ians Stimme ist zwar heller als die von Killian, dennoch klingen sie zusammen ausgesprochen gut. Ich genieße den Gesang, doch dass Killian ausgelassen und fröhlich wirkt, genieße ich noch ein wenig mehr. Die meiste Zeit wirkt er ernst oder nachdenklich, ganz besonders, wenn er sich unbeobachtet fühlt. Ihn gut gelaunt zu sehen, erfüllt auch mich mit Freude. Die ausgelassene Stimmung lässt mich sogar meine Nervosität vergessen. Die Nacht zieht an den Fenstern des Autos vorbei. Einige Lichter erhellen die Dunkelheit und ermöglichen es mir, Menschen oder Autos zu erkennen. Ob Killian immer so gute Laune hat, wenn er mit seinen Freunden alleine unterwegs ist?
Ian lässt uns aussteigen, während er einen Parkplatz für sein Auto sucht. Einige Menschen stehen bereits vor dem Gebäude. Ich sehe mich um, dabei greife ich nach Killians freier Hand. Kein einziger der Menschen sieht unzufrieden oder gar schlecht gelaunt aus. Das Gebäude, vor dem wir ausgestiegen sind, wirkt etwas düster, doch im Dunkeln wirkt die ganze Stadt düster. Der Träger meiner Tasche rutscht von meinem Arm, ich schiebe ihn zurück auf meine Schulter, dafür lasse ich Killians Hand für einen kurzen Moment los.
„Hast du all deine Gigs hier?“, frage ich Killian, als ich mich umsehe. Er greift wieder nach meiner Hand.
„Nein, aber ich war schon öfter im Cafe Du Nord. Ich trete in der ganzen Stadt auf. In San Francisco gibt es viele Veranstaltungsorte. Bars, Theaterbühnen, Konzerthallen...“ Killian deutet mit unseren Händen auf ein weißes Schild über der Tür. „Sieh mal, was da steht.“
Mit den Augen folge ich seinem Deuten. „Oh, da steht dein Name“, gebe ich überrascht von mir, als ich die schwarze Schrift entziffert habe. „Jeder Mensch, der hier vorbei geht, kann deinen Namen lesen, du bist berühmt, Killian.“
Der Mensch lacht. „Nein, Quatsch, ich bin doch nicht berühmt.“ Er wendet seinen Blick verlegen ab. „Gut, ein paar Leute, die heute hier sind, kennen mich und meine Musik schon, aber berühmt bin ich wirklich nicht. Noch lange nicht.“
„Sei nicht so bescheiden“, entgegne ich ihm und drücke ihm einen Kuss auf die Wange. „Ich bin sehr stolz auf dich.“
Killian schnaubt. „Und dabei hast du noch nie einen meiner Auftritte miterlebt.“
„Aber ich habe dich zu Hause singen und spielen hören.“
„Ja, das stimmt schon, aber heute wird es ein wenig anders sein. Hinter einem Auftritt auf der Bühne steckt etwas mehr Technik. Ein paar Dinge, die ich dir gezeigt habe, kommen auch heute zum Einsatz. Lass dich überraschen.“
„Ich freue mich schon darauf.“ Ich blicke noch einmal zu dem großen Gebäude. Am liebsten würde ich sofort hineingehen, doch wir müssen noch auf Ian warten. Killian atmet tief durch, was meine Aufmerksamkeit auf ihn zieht. „Du bist nervös.“
„Ja, das bin ich“, stimmt er mir zu. „Eigentlich sollte ich es nicht mehr sein, aber das Gefühl kann ich nicht abstellen, egal wie oft ich auf der Bühne stehe.“ Er seufzt. „Vor ein paar Jahren war das einfacher.“
„Was hat sich geändert?“, frage ich interessiert.
„Ich habe mich geändert“, antwortet Killian mir, dabei wirkt er allerdings etwas abwesend. „Ich hatte auf der Bühne schon einige Technikpannen. Die kann man mit etwas Humor gut überspielen und das Publikum ist eigentlich auch immer sehr locker. Genau genommen kann überhaupt nichts passieren, mit dem ich nicht klarkomme.“ Er sieht mich an und zieht einen Mundwinkel hoch. „Manchmal kann man eben nicht aus seiner Haut und macht sich zu viele Gedanken.“
„Ich weiß ganz genau, was du meinst.“
Ian kommt pfeifend auf uns zu. Er grinst breit. „So, Lady and Gent. Geh'n wir rein oder wollt ihr noch ein bisschen knutschen?“
Killian schnaubt amüsiert. „Nein, geknutscht wird später. Lasst uns reingehen. Ich muss dann aber gleich etwas erledigen. Passt du in der Zwischenzeit auf mein Mädchen auf?“
„Nichts lieber als das.“ Ian sieht mich an. „Ich freu mich übrigens, dass du heute mitgekommen bist, Ilaria. Das wird super lustig, versprochen.“
Mit einem Lächeln antworte ich: „Ich freue mich auch sehr, obwohl ich gestehen muss, dass ich etwas nervös bin. Ich war noch nie in einer Bar.“
„Dann wird’s Zeit. Wir zwei werden viel Spaß haben, während Killian beschäftigt ist. Du musst also nicht nervös sein. Wenn es dir zu laut oder zu voll wird, verschleppe ich dich nach draußen.“
Killian hebt meine Hand an und küsst meine Finger. „Die Entscheidung liegt heute Abend bei dir. Wenn du dich gut amüsierst, können wir länger bleiben. Aber wenn du nach meinem Auftritt gleich nach Hause willst, packe ich meine Sachen und wir verschwinden wieder.“ Er lächelt mich an. „Während ich arbeite bist du bei Ian in guten Händen.“
Ich nicke. „Ja, das denke ich auch“, stimme ich ihm zu und schenke Ian im Anschluss ein Lächeln.
Wir nähern uns dem Eingang und auch dem Wächter des Gebäudes. Der Mann versucht hart und einschüchternd zu wirken, doch er kann seine Seele nicht vor mir verbergen. In seinen Augen erkenne ich, dass er ein freundlicher Mensch ist. Ich lächle ihn an.
Killian hebt seine Stimme und spricht den Wächter an: „Hey, Malik.“
„Hey, Killian, Ian.“ Ian erwidert die Begrüßung mit einem Nicken. Der Wächter deutet in meine Richtung. „Wer ist die Kleine?“
„Meine Freundin“, beantwortet Killian seine Frage.
„Sieht jung aus.“
Killian schnaubt. „Sie ist 22.“ Ich sehe erst Killian an, dann blicke ich allerdings gleich wieder zu Malik.
„Freut mich, dich kennenzulernen, Malik. Ich bin Ilaria.“
Der große, muskulöse Mann schmunzelt. „Ich will mal nicht so sein. Wenn sie noch keine 21 ist, lässt sie aber die Finger von den Drinks, klar?“, antwortet er. Malik nickt Richtung geöffneter Tür, die eine Treppe nach unten preisgibt. „Viel Spaß.“
Wir nehmen die Treppen direkt in den Keller des Gebäudes. Dass wir den heutigen Abend in einem Keller verbringen, habe ich nicht erwartet. Killian drückt mir einen Kuss auf die Schläfe, sobald wir unten angekommen sind. Ich lasse meinen Blick durch den Raum gleiten, sehe allerdings zu Killian, als er mich anspricht. „Ich bin in ein paar Minuten wieder hier. Bleib bei Ian. Vollkommen egal, was er sagt, du hörst auf ihn, verstanden?“
„Ja, verstanden“, bestätige ich seine Anweisung.
„Sehr schön. Lass dich von niemandem anquatschen.“ Killian gibt mir einen Kuss, den ich zufrieden erwidere.
„Sehe ich dich noch vor deinem Auftritt?“
„Selbstredend. Ich muss nur ein paar Gespräche führen.“
„Komm bald zurück.“
Killian zieht einen Mundwinkel hoch. „Ich beeile mich, Prinzessin.“
Nach einem Zwinkern verschwindet Killian hinter einer Tür. Ich sehe direkt zu Ian, der mich anlächelt. „Wir haben den Tisch in der Nische. Von dort aus sieht man zwar nich' viel, aber wir sind etwas abgeschirmt, also ist es nicht so laut.“ Er deutet in die Richtung unseres Tisches. „Hab mir gedacht, dass das ganz praktisch wäre, also hab' ich uns diesen Platz reserviert.“
„Ich würde Killian aber schon gerne sehen.“
Ian hebt die Augenbrauen. „Oh, das ist kein Problem.“ Er deutet auf einen erhöhten Bereich, auf dem einige Geräte stehen. „Wir geh'n zur Bühne, wenn es soweit ist. Ich bin sicher, dass er sich freut, wenn seine Prinzessin in der erst'n Reihe steht“, erklärt Ian und nimmt mich an der Hand. Wir beide begeben uns zu der Nische, in der sich eine Sitzbank, zwei Tische und vier Stühle befinden. Ich nehme gleich auf der Sitzbank platz. Wenn ich einen der Stühle nehmen würde, würden mir all die interessanten Beobachtungen entgehen, da ich den Menschen den Rücken zudrehen würde. Die Sitzbank ist überraschend bequem. Ich fühle mich gleich wohl. Meine Tasche lege ich in die Ecke. Ian sieht mir zu, ehe er wieder spricht: „Ich kann dich doch ein paar Minuten alleine lassen, um uns was zu trinken zu besorgen, oder?“
Ich nicke auf seine Frage. „Natürlich. Ich bleibe hier sitzen und warte auf dich.“
„Gut, Killian dreht mir den Hals um, wenn ich dich verliere.“
„Wie bitte? Er macht was?“, frage ich erschrocken.
Ian wirkt erst etwas irritiert, doch dann lacht er. „Shit. Nein, das war eine Übertreibung. Das macht sagt man so.“ Er winkt ab. „Ich muss besser auf meine große Klappe aufpassen. Willst du etwas Bestimmtes trinken?“
„Ich weiß es nicht.“
„Eine Coke vielleicht?“, schlägt er vor. „Ich kann dir auch Wasser holen, wenn dir das lieber ist.“
Ich lehne mich an den Tisch und sehe zu Ian nach oben. „Überrasch mich.“
„Okay, cool“, antwortet er. „Mir wird etwas Schönes ins Auge springen. Bin gleich wieder da. Nicht weglaufen.“
„Werde ich nicht, keine Sorge.“
Ich sehe Ian nach, der allerdings schnell aus meinem Sichtfeld verschwindet. Da ich nun alleine bin, habe ich Zeit, mich umzusehen. Die dunklen Farben lassen den Raum düster, aber dennoch edel wirken. Auf dem Tisch, an dem ich lehne, stehen Kerzen. Schade, dass ich nicht die Möglichkeit habe, sie anzuzünden.
Mein Blick schweift durch den Raum. Die Bar ist ganz anders, als die Tavernen, in denen ich bei meinen Aufenthalten an Land Rast gemacht habe. Trotzdem fühle ich mich auf eine seltsame Weise ziemlich wohl. Zu sehen, dass sich die Menschen um mich herum gut unterhalten, treibt ein Lächeln auf meine Lippen. Trotz der düsteren Atmosphäre gefällt es mir.
Wie Killians Auftritt wohl ablaufen wird? Ich weiß, dass er mit seiner Gitarre auf der Bühne sein wird, trotzdem kann ich mir das noch nicht ganz vorstellen. Hinter der Musik steckt viel Technik, die Details hat Killian mir allerdings nie erklärt. Das alles das erste Mal mit eigenen Augen zu sehen, wird eine ganz neue Erfahrung.
Ian kommt wieder zurück. „Ich hoffe, dass du nicht zu einsam warst.“
„Nein“, antworte ich Ian. „Ich habe mich ein wenig umgesehen.“ Er stellt zwei Gläser und eine Dose auf den Tisch.
„Und wie gefällt es dir?“, hakt er nach.
„Ich bin mir noch nicht sicher. Es ist ein wenig düster.“
„Ja, in Bars und Clubs ist es immer recht dunkel. Man gewöhnt sich daran“, erklärt Ian mir. Er schiebt eines der Gläser zu mir und setzt sich direkt neben mich. „Killian hat erwähnt, dass du Erdbeeren magst. Ich dachte, dass dir das hier schmecken könnte. Strawberry Daiquiri, aber natürlich ohne Alkohol.“
Ich betrachte das rote Getränk. An dem Rand des Glases steckt eine Erdbeere. „Das sieht hübsch aus.“ Als nächstes begutachte ich das Getränk, das vor ihm steht. In dem Glas befinden sich grüne Kräuter und Eis. Da ich das Getränk noch nie gesehen habe, frage ich: „Und was hast du?“
„Oh, das ist ein Mojito. Ich würde dich ja kosten lassen, aber da ist Alkohol drinnen“, beantwortet Ian meine Frage. Er deutet zu der Dose. „Die ist für Killian. Red Bull kennst du bestimmt schon, oder?“
Ich nicke. „Darf ich dich noch etwas fragen, Ian?“
„Sicher. Hau raus, was du wissen willst.“ Er lehnt sich zurück, seinen Arm streckt er hinter mir auf der Lehne aus.
„Warum darf ich keinen Alkohol trinken?“ Ich drehe mich in seine Richtung, ehe ich meine Frage ausführe: „In meiner Welt gibt es auch alkoholische Getränke. Ich kenne das bereits.“
Ian legt den Kopf schief. „Ich hab angenommen, dass du wegen Killian nichts trinkst“, erklärt er, wobei er eine ausladende Handgeste macht.
Nachdenklich und irritiert kneife ich die Augen zusammen. „Entschuldige, ich verstehe nicht ganz, wie das zusammenhängt.“
Mein Gesprächspartner kratzt sich am Hinterkopf. „Sorry, das solltest du vielleicht mit ihm persönlich besprechen. Ich will da nichts rausposaunen. Könnte 'n längeres Gespräch werden, also nimm dir da 'n bisschen mehr Zeit.“
Ich nicke leicht. „Killian hat wohl viele Geheimnisse vor mir“, stelle ich etwas ernüchtert fest.
„Alle Menschen haben Geheimnisse. Ihr kennt euch ja noch nich' so lang. Killian braucht 'ne Weile, um aufzutauen.“ Ian zwinkert mir zu. „Aber er is' ein Guter. Lass dich nicht einschüchtern. Geheimnis klingt immer so negativ. Man erzählt einfach nur nich' alles auf einmal, das hat nichts mit verheimlichen zu tun, 'kay?“
Ich nicke. „Da könntest du rechthaben.“
„Darf ich dir jetzt im Gegenzug eine Frage stellen?“
„Natürlich, Ian.“
„Hast du vielleicht Lust, mal etwas mit mir zu unternehmen? Nur du und ich?“ Ian lächelt mich an. Er legt seine Hand, die eben noch auf der Rückenlehne geruht hat, auf meine. Mit seiner freien Hand führt er sein Glas zu seinem Mund. Durch den Strohhalm trinkt er einen Schluck. „Dann könnte Killian schlafen, lesen oder chillen, was weiß ich. Er freut sich bestimmt über die Auszeit. Und ich würde gerne ein paar Stunden mit einer hübschen Meerjungfrau verbringen.“
Ich lächle. „Ja, das würde ihm gefallen. Er hätte ohnehin gerne etwas mehr Zeit für sich. Er wäre wohl erleichtert, wenn er wüsste, dass ich nicht alleine in der Stadt herumlaufe.“
„Cool, dann steht unser Date“, antwortet Ian zufrieden, dann tätschelt er meine Hand und nimmt etwas Abstand. „Ich überleg' mir was Cooles für uns.“ Er zieht etwas aus seiner Tasche und entzündet damit die Kerzen an unseren Tischen. Interessiert beobachte ich seine Fingerbewegungen. „Hast du ein eigenes Smartphone oder soll ich Killian anrufen?“
„Oh, ich habe ein eigenes!“, antworte ich freudig und ziehe gleich meine Tasche auf meinen Schoß. Ich öffne sie, um danach zu suchen. Ian lehnt sich zu mir, um einen Blick in meine Tasche zu werfen.
„Du hast ein Buch dabei?“
Nach einem Nicken antworte ich: „Ja, ich habe immer ein Buch in meiner Tasche, damit ich etwas lesen kann. Killian hat es mir geliehen, ich besitze nicht besonders viel. Ich habe aber einen Regenschirm, damit ich nicht nass werde, falls mich das Wetter überrascht.“
Ian hält seine Hand auf. Ich reiche ihm mein Smartphone, damit er seine Nummer eintippen kann. „Da kommt mir doch eine spontane Idee für unser erstes Date.“
„Welche denn?“
„Wir machen die Stadt unsicher“, erklärt er und gibt mir mein Smartphone wieder zurück.
Ich blinzle Ian verwirrt an. „Ich will aber nicht, dass die Stadt unsicher ist.“
„Was?“ Ian lacht los. „Nein, Süße, das war nicht so gemeint.“ Er winkt ab. „Das sagt man so, wenn man etwas vorhat. Das is' nur so 'ne Floskel.“ Ian schüttelt amüsiert den Kopf, dann streicht er durch seine knallroten Haare.
„Oh, ich verstehe. Entschuldige, ich muss mich noch an die Ausdrucksweise von euch Menschen gewöhnen.“ Ich tippe auf das Display, um Ian anzurufen. Er zieht sein Smartphone aus seiner Hosentasche und speichert meine Nummer, sobald ich wieder aufgelegt habe. „Du kannst mir auch eine Nachricht schicken. Ich kann eure Schrift mittlerweile ganz gut lesen. Den Büchern sei Dank.“
„Dann habt ihr also dieselbe Sprache, aber eine andere Schrift? Verstehe ich das richtig? Auf genau solche Fantasy-Facts war ich gespannt. Oh.“ Ian steht auf. „Bin gleich wieder da.“ Er verlässt unseren Tisch und macht ein paar Schritte. „Hey! Luna! Jean!“
Ich beobachte Ian dabei, wie er erst eine Frau mit schulterlangen roten Haaren umarmt, ehe er die Frau neben ihr ebenfalls in den Arm nimmt. Die zweite Frau ist etwas größer und trägt ihre langen, dunklen Haare zu einem Zopf geflochten. Auch wenn ich es versuche, ist es nicht so einfach, die Augen der beiden zu erblicken. Ian deutet in meine Richtung und als die Frauen sich zu mir drehen, hebe ich die Hand, um ihnen zu winken. Leider sind sie zu weit weg und der Raum ist zu dunkel, ihre Augen genauer zu erkennen, ist also immer noch nicht möglich.
Die drei Menschen tauschen einige Worte aus. Ian lächelt mir zu, dann nimmt er von den beiden Frauen Abstand. Er lässt mich ein weiteres Mal zurück, während die beiden Frauen auf mich zukommen. Neugierig sehe ich zu ihnen nach oben.
„Hi, ich bin Jean und das ist meine Freundin Luna“, stellt die dunkelhaarige Frau sich und auch ihre Begleitung vor. Ich lächle die beiden Frauen freundlich an.
„Ich bin Ilaria. Killians Freundin.“ Ich sehe an den beiden vorbei, in der Hoffnung, ihn vielleicht zu erblicken. „Er hat noch etwas zu erledigen, aber er und sollte bald wieder zurückkommen.“ Mein Blick gleitet wieder zu den Frauen. „Setzt euch doch zu mir, dann bin ich nicht so alleine, während ich warte.“
Mein Smartphone stecke ich zurück in meine Tasche, dann verschließe ich sie und lege sie wieder in die Ecke. Jean, die dunkelhaarige Frau, rückt einen Stuhl zurecht. Ihre Freundin bedankt sich und nimmt darauf Platz.
„Du bist also Killians neue Freundin, hm?“, fragt Luna mich, dabei lehnt sie sich in meine Richtung. „Ian hat ein richtiges Geheimnis aus dir gemacht.“
„Langsam verstehe ich auch warum“, meint Jean und setzt sich neben mich, auf den Platz, auf dem Ian gerade noch saß.
„Ach, ist das so?“
„Mhm.“ Jean mustert mich, ehe sie zu ihrer Freundin sieht.
Die beiden tauschen einen Blick aus, den ich nicht ganz einschätzen kann. Ich nehme mir einen Moment, um die beiden genauer zu betrachten. Luna trägt einen dunkelgrünen Hoodie. Ihre Kleidung ist locker und wirkt gemütlich, während Jean ein eng anliegendes Kleidungsstück mit goldenen Knöpfen trägt. Sie wirkt durch ihre Kleidung etwas eleganter als ihre Begleitung. Jeans blaue Augen sind zudem dunkel geschminkt, ähnlich wie bei Lauren. Auch sie sieht aus wie die Frauen aus dem Internet. Da ich mich an Killians Worte erinnere, sehe ich die beiden Frauen nicht zu genau an, auch wenn mir das Grün von Lunas Augen ausgesprochen gut gefällt.
„Seid ihr beide schon lange mit Killian befreundet?“, beginne ich das Gespräch mit einer Frage, worauf ich die Aufmerksamkeit der beiden Frauen bekomme. Da mir langsam ziemlich warm wird, schlüpfe ich aus meiner Jacke. Dabei bin ich sehr vorsichtig, denn mein Arm ist durch den Sturz im Badezimmer immer noch verletzt.
„Wir kennen ihn durch Ian“, antwortet Jean für die beiden. „Bei dem einen oder anderen Auftritt haben wir uns unterhalten. Wie lange seid ihr schon zusammen?“
Luna ergänzt die Frage ihrer Freundin mit einer weiteren: „Und wie habt ihr euch kennengelernt?“
Natürlich kommt mir sofort die einstudierte Geschichte in den Sinn, die ich auch Killians anderen Freunden erzählt habe. „Wir sind erst seit einigen Wochen ein Paar. Wir haben uns in meiner ersten Nacht hier in San Francisco kennengelernt. Mein Gepäck ist verschwunden, mein Hotel hatte kein Zimmer, obwohl ich reserviert hatte und ich stand nachts verloren auf der Straße und wusste nicht, wohin.“ Ich nehme einen Schluck meines Getränkes. Genau wie Ian nutze ich dazu den Strohhalm. Der süße Geschmack begeistert mich sofort. „Als Killian dann aufgetaucht ist, habe ich ihn gefragt, ob er mir helfen kann, ein Hotel zu finden. Da es mitten in der Nacht war hat er mir angeboten, dass ich mit zu ihm komme. Er hat mir versprochen, dass er mir am nächsten Tag helfen wird, ein Hotel zu finden.“
„Du bist wohl ganz schön vertrauensselig, hm?“, fragt Jean mich, vorauf ich mit den Schultern zucke. Sie mustert mich genau, fast schon analytisch.
Mit einem Lächeln antworte ich ihr: „Killian ist sehr nett, das war er von der ersten Sekunde an. Ich wusste gleich, dass ich ihm vertrauen kann, als ich ihn das erste Mal gesehen habe. Er hat mich an dem Abend gerettet, ohne etwas dafür zu verlangen. Er hat mir sogar sein Bett angeboten und selbst auf der Couch geschlafen, damit ich es so bequem wie möglich habe.“ Auch wenn die Geschichte nicht ganz der Wahrheit entspricht, erinnere ich mich freudig zurück an unsere erste Begegnung. „Killian hat eine sanfte Seele und das habe ich sofort erkannt. Ich habe mich bei ihm von der ersten Minute an sehr wohlgefühlt.“
„Awww, Liebe auf den ersten Blick, wie süß“, meint Luna mit einem verträumten Blick. „Fast wie ein Märchen.“
Jean deutet mit dem Kopf zu meinem eingebundenen Arm. „Und was hast du da angestellt?“
Ich hebe meinen Arm an und sehe auf meinen Ellbogen. „Oh, das ist nichts weiter. Ich bin gestern Abend in der Badewanne ausgerutscht und unglücklich gefallen.“ Ich sehe wieder zu Jean. „Killian hat sich darum gekümmert.“
„Hm.“
Luna lehnt sich interessiert nach vorne. Sie beugt sich in meine Richtung, um einen genaueren Blick auf meine Kette werfen zu können, bevor sie fragt: „Deine Kette sieht hübsch aus. Ist das eine echte Perle?“
Ich fasse an den Muschelanhänger an meinem Hals. „Oh, das … Ja, das ist eine echte Perle.“
Nicht nur Luna, sondern auch Jean sehen mich verblüfft an. Vollkommen erstaunt spricht Luna weiter: „Das Teil muss ein Vermögen gekostet haben. Die Kette hast du aber nicht von Killian, oder?“ Jean schnaubt.
„Nein, nein“, antworte ich und lasse meine Hand wieder auf den Tisch sinken. „Ich habe sie vor einigen Jahren selbst gemacht. Die Muschel und die Perle habe ich im Ozean gefunden. Ich schwimme und tauche gerne.“
Ian stößt wieder zu uns. Er versorgt auch seine Freundinnen mit Getränken. Jean bekommt ein kleines Glas mit einer goldenen Flüssigkeit. Sie erinnert mich ein wenig an Zwergenschnaps. Luna bekommt ein großes Glas, ähnlich wie meines. Ihr Getränk ist blau und violett. Nach meiner Erfahrung mit den bunten Getränken der Menschen ist es wohl sehr süß.
„Na, Mädels, plaudert ihr nett?“
„Wir lernen uns gerade kennen“, antwortet Jean. Sie wendet sich sofort wieder mir zu und mustert mich ausgiebig.
Der Stuhl knarrt ein wenig, als Ian ihn über den Boden zieht. Er setzt sich neben Luna und nimmt sein Getränk an sich. „Was ist mit unserem Großen? Wo bleibt der?“
„Der ist sicher backstage angequatscht worden“, meint Luna und zuckt dann mit den Schultern. „Er wird uns schon finden.“
„Ja, er wird sein Mädchen sicher nicht länger aus den Augen lassen als nötig“, meint nun Jean und grinst ein wenig. Ihr Blick ruht immer noch auf mir, während sie einen Schluck aus ihrem Glas nimmt. Als sie es abstellt, sieht sie auf. „Wenn man vom Teufel spricht. Hi, Killian.“
Breit lächelnd sehe ich ebenfalls auf, als Killian an unseren Tisch kommt. Er greift sofort nach der Dose auf dem Tisch und öffnet sie. Noch bevor er ein Wort spricht, nimmt er einige Schlucke, dann nickt er in die Runde.
„Schonst du schon deine Stimme, Großer?“, fragt Ian mit einem frechen Grinsen.
„Ja, wenn sie noch tiefer wird, explodieren die Lautsprecher“, antwortet Killian. Dass es sich bei seiner Antwort um einen Scherz handelt, realisiere ich erst, als die Menschen lachen. Um nicht merkwürdig zu erscheinen, lächle ich zumindest über seinen Witz. „Komm, Prinzessin. Ich zeige dir das glanzlose Leben eines drittklassigen Musikers.“ Er stellt die Dose wieder auf den Tisch.
„Mann, tu nicht schon wieder so. Du bist locker ein zweitklassiger Musiker“, meint Ian, worauf er lacht. Killian kratzt sich mit dem Mittelfinger an der Augenbraue, dabei sieht er Ian an, als wollte er ihm etwas deutlich machen.
„Eines Tages wird man euch entdecken“, sichert Luna ihren Freunden zuversichtlich zu.
Ian lehnt sich lässig in seinem Stuhl zurück. „Das hoffe ich. Dann muss ich nicht mehr ständig Drinks mixen, um meine Babys zu füttern.“
Jean steht auf, um mir Platz zu machen, als Killian mir die Hand reicht. Ich nehme sie an und werde aus der Nische geführt. Mit einem kurzen Winken verabschiede ich mich von meinen neu gewonnenen Freunden. Killian hält meine Hand etwas fester, als er mich durch herumstehende Menschen lotst. Er öffnet eine Tür, doch bevor wir hindurchgehen können, werden wir angesprochen.
„Hey, Killian! Wenn du mit der Kleinen nicht innerhalb von zwei Minuten wieder raus kommst, dann schicke ich Bob, um euch zu holen.“ Ich drehe mich um, um herauszufinden, wer uns angesprochen hat, während Killian bloß laut lacht.
„Ja, ja, ich weiß, ich weiß. Ich zeige ihr nur, wie meine Arbeitstage aussehen. Sie war noch nie mit einem Musiker zusammen.“
„Ist sie auch jetzt nicht“, antwortet der blonde Mann provokant.
Killian lacht ein weiteres Mal. „Du bist so ein Penner. Sieh zu, dass du Land gewinnst.“
Killian schließt die Tür hinter uns. Der Raum ist nicht besonders groß und viel Platz haben wir auch nicht. An der gesamten Wand gegenüber von uns steht ein Schrank mit vielen Türen. Zu diesem Schrank führt nur ein schmaler Weg, da auch einige schwarze Kisten in dem Raum stehen. Auf eine der schwarzen Kisten stehen viele kleine Wasserflaschen. Es sind dieselben, die Killian ab und zu kauft.
„Was soll ich hier sehen?“, frage ich neugierig, ehe ich zu Killian aufsehe.
„Genau das, was du siehst.“
Ich kneife meine Augen zusammen und schüttle leicht den Kopf. „Entschuldige, ich verstehe nicht.“
„Wenn man nicht das Glück hat, bei einer großen Plattenfirma unterzukommen und dadurch nicht in riesigen Hallen spielt, hat man das hier.“ Er macht eine ausladende Geste. „Kleine Bühnen, winzige Backstageräume, in denen man gerade mal seine Jacke und Gitarre in einen Spind stecken kann und ein paar freie Getränke.“ Er zuckt mit den Schultern. „Ist recht unspektakulär, hm?“
„Solange du glücklich bist, ist das doch vollkommen egal.“ Ich strecke mich, um seine Lippen zu küssen. Killian erwidert den Kuss, ehe er mir eine Haarsträhne hinter das Ohr streicht. „Ich kann es kaum erwarten, dich auf der Bühne zu sehen. Du wirst wunderbar sein, das weiß ich ganz genau.“
„Aufgeregt bin ich trotzdem.“ Killian reibt sich den Nacken. „Und jetzt bist du auch noch hier. Ich will dich beeindrucken.“
„Ich bin bereits beeindruckt“, antworte ich ihm mit einem ehrlichen Lächeln. „Du hast mich schon auf deiner Couch fasziniert, als du das erste Mal für mich gespielt hast. Du bist ein wunderbarer Musiker, vollkommen egal, was alle anderen sagen.“ Killian beugt sich zu mir und gibt mir einen Kuss, den ich nur zu gerne erwidere. Zu meiner Überraschung hebt er mich hoch und setzt mich auf eine der Kisten. Meine Verwunderung wird gleich mit einem weiteren Kuss erstickt. Killian streicht über meinen Schenkel und legt ihn sich um die Hüfte. Wenn ich gewusst hätte, dass er mich dafür vom Tisch entführt, hätte ich keine Zeit mit Worten verschwendet. Als er meinen Hals küsst, versenke ich meine Finger in seinen Haaren. Ich schließe meine Augen.
„Oh, goddammit, Killian!“, ertönt eine empörte Stimme.
Ich zucke vor Schreck zusammen. Killians Küsse stoppen, er beginnt zu lachen. Er nimmt sogar wieder etwas Abstand, streicht jedoch noch einmal über meinen Schenkel. Sein Blick ist zur Tür gerichtet. „Sorry, Bob.“
„Wie oft muss ich dich noch hier hinten erwischen? Such dir für sowas ein Hotel, Mann.“ Der Mann gestikuliert hektisch in unsere Richtung. „Naja, wenigstens seh ich heute nicht deinen Arsch…“
Die Tür ist schneller wieder zu, als sie geöffnet wurde. Irritiert blinzle ich Killian an. Er kann sich sein breites Grinsen unmöglich verkneifen. Gerade, als ich ihn um eine Erklärung bitten möchte, nimmt er mein Gesicht in seine Hände und drückt mir einen festen Kuss auf die Lippen.
„Entschuldige. Vielleicht hätte ich dich vorwarnen sollen. Ich wollte Bob ärgern.“
„Schon in Ordnung.“ Ich sehe zu der geschlossenen Tür. „Denke ich.“
Nach einem kurzen Kuss hebt Killian mich wieder von der Kiste. Manchmal ist es wahrscheinlich besser, wenn man nicht genau weiß, worum es geht.
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Zu sehen, wie die Menschen sich abends amüsieren, ist interessant. Ich verstehe zwar nicht alle Gesprächsthemen, dennoch macht es mir großen Spaß, meinen neuen Freunden zu lauschen. Killian legt seinen Arm um mich. Auch er hört eher zu, als zu sprechen, im Gegensatz zu mir versteht er allerdings die Witze.
Jean und Luna erzählen von ihrem gemeinsamen Urlaub. Sie haben einige Tage zusammen in Santa Cruz verbracht. Ob dieser Ort nah oder weit weg von San Francisco ist, weiß ich nicht, aber wenn ich mich später oder morgen noch daran erinnere, dann werde ich diesen Ort im Internet suchen, um mich zu erkundigen. Man kann nie genug wissen.
Auch Ian hat eine Menge zu erzählen. Er erzählt von einem Freund, dessen Cousin wohl Kontakt zu einem Produzenten hat. Mit ein wenig Glück könnte Killians Band also einen dieser wohl begehrten Plattenverträge bekommen. Obwohl Ian sehr zuversichtlich wirkt, ist Killian nicht so begeistert wie sein Freund. Es ist wohl nicht das erste Mal, dass sich ein Produzent ankündigt, allerdings dann doch nicht erscheint, um der Band eine Chance zu geben. Auch wenn ich von all diesen Dingen kaum etwas verstehe, verstehe ich die Enttäuschung in den Augen der Männer.
Das trübe Thema wird zu meinem Glück schnell wieder von einem weiteren Witz abgelöst. Außerdem kommen noch einige von Ians Freunden an unseren Tisch. Zwei von ihnen setzen sich zu uns, während die anderen uns nur kurz begrüßen. Ian scheint einen recht großen Freundeskreis zu haben, er wird immer wieder von jemandem begrüßt oder in ein Gespräch verwickelt. Seine Beliebtheit wundert mich nicht, denn die Freude in seinen Augen ist sehr ansteckend. Es ist schwer, sich in seiner Nähe nicht gut zu fühlen.
Killian zieht mich etwas näher zu sich. „Sei vorsichtig mit meinem Arm“, bitte ich ihn, worauf er nickt.
„Entschuldige, das hatte ich schon wieder vergessen.“ Er streichelt meinen Oberarm und küsst meine Schläfe. „Fühlst du dich noch wohl? Du bist so still.“
„Ja, mir geht es gut. Ich brauche nur noch eine Weile, um mich an die Gespräche anzupassen. Es ist doch ein wenig anstrengender, überall mitzuhalten, als ich dachte“, erkläre ich vergleichsweise leise.
„Möchtest du nach dem Auftritt gehen?“
Ich schüttle den Kopf. „Nein, nein, ich amüsiere mich wirklich.“ Mit einem Lächeln streichle ich über Killians glattrasierte Wange. Ich weiß nicht, was es ist, aber heute gefällt er mir besonders gut. „Bevor ich dich nicht auf der Bühne gesehen habe, will ich gar nicht erst daran denken, nach Hause zu gehen.“
Killian lacht leise. „So viel moralische Unterstützung bin ich gar nicht gewohnt. Danke, Ilaria.“
„Du verdienst es“, antworte ich ihm und überbrücke den Abstand zwischen unseren Lippen. Ich schmiege mich an seine Seite. Unser erst sanfter Kuss wird schnell leidenschaftlich. Unsere Zungen berühren sich.
„Nehmt euch ein Zimmer!“, erklingt Ian amüsiert, doch wir lassen uns nicht stören. Ich nehme erst Abstand, als etwas in dem Ausschnitt meines Kleides landet. Irritiert blicke ich in die Runde.
Ian lacht laut los, während Luna ihr Gesicht in ihren Händen vergräbt. „Entschuldige, es tut mir so leid, Ilaria, ehrlich“, entschuldigt sie sich mit gedämpfter Stimme. Jean schüttelt den Kopf, ob sie amüsiert ist oder die Situation verurteilt, ist schwer zu sagen.
„Was hast du denn gemacht?“, fragt Killian verwirrt. Er sieht mich an.
Ich senke meinen Blick und beschließe, mich auf der Suche nach dem Gegenstand in meinem Kleid zu machen. Suchend blicke ich auf meine Brüste und ziehe mein Kleid ein wenig von meinem Körper, um mehr sehen zu können. Mit meinen Fingern ziehe ich ein kleines Gebäckstück heraus, was nun auch Killian zum Lachen bringt.
„Na, wenn das keine hundert Punkte bringt, dann weiß ich auch nicht“, meint Ian lachend, wofür er einen kleinen Klaps von Luna bekommt. Ich lege das Gebäckstück auf den Tisch.
„Entschuldige. Eigentlich wollte ich Killians Wange treffen“, erklärt Luna mir. Dass es ihr wirklich leidtut, kann ich in ihren Augen sehen.
„Schon in Ordnung.“ Ich winke ab. „Du hättest fast getroffen, Killians Wangen befinden sich oft in dieser Gegend“, antworte ich und deute auf meinen Brustbereich.
Für eine Sekunde ist es still. Ich habe schon Angst, etwas Falsches gesagt zu haben, doch dann lachen die Menschen in der Nische. Killian reibt sich über das Gesicht, aus seinem breiten Grinsen wird schnell ein Lachen. Ich habe wohl einen sehr guten Witz gemacht. Stolz greife ich nach meinem Erdbeer-Getränk und nehme einen Schluck, um meinen Sieg zu feiern.
„So, bevor ich noch wirklich zur Zielscheibe werde, geh' ich lieber. Die Bühne ruft.“
Killian verabschiedet sich mit einem sanften Kuss auf meine Lippen. Bevor er aufsteht, küsst er allerdings noch meine Wange und meine Schläfe. Er greift nach seiner Dose. Die Menschen wünschen ihm Spaß und Glück. Er bedankt sich für die Worte seiner Freunde und lächelt mich ein letztes Mal an, bevor er unseren Tisch verlässt.
Ich nehme einen tiefen Atemzug, als seine Nervosität sich auch in mir breit macht. Trotz dieser flauen Gefühle bin ich sicher, dass er einen guten Job machen wird.