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Kapitel 41
Ein Ausflug ins Grüne
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Mein Liebster hat sein Versprechen eingelöst. Wir besuchen den Golden Gate Park, um frische Luft und Bewegung zu bekommen. Wir kommen sogar an dem Teich und dem künstlichen Wasserfall vorbei, den Killian mir bei unserem letzten Besuch gezeigt hat. Wir finden uns an einer weitläufigen, grünen Wiese ein. Um uns herum sind riesengroße Bäume. Ich nehme einen tiefen Atemzug und lasse meine Tasche zu Boden sinken, während Killian eine Decke ausbreitet.
„Hier gefällt es mir“, gebe ich freudig von mir und sehe mich um. Wir sind nicht die einzigen Menschen, die heute diese Idee hatten, doch zwischen den kleinen Gruppen ist reichlich Platz, sodass wir uns in Ruhe ausbreiten und unterhalten können, ohne gestört zu werden oder jemanden zu stören.
„Freut mich zu hören, Prinzessin“, antwortet Killian und streckt sich, ehe er sich hinsetzt. Seine Knochen knacken. Das klingt ziemlich schmerzhaft.
„Wir sollten viel öfter zusammen nach draußen gehen. Alleine ist es zwar auch ganz nett, aber mit dir ist es viel schöner.“ Ich ziehe meine Schuhe aus. Leider kann ich durch die Strümpfe nicht das weiche Gras unter meinen Füßen fühlen. Ich überlege, ob es zum Problem werden könnte, wenn ich sie ausziehe, doch dann mache ich es. Hier wird sich niemand für meine Beine oder gar meine Schuppen interessieren. Ich mache einige Schritte durch das Gras, ehe ich mich zu meinem Liebsten setze. Er mustert meine Beine, hat jedoch nichts zu sagen. Mit einem Lächeln beuge ich mich in seine Richtung, um seine Wange zu küssen.
„Hm, ich weiß nicht. Ich bin eher ein Stubenhocker.“
„Ich weiß und genau deswegen tut es dir gut, deinen Hintern zu bewegen“, erkläre ich, wobei ich seinen Schenkel streichle. „Du brauchst frische Luft, das hilft gegen die Kopfschmerzen.“
„Bis jetzt eher nicht.“
Ich streiche durch Killians Haar. Mir ist nicht ganz klar, wieso er heute schon wieder schlecht gelaunt ist, doch seine Kopfschmerzen sind daran bestimmt nicht unbeteiligt. Ich setze mich hinter meinen Liebsten und lege meine Hände an seine Schultern. Mit sanften Bewegungen beginne ich damit, ihn zu massieren. Vielleicht lockert ihn das ja ein wenig auf.
„Moment, ich ziehe meinen Hoodie aus.“
„In Ordnung.“
Ich warte, bis mein Liebster das Kleidungsstück abgelegt hat, dann lege ich meine Hände erneut an seine Schultern und beginne mit meiner Massage. Brummend lässt Killian seinen Kopf nach vorne sinken, während ich mich seinem Nacken widme. Seine Haut ist warm und leicht verschwitzt, doch ich störe mich nicht daran. Es ist sogar ganz angenehm, wie viel Wärme er abgibt.
„Und? Wie fühlt sich das an?“
„Himmlisch“, antwortet er. Killian gibt einen tiefen Seufzer von sich, dann spricht er weiter: „Können wir noch einmal über gestern sprechen?“
„Ja, natürlich.“
„Ich glaube, dass es leichter wäre, wenn du mich dafür ansiehst. Ich will, dass du mich wirklich gut verstehst.“
„Gut, dann massiere ich dich später weiter“, antworte ich ihm und setze mich dann neben Killian hin. „Bist du deswegen so schlecht gelaunt? Also wegen dem, was ich getan habe?“
Killian fährt sich mit den Fingern durch sein Haar. „Was du gemacht hast, war nicht in Ordnung. Du darfst selbstverständlich an mein Smartphone gehen, aber nicht, ohne mich zu fragen und schon gar nicht, wenn ich schlafe. Ich habe dir zwar nichts zu verheimlichen, aber es gehört sich nicht, dass man den Finger eines Menschen benutzt, um sein Smartphone zu entsperren, während er schläft.“
„Oh“, gebe ich leise von mir. „Dann tut mir das leid. Ich wollte dir wirklich nur helfen, aber du warst so stur.“
„Ich weiß, Prinzessin und ich weiß es auch zu schätzen, dass du dir solche Mühen gemacht hast, aber die Art, wie du es getan hast, war nicht in Ordnung. Du hättest mir das nicht verheimlichen dürfen und mich anzulügen macht die Sache auch nicht besser, verstehst du?“
„Aber wenn ich es dir gesagt hätte, dann hättest du mich nicht gehen lassen. Dann würde Austin immer noch sein Geld verlangen und du könntest deine Gitarren nicht zurückholen.“
Killian nickt. „Das ist wahr, aber es war trotzdem nicht in Ordnung, es zu tun, auch wenn du gute Absichten hattest. Das verstehst du doch, oder?“
Nun bin ich diejenige, die nickt. „Ja, das verstehe ich. Ich hätte das nicht hinter deinem Rücken machen sollen.“ Ich senke meinen Blick auf meine Finger. „Aber ich wusste mir nicht mehr zu helfen. Ich wollte dich beschützen und ich wollte dir eine Hilfe sein. Ich dachte, dass alles gut wird, wenn Austin uns nicht weiter bedrängt. Ich habe mich so lange vor ihm versteckt und mich gefürchtet. Dieses Gefühl musste aufhören. Entschuldige, dass ich einen Weg gewählt habe, der nicht in Ordnung war. Ich wollte dich wirklich nicht verletzen.“ Killian streicht durch mein Haar, dann legt er seine Hand an mein Kinn und richtet meinen Blick auf sich. Ich bekomme einen sanften Kuss auf die Lippen. „Kannst du mir das verzeihen?“
„Wenn du mir versprichst, dass du mich nie wieder anlügst und hinters Licht führst? Ich möchte, dass wir einander vertrauen können und solche Aktionen helfen nicht gerade dabei, dieses Vertrauen aufzubauen. Wir Menschen sind da ziemlich empfindlich. Einige mehr als andere.“
„Ich verspreche es dir“, antworte ich ihm. „Und es tut mir wirklich leid. Ich wollte dir nicht wehtun, sondern helfen.“ Killian zieht einen Mundwinkel hoch, dann beugt er sich zu mir und gibt mir einen sanften Kuss. „Ich mache es wieder gut.“
„Danke.“
„Am besten fange ich sofort damit an“, gebe ich lächelnd von mir und umarme Killian kurz, aber dafür fest, ehe ich ihn wieder loslasse. „Jetzt bekommst du eine Massage und ich überlege, wie ich das wieder gutmachen kann.“ Ich setze mich wieder hinter Killian und fahre mit meiner Massage fort.
Killian schnaubt. „Du weißt aber schon, dass ich jetzt nicht verlange, dass du dir ein Bein ausreißt, um mich zufrieden zu stellen?“
Skeptisch ziehe ich meine Brauen zusammen. „Wieso sollte ich mir ein Bein ausreißen? Das tut doch weh.“
Killian lacht. „Das sagt man so“, erklärt er. „Sich ein Bein ausreißen bedeutet, dass man sich extra viel Mühe gibt. Das musst du nicht tun. Ich bin zwar immer noch verstimmt, aber es braucht nur etwas Zeit, dann vergesse ich das wieder. Ich weiß ja, dass du es nicht böse gemeint hast. Es ist dumm gelaufen, aber es scheint ja auch funktioniert zu haben.“
„Ich verstehe“, antworte ich mit einem Nicken. „Aber für mein eigenes Gewissen werde ich dir deinen Kaffee bringen und Frühstück machen.“
„Damit kann ich gut leben, nur bitte weck mich nicht jeden Tag, das würde ich nicht überleben.“
Ich kichere, da ich davon ausgehe, dass ihm das nicht tatsächlich das Leben kostet. „In Ordnung. Ich versuche, mich daran zu halten.“
Ich nehme mir Zeit, meinen Liebsten zu verwöhnen, dabei gebe ich mir extra viel Mühe, um ihm etwas Gutes zu tun. Als meine Finger müde werden, machen wir es uns auf der Decke gemütlich und blicken Richtung Himmel. Meinen Kopf bette ich auf meinem Arm. Mit meiner freien Hand taste ich nach Killians Hand und als ich ihn berühre, verhakt er unsere Finger ineinander. Über uns leuchtet das grüne Schimmern am Himmel. Es ist zwar nicht so eindrucksvoll wie nachts, dennoch ist es schön anzusehen. Der Magiestrom wirkt wie ein Fluss aus grünem Schleier, der die Welt der Menschen umhüllt. Er ist wunderschön, allerdings auch beunruhigend, wenn man bedenkt, wie viel Schaden er schon angerichtet hat. Die Menschen kämpfen immer noch damit, eine Lösung für ihre Flugzeuge zu finden.
„Es ist wunderschön, findest du nicht?“, fragt Killian mich. „Gab es in eurer Welt auch so etwas?“
„Bestimmt, gesehen habe ich es jedoch noch nie. Die Kräfte unsere Magier zeigen sich in einer ganz anderen Form.“
„Ach ja? Wie denn?“, hakt Killian nach.
„Es kommt darauf an, was man macht. Wenn jemand geheilt wird, dann ist das wie kleine blubbernde Blasen, die sich um die Verletzung legen.“
„Ich dachte, dass ihr euch selbst heilt?“, fragt Killian nach. „Hast du nicht so etwas erwähnt?“
„Oh doch, natürlich. Bisse oder Schnitte heilen von alleine. Je tiefer der Schnitt, desto länger dauert es, bis unsere Selbstheilung den Schaden beseitigt hat. Eine kleine Kerbe ist ganz schnell wieder verschwunden. Wenn man sich allerdings schlimmer verletzt, dann braucht man Hilfe von einem Magier. Ein gebrochener Knochen zum Beispiel oder eine Krankheit.“
„Musstest du schon einmal von einem Magier zusammengeflickt werden?“, fragt Killian mich. „Ich kann mir bei dir gut vorstellen, dass du bei deinen kleinen Abenteuern nicht besonders vorsichtig warst.“
Ich weiß natürlich sofort, dass er auf das Treffen mit Austin anspielt. Er hat allerdings recht. Ich bin nicht dafür bekannt, besonders vorsichtig zu sein. „Ja, ich bin von einem Baum gefallen. Hat ganz schön wehgetan“, antworte ich ihm. „Wir sind nicht dafür geschaffen, um auf Bäume zu klettern. Zu schwache Muskeln in den Armen.“
Killian drückt meine Hand. „Mein armes Mädchen. Was wolltest du denn von dem Baum?“
„Früchte. Ich weiß allerdings nicht mehr welche.“
„Und was ist passiert, nachdem du gefallen bist?“, hakt Killian weiter nach.
„Erst habe ich geweint, aber dann bin ich wieder nach Hause geschwommen. Dann war ich in der Bibliothek und habe einen der Magier aufgesucht und er hat mir geholfen.“
„Ganz langsam. Ich bin neugierig, wie eure Magie funktioniert. Wie kann ich mir das vorstellen?“ Killian sieht zu mir, worauf auch ich meinen Kopf in seine Richtung drehe. „Wie sieht das aus? Wie fühlt es sich an?“
„Der Magier sieht sich deine Verletzung an und du musst erklären, was passiert ist.“ Ich lasse Killians Hand los und setze mich auf. „Lass mich es dir zeigen. Mal angenommen das ist ein gebrochener Arm.“ Ich streiche mit meinem Zeigefinger und meinem Mittelfinger seinen Arm entlang. „Die Haut der Magier sind mit magischen Symbolen geschmückt. Sie leuchten in einem sanften Blau auf, sobald sie ihre Magie nutzen. Um deinen Arm bilden sich kleine Luftblasen. Sie kribbeln und kitzeln auf der Haut.“ Bei der Erinnerung streiche ich gleich über meinen Arm.
„Dann tut es nicht weh?“
„Nein, es ist ein angenehmes, warmes Gefühl. Man fühlt sich augenblicklich besser und der Schmerz verschwindet auch sehr schnell. Innerhalb weniger Sekunden ist alles wieder vorbei“, erkläre ich weiter.
Killian nickt nachdenklich. „Und wie funktioniert das? Brauchen die Magier dazu Wasser oder gar Wasser aus dem Flüsternden Ozean?“
Ich zucke mit den Schultern. „Das weiß ich nicht. Das könnte durchaus möglich sein.“
„Schade.“ Killian sieht wieder in den Himmel. „Wäre bestimmt interessant, wenn man sich mit einem eurer Magier unterhält.“
„Wenn sie etwas preisgeben würden, wäre das bestimmt interessant.“
„Zu dumm, dass sie so ein großes Geheimnis aus ihrem Wissen machen“, meint Killian nachdenklich. Er zieht seinen Rucksack zu sich und zieht eine Dose heraus, die er dann öffnet. Er richtet sich gerade so viel auf, sodass er trinken kann. „Erzähl mir mehr.“ Er sieht wieder zu mir auf.
Ahnungslos hebe ich meine Schultern. „Was soll ich denn erzählen?“
„Erzähl mir von deiner Familie“, schlägt er vor. „Wie ist es, als kleine Meerjungfrau aufzuwachsen?“ Er bietet mir einen Schluck seiner Coke an, doch ich lehne mit einer Handgeste ab.
„Nein danke, Tee ist mir lieber.“ Ich beuge mich über ihn, um zu meiner Tasche zu gelangen.
„Was für ein angenehmer Ausblick, daran könnte ich mich gewöhnen“, gibt Killian von sich. In seiner Stimme kann ich ein Grinsen erkennen. Als ich mich aufrichte und meine Tasche auf meinen Schoß ziehe, realisiere ich auch, was er gemeint hat.
„Oh, du meinst meine Brüste?“, frage ich, ehe ich lache.
Killian grinst und nickt. „Davon kann man nicht genug bekommen.“
„Du bist leicht abzulenken“, meine ich amüsiert. Aus meiner Tasche ziehe ich meine Thermoskanne heraus. Ich öffne sie und fülle Kamillentee in den Deckel, der auch als Becher dient. „Ich weiß nicht, wo ich mit meiner Geschichte anfangen soll.“
„Gut, dann stelle ich dir Fragen. Was haben deine Eltern gemacht, um sich den Tag zu vertreiben?“, fragt Killian nach.
„Mein Vater hat viel Zeit in den Bibliotheken verbracht. Er hat die Archive aufgeräumt und für Ordnung gesorgt. Meine Mutter hat sich um Muscheln gekümmert. Damit Muscheln Perlen herstellen, muss man dafür sorgen, dass sie Sand zu sich nehmen. Perlen sind unsere wichtigste Handelsware, wenn wir zu den Expeditionen aufbrechen, also war es wichtig, dass sich jemand darum kümmert.“ Killian hört aufmerksam zu. Er nickt. „Ist es das, was dich interessiert?“
„Mich interessiert alles“, antwortet er, ehe er einen Mundwinkel hochzieht. „Es wäre spannend zu wissen, wie eure Gemeinschaft funktioniert. Wahrscheinlich kann ich mir gar nicht vorstellen, wie eure Stadt aussieht. Schade, dass ich das wohl nie erleben werde.“
„Ja“, antworte ich etwas deprimiert. „Es fühlt sich an, als wäre ich ewig nicht mehr zu Hause gewesen. Manchmal habe ich Angst, dass ich meine Heimat vergesse, weil ich so oft versuche, nicht daran zu denken, was passiert ist.“ Killian sieht zu mir. Er nimmt meine Hand in seine und übt leichten Druck aus. „Danke.“
„Willst du lieber über etwas Anderes sprechen?“, fragt Killian nach, worauf ich mit den Schultern zucke.
„Ich weiß es nicht. Es ist schwer, daran zu denken, was wohl mit der Flüsternden Stadt passiert ist.“
„Ja, ist echt beschissen. Schade, dass das mit der Rune nichts gebracht hat. Es wäre cool gewesen, wenn wir ein Portal in deine Welt geöffnet hätten. Noch cooler wäre es gewesen, wenn wir dieses Portal nutzen könnten, um hin und her zu reisen.“ Killian streichelt über meinen Handrücken. „Aber da geht wohl der Nerd in mir durch.“
„Das hätte mir auch gefallen. Es gibt so viele Orte, die ich dir gerne gezeigt hätte.“
Killian löst seine Hand von meiner, dann hebt er seinen Arm, um mich an seine Seite einzuladen. Ich kuschle mich an ihn und bette meinen Kopf an seiner Schulter. Mit geschlossenen Augen streiche ich über seine Brust. Die Nähe zu ihm stimmt mich gleich wieder fröhlicher.
„Denkst du, dass es eine Möglichkeit gibt, die Magie von dort oben hier hinunter zu bekommen?“, fragt Killian mich.
„Möglich?“
„Vielleicht brauchen die Runen nur mehr Energie, um ein Portal zu öffnen und diese Energie schwirrt über unseren Köpfen herum.“
„Wie oft machst du dir um all diese Dinge Gedanken?“, frage ich nach.
„Jeden Tag? Ich bin ein Mensch, der eine Meerjungfrau aus einer fremden Welt bei sich aufgenommen hat. Ich denke oft darüber nach, wie es wohl wäre, wenn ich in deine Welt gestolpert wäre. Solche Szenarien gibt es oft im Fantasygenre. Wir Menschen lieben diese Flucht aus der Realität.“ Er streichelt über meine Schulter. „Es wäre unglaublich, das alles selbst zu erleben. Erzählungen sind ja ganz anders, als wenn man selbst vor einem Ozean steht, der mit den Jahreszeiten seine Farbe wechselt. Ich würde nur zu gerne die Flüsternde Stadt sehen, eure Werkzeuge in meinen Händen halten und außerdem wäre das Essen aus eurer Welt auch sehr interessant. Ihr habt bestimmt ganz andere Gewürze und Kräuter. Vielleicht ist auch das Fleisch anders. Und die vielen Früchte wären auch interessant.“ Killian ist für einen Moment still. „Es wäre bestimmt schön, am Strand des Flüsternden Ozeans zu liegen und sich die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen. Um mich herum tummeln sich neugierige Meerjungfrauen im Wasser… Mit einem passenden Zauber kann ich euch vielleicht sogar unter Wasser besuchen und du zeigst mir deine Höhle und deine Seepferdchen.“
Ich zeichne ein Herzchen auf Killians Brust. Die Vorstellung würde mir auch sehr gut gefallen. „Wenn du willst, dann kann ich dir mehr über den Flüsternden Ozean erzählen“, gebe ich leise von mir. „Ich habe schon einige Abenteuer unter Wasser erlebt.“
„Das würde mir gut gefallen. Ich bin echt neugierig, wie dein Leben ausgesehen hat, aber ich will dich auch nicht drängen, über etwas nachzudenken, das vielleicht schmerzhaft für dich sein könnte.“
„Schon in Ordnung, irgendwann muss ich ohnehin darüber hinwegkommen, dass ich nie wieder nach Hause kann. Deine Welt ist jetzt mein Zuhause. Das Beste, was ich tun kann, ist meine Erinnerungen in Ehren zu behalten und sie mit meinem liebsten Menschen zu teilen.“
Killian drückt einen Kuss auf meine Stirn, dabei streichelt er über meine Schulter. „Ich bin bereit, wenn du es bist.“
„Dann erzähle ich dir mehr von der Flüsternden Stadt, wenn das in Ordnung ist.“
„Klar, erzähl.“
„Ich habe dir doch erzählt, dass wir alle in den Felsen unsere Höhlen haben. Wir leben zwischen Korallen und verschiedenen Algen und Seegräsern. Das meiste davon nutzen wir als Nahrung. Wir haben außerdem so etwas wie Felder mit Muscheln, das sind die Muscheln, um die sich unter anderem meine Mutter gekümmert hat. Wir verwenden alles, wenn wir eine Muschel knacken. Das Fleisch wird gegessen und die Perlen und Schalen werden dazu verwendet, Schmuck und Dolche herzustellen. Wir fertigen auch Kämme, Besteck und anderes nützliches Werkzeug. Nicht nur für uns selbst, sondern auch als Geschenke oder für Tauschgeschäfte.“ Killian nickt. Ich nehme gerade so viel Abstand, sodass ich ihn ansehen kann, aber immer noch gemütlich auf seinem Arm liege. An Killians neugierigen Blick kann ich deutlich erkennen, wie sehr er sich für meine Geschichte interessiert. „Dann wären da noch die Bibliotheken, die mit Gegenständen, Karten, Büchern und Reiseberichten gefüllt sind. Dort werden wir auch unterrichtet. Wir lesen und tauschen uns aus. Die kleinen Fischlein sind eher seltener in den Bibliotheken. Du kannst dir bestimmt vorstellen, dass es nicht so leicht ist, einen Haufen, kleiner, quirliger Fischlein im Zaum zu halten.“
Killian schnaubt. „Ist doch bei allen Kindern so. Die machen nie, was man einem sagt.“
Ich lache. „Genau. Für mein Volk ist es generell nicht so leicht, still zu sitzen. Wir sind durch das Wasser immer in Bewegung und die Kleinen sind noch viel aufgeregter, neugieriger und dadurch auch schwerer zu bändigen. Ich habe dir doch einmal die Geschichte von dem Schiffswrack erzählt. Erinnerst du dich?“
„Klar“, antwortet Killian, dann richtet er sich wieder ein wenig auf, um von seiner Coke zu trinken. „Solche Ausflüge habt ihr öfter gemacht, als ihr klein wart, eben weil ihr nicht stillsitzen könnt.“
„Ganz genau“, antworte ich ihm. „Unsere Lehrer haben uns auch die Muschelfelder gezeigt. Wir haben gelernt, wie man Muscheln am besten knackt und dass wir das sogar ganz ohne Werkzeug können.“ Ich wiege meinen Kopf hin und her. „Naja, anfangs funktioniert das noch nicht so gut, aber sobald man älter ist und mehr Kraft in den Fingern hat, dann schaffen wir das.“ Ich hebe Killians Hand und lege seine Finger aneinander, sodass der Daumen unter den restlichen Fingern liegt. „Im Prinzip nutzen wir unsere Krallen, um mit beiden Händen zwischen die beiden Schalen zu gelangen und dann brechen wir sie auf.“ Ich zeige die Prozedur an Killians Hand vor. „Das braucht ein bisschen Übung, aber sobald man weiß, wie es funktioniert, kann man problemlos Muscheln aufbrechen.“
Überrascht hebt Killian die brauen, dann nickt er. „Und wie macht ihr das mit Fischen?“
„Oh, die jagen wir. Unter Wasser sind wir durch unsere Flossen sehr schnell. Wenn wir einen Fisch geschnappt haben, dann töten wir ihn“, erkläre ich und mime, wie ich einen Fisch festhalte. „Je nachdem, wie stark er sich wehrt, hältst du ihn fest, dann fährst du mit deinen Krallen in die Kiemen und brichst dem Fisch das Genick. Das geht ganz schnell, dabei muss man auch schnell sein, damit der Fisch nicht lange leidet.“
Killian schnaubt. „Das klingt brutal. Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie du einen Fisch überwältigst und ihn dann umbringst. Du bist so ein zartes Mädchen, da ist es schwer, zu glauben, dass du aber auch eine gnadenlose Jägerin bist.“ Er schmunzelt und trinkt dann noch einen Schluck. „Gut, es muss sein. Dass ihr die Fische lebendig esst, hätte ich ohnehin nicht gedacht.“
„Nein, das wäre seltsam. Wer will schon, dass das Essen noch lebt, wenn man es kaut.“ Ich schaudere bei dem Gedanken. „Der arme Fisch.“
„Ich bin zwar experimentierfreudig, aber das muss ich auch nicht haben.“ Killian verzieht das Gesicht. „Sag mal, gibt es bei euch auch so etwas wie Jäger, die für die ganze Stadt Fische fangen?“
Ich schüttle den Kopf. „Eher nicht. Jede Familie versorgt sich sozusagen selbst. Aber wenn wir die Rückkehr der Expeditionen feiern, dann feiern wir ein Fest und es gibt für alle etwas zu essen. Das wird dann gemeinsam geplant. Wir besorgen Muscheln, ernten Seetang und Algen und fangen zusammen Fische. Da kann jeder mitmachen, wenn er möchte. Wenn man sich nicht beteiligen möchte, ist das auch in Ordnung. Es finden sich eigentlich immer genug Freiwillige, immerhin sind die Expeditionen etwas ganz Besonderes für uns. Wir werden mit neuen Geschichten von der Oberwelt beschenkt. Es gibt immer etwas Neues, auf das man sich freuen kann. Abgesehen davon, dass man seine Freunde willkommen heißt und es feiert, dass sie wieder da sind.“
„Hattest du viele Freunde bei den Expeditionen?“, fragt Killian nach. Ich setze mich auf und streiche mit meinen Fingern durch meine Haare. „Nicht richtig gute Freunde, aber ich habe mich mit vielen von ihnen ganz gut verstanden. Bevor ich selbst Ausflüge an Land machen durfte, war ich immer glücklich darüber, neue Geschichten zu hören und die meisten von uns erzählen auch gerne von ihren Abenteuern. Manche schreiben ihre Erlebnisse auch lieber nieder, anstatt Geschichten zu erzählen. Diese Bücher habe ich förmlich verschlungen.“
Killian streicht durch seinen Bart. „Ich muss dir unbedingt mehr Bücher zeigen. Ich bin sicher, dass du deine Freude an einigen der Geschichten hättest.“
„Das mit der Zauberschule hat mir gut gefallen“, antworte ich mit einem Lächeln.
„Davon gibt es noch ein paar Fortsetzungen“, meint Killian, ehe er meinen Schenkel tätschelt. „Wenn du willst, kann ich dir später das nächste Buch geben.“
„Oh, ja, das würde mir gefallen.“ Ich greife nach meinem Tee und trinke einen Schluck.
„Erzähl weiter. Was gibt es sonst noch in eurer Stadt?“, fragt Killian nach.
„Hauptsächlich Seetangfelder. Der Turm der Magier und die magische Bibliothek, aber da dürfen wir nicht rein, also kann ich dir nicht sagen, was da genau drinnen ist oder wie es da aussieht.“ Ich überlege, was ich Killian noch erzählen könnte. „In unmittelbarer Umgebung gibt es noch ein paar andere Schiffswracks. Die sind mehr oder weniger gut erhalten. Es gibt auch einige große Höhlen, die man erkunden kann, in den meisten ist es aber sehr dunkel und das ist für mich eher langweilig. Wenn es heller ist, kann man die bunten, schimmernden Fische viel besser sehen. Die farbenfrohen Korallenriffe sind auch schöner und interessanter, als irgendwelche Höhlen.“
„Meinst du?“, fragt er nach. „Mich würden die versteckten Höhlen mehr interessieren. Wir Menschen versuchen schon ewig, den Ozean zu ergründen, aber wir sind mit unserer Technik noch nicht so weit gekommen. Wir können auch selbst nicht so tief tauchen, weil der Druck zu stark für uns ist.“ Er kratzt sich an der Wange. „Wir haben vielleicht 5 Prozent unserer Ozeane erkundet. Das ist noch gar nichts. Wahrscheinlich werde ich es gar nicht mehr erleben, wenn wir tatsächlich irgendwas Interessantes finden. Vielleicht gibt es da unten ja sogar Meerjungfrauen.“ Nach seinen letzten Worten schmunzelt er.
„Was?“, frage ich erstaunt. „Meerjungfrauen? Meinst du wirklich? Das wäre toll!“
Killian hebt beschwichtigend die Hand. „Oh, nein, nein, das war eigentlich eher ein Scherz. Wir Menschen spekulieren schon lange, was da unten sein könnte. Es gibt da die Theorie, dass es vielleicht echte Meerjungfrauen in unserer Welt gibt, aber ich glaube, dass das eher Wunschdenken ist.“
Ich schiebe meine Unterlippe vor. „Wieso denkst du das? Ich sitze doch vor dir.“ Um noch einmal auf mich aufmerksam zu machen, deute ich auf mich selbst. „Und du hast doch auch die Fee gesehen, die war keine Einbildung.“
„Nimm das nicht persönlich, Prinzessin. Unmöglich ist es wahrscheinlich nicht, vor allem jetzt nicht mehr.“ Er blickt in den Himmel und dann wieder zu mir. „Wahrscheinlich ist jetzt gar nichts mehr unmöglich.“
„Das könnte sein“, antworte ich nachdenklich. Ich trinke meinen Becher leer, ehe ich mir noch mehr Tee einschenke. „Möchtest du auch Tee?“
„Nein, den finde ich ehrlich gesagt scheußlich“, antwortet er, ehe er lacht. „Kamillentee trinke ich nur, wenn ich krank bin und es unbedingt sein muss.“
„Du weiß nicht was gut ist, du isst ja auch diese schmerzhaften Chips“, antworte ich und grinse Killian dann frech an.
Er lacht und schüttelt den Kopf. „Dein Gesicht werde ich nie vergessen. Es tut mir immer noch leid, dass ich dich nicht vorgewarnt habe. Du armes Ding hast mir echt leidgetan.“
„Mittlerweile hast du das ja ganz gut im Griff und warnst mich vor allen Gefahren“, meine ich und beuge mich dann zu Killian, um seine Lippen vorsichtig zu küssen. Als ich mich wieder aufrichte, streichelt er meinen Schenkel. Sein Blick ist dabei wieder in den Himmel gerichtet.
„Sieht so aus, als würde Nebel aufziehen. Vielleicht sollten wir uns wieder auf den Weg nach Hause machen.“
„Aber wir sind noch gar nicht so lange hier“, antworte ich etwas enttäuscht.
„Tut mir leid, Ilaria, aber das Wetter spielt in San Francisco leider nicht immer mit. Wenn wir bleiben, wird dir in deinem Kleid bestimmt kalt werden.“
„Und wenn wir uns bewegen?“, frage ich nach.
Killian setzt sich auf. Er streicht durch sein Haar und reibt sich die Schläfe. „Klar, spazieren können wir, aber wenn dir kalt wird, dann will ich keine Beschwerden hören.“ Ich blinzle Killian an. Er legt seine Hand an meinen Hinterkopf und drückt mich gegen seine Schulter. „Sieh mich nicht so an. Deinen Augen kann man nichts abschlagen.“
„Ja, das ist wohl meine beste Eigenschaft“, antworte ich stolz.
Killian lacht, dann drückt er mir einen Kuss auf den Kopf. „Du kannst meine Jacke haben, wahrscheinlich werde ich sie nicht brauchen, wenn wir in Bewegung bleiben.“
Ohne uns sonderlich zu beeilen trinken wir beide noch aus und packen dann unsere Sachen zusammen. Ich schlüpfe wieder in meine Strümpfe und Schuhe und ziehe auch gleich den Hoodie, den ich in meiner Tasche hatte, über mein Kleid. Durch die schwankende Temperatur in San Francisco habe ich es mir angewöhnt, immer einen Hoodie dabei zu haben. Sicher ist sicher.
Hand in Hand spazieren wir auf einen der vielen Wege durch den Park. Ich schmiege mich an Killians Arm. Die frische Luft tut mir gut. Die großen Bäume erinnern mich an meine Heimat. Ich fühle mich im Golden Gate Park ausgesprochen wohl. Schade, dass wir nicht öfter hierherkommen. Dieses Abenteuer würde ich zwar auch alleine antreten, aber ich fürchte, dass ich mich mit den Busverbindungen noch viel zu wenig auskenne, um an mein Ziel zu gelangen. Wahrscheinlich würde ich mich auch im Park verlaufen, wenn ich niemanden hätte, der mich führt. Ich sehe mich um, um mir die Umgebung so gut wie möglich einzuprägen. In diesem Teil des Parks waren wir noch nie. Denke ich.
„Wir sind aus der anderen Richtung gekommen, oder?“, frage ich nach, um sicherzugehen.
„Ja.“ Killian lässt meine Hand los. „Warte, ich zeige dir die Karte, vielleicht hilft dir das, dich zu orientieren.“ Wir bleiben stehen und Killian holt sein Smartphone aus der Hosentasche. Ich blicke auf den Bildschirm, während er die Worte in das Internet eingibt. Das Internet weiß alles, also findet es auch die Karte des Golden Gate Parks ganz schnell. Meine Aufmerksamkeit liegt jedoch nicht lange auf dem Display. Im Augenwinkel nehme ich ein Glitzern wahr. Interessiert drehe ich mich Richtung Bäume, doch dann verschwindet das Glitzern zwischen den Blättern.
„Eine Fee!“, gebe ich aufgeregt von mir und laufe sofort los, um sie einzuholen.
„Ilaria, warte! Du kannst doch nicht einfach weglaufen!“, ruft Killian mir hinterher, doch ich drehe mich nicht um.
„Ich muss sie finden!“
„Ilaria! Warte!“
Ich steige in das Dickicht und sehe zu den Bäumen hinauf. „Warte, kleine Fee, ich bin kein Mensch, hab keine Angst“, bitte ich sie, während ich durch einen Busch klettere und nach der Fee Ausschau halte. Das Glitzern ist noch deutlich zu sehen.
„Ilaria!“, höre ich Killian rufen, doch ich antworte ihm nicht. Die Fee ist im Moment ein klein wenig wichtiger. Ich werde Killian schon nicht verlieren.
„Komm bitte raus, ich will mit dir sprechen.“ Mein Kleid bleibt an einem der Äste hängen. Ich bleibe stehen und befreie mich, dabei sehe ich mich immer wieder um.
„Was willst du?“, erklingt die piepsige Stimme der Fee hinter mir. Ich drehe mich schnell um und lächle sie an. Die kleine Fee schwirrt einmal um mich herum, um mich zu begutachten. „Du bist ja echt kein Mensch. Aber du hast keine spitzen Ohren, also bist du auch keine Elbin.“
Ich atme tief durch. „Nein, ich bin keine Elbin, ich bin eine Meerjungfrau.“
„Ha, ein Fischmensch!“, antwortet sie amüsiert. Sie lässt sich auf einem Ast nieder und wackelt mit ihren winzigen Beinen. Ihre Flügel flattern weiterhin. Sie verstreut Feenstaub, der unter ihr herabrieselt und auf einem der Büsche landet. Ich kann beobachten, wie die Blätter sich aufrichten. Die Magie tut dem Park offenbar gut.
„Ich bin kein Fischmensch, sondern eine Meerjungfrau.“
„Ja, aber du hast doch eine Flosse“, meint sie.
„Ja, das habe ich.“
„Und einen menschlichen Oberkörper.“
„Ja, das schon, aber …“
„Fischmensch!“, unterbricht sie mich und lacht dann.
Ich sehe auf, als Killian keuchend auf uns zukommt. „Lauf doch nicht so weg. Ach, fuck.“ Er stützt seine Hände an seinen Knien ab und atmet einige Male tief durch. Mein Liebster ist vollkommen außer Atem. Das Laufen hat ihm nicht gutgetan. Mein armer Killian.
„Entschuldige. Aber sieh mal, ich habe die Fee gefunden.“
„Was ist denn das für einer?“, fragt die Fee mich und deutet mit ihrem Daumen hinter sich auf Killian. „Der sieht nicht aus wie ein Fischmensch.“
„Er ist ein gewöhnlicher Mensch“, antworte ich ihr.
Die Fee steht auf und springt von ihrem Ast. Sie lässt sich bis zu dem Blatt fallen, kommt mit ihren Füßen darauf auf und nutzt es dann, um wieder Aufschwung zu bekommen. Sie umkreist Killian und mustert ihn neugierig.
„Was ist denn mit deinem Gesicht passiert? Du siehst ja hässlich aus.“ Die Fee umkreist Killian ein weiteres Mal. „Und du bist ja ganz schön verschwitzt. Liegt sicher daran, dass du so dick bist“, meint die Fee, während sie ihre Arme verschränkt. Ungläubig halte ich mir die Hand vor den Mund. Hat sie das gerade wirklich gesagt?
„Ihr Feen seid geflügelte, kleine Arschlöcher, hm?“, meint Killian und richtet sich wieder auf. „Pass auf, dass ich dich nicht wegschnippe.“
Die Fee lacht herzlich. Sie hält sich sogar den Bauch. „Du bist lustig! Dafür müsstest du mich erst einmal erwischen, dicker Mensch.“
„Eigentlich bevorzuge ich den Namen Killian“, meint mein Liebster, wobei er die Fee ausgiebig betrachtet. „Du bist ja ganz schön frech dafür, dass du so winzig bist.“
„Ich bin nicht winzig, du bist nur viel zu groß!“, antwortet die Fee selbstbewusst und stemmt ihre Hände an ihre Hüfte. „Ihr Menschen denkt, dass ihr die wichtigsten Wesen der Welt seid, aber das seid ihr gar nicht.“
„Ich glaube, dass wir so nicht weiterkommen“, meint Killian. Er blickt zu mir, doch dann widmet er sich wieder der Fee. Seine Augen verraten, dass er äußerst fasziniert von dem kleinen Wesen ist.
Ich steige zwischen den Büschen und Ästen hervor und sehe mir die Fee ebenfalls genauer an. Neugierig frage ich: „Hast du Ahnung von Magie, kleine Fee? Wir haben einige Fragen, auf die wir gerne Antworten hätten.“
„Ihr meint sicher das da“, meint die Fee und zeigt in den Himmel. „Die Menschen werden ganz verrückt, weil sie die Magie nicht verstehen.“
„Weißt du denn, woher diese Magie kommt?“
Die Fee verschränkt ihre Arme. Sie pustet sich eine rote Haarsträhne ihrer frechen Frisur aus dem Gesicht. „Woher soll ich das denn wissen? Wir haben Feenstaub, daher kommt unsere Magie. Unsere Magie glitzert Gold, die Magie da oben ist grün.“
Killian verengt seine Brauen. Sein Blick ist weiterhin auf die kleine Fee gerichtet, die zwischen uns schwebt. „Dann ist das ‚andere‘ Magie?“
„Hab' ich doch gerade gesagt.“ Die Fee wendet sich wieder an mich. „Stellt der immer so doofe Fragen?“
Killian rollt mit den Augen. Ich trete an ihn heran und lege meine Hand auf seinen Arm, um ihn zu beschwichtigen. Es ist deutlich zu hören, dass er noch nicht wieder bei Atem ist. Ich wende mich an die Fee: „Sei nachsichtig mit ihm, er versteht nichts von Magie und ich ehrlich gesagt auch nicht. Weißt du denn, um welche Magie es sich bei dem grünen Schimmer handelt?“
Überlegend legt die Fee ihre Hand an ihr Kinn. Langsam fliegt sie vor uns hin und her, schließlich macht sie eine Rückwärtsrolle. Der Feenstaub, den sie fallen lässt, formt einen Kreis in der Luft, doch er löst sich recht schnell wieder auf.
„Ja, also, die Magie ist grün, also ist es grüne Magie“, antwortet die Fee, ehe sie mit den Schultern zuckt.
„Wie hilfreich“, gibt Killian von sich, ehe er schnaubt. Er wirkt amüsiert von dem kleinen Wesen.
„Du Mensch hast ja wieder mal keine Ahnung. Na grüne Magie eben!“ Sie stemmt ihre Hände ein weiteres Mal an ihre Hüfte. „Die Natur ist grün, also ist es Naturmagie. Die Magie da oben ist natürlich.“
„Dann hat die Natur diese Magie erschaffen?“, frage ich nach.
„Du bist ja auch nicht besonders helle. Genau wie dein Mensch“, antwortet die Fee, ehe sie kichert. „Pflanzen machen Magie nicht einfach, ihr Dummies. Die Natur kann ja nicht zaubern.“
„Du willst dich doch nur über uns lustig machen“, meint Killian, worauf die kleine Fee lacht.
„Die Magie ist überall. Man kann sie nur nicht immer sehen.“ Sie zeigt wieder nach oben. Ich folge ihrem Finger sofort und sehe in den Himmel. „Aber die Magie kann man jetzt sehen.“
Killian brummt. „Das ergibt aber keinen Sinn. Wenn die Magie immer da war, dann hätte sie immer die Fluginstrumente gestört.“
„Und wenn gar nicht die Magie an den Störungen schuld ist?“, antwortet die Fee fast schon gehässig. „Schon mal darüber nachgedacht?“
Verdutzt blinzle ich und sehe dann die Fee an. Ich frage: „Und was ist deiner Meinung nach schuld an den Veränderungen der Welt?“
„Ach, was weiß ich?“, antwortet die Fee mit einer Gegenfrage. „Denkt euch doch selbst etwas aus, das mache ich auch.“ Sie kichert frech und steigt immer höher über unsere Köpfe.
„Moment, dann hast du uns gerade Quatsch erzählt?“, fragt Killian etwas lauter.
Die Fee kichert ein weiteres Mal. Flink schnellt sie um uns herum. Sie kommt vor Killians Gesicht zu stehen. Ihr freches Lachen ist deutlich zu hören. Ehe ich ihr eine weitere Frage stellen kann, pustet sie Killian Feenstaub ins Gesicht und nimmt dann lachend Abstand. Mein Liebster wedelt vor seinem Gesicht herum, um den Feenstaub wieder loszuwerden. Er niest sogar.
Besorgt streichle ich über seinen Rücken. „Ist alles in Ordnung, Killian?“
„Ja, aber irgendetwas sagt mir, dass die Fee mich nicht ausstehen kann.“
Ich sehe nach oben, doch das kleine Wesen ist spurlos verschwunden. „Damit hast du wohl recht.“
„Denkst du, dass sie sich das alles nur ausgedacht hat?“
Ich zucke mit den Schultern, während ich versuche, die Fee zwischen den Blättern ausfindig zu machen, doch ich kann kein Glitzern erkennen. „Keine Ahnung. Es ist aber nicht unwahrscheinlich. Vielleicht weiß niemand, was hier wirklich vor sich geht. Das könnte ihre beste Theorie gewesen sein.“
Killian seufzt. „Dann stehen wir wieder einmal am Anfang.“
„Scheint so.“ Ein Blick auf meinen Liebsten bringt mich zum Lächeln. „Vielleicht mag die kleine Fee dich doch.“
„Hm?“
„Deine Wunden sind verheilt“, antworte ich ihm.
Ungläubig fasst Killian sich an das Gesicht. „Es tut auch gar nicht mehr weh?“ Er zieht sein Smartphone aus der Hosentasche und überprüft sein Aussehen mit Hilfe der Kamera. „Ich fass' es nicht…“