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Kapitel 14
Liebe geht durch den Magen
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Ich bin nicht sicher, ob der Kuss etwas verändert hat oder ob ich es mir nur einbilde, doch ich habe das Gefühl, dass Killians Umarmung heute Morgen viel inniger ist. Killians Körper an meinem Rücken zu spüren und von seinen Armen umschlossen zu werden, ist eines der schönsten Gefühle, die ich jemals erleben durfte. Es fühlt sich richtig an, in seinen Armen zu liegen. Es ist, als hätte ich das gefunden, was mir mein ganzes Leben lang gefehlt hat, ohne zu wissen, dass es mir gefehlt hat. Vielleicht ist es voreilig zu denken, dass ich aus genau diesem Grund in die Welt der Menschen gekommen bin, doch ich werde mir von Stunde zu Stunde sicherer, dass mein Platz an Killians Seite ist.
Der Mensch bewegt sich. Er schmiegt seinen Kopf gegen meinen. Eigentlich dachte ich, dass er noch schläft, doch Killian streicht mir die Haare von der Schulter. Kaum hat er das getan, spüre ich seinen Atem an meiner Haut. Killians Hand findet ihren Weg zurück an meine Taille. Ich spüre sofort die Wärme, die von seiner kräftigen Hand ausgeht. Sie bleibt jedoch nicht ruhig liegen. Killian streicht von meiner Taille nach vorne und über meinen Bauch. Gleichzeitig fährt er mit seiner Nasenspitze über meine Ohrmuschel. Ich kann einen weiteren seiner tiefen Atemzüge an meiner Haut spüren. Er verursacht ein Kribbeln an meinem Hals und in meinem Nacken.
„Nicht erschrecken“, erklingt seine tiefe Stimme an meinem Ohr.
„Wovor soll ich mich nicht erschrecken?“
Killian lacht leise. Kaum verstummt sein Lachen, spüre ich seine Lippen an meinem Hals. Killian platziert sanfte Küsse, den nächsten nur wenige Millimeter neben den vorherigen, an meinem Ohr stoppt er jedoch. Er atmet tief durch, dabei kitzelt er mich, was mich leicht zum Zucken bringt. Noch nie hat mich jemand auf diese Weise berührt, doch ich könnte mich an dieses Gefühl gewöhnen.
„Wenn ein Morgen so startet, will man gar nicht aus dem Bett.“
„Du willst nie aus dem Bett, Killian“, ziehe ich ihn amüsiert auf.
„Gestern bin ich früh aufgestanden.“
Ich befreie mich aus Killians liebevollem Griff, um mich umdrehen und ihn ansehen zu können. „Dann stehst du jetzt nie wieder so früh auf, weil du es gestern bereits getan hast?“
Killian schnaubt. „Das wäre schön, ja.“ Er zieht mich näher zu sich, und vergräbt sein Gesicht in meinen Haaren.
„Ich nehme an, dass du mich nicht aufstehen lassen willst?“
„Mhm. Wieso?“
„Sonst hätte ich dir Kaffee gemacht“, antworte ich ihm.
„Du bist nicht hier, um mich zu bedienen. Ich kann mir meinen Kaffee auch selbst machen.“
Mit einem Lächeln streiche ich über Killians Brustkorb. Zu gerne würde ich seine Haut berühren, doch ich muss wohl mit seinen Armen und seinem Gesicht Vorlieb nehmen, wenn ich Hautkontakt möchte. Eine von Killians Händen streicht über meinen Rücken, die andere hält mich weiterhin fest.
„Was machen wir heute?“, frage ich Killian und lehne meinen Kopf etwas nach hinten, um ihn ansehen zu können. Die Regel, ihm erst Fragen nach seinem Kaffee zu stellen, breche ich immer öfter. Heute sogar schon mehrmals. Es scheint ihm nichts mehr auszumachen, dennoch lässt sein Blick sofort erkennen, dass er noch nicht ganz wach ist. Meine Beobachtungen haben gezeigt, dass es im Durchschnitt eine Stunde und ungefähr eine Tasse Kaffee dauert, bis er richtig ansprechbar ist.
„Weiß nicht. Willst du denn etwas machen?“, fragt er müde.
Ich hebe meine Hand und streiche über seine Wange, auf der sich eine ausgefallene Wimper befindet. „Keine Sorge, ich scheuche dich nicht aus dem Bett. Wir müssen nicht jeden Tag ein neues Abenteuer erleben.“ Die Wimper lasse ich mit einem Fingerschnippen verschwinden und lächle Killian an.
„Gott sei Dank“, antwortet er erleichtert. Er zieht einen Mundwinkel hoch und sieht mich mit verschlafenen Augen an.
„Mir tun ohnehin die Füße weh, auch wenn ich flache Schuhe getragen habe“, erzähle ich, was Killian dazu bringt zu lachen. Er zieht mich näher an sich heran und drückt mich gegen seine Brust. „Zerdrück mich nicht.“
„Entschuldige.“ Killian lässt etwas lockerer, dann nimmt er seine Arme von mir und dreht sich wieder auf den Rücken. Müde blinzelt er die Decke über uns an. Er wirkt, als könnte er jeden Moment wieder einschlafen. Kaum eine Sekunde vergeht, schon schmiege ich mich an seine Seite. Meine Finger ziehen Kreise auf seinem Oberkörper. Killian atmet tief durch, bevor er spricht: „Ich überlege gerade, was wir heute machen könnten. Mein Kopf will aber noch nicht denken.“
„Dann wird es Zeit, dass du deinen Kaffee bekommst“, schlage ich vor und löse mich von ihm. Ich steige aus dem Bett und werfe Killian noch einen Blick zu. Als ich den Menschen anlächle, zieht er einen Mundwinkel nach oben. Er sieht zwar müde, aber durchaus zufrieden aus. „Ich bin gleich wieder bei dir.“
༄ ♫ ༄
Das Problem, das wir heute Morgen im Bett hatten, ist schnell geklärt. Ein Blick in Killians Kühlschrank verrät uns, dass kaum noch etwas zu essen da ist. Die Lösung dafür ist allerdings schnell gefunden. Obwohl ich davon ausgehe, dass Killian den Einkauf wie in den letzten Tagen alleine erledigen möchte, werde ich gefragt, ob ich mitkommen möchte. Natürlich kann ich dieses Angebot nicht ablehnen. Ich bin neugierig darauf, die Geschäfte endlich von Innen zu sehen.
Den Weg zu dem Lebensmittelgeschäft kenne ich bereits, da wir schon mehrmals daran vorbeigelaufen sind, um unsere Wäsche zu waschen. Ich kann also problemlos einschätzen, dass wir gleich da sein werden. Die verbleibenden Minuten nutze ich, um Killian eine Frage zu stellen. „Hast du noch einge Regeln für mich, bevor wir ankommen?“ Killian sieht überrascht zu mir, doch dann lacht er. Ich bin mir nicht sicher, warum er lacht, denn ich habe diese Frage durchaus ernst gemeint.
Er schnaubt, bevor er mir antwortet: „Ja und nein. Der Laden ist klein, also werden wir sofort auffallen, wenn wir hineingehen. Ich weiß, wie gerne du Dinge anfasst, also bitte ich dich darum, nicht alles, das dir gefällt, sofort in die Hand zu nehmen.“
„In Ordnung“, antworte ich nickend.
Der Mensch überlegt einen Moment, bevor ihm noch etwas einfällt. „Oh, wenn du Fragen hast, dann bitte nicht zu laut. Ich will nicht, dass man dich für seltsam hält.“
Killian bringt mich zum Kichern. „Ich bin aber seltsam. Selbst für die Verhältnisse in meiner Welt.“
Er zwinkert mir zu. „Das muss aber trotzdem keiner wissen.“
„Wie du mir nicht widersprichst“, beschwere ich mich lachend.
„Normal ist langweilig, deswegen widerspreche ich nicht“, antwortet Killian mir. Sein freches Grinsen zeigt mir, dass er es ebenfalls lustig findet.
Uns trennen nur noch wenige Schritte von unserem Ziel. Ich erkenne das Geschäft schon, bevor wir die Straße überqueren. Der Waschsalon ist ebenfalls nicht mehr weit. Ein prüfender Blick auf die andere Straßenseite bestätigt meine Annahme. Meine Orientierung in der Menschenstadt wird immer besser. Nun ist es soweit. Ich betrete zum ersten Mal eines der Geschäfte, in dem Menschen ihre Nahrung erhalten. Die weiße Tür des an der Ecke gelegenen Ladens ist weit geöffnet. Killian lässt meine Hand los. Er legt sie an meinen unteren Rücken und überlässt mir den Vortritt. Kaum betrete ich das kleine, enge Geschäft, steht Killian bereits wieder neben mir. Den Körperkontakt bricht er nicht ab. Ich spüre seine schützende Hand weiterhin an meinem Rücken.
Nicht nur auf den ersten Blick, sondern auch auf den zweiten Blick wirkt dieses Geschäft düster auf mich. Dass Killian seine Einkäufe immer hier erledigt, empfinde ich als etwas befremdlich. Das einzige, das einladend wirkt, ist die geöffnete Tür hinter uns. Die Regale sind nicht besonders hoch, aber gut gefüllt. Das künstliche, kühle Licht an der Decke trägt nicht gerade dazu bei, die Stimmung aufzuhellen. Die Menschen scheint das jedoch nicht zu stören.
„Du hast nicht übertrieben, als du sagtest, dass der Laden klein ist.“
„Wir finden aber fast alles, was wir brauchen. Komm.“
Ich bemerke, dass Killian nun einen Korb in der Hand hält und hake mich bei seinem freien Arm ein. Während wir durch die engen Gänge gehen, sehen wir uns um. Einige der Lebensmittel und auch Gegenstände kenne ich bereits, andere wecken sofort meine Neugierde. Ich löse mich von Killian, da er seinen Arm braucht, um die gewünschten Lebensmittel in den kleinen Korb zu packen.
„Wenn du etwas Interessantes siehst, das du probieren willst, können wir es gerne mitnehmen. Solange es sich im Rahmen hält.“
„Oh, dann darf ich mir etwas aussuchen?“, frage ich überrascht nach.
„Mhm.“
„Wenn ich etwas finde, sagst du mir dann, was es ist oder muss ich es wieder selbst herausfinden?“, frage ich gleich weiter, worauf Killian lacht.
„Kommt darauf an“, antwortet er vage. „Ich will dir nicht den Spaß am Erkunden unserer Welt nehmen. Es ist doch viel spannender, wenn du die Geschmacksvielfalt selbst entdeckst. Wenn du dir etwas aussuchst, von dem ich aber sicher bin, dass du es nicht mögen wirst, rate ich dir davon ab.“
„Danke. Das ist sehr rücksichtsvoll von dir.“
„Ich muss doch auf dich aufpassen“, antwortet Killian, dreht sich dabei in meine Richtung und zwinkert mir zu. „Versuch dein Glück da drüben.“ Er deutet mit dem Daumen über seine Schulter. „Dort findest du Süßigkeiten.“
Ich mache große Augen. „Das klingt vielversprechend.“ Als ich an Killian vorbeigehe, streiche ich mit meiner Hand über seinen Arm und seinen Rücken.
Bevor ich mich meiner persönlichen Erkundungstour hingebe, werfe ich noch einen Blick auf Killian, der scheinbar schon ganz genau weiß, was er braucht. Er bemerkt wohl, dass ich ihn ansehe, denn er dreht sich zu mir und lächelt mir zu. Ich erwidere dieses Lächeln, widme mich dann allerdings den Süßigkeiten vor mir. Obwohl das Regal nicht besonders groß ist, ist die Vielfalt der Süßigkeiten beinahe überfordernd. Die Verpackungen in den bunten und teilweise sehr knalligen Farben wirken fast schon, als würden sie einen Wettstreit um die Aufmerksamkeit der Menschen machen. Von leuchtendem Orange bis zu giftigem Grün bis über quietschendem Rosa ist alles dabei.
Für einen Moment lasse ich die vielen Farben und Verpackungen auf mich wirken und greife dann nach einem kleinen, blauen Karton. Die Schrift darauf ist recht einfach zu lesen. „Pop-Tarts“, lese ich murmelnd vor. Auf der Verpackung ist etwas abgebildet, das mich an einen großen Keks erinnert. Das weiße auf dem Keks könnte Zuckerglasur sein, die geschwungenen Linien sehen wie Schokolade aus. Außerdem erkenne ich noch bunte Zuckerstreusel, wie ich sie schon von den Donuts kenne, die Killian und ich gegessen haben, als wir den Strand besucht haben.
„Killian?“, frage ich in den nun leeren Gang.
„Ich bin gleich bei dir, Ilaria.“
Suchend sehe ich mich um, Killians tiefe Stimme verrät mir, dass er sich hinter mir befindet. Dass er aus meiner Sichtweite ist, weckt unschöne Erinnerungen an den ersten Besuch im Waschsalon, also stelle ich den blauen Karton zurück und mache mich lieber auf die Suche nach Killian. Als ich ihn einen Gang weiter erblicke, gehe ich die wenigen Schritte auf ihn zu und hake mich wieder bei ihm ein.
„Ist irgendetwas passiert?“, fragt er mich besorgt, doch ich schüttle den Kopf.
„Nein, es ist nichts passiert. Ich wurde nur etwas nervös, weil du nicht in Sichtweite warst.“
Killian befreit sich aus meinem Griff und legt den Arm um meine Schultern. Er drückt mich an sich, streicht durch mein Haar und lächelt mich aufmunternd an. „Entschuldige, ich war nur einen Schritt hinter dir. Ich gehe nicht mehr weg, versprochen. Meine Liste ist so gut wie abgehakt.“
Der Mensch lässt von mir ab. Ich folge ihm und sehe ihm dabei zu, wie er noch einige Dinge in den Korb packt. Als er fertig ist, führt er mich zurück zu dem Regal mit der überwältigenden Auswahl an Süßigkeiten. Obwohl ich darauf gefasst war, erschlägt mich die Auswahl ein weiteres Mal.
„Hattest du schon etwas im Auge, bevor du in meine Arme geflüchtet bist?“
„Ich habe mir das hier angesehen“, antworte ich ihm und greife nach dem blauen Karton.
„Pop-Tarts?“, stellt Killian hörbar amüsiert fest. Ein Blick in sein Gesicht bestätigt meine Annahme.
„Was ist daran so lustig?“
Er schnaubt. „Die Ironie. Von all den Dingen greifst du ausgerechnet nach den Pop-Tarts. Es ist üblich, sie im Toaster aufzuwärmen. So sehr, wie du dich immer vor den herausspringenden Toasts erschreckst, ist es lustig, dass du dir eben ausgerechnet das aussuchst. Verstehst du?“
„Oh“, gebe ich erleuchtet von mir und lache dann. „Vielleicht will mir mein Unterbewusstsein sagen, dass ich gegen meine Ängste ankämpfen soll.“
Killian lacht leise. „Ja, das könnte sein.“ Er sieht auf die Packung in meinen Händen und sieht dann mich an. „Willst du sie mitnehmen? Es gibt noch einige andere Geschmacksrichtungen.“ Er nimmt eine weitere Packung zur Hand. „Die hier schmecken nach Erdbeere, falls dir das lieber ist. Das mochtest du schon bei der Eiscreme am liebsten.“
„Hm“, gebe ich überlegend von mir. „Nein, ich denke, dass ich bei dieser Packung bleibe. Die Zuckerstreusel fand ich bei den Donuts schon sehr spannend.“
Killian hält mir auffordernd den schwarzen Korb in seiner Hand hin. Ich komme seiner wortlosen Anweisung nach und lege die Packung zu den anderen Lebensmitteln. „Spricht dich noch irgendetwas an?“
„Das ist schwer zu sagen“, antworte ich etwas überfordert, aber dennoch mit einem Lächeln. „Man kann ja kaum einen klaren Gedanken fassen, wenn man von so vielen bunten Farben umgeben ist.“
Killian schnaubt. „Ja, das ist so ein Marketing-Ding. Je greller die Verpackung, desto eher sticht sie aus der Masse heraus.“
Ich lasse meinen Blick über das Regal schweifen und sehe dann Killian an. „Jemand sollte den Menschen sagen, dass das nicht funktioniert, wenn alle dieselbe Idee haben.“
Killian lacht und reibt sich im Anschluss mit seiner Hand über das Gesicht. „Ja, damit hast du nicht Unrecht, Ilaria.“ Er sieht mich an und zieht einen Mundwinkel hoch. „Zurück zu meiner Frage: Gefällt dir noch etwas?“
„Hm“, gebe ich überlegend von mir und sehe mir erneut die Süßigkeiten an. Das meiste davon ist zu meinem Leidwesen in Plastik verpackt. Die Verpackung ist nicht mein einziges Problem. Mich zu entscheiden fällt mir noch schwerer, als ich dachte, denn ständig zieht eine andere der grellen Verpackungen meine Aufmerksamkeit auf sich. Unentschlossen greife ich nach einer orangenen Plastiktüte. Ich berühre sie nur ganz vorsichtig, denn das Knistern des Plastiks ist nach wie vor unangenehm für mich.
„Reese’s?“, fragt Killian. Die Tonlage seiner Stimme bringt mich dazu, die Tüte wieder zurück in das Regal zu legen. „Nein, nicht weglegen, die sind gut.“
„Du verunsicherst mich, lass das.“ Belustigt lasse ich die Tüte in den Korb sinken. Ich sehe zu Killian auf und als sich unsere Blicke treffen, nickt er wieder zum Regal.
„Noch etwas?“
„Klar. Die Reese’s hätte ich selbst mitgenommen.“
Ein letztes Mal drehe ich mich zu dem Regal. Nach einem Moment der stillen Überlegung entscheide ich mich. Meine Wahl fällt auf eine große weiß-blaue Packung aus Karton. Die abgebildete Süßigkeit erinnert mich an einen von rosa Algen überzogenen Stein. Sie sieht also sehr ansprechend aus. Interessiert greife ich danach. Ich drehe und wende die Packung, im Augenwinkel bemerke ich die Blicke des Menschen.
„Das sind Sno Balls“, meint Killian und zeigt auf den roten Aufdruck der Verpackung.
Ich nicke verstehend. „Das möchte ich. Das sieht lecker aus.“
„Wie Ihr wünscht, Prinzessin.“ Killian hebt seinen Korb an. Kichernd lege ich die Sno Balls in den Korb. „Zufrieden?“
„Sehr“, antworte ich Killian lächelnd und greife nach seiner freien Hand.
Zusammen gehen wir wieder Richtung Eingang. Die weiße Tür steht nach wie vor offen. Killian lässt meine Hand los, als wir an einer Theke stehenbleiben. Hinter dieser Theke sitzt ein Mensch, der erst mich und dann Killian ansieht. Da ich doch ein wenig Angst habe, dass der Fremde meine Andersartigkeit entdecken könnte, nehme ich etwas Abstand und sehe mir die Waren hinter uns an.
„Deine neue Freundin?“, höre ich den Mann mit kratziger Stimme sprechen.
„Ja, wieso fragst du?“, antwortet Killian ihm.
„Sie sieht 'n bisschen blass aus“, meint er neutral. Ich verharre in meiner Bewegung und senke den Kopf ein wenig. Es ist fast so, als könnte ich seine Blicke in meinem Rücken spüren. „Du solltest sie öfter mal aus'm Schlafzimmer lass'n. Das arme Kind braucht 'n bisschen Sonne und frische Luft.“
„Haha, wie immer sehr witzig, Francis.“
Ich drehe mich zu den beiden um. Der Mann hinter der Theke sieht von seiner Tätigkeit auf und grinst mich an.
„Wenn du die Schnauze voll von ihm hast, kannst du dich gern' bei mir melden.“ Der Mann zwinkert mir zu. Bei Killian wirkt das charmant. Da es allerdings von einem Fremden kommt, löst es ein eher mulmiges Gefühl bei mir aus.
„Deine Frau würde es bestimmt spannend finden, wenn sie wüsste, dass du meinem Mädchen nachgeierst“, antwortet Killian für mich. Er verschließt seinen Rucksack und dreht sich dann zu mir. „Er meint es nicht ernst. Das ist seine Art von Humor.“
Da ich nicht weiß, wie ich reagieren und ob ich etwas sagen soll, sehe ich Killian einen Moment lang stumm an.
Der Mann hinter der Theke lacht. „Schon gut, Kleines, mach dir keinen Stress. Sollte echt 'n Scherz sein.“
„Oh“, gebe ich leise von mir. Die Situation ist mir trotzdem etwas unangenehm, also greife ich nach Killians Hand, um bei ihm Schutz zu suchen.
„Du solltest trotzdem dafür sorg'n, dass sie an die Sonne kommt“, spricht der Mann nun zu Killian. „Ich bin zwar kein Doc, aber das sieht nich' gesund aus.“
„Sie kommt aus Nordeuropa“, antwortet Killian ihm. „Die bekommen da nicht so viel Sonne.“
„Hm.“
„Komm, wir gehen“, meint Killian und zieht schon an meiner Hand. „Schönen Tag noch, Francis.“
„Euch auch“, verabschiedet sich auch der Mensch hinter der Theke. Ich winke ihm zum Abschied, bevor wir den Laden ganz verlassen.
Killian und ich gehen einige Schritte. Er räuspert sich, bevor er spricht: „Jetzt holen wir uns noch ein paar Garnelen und dann mache ich uns etwas zu essen. Einverstanden?“
„Ja, aber ich habe noch eine Frage.“
„Stell sie mir“, bittet Killian mich.
„Was ist Nordeuropa?“
Der Mensch wirkt überrascht. Er schnaubt amüsiert. „Ich zeige es dir später auf der Karte. Kannst du dich so lange gedulden?“
„Hm“, gebe ich gespielt überlegend von mir, dabei überblicke ich die Straße und die vorbeifahrenden Autos. „Ich weiß nicht. Ich kann es versuchen, aber nichts versprechen.“
„Sag es mir sofort, wenn du es nicht mehr aushältst, ja?“
Ich sehe in Killians Gesicht. Er grinst breit. „Du bist der Erste, der es erfährt.“
༄ ♫ ༄
Auf dem Rückweg haben Killian und ich noch Garnelen besorgt. Dass ich es kaum erwarten kann, sie zu essen, ist kein großes Geheimnis. Killian wäscht die Garnelen vorsichtig ab, ich sehe ihm dabei ganz genau auf die Finger.
„Ich nehme an, dass du es gewohnt bist, dir die kleinen Meerestierchen selbst zu fangen, oder?“
„Ja“, stimme ich ihm zu. „Normalerweise fange ich alles, was sich im Meer finden lässt, um es zu essen. Krebstiere und Fische zum Beispiel. Aber ich esse auch Muscheln, Algen oder Seetang.“ Ich greife mir eine der Garnelen oder besser gesagt, das, was von ihr übrig ist und betrachte sie genau. Sie hat weder Kopf, noch Beine und selbst ein Teil des Schwanzes fehlt. Mir kommt sofort der Gedanke, dass die Menschen diese Teile des Tieres nicht essen wollen oder gar können.
„Du siehst so skeptisch aus. Glaub mir, wenn ich sie in die Pfanne geworfen habe und die Pasta fertig ist, steht ein kleines Festmahl vor uns auf dem Tisch.“ Killian dreht sich zu dem Topf, in dem bereits das gesalzene Wasser kocht. Ich beobachte den Menschen dabei, wie er nun die Pasta ins Wasser wirft. „Es wird nicht mehr so lange dauern.“
Neugierig schnuppere ich an der Garnele in meiner Hand und beiße anschließend hinein, um sie zu kosten. Sie schmecken anders als Zuhause, weniger salzig, doch man kann sie essen. Als Killian sich von dem Topf zu mir dreht, blinzelt er mich zweimal an. Für einen Moment wirkt er geschockt, doch dann lacht er. Er deutet auf die zwei Pfannen, die ebenfalls bereits auf dem Herd stehen und schüttelt sichtlich belustigt den Kopf.
„Eigentlich wollte ich die Garnelen noch anbraten.“
„Oh, entschuldige. Hier.“
Während ich kaue halte ich mir die Hand vor den Mund. Um Killian die angebissene Garnele zurückzugeben, strecke ich meine Hand nach ihm aus. Er blickt verwirrt auf die Garnele, die ich auf meiner Handfläche präsentiere, doch dann lacht er noch mehr als gerade eben. Der Mensch hebt abwehrend die Hände. Dass ich ihn unbeabsichtigt unterhalte, ist ihm deutlich anzusehen.
„Nein, nein, schon gut. Bitte. Lass sie dir schmecken. Wenn du noch eine haben willst, greif ruhig zu, aber lass mir was übrig, damit ich noch damit kochen kann.“ Killian zwinkert mir grinsend zu.
Während ich meine Garnele esse, sehe ich Killian auf die Finger. „Was hast du genau vor?“
Killian stellt zwei Tassen auf die Theke und kippt etwas Flüssigkeit aus einer Flasche hinein. „Das war Olivenöl. Jetzt kommt noch etwas Zitronensaft dazu.“ Killian nimmt ein Messer aus einer der Schubladen und halbiert eine Zitrone. Diese saure Frucht kenne ich bereits. Er hebt eine der Hälften an und presst etwas Zitronensaft heraus, der in die Tasse darunter tropft. Diesen Vorgang wiederholt er bei der zweiten Tasse. „Jetzt kommt noch Knoblauch dazu.“
„Wieso brauchst du zwei verschiedenen Tassen, wenn in beide dasselbe hineinkommt?“, frage ich nach.
„Ich würze noch mit Chili“, antwortet Killian mir, während er sich die Hände wäscht. Kaum hat er sich abgetrocknet, schneidet er eine Knoblauchzehe klein. „Da du scharfes Essen nicht verträgst, lasse ich bei dir die Chilischoten weg. Außerdem nehme ich weniger Knoblauch, um dich mit den Gewürzen nicht zu überfordern.“
„Oh, ich verstehe. Das ist sehr rücksichtsvoll von dir. Kann ich dir helfen?“
Killian dreht sich zum Herd. Er nickt, als er mich wieder ansieht. „Neben dem Topf liegt der Kochlöffel.“
Ich gehe an Killian vorbei, jedoch nicht, ohne über seine Schultern zu streichen. Froh darüber helfen zu können, nehme ich den Kochlöffel zur Hand und rühre damit das heiße Wasser mit der Pasta um. Der intensive Geruch von Knoblauch liegt in der Luft. Zu erfahren wie die Kombination dieser Zutaten schmecken wird, reizt mich jetzt schon.
Das Ölgemisch ist schnell fertig. Der Mensch streut noch frisch geschnittene Kräuter dazu. Die Arbeit geht ihm leicht von der Hand, zu kochen liegt ihm scheinbar sehr. Killian verteilt etwas Öl in den Pfannen und schwenkt sie dann, um es gleichmäßig zu verteilen. Ihm beim Kochen zuzusehen ist äußerst spannend für mich. Es ist schön zu sehen, dass er auch etwas aktiver sein kann und nicht nur auf der Couch liegen und fernsehen möchte. Killian teilt die Garnelen gleichmäßig auf beide Pfannen auf und reicht mir im Anschluss die letzte.
„Zum Naschen“, erklärt er grinsend. Ich greife sofort zu und beiße hinein. Die anderen Garnelen braten in der Zwischenzeit in dem Öl. „Du kannst mir gleich noch einmal helfen.“ Von der Halterung an der Wand nimmt er ein weiteres Kochwerkzeug. Fragend sehe ich ihn an. „Das ist ein Pfannenwender.“
Ich lege den Kopf schief. „Wieso sollte ich denn damit die Pfanne wenden? Sie hat doch einen Griff.“ Bei meinem letzten Satz zeige ich auf besagten Griff, ehe ich weiterspreche: „Wenn ich sie umdrehen will kann ich das doch einfach so machen.“
Killian schnaubt und schüttelt amüsiert den Kopf. „Der Pfannenwender ist dafür gedacht den Inhalt der Pfanne zu wenden. Sieh her.“ Killian zeigt mir, was er mir gerade erklärt hat. Tatsächlich. Das flache, aber breite Werkzeug eignet sich sogar ausgezeichnet dafür, die Garnelen zu wenden. „Jetzt bist du dran.“
Enthusiastisch nicke ich und nehme den Pfannenwender entgegen. Mit nur wenigen Handgriffen schaffe ich es, alle Garnelen in der Pfanne zu wenden. Durch das Braten haben sie schon ein wenig die Farbe geändert. Sie sind dunkler geworden. Stolz halte ich Killian das Werkzeug entgegen.
„Das war einfach.“
„Sehr gut gemacht“, lobt Killian mich. Er nimmt den Pfannenwender an sich und legt ihn zur Seite. Mit Hilfe der Knöpfe an dem Herd reguliert er die Hitze. „Jetzt kommt noch das Öl dazu und schon ist das Essen so gut wie fertig.“
Ich nehme einen tiefen Atemzug und inhaliere den Duft der gebratenen Garnelen. „Das riecht köstlich.“
„Es wird sogar noch besser.“ Der nächste Schritt ist ebenso einfach. Killian zeigt mir vor, wie er das Öl in die Pfanne gießt. „Dabei muss man etwas vorsichtiger sein, das erhitze Öl kann herausspritzen und dich verbrennen.“ Ich nicke und nehme die zweite Tasse zur Hand. Vorsichtig gieße ich es zu den Garnelen. Stolz darauf, das erste Mal in der Menschenwelt zu kochen, lächle ich Killian an.
„Und die Pasta sollte jetzt auch fertig sein.“ Mit einer Gabel fischt er zwei der langen Spaghetti heraus, und kühlt sie anschließend mit Wasser ab. Er reicht mir eine der Nudeln, damit ich sie kosten kann.
Killian öffnet seinen Mund weit und lässt die herausgefischte Nudel in seinen Mund sinken. Er nickt, während er kaut. „Perfekt, genau so sollen sie sein.“
Während ich die Nudel auf dieselbe Weise koste, gießt Killian den Inhalt des Topfes in ein Sieb, um die Pasta aus dem heißen Wasser zu filtern.
„Setz dich. Das Essen ist gleich fertig.“
„In Ordnung.“
Ich wasche mir die Hände und setze mich im Anschluss an den kleinen Tisch in der Ecke der Küche und warte. Wir haben uns ausgemacht, heute wieder nicht vor dem Fernseher zu essen. Ständig von irgendetwas beschallt zu werden, tut mir nicht gut, selbst wenn Killian die Lautstärke vermindert.
Meine Geduld wird belohnt. Killian stellt mir einen Teller mit Pasta und den Garnelen vor die Nase. Ich bekomme außerdem ein Glas Wasser, ehe er sich mit seinem Teller gegenüber von mir hinsetzt.
„Ich hoffe, dass es dir schmeckt. Wenn nicht hole ich dir eine Pizza.“
Ich kichere, als ich zu meiner Gabel greife. „Das ist lieb von dir, Killian.“
„Ich kann dich doch nicht verhungern lassen“, antwortet er grinsend und zwinkert mir zu.
„So schnell verhungert man nicht. Ich bin aber sicher, dass es mir schmecken wird“, antworte ich schmunzelnd. Mit meiner Gabel spieße ich eine der Garnelen auf und begutachte sie. Es riecht jedenfalls sehr einladend. Killians Blick liegt auf mir. Um mir nicht die Zunge zu verbrennen, puste ich einige Male auf die Garnele. Killian sieht mich nach wie vor an, er wirkt, als würde er auf eine Reaktion warten. Ich koste die Garnele und erwidere Killians Blick schließlich. Nun lächelt der Mensch breit.
„Schön zu sehen, dass es dir schmeckt.“
„Es ist köstlich. Vielen Dank, dass du mir die Möglichkeit bietest, Speisen wie diese zu probieren.“
„Du musst dich nicht bedanken.“ Killian winkt ab. „Ich koche und esse gerne und wenn ein hübsches Mädchen meine Kochkünste zu schätzen weiß, mache ich es gleich noch lieber.“
Sein ehrliches Kompliment bringt mich dazu, breit zu lächeln. „Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll.“
„Nimm das Kompliment an und genieß dein Essen, Ilaria.“
„Danke.“
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Während Killian sich um das Geschirr kümmert, hat er mich ins Badezimmer geschickt, damit ich mich in die Wanne legen und entspannen kann. Mit geschlossenen Augen genieße ich das warme Wasser und den Duft, den das Schaumbad verströmt.
Es klopft zweimal an der Tür, bevor ich auch schon höre, dass sie sich öffnet. „Hast du Lust auf Gesellschaft?“
„Deine Gesellschaft ist mir die liebste, Killian“, antworte ich ihm und öffne meine Augen, um ihn ansehen zu können. Er sieht etwas zerzaust aus und müde aus, obwohl der Tag noch nicht richtig vorüber ist.
„Das kann ich nur zurückgeben.“
„Du siehst aus, als könntest du eine Dusche vertragen“, stelle ich fest, als er sich schwerfällig neben die Wanne setzt.
Killian reibt sich mit einer Hand über das Gesicht. „Ja, aber lass dir Zeit im Wasser. Ich kann später immer noch duschen.“
„Hast du Lust, später mit mir vor dem Fernseher zu kuscheln?“
„Du willst freiwillig den Fernseher einschalten?“, fragt er schmunzelnd.
Ich zucke mit den Schultern und setze mich dann auf, um mich gegen den Rand der Wanne zu lehnen. „Er würde nur als Hintergrundbeschallung dienen. Das Kuscheln ist für mich spannender.“
Killian zieht einen Mundwinkel hoch. „Wenn es nur darum geht, können wir auch Musik anschalten.“ Er legt eine seiner Hände an meine und streicht über meine Haut. „Darf ich dir dazu vielleicht ein paar Fragen stellen, wenn wir schon darüber sprechen?“
„Aber natürlich.“
Er räuspert sich. „Bei euch ist Körperkontakt doch üblich, oder?“
Ich nicke. „Kann man so sagen.“ Interessiert mustere ich Killians Körperhaltung und auch sein Gesicht. Er versucht sich an aufrichtigem Augenkontakt.
„Wie kommt ihr einander näher, wenn ihr eine romantische Bindung zu einander aufbaut? Dass ihr keinen Sex habt, hast du schon erzählt, aber irgendetwas muss es doch geben, das Körperkontakt zu Freunden und intime Gesten zu einem Geliebten unterscheidet, oder?“
Mit einem Lächeln hebe ich eine Hand, strecke meinen Zeigefinger aus und locke Killian damit zu mir. Der Mensch versteht meine Geste und rückt etwas näher. Ich beuge mich nach vorne und gebe Killian einen sanften Kuss, den er ebenso sanft erwidert. Ich lasse gleich wieder von ihm ab, doch er scheint mit dieser Antwort sehr zufrieden zu sein.
„Dann küsst ihr euch, um eure Zuneigung zu zeigen“, fasst er meine Geste in Worte. Ich bestätige das mit einem Nicken. „Darf ich auch fragen, wie ihr euch küsst?“
Auf diese Frage runzle ich die Stirn. „Das habe ich dir doch gerade gezeigt.“
„Ich frage nur, weil wir Menschen da etwas kreativer sind. Wir setzen auch die Zunge ein, wenn wir einander küssen. Und wir küssen uns nicht nur auf die Lippen.“ Killian streichelt meinen Unterarm. „Heute Morgen habe ich deinen Hals geküsst, du erinnerst dich bestimmt.“
„Das war ein sehr schönes Gefühl“, antworte ich ihm.
Meine Antwort treibt ein Lächeln in sein Gesicht. „Wenn ich irgendetwas tue, das dir nicht gefällt oder sich seltsam anfühlt, musst du mir das sagen, okay? Ich will nicht, dass du dich unwohl fühlst.“
„In Ordnung.“
Killian legt seine freie Hand an mein Kinn, bevor er sich zu mir beugt und mir einen weiteren liebevollen Kuss gibt. „Ich verspreche dir, dass ich ganz vorsichtig mit dir umgehe.“
„Das weiß ich doch schon längst.“
Nach meinem Bad nimmt Killian noch eine kurze Dusche. In der Zwischenzeit trockne ich meine Haare und mache ich es mir im Bett bequem. Die versprochene Musik läuft bereits, sie ist zwar sehr leise, aber dennoch genau richtig für meinen Geschmack. Die weiche Decke an meiner Haut zu spüren, gibt mir ein wohliges Gefühl. Zu wissen, dass ich mich gleich wieder in Killians Armen befinden werde, verstärkt dieses Gefühl noch mehr.
Killian lässt sich nicht lange Zeit im Badezimmer. Er klettert zu mir ins Bett und zieht mich gleich in seine Arme. Ich werde liebevoll gestreichelt. Er küsst außerdem meine Stirn.
„Fühlst du dich wohl?“, fragt Killian mich.
„Ja, sehr sogar.“ Ich sehe zu ihm auf. Er legt seine Hand an meine Wange, streicht über meine Haut und versenkt seine Finger anschließend in meinen Haaren. Der intensive Augenkontakt zeigt mir, wie sehr er diesen Moment genießt.
„Einer meiner Bandkollegen hat mir vorhin eine Nachricht geschrieben.“
„Was wollte er?“, frage ich interessiert nach.
„Sie wollen dich endlich kennenlernen. Am liebsten schon am Wochenende, also in ein paar Tagen.“
Ich merke natürlich sofort, dass ihm das nicht besonders recht ist. „Und du findest die Idee nicht gut.“
„Bevor wir uns treffen, würde ich gerne noch in einen Thrift Shop und einen Drug Store mit dir gehen. Du brauchst ein paar Dinge. Eine Handtasche zum Beispiel.“
Ich blinzle Killian an. „Wozu brauche ich denn eine Handtausche?“
Er schnaubt. „Frauenklischee. Du hast ein Prinzessinnengesicht, findest Kleider schön und magst hohe Schuhe. Das gehört mehr oder weniger zusammen.“ Killian bringt mich zum Kichern. „Du brauchst etwas, um so menschlich wie möglich zu wirken.“
„In Ordnung. Wenn ich irgendetwas tun kann, um menschlicher zu wirken, dann sag es mir.“
Killian zieht einen Mundwinkel hoch. „Du musst dich nicht anstrengen. Menschen sind verschieden, es gibt also kein Patentrezept. Auf der Straße bist du bis jetzt auch nicht aufgefallen. Abgesehen von deiner blassen Haut und deinen blauen Lippen siehst du ja auch sehr menschlich aus. Solange deine du deine Schuppen unter deiner Kleidung versteckst, siehst du fast aus wie ein Mensch.“ Killian mustert mein Gesicht. „Wenn du meine Bandkollegen nicht zu sehr anstarrst und dich mit deinen Fragen zurückhältst, stehen wir das Treffen durch.“
„Dass ich deine Freunde treffen soll, beschäftigt dich wohl jeden Tag.“
Killian lässt von mir ab, um sich am Hinterkopf zu kratzen und seinen Nacken zu reiben. „Ja. Ich hätte dich gerne vor ihnen geheim gehalten, aber manchmal spielt das Leben nicht mit.“
„Wieso wolltest du mich geheim halten?“
„Zum einen weil du eine Meerjungfrau bist und zum anderen liegt es daran, dass du wieder in deine Welt zurückgehst. Es wäre schwer genug, wenn du nicht mehr da bist, ohne dass mich jemand nach dir fragt.“
Killian sieht traurig aus. Zu traurig für meinen Geschmack. Ich schmiege mich gegen seinen warmen Körper und lege eine Hand an seine Wange.
„Mach dir keine Sorgen darum, wohin ich gehen könnte“, spreche ich leise. Meine Worte sollen ihn beruhigen, doch sie lösen nur einen fragenden Blick aus. „Ohne dich gehe ich nirgends hin, Killian. Versprochen.“