Author's Note:
Triggerwarnung: Erwähnung von Drogenmissbrauch
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Kapitel 37
Schatten der Vergangenheit
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Letzte Nacht konnte oder wollte mir Killian nicht erklären, was zwischen ihm und diesem wütenden Menschen vorgefallen ist. Ich verstehe, dass Geld in der Welt der Menschen etwas Wichtiges ist, aber dass ein Mensch einem anderen Menschen in seinem eigenen Zuhause wehtun würde, nur um Geld zu bekommen, beunruhigt mich. Dass Menschen schlimme Dinge tun können, ist mir nicht neu, aber das ist nun das erste Mal, dass ich die Gefahr nicht nur im Fernsehen sehe, sondern selbst betroffen bin. Es macht mir Angst, dass Austin mich holen will. Er weiß, dass ich hier bin und er ist mit Sicherheit kräftig genug, um die Tür kaputtzumachen und seine Drohung wahr werden zu lassen.
Während Killian schläft, klettere ich aus dem Bett und wickle mich in meine Decke. Die Wohnung fühlt sich im Moment beengend an. Ich habe das Gefühl, als würde sie mir die Luft zum Atmen nehmen. Ich schleiche durch die Zimmer und blicke aus den Fenstern, um sicher zu gehen, dass Austin nicht da draußen auf mich wartet. Wie kann ich jemals wieder alleine in dieser Wohnung sein, wenn ich weiß, dass mir jemand etwas antun möchte?
Ich muss zugeben, dass ich auch ein wenig wütend auf Killian bin. Dass er mir nicht alles erzählt hat und gestern Abend sogar den Augenkontakt gemieden hat, ärgert mich. Ich weiß genau, wieso er das gemacht hat. Er hatte bestimmt Angst, dass ich etwas sehe, das ich nicht sehen sollte. Eigentlich sollte ihm klar sein, dass ich nicht seine Gedanken lesen kann und dass er mir etwas verheimlicht, verstehe ich auch ohne ihn anzusehen. Es wäre mir egal, wenn Killian in der Vergangenheit etwas Schlimmes getan hat. Ich würde ihn nicht verurteilen oder gar weniger lieben. Ich möchte doch nur verstehen, was hier los ist. Ich gehe von Zimmer zu Zimmer. Immer wieder werfe ich einen Blick aus den Fenstern. Ich bin nervös und verängstigt und ich verstehe nicht einmal genau, wieso ich in dieser Situation bin. Meine Finger zittern, als ich sie an die Fensterbank lege. Da draußen scheint alles normal zu sein. Besonders tröstend ist das allerdings nicht.
Hinter mir höre ich Killians schwere Schritte. Stur lasse ich meinen Blick weiterhin nach draußen auf die Straße gerichtet. Wir müssen miteinander reden. Ich fürchte allerdings, dass er mir ein weiteres Mal klarmachen will, dass es kompliziert ist und ich es nicht verstehen würde. Aber wie sollte ich es auch verstehen, wenn er mir keine Erklärung geben möchte?
Killian tritt müde auf mich zu. Er legt von hinten seinen Arm um mich und will gerade meine Wange küssen, doch ich drücke ihn von mir. „Alles in Ordnung, Prinzessin?“, fragt er verschlafen nach.
„Nein!“, antworte ich härter, als ich es eigentlich wollte. Ich schließe die Augen und presse meine Lippen aufeinander. Nachdem ich tief durchgeatmet habe, sehe ich ihn an.
„Okay.“ Er reibt sich den Nacken. „Komm, wir setzen uns.“ Killian führt mich zur Couch und ich lasse mich auf die Polsterung sinken. Bevor er etwas sagt, gibt er mir noch einen Kuss auf die Stirn. „Ich mache dir einen Tee und mir einen Kaffee und dann reden wir darüber.“
Ich nicke. „Danke“, gebe ich nun so leise von mir, dass ich schon fast flüstere. Es war nicht meine Absicht, laut zu werden.
Es dauert einige Minuten, doch dann setzt Killian sich zu mir. Er legt seinen Arm um mich und streichelt über meinen Rücken. Mein Blick ist auf die Tasse vor mir gerichtet. Der Tee wird mir guttun, das weiß ich. Geschlagen lehne ich mich gegen Killians Schulter. Es ist schwer, ihm lange böse zu sein. „Mir wird doch nichts passieren, oder?“
Killian seufzt. „Nein. Nein, das lasse ich nicht zu. Du bist bei mir sicher.“
„Und wenn du nicht da bist? Was soll ich tun, wenn du arbeitest und er die Tür kaputt macht?“, frage ich nach. „Ich habe Angst, Killian.“
Liebevoll küsst Killian meine Schläfe. „Du musst keine Angst haben. Es wird alles gut. Ich treibe das Geld auf.“
„Erzählst du mir endlich, was los ist? Bitte. Ich werde es verstehen, wenn du es mir erklärst. Mir ist egal, was du damals gemacht hast. Meine Liebe für dich würde sich nicht ändern, solange du nur ehrlich zu mir bist. Bitte. Du musst doch verstehen, wie ich mich fühle, oder? Ich habe Angst und ich verstehe nicht, was los ist. Ich fühle mich hier nicht mehr sicher.“
Killian reibt sich mit der freien Hand das Gesicht. „Kann ich noch meinen Kaffee trinken? Ich muss meine Gedanken ordnen, bevor ich dir das alles erklären kann.“
Ich richte mich auf und streiche durch mein Haar. Nervös wickle ich eine Haarsträhne um meine zitternden Finger. Da nun auch mein Bein anfängt, vor Nervosität zu zucken, ziehe ich beide Beine auf die Couch. „Ja, trink deinen Kaffee. Aber dann erzählst du mir alles.“
Killian nickt, dann lässt er von mir ab, doch nicht, ohne vorher über meinen Rücken zu reiben, wie er es gestern gemacht hat, als mir kalt war. Das nervöse Zucken will nicht aufhören. Ich kann nicht länger sitzen bleiben. Angespannt stehe ich auf und gehe durch die Wohnung. Ich werfe einen erneuten Blick aus dem Fenster. Der Mann hat mir Angst gemacht. Ich konnte letzte Nacht kaum schlafen. Jedes einzelne Geräusch hat mich aufschrecken lassen und es gibt verdammt viele Geräusche in San Francisco. Im Augenwinkel bemerke ich, dass Killian mich ansieht. Er reibt sich die Augen und das Gesicht, dann streicht er durch seinen Bart, dabei senkt er seinen Blick auf seine Kaffeetasse. Ich sehe wieder aus dem Fenster. Glücklicherweise ist Austin nicht zu sehen. Vielleicht hat er auch gar nicht die Absicht, auf uns zu lauern, sicher bin ich mir jedoch nicht. Im Moment weiß ich gar nicht, was ich denken soll.
„Komm her und setz dich wieder hin, Prinzessin.“ Nachdem seine Stimme wieder verstummt, sehe ich zu Killian. Er klopft mit seiner flachen Hand auf den Platz neben sich. „Bitte setz dich. Trink etwas Tee, das wird dich entspannen.“
„Ich will mich aber nicht entspannen! Ich will verstehen, was los ist!“, antworte ich ihm aufgebracht und wende mich mit verschränkten Armen dem Fenster zu.
„Ilaria, setz dich hin. Du machst mich ganz nervös, wenn du so herumläufst.“
Ich beiße die Zähne zusammen und drehe mich zu Killian. „Ich mache dich nervös?!“, frage ich laut. Ich lasse meine Arme sinken. „Ich habe Angst, Killian. Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen, weil ich ständig Angst hatte, dass jemand in die Wohnung kommt, um mich mitzunehmen und mir etwas anzutun. Jedes einzelne Geräusch hat mich aufschrecken lassen, während du unbekümmert geschlafen hast.“ Das Zittern meiner Finger wird immer stärker. Ich balle meine Hände zu Fäusten, in der Hoffnung, das Zittern unter Kontrolle zu bekommen. Meine Gefühle schaukeln sich so sehr hoch, dass ich es nicht länger ertragen kann. Die innere Kälte breitet sich immer weiter aus. Ich presse meine Lippen aufeinander und beginne zu schluchzen. Diese Leere ist unerträglich. „Und du sagst mir nicht, was du gemacht hast und das macht mir auch Angst.“ Eilig steht Killian auf. Er nimmt mich fest in den Arm, während ich in Tränen ausbreche. Erschöpft lasse ich mich gegen ihn sinken. Er hebt mich hoch und trägt mich zur Couch. Ich bleibe auf Killians Schoß sitzen und er versucht, mich zu trösten. Sanft schaukelt er mich, dabei drückt er mir Küsse an die Schläfe und ins Haar. Schluchzend klammere ich mich an meinen Liebsten.
„Schon gut, Prinzessin. Denk nicht, dass ich dich mit Absicht im Dunkeln lasse, um dir wehzutun. Ich verstehe, dass du dich nicht wohlfühlst. Sobald du dich beruhigt hast, erkläre ich dir alles. Versprochen.“ Killian drückt mich sanft. „Es tut mir leid. Ich hätte dir das gestern schon erklären sollen, aber man hat nicht alle Tage eine Knarre vor der Nase. Ich war selbst ziemlich erschrocken.“ Ich bekomme einen weiteren Kuss auf die Schläfe. Müde lasse ich meinen Kopf an seine Schulter sinken. Meine Tränen sorgen dafür, dass Killians Shirt feucht wird. Mein Liebster nimmt sich Zeit, mich zu beruhigen. Die Nähe zu ihm hilft mir, mich wieder ein wenig aufzuwärmen, doch meine Gefühle ändern sich nicht. Ich fühle mich verloren.
Es dauert einige Minuten, doch ich werde ruhiger. Killian reicht mir meinen Tee und ich trinke einen Schluck davon. Wir legen uns zusammen auf die Couch. Mein Liebster sorgt dafür, dass ich gut zugedeckt bin, um mich wieder aufzuwärmen. Er achtet außerdem darauf, dass wir Augenkontakt haben, um es mir so einfach wie möglich zu machen, ihn zu verstehen. Liebevoll streicht er durch mein Haar.
„Besser?“, fragt er recht leise für seine Verhältnisse nach.
Ich nicke leicht. „Das musste wohl raus.“
Mit einem Taschentuch wischt er über meine Wange und drückt es mir im Anschluss in die Hand. „Ich wollte nicht, dass dich das so belastet. Ich dachte, dass es dich vielleicht weniger kümmert, wenn du es nicht richtig verstehst.“
Ich schüttle den Kopf. „Das hat nicht funktioniert.“
„Nein, hat es nicht“, stimmt er mir zu. „Ich treffe immer wieder beschissene Entscheidungen, wenn es um dich geht. Entschuldige.“ Killian seufzt. „Bevor ich dir die Geschichte erzähle, versuche ich, dir ein bisschen Kontext näherzubringen, okay?“ Ich nicke. „Gut, wo fange ich an?“ Er überlegt einen Augenblick. „Alkohol ist dir schon aus deiner Welt ein Begriff soweit ich mich erinnere.“ Wieder nicke ich. „Gibt es da vielleicht noch andere Substanzen, die das Bewusstsein erweitern oder die Persönlichkeit verändern? Damit meine ich jetzt keine Magie oder einen Zauber, sondern ein Getränk oder etwas zu Essen. Vielleicht ein Medikament. Verstehst du, was ich meine?“
Ich zucke leicht mit einer Schulter. „Ja, ich schätze schon. Es gibt Räucherwerk, das einem dabei hilft, Visionen zu erhalten. Meinst du so etwas?“
„Ja, so in der Art. Nun bei uns in der Menschenwelt gibt es ziemlich viele Mittel, die uns berauschen. Wir nennen sie Drogen. Sie sind ziemlich unterschiedlich und fast alle davon sind hier in Kalifornien illegal, also verboten.“
„Ich verstehe.“
„Okay, gut.“ Killian verengt seine Brauen. Das ist nie ein gutes Zeichen. „Ich habe eine Zeit lang Drogen konsumiert. Hauptsächlich Kokain. Das ist eine stimulierende Droge, die dir dabei hilft, dich zu konzentrieren und man bekommt auch ein ziemlich großes Selbstbewusstsein. Man hat das Gefühl, dass niemand einem etwas anhaben kann.“ Mein Liebster streicht über meinen Arm, als er weiterspricht: „Ich habe das Zeug anfangs nur ausprobiert, es mal beim Feiern genommen. Auf die Bühne zu steigen, hat mich immer schon sehr nervös gemacht und die Drogen haben mir geholfen, mich vor den Menschen richtig wohlzufühlen. So ein Highgefühl ist eines der besten und intensivsten Gefühle, die man haben kann. Wenn einem dann auch noch die Menschen zujubeln, fühlt man sich verdammt gut.“ Killian verzieht das Gesicht. „Sobald die Wirkung nachlässt geht es einem danach leider auch dementsprechend schlecht. Um das schlechte Gefühl zu vermeiden, greift man dann wieder zu Drogen. Und wenn auch das nächste High wieder vorbei ist, dann geht das alles von vorne los. Wenn man nicht rechtzeitig damit aufhört, dann entsteht eine Sucht, die man nicht mehr so leicht loswird.“ Mein Liebster schluckt hart. „Irgendwann habe ich das Zeug fast täglich genommen, um mich gut zu fühlen. Ich war verdammt produktiv und habe zu dieser Zeit sehr viele Songs geschrieben. Damals hatte ich auch eine Freundin und sie hat auch konsumiert. Die Details der Beziehung erspare ich dir. Das ist auch nicht so wichtig.“ Er kratzt sich am Kopf. Es ist offensichtlich, dass es ihm nicht leicht fällt, mir diese Geschichte zu erzählen. „Jedenfalls haben wir unsere Drogen von Austin gekauft. Austin fand meine Freundin scharf und hat mir deswegen einen Sonderpreis gemacht, außerdem konnte ich ihm das Geld auch zu einem späteren Zeitpunkt geben. Jedenfalls hat meine damalige Freundin immer mal wieder Kokain von Austin besorgt, ohne etwas zu bezahlen und das hat sich summiert und jetzt schulde ich ihm Geld für diese Drogen.“
Etwas verwirrt runzle ich die Stirn. „Wieso schuldest du ihm das Geld, wenn deine Freundin von Austin Drogen gekauft hat?“
Killian presst seine Lippen aufeinander. Nachdem er durch die Nase durchgeatmet hat, antwortet er mir: „Sie ist gestorben.“
„Deine Freundin ist gestorben?“, frage ich erschrocken.
„An einer Überdosis, das heißt, dass sie zu viele Drogen genommen hat. Wir hatten wegen den Drogen einen Streit und ich bin sehr laut und auch aggressiv geworden und deswegen ist sie nach Hause gegangen. Am nächsten Tag hat ihre Mitbewohnerin sie in ihrem Zimmer gefunden.“ Killian bricht den Augenkontakt ab. Voller Mitleid lege ich eine Hand an seine Brust und streichle ihn. „Jedenfalls können Tote keine Rechnungen bezahlen und da sie das Kokain nicht nur für sich, sondern auch für mich besorgt hat, will Austin das Geld jetzt von mir haben.“ Killian sieht mich wieder an. Nun bin ich diejenige, die den Augenkontakt bricht. Es tut weh, diese Schuldgefühle in seinen Augen zu sehen. „Ich sagte doch, dass es kompliziert ist. Es ist auch nicht unbedingt logisch, aber es war damals so. Ich habe mir auch nie Gedanken darum gemacht, ob das Kokain nun bezahlt war oder nicht, Hauptsache der Nachschub war da. Du musst verstehen, dass diese Droge dein Denken so verändert, dass die Droge selbst für dich das Wichtigste in deinem Leben wird. Sie kontrolliert alles. Du wachst auf und fragst dich, woher du deine nächste Lieferung bekommst. Alles andere wird dir vollkommen egal.“
„Das klingt furchtbar.“ Mit dem Taschentuch wische ich über meine Augen. Nun geht es uns beiden schlecht. So habe ich mir das eigentlich nicht vorgestellt. Ich sehe Killian wieder an und frage: „Und wieso hast du aufgehört? Man will davon immer mehr haben und das ändert sich ja nicht mehr, wenn ich das richtig verstehe. Wie hast du es geschafft, aus dieser Situation wieder herauszukommen?“
„Ich wollte mein Leben zurückhaben. Ich wollte mich nicht länger von der Droge kontrollieren lassen und ich wollte nicht so enden wie meine Freundin. Die ersten Tage eines Entzugs sind wahnsinnig hart. Man hat körperliche Schmerzen und der psychische Druck, wieder zu den Drogen greifen zu wollen ist eines der schlimmsten Gefühle, die man empfinden kann. Mir ging es verdammt dreckig. Marc war da, um auf mich aufzupassen.“
Ich nicke leicht. Nun ergibt das alles auch endlich Sinn. „Deswegen war er am Strand so wütend, richtig? Er dachte, dass ich auch Drogen nehme und dass sich diese Geschichte wiederholen könnte.“
„Genau“, stimmt er mir zu. „Eigentlich hätte ich es dir gleich an diesem Abend erklären sollen, aber da wir das Thema abgewendet haben und dann über dich gesprochen haben, wollte ich es nicht wieder anschneiden. Ich habe zwar kein Verlangen mehr danach, irgendetwas zu konsumieren, aber es ist trotzdem nicht mein liebstes Gesprächsthema. Wenn ich es vermeiden kann, dann vermeide ich es.“
„Das kann ich gut verstehen.“ Ich atme durch. „Und was ist jetzt mit Austin? Was wirst du tun?“
„Ich werde ihn bezahlen. Wie weiß ich noch nicht genau, aber ich regle das.“ Er gibt mir einen Kuss auf die Stirn. „Er wird dir kein einziges Haar krümmen. Ich verspreche es dir.“
Ich schließe meine Augen und kuschle mich an Killians Brust. Diese vielen Informationen muss ich erst noch sortieren, bevor ich weiß, was ich denken oder fühlen soll. All das ist doch sehr verwirrend. Killian hat schwere Zeiten durchgemacht. Er hat seine Mutter durch eine Krankheit verloren, dann ist seine Freundin gestorben und der Kampf gegen diese Sucht war bestimmt auch sehr hart. Er hat so viel Schmerz erlebt. Dass er in seiner sanften, verletzten Seele noch Platz dafür hatte, jemanden wie mich bei sich aufzunehmen, grenzt an ein Wunder. Er ist wirklich etwas Besonderes. Ich hebe meinen Kopf und sehe meinen Liebsten an. Als Killian das bemerkt, sieht auch er mich an. Ich küsse sanft seine Lippen und als ich mich von ihm löse, zieht er einen Mundwinkel hoch. Er streicht durch mein Haar.
„Geht es dir schon ein wenig besser?“, fragt er ruhig nach.
„Nicht unbedingt“, antworte ich ihm ehrlich. „Aber ich verstehe jetzt, was passiert ist und so viele andere Dinge ergeben jetzt auch endlich einen Sinn, aber ich habe trotzdem noch Angst. Er weiß, dass ich hier bin und das beunruhigt mich. Was hält ihn davon ab, in die Wohnung einzudringen und mich mitzunehmen?“
„Ich halte ihn davon ab“, meint Killian bestimmt. „Er wird dir nichts tun. Damit wollte er mir wehtun. Er wollte mich provozieren, damit ich tue, was er sagt. Er will nur sein Geld. Wenn er uns wehtun würde, würde er kein Geld bekommen.“
„Und wenn du dich irrst und er mich holt, während du weg bist? Damit er mich gegen das Geld tauschen kann?“
Killian verzieht die Lippen, dann drückt er mich fest an sich. „Das wird nicht passieren. Ich überlege mir etwas. Wenn du Angst hast, alleine zu sein, dann nehme ich dich überall hin mit und wenn es nicht geht, dann bringe ich dich zu einem meiner Freunde. Dir wird nichts passieren. Ich beschütze dich, Ilaria. Versprochen.“ Ich drücke mein Gesicht wieder an Killians Brust. Er streichelt beruhigend meinen Rücken. „Ruh dich aus, ja? Wenn du ein paar Stunden Schlaf bekommst, geht es dir wieder besser. Ich bleibe wach und passe auf dich auf.“
Ich nicke leicht. „Und du gehst auch nicht weg?“, frage ich beinahe murmelnd.
„Nein, ganz bestimmt nicht. Schließ deine Augen. Die Ruhe wird dir guttun.“
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Ich schrecke hoch, als ich ein Klappern höre. Schnell sehe ich mich um, doch ich kann nichts in meiner Reichweite als brauchbare Waffe einsetzen. Auch Killian kann ich nicht sehen. Ein weiteres Klappern ist aus der Küche zu hören. Mein Herz schlägt wie wild. Ich greife nach der Fernbedienung. Sie ist zwar nicht gefährlich, aber wenn ich damit so kräftig ich kann zuschlage, könnte ich bestimmt jemanden verletzen. Erst bringe ich keinen Ton über meine Lippen, doch nachdem ich mich umgesehen habe, fasse ich meinen gesamten Mut zusammen.
„Killian?“, presse ich beunruhigt hervor. Ich bemerke selbst, wie verzweifelt meine Stimme klingt. Die Finger meiner freien Hand klammern sich an die weiche Decke, mit der ich zugedeckt wurde.
„Hier, in der Küche.“ Er streckt seinen Kopf ins Wohnzimmer und sieht mich an. „Ist alles okay?“
Ich atme durch und sinke wieder rücklings auf die Couch. Mein verkrampfter Griff wird lockerer. Die Fernbedienung rutscht aus meiner Hand. Ich kann wieder durchatmen. Ich bin in Sicherheit. „Du hast mich erschreckt. Ich dachte, dass ich in Gefahr bin“, erkläre ich ihm leise.
„Entschuldige, Prinzessin, das wollte ich nicht. Ich mache uns gerade etwas zu essen. Wenn man gut geschlafen und gegessen hat, dann fühlt sich die Welt leichter an.“
„Ich bin wohl immer noch etwas angespannt“, antworte ich leise und ziehe dann die Decke höher. Ich atme tief durch und schließe meine Augen.
Ich höre, dass Killian auf mich zukommt. Er beugt sich über mich. Als ich seine Nähe spüre, sehe ich zu ihm nach oben. In seinen blauen Augen kann ich die tiefe Sorge erkennen, die er für mich hegt. „Darüber habe ich übrigens nachgedacht.“
„Worüber? Ich kann dir nicht folgen.“
Er setzt sich neben mich. Um ihn bequemer ansehen zu können, drehe ich mich zur Seite. „Wenn du dich hier nicht wohlfühlst, könntest du vielleicht ein paar Tage bei Ian bleiben.“ Er zuckt mit den Schultern. „Nur so lange, bis ich das alles geklärt habe.“
„Du willst mich wegschicken?“, frage ich verunsichert nach.
„Nein, ich will, dass du dich sicher fühlst und wenn das hier nicht geht, dann müssen wir etwas ändern“, erklärt er. Killian macht eine ausladende Handgeste. „Ich habe auch an ein Hotel gedacht, aber das kann ich mir beim besten Willen nicht leisten. Ich könnte dich auch zum Montara Beach bringen. Das wäre weit genug weg und dir hat es dort gefallen, aber ich kann nicht die ganze Zeit am Strand herumlungern. Außerdem müsste ich ohnehin weg, um irgendwie das Geld zusammenzukratzen.“ Killian reibt sich über das Gesicht. „Dich dann ein paar Tage alleine auf dich gestellt zu lassen, würde sich auch nicht gut anfühlen. Wenn du dich verletzt oder – Gott bewahre – in einem Netz landest … Ich wüsste nicht, was ich tun sollte, wenn wir uns nie wiedersehen. Und ich will mir auch gar nicht vorstellen, was passiert, wenn du auf ein Fischerboot gezogen wirst. Die Kerle könnten sonst was mit dir anstellen.“ Killian verengt die Brauen. Ich lege meine Hand an seinen Schenkel und streichle ihn.
„Dann hattest du viele Ideen, aber keine davon lässt sich umsetzen, habe ich das richtig verstanden?“, frage ich sicherheitshalber nach.
„Dich zu Ian zu bringen, wäre die einzige Lösung, die ich dir mit halbwegs gutem Gewissen anbieten kann. Allerdings hat er ja auch einen Job, das heißt, er würde dich fast jede Nacht alleine lassen. Ich fürchte, dass wir keine besonders gute Alternative haben.“ Ich seufze und drücke meinen Kopf in eines der Kissen. Killian streichelt meinen Kopf. „Es tut mir leid, Prinzessin. Wenn ich nicht jeden einzelnen Penny brauchen würde, um Austin sein Geld zu geben, dann würde ich dich in einem schönen Hotelzimmer einquartieren.“
„Wie viel Geld hast du denn schon?“, frage ich murmelnd nach.
„Entschuldige. Was hast du gesagt? Ich verstehe dich nicht, wenn du in das Kissen nuschelst.“
Ich drehe mich wieder in seine Richtung und wiederhole meine Frage: „Wie viel Geld hast du denn schon?“
Killian sieht ziemlich unglücklich aus. „Nicht mal ansatzweise die Hälfte. Mein Kreditrahmen ist mehr als ausgereizt. Meine Freunde kann ich nicht mehr um Geld fragen. Angus und Lauren haben ihre Kleine und von Marc und Ian habe ich mir damals schon ziemlich viel Geld geliehen. Ich werde wohl meine Gitarren versetzen müssen.“ Killians trauriger Blick bricht mir das Herz. „Keine Ahnung, wie ich sie dann wieder auslöse… Besonders viele Alternativen habe ich nicht.“ Killian reibt sich das Gesicht und bedeckt seine Augen. Er dreht sich von mir weg und senkt seinen Blick.
„Killian, es wird alles gut.“ Schnell setze ich mich auf und nehme ihn fest in den Arm.
„Nicht, wenn ich das verdammte Geld nicht auftreiben kann“, meint Killian mit leicht brüchiger Stimme. Er räuspert sich sofort. „Entschuldige.“ Er nimmt seine Hand aus seinem Gesicht und wischt sich über seine feuchten Augen. „Ich bekomme das irgendwie hin. Das ist einfach eine beschissene Situation. Ohne Gitarren kann ich nicht arbeiten. Abgesehen davon, dass sie emotionalen Wert haben. Drei davon sind Geschenke von meiner Mum. Und sie wegzugeben wäre, als würde ich ein Stück von ihr weggeben. Das ist ein scheiß Gefühl. Viel ist mir ja nicht von ihr geblieben.“
„Gibt es denn keine andere Lösung?“
Killian drückt mich fest. „Ich könnte mein Tablet und meine Kamera verkaufen, aber die Geräte sind mindestens sieben Jahre alt, das alles ist nichts mehr wert.“ Ich löse mich von Killian und manövriere ihn vorsichtig in meine Richtung. Sobald ich mich hingelegt habe, sorge ich dafür, dass Killian seinen Kopf auf meine Brust legt. Liebevoll kraule ich ihm den Nacken. „Das ist zwar schön, aber es hilft nicht.“
„Doch, es hilft, deine Gedanken zu beruhigen“, antworte ich leise. „Ich bin sicher, dass dir etwas einfallen wird. Manchmal scheint alles ausweglos zu sein, aber es gibt immer eine Lösung, mein Liebster.“
„Ja, meine Lösung wäre ein verdammter 5000 Dollar-Scheck.“
Ich überlege einen Moment und frage dann: „Gibt es eine Möglichkeit, schnell an viel Geld zu kommen?“
„Keine, die ich in Erwägung ziehen würde.“ Killian seufzt. „Vielleicht kann ich ja mit Austin reden und ihn wöchentlich bezahlen. Es könnte sein, dass er sich auch darauf einlässt, dass ich etwas für ihn verticke, aber das möchte ich eigentlich vermeiden. Damit würde ich mich nicht wohlfühlen. Ich will nichts mit seinen Geschäften zu tun haben.“
„Es kam mir nicht so vor, als hätte er besonders viel Lust gehabt, mit dir zu verhandeln.“
„Wenn er sein Geld will, dann muss er zumindest ein wenig nachgiebiger sein.“ Killian seufzt. „Ich kann ihm nur das geben, was ich habe und hoffen, dass er sich erst einmal damit zufriedengibt. Für den Rest muss ich mir etwas überlegen.“
„Du hast doch gesagt, dass er deine Ex-Freundin mochte. Vielleicht kann ich ja mit ihm reden und ihm erklären, dass wir Zeit brauchen, um das Geld aufzutreiben“, schlage ich vor.
Sofort schüttelt Killian den Kopf. „Nein, das geht nicht.“
„Aber warum denn nicht?“, frage ich nach.
„Weil ich dich nicht mit ihm alleine lassen möchte. Ich will nicht, dass er dir zu nahekommt, dich anfasst oder zu irgendetwas zwingt, dass du nicht tun willst.“ Killian richtet sich auf, um mich ansehen zu können. „Vertrau mir in der Sache, okay? Ich will dich nur beschützen. Diese Situation ist selbst für einen Menschen schwer und ich bin mir sicher, dass du damit vollkommen überfordert wärst.“
Ich nicke, als mir klar wird, wie ernst Killian seine Worte meint. Im Moment geht ihm so unendlich viel durch den Kopf. Seine Augen spiegeln wider, was er gerade durchmacht. Es ist schwer zu definieren, was er genau fühlt. Ich spüre allerdings, dass mir immer kälter wird. Heute ist kein guter Tag.
„Dann kann ich nichts tun, um dir zu helfen?“
„Im Moment nicht.“ Killian legt sich neben mich und küsst meine Stirn. Liebevoll streicht er über meine Wange. „Ich finde irgendeine Lösung. Das verspreche ich dir.“
„Und wenn nicht?“, frage ich eingeschüchtert nach.
Anstatt mir zu antworten, küsst Killian meine Lippen. Ich schließe die Augen und erwidere seinen Kuss, dabei schlinge ich meinen Arm um seinen Hals und versenke meine Finger in seinen Haaren. Es tut gut, seine Nähe zu spüren. Nach all diesen kalten Gefühlen sehne ich mich nach etwas, das meine Seele wieder erwärmt.
༄ ♫ ༄
Das heutige Abendessen ist recht einfach. Wir essen Mac and Cheese, also Pasta mit Käse. Obwohl es ein wenig klebrig ist, mag ich den Geschmack sehr gerne. Killian wirkt recht zufrieden, als er mich ansieht.
„Schmeckt es dir?“, erkundigt er sich, ehe er einen Löffel der klebrigen Nudeln in seinen Mund schiebt.
„Ja, sehr sogar. Ich mag die knusprigen Stellen besonders gerne.“
Killian nickt leicht. „Beim nächsten Mal kann ich eine Zwiebelkruste machen, aber dafür war ich heute zu faul.“
„Das macht nichts, mir schmeckt es auch so.“ Ich greife zu meiner Tasse und trinke einen Schluck Kamillentee. Es ist ein großes Glück, dass mir der Tee hilft, mich zu entspannen. Wenn ich ihn nicht hätte, wäre ich vermutlich den ganzen Tag durch die Wohnung gelaufen. Nachdem ich meine Tasse abgestellt habe, reibe ich mir über die Augen.
„Alles okay?“, fragt Killian nach und lehnt sich zu mir, um über meinen Arm zu streichen. Sein Blick ist auf mein Gesicht gerichtet. „Tun dir deine Augen weh?“
„Ja, ein wenig. Das Licht ist mir sehr unangenehm“, antworte ich ihm und senke meinen Blick sofort wieder auf meinen Teller.
„Warte, ich schalte es aus.“
„Dann sollen wir im Dunkeln weiteressen?“, frage ich amüsiert.
„Nein.“ Killian steht auf und drückt mir einen Kuss auf die Stirn, dann tritt er zur Theke und schaltet ein kleines Licht ein, ehe er den Lichtschalter betätigt. „Ist das besser?“
„Nein, das ist sogar noch unangenehmer“, antworte ich ihm ehrlich. Ich lege meine Hand an mein Gesicht und schirme das kalte Licht ab.
„Ich habe noch eine Idee.“ Killian verlässt die Küche, kommt aber recht schnell wieder. Er stellt eine Kerze auf den Tisch und zündet sie mit einem Feuerzeug an. Bevor er sich setzt, schaltet er noch das kleine Licht an der Theke aus. „Und?“
„Wenn du die Kerze auf die Theke stellst, dann ist es perfekt.“
Killian folgt meiner Bitte und setzt sich im Anschluss wieder zu mir. Er greift nach meiner Hand, hebt sie an und küsst meinen Handrücken. „Hat auch etwas Romantisches, wenn wir im Kerzenlicht zu Abend essen.“ Er lässt meine Hand wieder sinken und zwinkert mir zu.
Lächelnd senke ich meinen Blick und greife wieder zu meiner Tasse. „Ja, das stimmt. Die Umstände könnten nur besser sein.“
„Sie werden wieder besser. Versprochen. Sobald Austin sein Geld hat, musst du dir um nichts mehr Gedanken machen.“ Er zieht einen Mundwinkel hoch. „Was hältst du von Eis zum Nachtisch?“
„Das klingt gut.“ Ich sehe meinen Teller und dann Killian an. „Gibt es sonst noch irgendetwas, das ich über dich wissen sollte?“
Killian isst weiter und zieht seine Brauen zusammen, während er überlegt. Er greift zu seinem Glas Coke und trinkt einen Schluck. „Ich denke nicht. Klar hatte ich ein Leben bevor wir uns getroffen haben, aber nicht alles ist erwähnenswert.“ Er zieht einen Mundwinkel hoch. „Es gibt keine bösen Überraschungen mehr aus meiner Vergangenheit. Das ist sozusagen die einzige unbeglichene Rechnung. Wortwörtlich. Abgesehen von meinen Schulden bei der Bank, aber die hat jeder durchschnittliche Amerikaner.“
„Bist du dir sicher?“
Killian seufzt. „Ich weiß nicht, was du von mir hören willst, Prinzessin. Ich habe Dinge erlebt, die scheiße waren, und die werde ich dir nicht auf die Nase binden, weil sie vergangen und irrelevant sind. Die Sache mit Austin hatte ich eigentlich längst vergessen, weil ich kein Geld habe und er schon vor Jahren aufgehört hat, mich danach zu fragen.“ Er seufzt. „Ich hätte nie gedacht, dass mich das jemals einholt.“
Ich nicke leicht. Mir bleibt nichts anders übrig, als seinen Worten zu glauben. „Können wir das Eis im Bett essen? Ich bin ziemlich erschöpft.“
„Selbstverständlich.“ Er deutet mit seinem Löffel auf meine Schüssel. „Bist du schon satt?“
Ich schüttle den Kopf. „Nein, das ist nur so heiß“, antworte ich ihm.
„Ja, sie sind frisch aus dem Ofen. Wenn die Makkaroni gekocht sind, werden sie mit dem Käse vermischt und dann kommt alles in die Auflaufform. Für die knusprige Kruste, die dir so gut schmeckt, nimmt man eine Pfanne, lässt ein wenig Butter darin schmelzen und streut dann Paniermehl hinein. Das verteilt man dann auf den Macs in der Auflaufform und schiebt es in den Ofen. Es ist also heißer als heiß.“
„Das klingt ja kompliziert.“
„Ach was, das ist ganz einfach.“ Killian wirkt zuversichtlich. „Ich kann dir das bei Gelegenheit zeigen. Das könntest du auch ganz alleine schaffen, du bist ja ein cleveres Mädchen.“
Mein Liebster bringt mich zum Lächeln. „Meinst du?“
„Klar.“
Nach dem Essen räumen wir den Tisch ab. Killian füllt zwei Schüsseln mit Eiscreme. Ich bekomme sogar eine extra Portion Schokoladensauce, die mich aufheitern soll. Schokolade soll ja angeblich glücklich machen.
Bevor ich Killian ins Schlafzimmer folge, suche ich noch das Badezimmer auf, um mein Gesicht gründlich zu waschen und meine gereizten Augen mit kaltem Wasser zu kühlen. Es hilft tatsächlich das Brennen zu lindern.
Ein wenig frischer klettere ich zu Killian ins Bett. Er reicht mir meine Schüssel und sieht mich verdächtig genau an.
„Geht es deinen Augen besser?“
„Ja, zumindest ein wenig.“ Ich greife nach meinem Löffel und nasche von meiner Eiscreme. Killian streicht mir eine Haarsträhne hinter mein Ohr, beugt sich dann zu mir und küsst meine Schläfe.
„Wenn du heute Nacht ein paar Stunden schläfst, werden sich deine Augen ganz bestimmt erholen. Ich kann dir auch einen Eisbeutel holen, wenn es dir hilft, sie zu kühlen.“
„Das könnte funktionieren.“
„Und sonst? Geht es dir wieder besser?“
Ich lasse einen tiefen Seufzer los. „Leider nicht. Essen und Schlaf hilft bei dir wohl besser, mit Problemen fertig zu werden.“
„Das wird schon wieder. Du bist in Sicherheit, Prinzessin.“
„Ich würde dir so gerne glauben.“
༄ ♫ ༄
Auch in dieser Nacht finde ich kaum Schlaf. Rastlos starre ich auf den Fernseher, der den dunklen Raum erhellt. Killian schnarcht leise. Ich kuschle mich an seine Brust, um mich warm zu halten. Gedanklich vollkommen abwesend ziehe ich mit meinen Fingern Kreise an Killians Brust. Der Fernseher zeigt eine Wüste, weit und breit beinahe nichts anderes außer hellem Sand. Einige Kakteen heitern die trostlose Landschaft auf. Die wenigen Tiere, die für diesen Lebensraum geschaffen sind, werden ebenfalls auf dem Bildschirm gezeigt.
Ich zucke erschrocken zusammen, als ich Killians Hand an meinem Hinterkopf spüre. Mittlerweile hat er aufgehört zu schnarchen. Er ist wohl wach.
„Entschuldige“, murmelt er und drückt mich an sich. „Kannst du nicht schlafen?“
„Nein, mein Kopf ist voller Gedanken. Ich bin müde, aber ich finde trotzdem keinen Schlaf.“
Killian streicht durch mein Haar und krault schließlich meinen Nacken. „Es wird alles wieder gut, Prinzessin. Mach die Augen zu und konzentrier dich auf deine Atmung, dann schläfst du ganz schnell ein.“
„Das ist leichter gesagt, als getan. Killian, ich mache mir wirklich große Sorgen.“ Ich richte mich auf, um ihn anzusehen, doch Killians Augen sind bereits wieder geschlossen. Er schnarcht. Sieht so aus, als wäre er wieder eingeschlafen. Wie ärgerlich. Ich hätte gerne mit ihm über meine Gedanken und Gefühle gesprochen.
Nach einem tiefen Seufzen löse ich mich von ihm. Ich nehme den Eisbeutel von meiner Decke und lege ihn auf den Nachttisch. Killian soll nicht aus dem Schlaf schrecken, wenn er ihn berührt und mit der plötzlichen Kälte konfrontiert wird. Erschöpft klettere ich aus dem Bett und verlasse schließlich das Schlafzimmer. Ohne das Licht anzuschalten, schleiche ich durch das Wohnzimmer. Die Straßenbeleuchtung ist hell genug. Das Licht von draußen wirkt jedoch anders als sonst. Es könnte sein, dass der grüne Schimmer wieder den Himmel einhüllt. Sofort erinnere ich mich an die Sorgen, die mir diese Magie bereitet, doch ich möchte nicht mehr denken. Ich bin am Ende mit meinen Kräften. Für heute habe ich mir genug den Kopf zerbrochen.
Mein Ziel ist das Badezimmer. Ich verschließe den Abfluss der Wanne und lasse mir ein heißes Schaumbad ein. Als ich mich ausziehe, werfe ich nur einen flüchtigen Blick in den Spiegel. Dieser reicht jedoch aus, um zu erkennen, dass ich ausgelaugt und angespannt aussehe. Meine Augen wirken getrübt. Mit meinen Fingern streiche ich durch mein Haar. Bevor ich in die Wanne steige, nehme ich noch zwei Handtücher aus dem Schrank und lege sie in Reichweite zur Wanne ab. Ich lasse mich in das Wasser sinken. Es dauert einen Moment, doch dann verwandeln sich meine Beine wieder zurück in eine Flosse. Mit geschlossenen Augen genieße ich die wohlige Wärme. Sobald die Wanne genug gefüllt ist, taste ich mich zum Hebel des Wasserhahns vor und stoppe den Wasserfluss. Ich atme tief durch. Mit der Hoffnung auf Besserung lasse ich die beruhigende Wirkung des Wassers seine Kraft entfalten. Morgen ist alles besser.