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Kapitel 3
Auferlegte Regeln
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Meine Menschenkleidung wird laut dem Internet heute noch versandt. Killian meint, dass sie morgen oder spätestens übermorgen da sein wird. Ich bin gespannt, wie es wohl sein wird, meine eigene Kleidung zu besitzen. Killians Kleidung ist zwar in Ordnung, aber die Beinkleidung rutscht immer wieder, wenn ich mich bewege. Immerhin ist er doch breiter gebaut, als ich es bin. Ein wenig größer ist er auch. Kein Wunder also, dass mir seine Kleidung nicht passt. Genervt davon, die Beinkleidung ein weiteres Mal hochzuziehen, lasse ich mich auf den Stuhl an dem unordentlichen Tisch an der Wand sinken und ziehe sie aus. Das zweite Kleidungsstück, das ich trage, ist lang genug, um bis zu meinen Oberschenkeln zu reichen, ich werde also nicht frieren.
Als ich wieder aufstehe, fühle ich mich gleich viel freier. Ich gehe in dem Wohnzimmer auf und ab und betrachte noch einmal die vielen großen Bilder an der Wand. Sie zeigen Menschen in bunter, eng anliegender Kleidung, einige tragen sogar Masken und Helme. Die abgebildeten Waffen verraten mir, dass dies wohl Krieger sind. Seltsame Kleidung, um in den Kampf zu ziehen, aber Menschen werden schon wissen, was sie tun.
Als Killian aus der Küche wiederkommt, sieht er mich verdutzt an. Ich erwidere seinen Blick, bemerke dann, wie seine Augen meine Beine bis zu meinen Füßen entlang wandern.
„Du… hast dich… ausgezogen“, bemerkt er stockend. Er stellt die Flasche, die er aus der Küche geholt hat, auf dem Tisch vor der Couch ab und sieht mich blinzelnd an, als ich auf ihn zukomme.
„Ist das ein Problem?“, frage ich und setze mich auf die Couch, dabei schlage ich ein Bein über das andere. „Die Beinkleidung ist mir viel zu groß, ich musste ständig daran ziehen, um sie nicht zu verlieren.“ Ich sehe mir die Flasche an, die Killian mitgebracht hat, und blicke dann gleich zu ihm nach oben.
Er lässt sich neben mich auf die Couch sinken. „Etwas Anderes kann ich dir leider nicht anbieten, aber du kannst bald die Kleider tragen, die du dir ausgesucht hast.“
Ich bemerke, dass Killian mich mehr als genau ansieht. Er betrachtet meine Beine für einen sehr langen Moment, sieht dann allerdings wieder weg und reibt sich den Nacken. Ich glaube, dass mein Anblick ihn nervös macht. Ich verstehe nur nicht, wieso das so ist.
„Ist alles in Ordnung, Mensch?“
„Natürlich. Es ist nur… es wäre mir lieber, wenn du dir etwas anziehst.“
„Warum? Mir ist nicht kalt, falls du dir deswegen Sorgen machst.“
Killian nickt. „Mhm, genau das waren meine Bedenken.“ Der Mensch reibt sich mit einer Hand über das Gesicht. Vielleicht ist er bereits wieder müde und braucht noch mehr Kaffee.
Das Thema Kleidung scheint sich von selbst zu erledigen. Killian hakt nicht weiter nach. Es ist still, doch ich weiß genau, womit ich diese aufkommende Stille füllen kann. Ich habe Fragen, viele Fragen und ich möchte, dass sie so schnell wie möglich beantwortet werden. „Darf ich dich etwas zu den vielen Bildern fragen?“, erkundige ich mich und zeige Richtung Wand.
Killians Blick folgt meinem Finger, er nickt erneut. „Selbstverständlich.“
„Ist diese Kleidung, die diese menschlichen Krieger tragen, praktikabel?“ Der Mensch schnaubt belustigt, nun reibt er sich mit beiden Händen über das Gesicht. „Hab ich etwas Falsches gesagt?“
„Nein, keineswegs. Das sind Filmposter. Die abgebildeten Personen sind Schauspieler, sie spielen Rollen. In dem Fall Superhelden, die die Welt vor Bedrohungen schützen.“ Ich muss Killian wieder so verwirrt ansehen, dass ich ihn damit belustige, denn er grinst. „Habt ihr das in eurer Welt nicht? Schauspieler?“
„Doch, aber mir ist gerade etwas klar geworden.“ Ich lächle Killian an. „Du wärst wohl wirklich gerne ein Held, richtig?“
Nun lacht der Mensch. „Vielleicht verdiene ich mir den Titel ja noch, wenn ich dich nach Hause bringe. Wie auch immer wir das anstellen…“
„Wenn es nach mir geht, hast du den Titel bereits.“
„Danke, das ist… danke“, antwortet der Mensch verlegen.
Natürlich bemerke ich, dass der Mensch sich nicht wohlfühlt, also wechsle ich mit Freuden erneut das Thema, denn Killian hat ohnehin etwas mitgebracht, das mich interessiert. Ich zeige auf die Flasche, die er abgestellt hat.
„Was ist das?“
„Das ist Pfirsich-Eistee.“
„Pfirsich-Eistee“, wiederhole ich interessiert. „Das klingt ja außergewöhnlich. Darf ich?“
Killian zieht einen Mundwinkel hoch, als er mich ansieht. „Natürlich. Deswegen hab ich die Flasche mitgebracht.“
Zufrieden warte ich darauf, dass Killian mein Glas befüllt. „Lass mich raten, wenn ich frage, wie dieses Getränk schmeckt, sagst du mir, dass ich das herausfinden muss?“
„Genauso ist es“, antwortet Killian und zwinkert mir zu.
„Dann lass mich probieren, Mensch.“
༄ ♫ ༄
Killian liegt auf der Couch und ruht sich ein wenig aus, während ich sein Zuhause noch einmal gründlich begutachte. „Ich habe gesehen, dass ihr Menschen also auch Kerzen besitzt“, stelle ich fest, während ich eine Kerze in die Höhe halte. In Killians Zuhause sind einige davon aufgestellt, bis jetzt habe ich in jedem Raum welche gefunden. Eigentlich wären sie nicht nötig, wenn er das technische Licht per Knopfdruck aktivieren kann, aber vielleicht gefällt ihm der Kerzenschein.
„Ja. In deiner Welt gibt es die also auch?“
„Mhm, ich habe sie schon bei anderen Völkern gesehen. Bei uns im Flüsternden Ozean gibt es die allerdings nicht. Meine Heimat wird von fluoreszierenden Pflanzen und von Magie erhellt.“
„Wow, ehrlich? Muss schön aussehen. Wahrscheinlich kann ich mir das gar nicht richtig vorstellen.“
„Es ist… ganz anders als bei euch“, antworte ich mit einem Lächeln, als ich an meine Heimat denke. „Nicht nur die Pflanzen leuchten, es gibt einige leuchtende Meerestiere, die in der Stadt für Licht sorgen“, erzähle ich und stelle die Kerze schon wieder zurück.
„Schade, dass du mir deine Welt nicht zeigen kannst“, spricht Killian nachdenklich.
„Dich würde wahrscheinlich alles mindestens so sehr faszinieren, wie mich eure Welt fasziniert“, meine ich. „Ich fürchte nur, dass du in der Flüsternden Stadt nicht lange überlegen würdest. Es sei denn, ihr Menschen könnt unter Wasser atmen.“
Killian schnaubt. „Nein, nein, das können wir leider nicht.“
„Dann könnten wir vielleicht einen Zauber finden, der dir das ermöglicht.“
„Das wäre…“ Der Mensch atmet tief durch. „…traumhaft.“
Für einen Moment denke ich über meine Heimat nach. Vor meinem inneren Auge sehe ich, was ich zuletzt gesehen habe, bevor ich in der Welt der Menschen aufgewacht bin. Ich spüre beinahe das warme Wasser an meiner Haut, atme die salzige Luft, doch dann erinnere ich mich an die Welle. Hier in der Welt der Menschen ist es nicht möglich zurück ins Wasser zu steigen und nach Hause zu schwimmen. Ich sitze in der Menschenwelt fest.
Wenn ich aktiv darüber nachdenke, vermisse ich meine Welt und meine Heimat ein wenig. Wie könnte ich auch nicht? Ich wurde gegen meinen Willen aus meinem Leben und meiner Welt gerissen und bin in einer vollkommen neuen, mir unbekannten Welt wieder aufgewacht. Die Welt der Menschen…
Fürs Erste muss ich hier bleiben, ob es mir nun gefällt oder nicht. Solange ich nicht weiß, wie ich wieder nach Hause komme, kann ich es nicht ändern. Es ist ja auch nicht alles negativ, ganz im Gegenteil sogar. Killian ist sehr nett zu mir und außerdem hätte ich ohne diesen Vorfall niemals die Gelegenheit bekommen, etwas über die Welt der Menschen zu erfahren. Nur Trübsal zu blasen und darüber nachzudenken, wie ich diesen Vorfall hätte verhindern können, passt außerdem gar nicht zu mir. Selbst wenn ich Magie wirken könnte, hätte ich die grünen Blitze und das unheilvolle Unwetter nicht aufhalten können. Ich schüttle den Kopf und versuche, mich auf die positiven Dinge zu konzentrieren.
Obwohl ich nicht ganz bei der Sache bin, sehe ich mich weiterhin in Killians Zuhause um. Meine gesamte Aufmerksamkeit wird erst wieder geweckt, als ich einen weiteren Gegenstand entdecke. Sofort zerstreuen sich alle anderen Gedanken und Ängste. „Wer ist das auf dem Foto?“ Ich nehme ein eingerahmtes Bild zur Hand und betrachte es interessiert. Killian sieht darauf sehr glücklich und um einiges jünger aus. Sein Lächeln ist strahlend. In seinen Armen hält er eine Frau, die ebenfalls lächelt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das dieselbe Frau ist, die ich auf seinem Smartphone gesehen habe. Eine ausgesprochen schöne Frau…
Neugierig richte ich meinen Blick hinüber zur Couch, als ich im Augenwinkel sehe, dass Killian sich bewegt. Der Mensch steht von der Couch auf und kommt auf mich zu. Er nimmt mir das Foto ab und sieht es an. „Meine Mum.“
„Das ist deine Mum? Ehrlich? Sie ist wunderschön. Du hast ihre Augen.“ Nicht nur die strahlenden, blauen Augen der Frau auf dem Bild verzaubern mich, auch ihr Lächeln ist ansteckend. „Ich hätte mir gleich denken können, dass ihr verwandt seid. Ihr seht euch sehr ähnlich.“ Ich sehe Killian an, blicke dann aber wieder auf das Foto, auf dem er mit seiner Mum zu sehen ist. Es ist interessant zu beobachten, wie sich Killians Miene verändert, als er das Bild betrachtet. Er lächelt beinahe so wie auf dieser Fotografie.
Der Mensch nickt. „Sie hat so viel für mich getan, ohne sie wäre ich heute nicht da, wo ich bin. Ich verdanke ihr alles.“
„Sie hat einiges richtig gemacht, du bist sehr gut geraten.“
„Naja“, antwortet Killian wenig überzeugt. „Ich habe auch meine Fehler.“ Er stellt das Foto zurück und kratzt sich am Hinterkopf.
„Bis jetzt wären mir keine aufgefallen. Du bist ausgesprochen nett zu mir und hast unendlich viel Geduld für all meine Fragen.“ Ich lege meine Hand an Killians Oberarm und streichle ihn. „Vielen Dank dafür, Mensch.“
Killian räuspert sich, er versucht, etwas Abstand zu mir zu bekommen, doch ich fixiere seine Augen mit meinen Blicken und lasse meine Hand an seinem Arm ruhen. Der Mensch hebt meine Hand an und lässt sie sinken. „Ilaria, bitte. Das ist mir alles zu nah, okay? Du bist wirklich sehr schön, aber das alles ist, ähm…“ Er räuspert sich erneut. „…bitte nicht.“
„Ich verstehe nicht. Hast du Angst vor mir?“, frage ich irritiert nach.
„Angst? Nein, es ist mir nur unangenehm. Körperkontakt ist nicht immer angebracht, das habe ich dir aber schon erklärt, erinnerst du dich?“
Ich verenge skeptisch meine Augen. Killians Worte passen nicht zu seinen Taten, immerhin hat er mich selbst bereits mehrmals berührt.
„Gut, dann werde ich versuchen, dich nicht mehr anzufassen“, antworte ich dem Menschen neutral und nehme auch gleich ein wenig Abstand zu ihm.
„Ich verstehe schon, dass du mich gern hast, immerhin habe ich dich sozusagen gerettet, aber ich möchte auch nicht, dass du das Gefühl hast, dass du…“ Killian seufzt. „Für gewöhnlich halten Menschen zu Fremden Abstand. Erst wenn man sich näher kennenlernt, hat man Körperkontakt. Man umarmt sich oder man tätschelt jemandem die Schulter… Das ist alles situationsabhängig, es gibt kein Patentrezept dafür.“
„Du hast meine Hand gehalten“, werfe ich ein. Meine Antwort trifft Killian wohl sehr, denn seine Augen weiten sich. Er öffnet einige Male den Mund, lacht dann aber, offensichtlich um seine Fassungslosigkeit zu überspielen.
„Das war etwas anderes. Ich wollte deine volle Aufmerksamkeit, damit du verstehst, wie wichtig das ist. Situationsabhängig, wie ich es gerade erwähnt habe“, klärt er mich auf.
„Heißt das, dass ich jedes Mal deine Hand nehmen soll, wenn ich deine volle Aufmerksamkeit möchte?“
Nun lacht der Mensch erneut. „Nein, das ist nicht nötig, ich höre dir zu, Ilaria. Du hast immer meine volle Aufmerksamkeit. Morgens brauche ich eine Weile, um wach zu werden, aber spätestens nach meinem ersten Kaffee bin ich vollkommen für dich da.“
Killians Antwort bringt mich zum Lächeln. „Ich verstehe. Nach deinem ersten Kaffee darf ich dich also mit Fragen belästigen.“
„Du belästigst mich zwar nicht mit deinen Fragen, aber ja, das wollte ich damit ausdrücken“, antwortet Killian mit einem Lächeln.
Ich nehme noch einen Schritt Abstand zu dem Menschen und lehne mich an die Couch. Meine Hände lasse ich links und rechts neben mir ruhen, unter meinen Fingern spüre ich die weiche Decke, die über der Lehne hängt. Killian wirft noch einen letzten Blick auf das Bild, das wir uns zusammen angesehen haben, ehe er zu mir sieht. Mir entgeht nicht, dass er meinen Körper ein weiteres Mal mustert. Als ich den Menschen anspreche, sieht er wieder in mein Gesicht.
„Darf ich dich noch etwas fragen, Killian?“
„Selbstverständlich. Ich bin für all deine Fragen offen“, antwortet Killian hilfsbereit.
„Wir beide sind Fremde, richtig? Wenn ihr Menschen zu Fremden keinen Körperkontakt haben wollt, wieso hast du mir dann hochgeholfen und mich mit in dein Zuhause genommen? Machst du das öfter?“
Killian wirkt überrascht. Er legt seine Stirn in Falten, ehe er antwortet: „Nein, das mache ich eigentlich nicht öfter. Du bist hingefallen, du warst ganz nass und eiskalt. Du hast Hilfe gebraucht. Eigentlich wollte ich dich ins Krankenhaus bringen, weil ich damit gerechnet habe, dass du verletzt und betrunken oder auf Drogen warst. Wenn du ein Mensch wärst, hätte ich dich wahrscheinlich längst vor die Tür gesetzt.“
Ich verstehe zwar nicht alles, was Killian mir erzählt, doch der letzte Satz macht mir mehr als deutlich, dass ich für ihn etwas Besonderes bin. Meerjungfrauen gibt es in Killians Welt nicht, daran erinnere ich mich natürlich. Ich erinnere mich auch daran, dass Killian meinte, dass nicht alle Menschen nett sind. Wenn er mich nicht gefunden und mitgenommen hätte, würde ich wahrscheinlich in der Stadt umherirren. Ich wüsste überhaupt nicht, was ich tun sollte. Die vielen Eindrücke der Menschenwelt würden mich alleine vollkommen überfordern.
„Dann kann ich mich wohl glücklich schätzen, keine Menschenfrau zu sein“, antworte ich lächelnd. „Ich kann dir gar nicht genug dafür danken, dass du mich bei dir aufgenommen hast.“
Killian kratzt sich am Hinterkopf. „Du musst dich nicht bedanken.“
„Das sehe ich anders. Du sagst selbst von dir, dass du eine Menschenfrau nicht bei dir aufgenommen hättest.“
Der Mensch überlegt. „Du könntest mir einen Gefallen tun.“
Ich werde hellhörig und stoße mich von der Couch ab, dabei gehe ich gleich einen Schritt auf Killian zu. „Und der wäre? Was kann ich für dich tun, Mensch?“
„Kannst du mir versprechen, dass du dich heute Nacht unauffällig verhältst, während ich weg bin?“
Ich nicke. „Ich schätze, dass ich das hinbekomme.“
༄ ♫ ༄
Heute Nacht lässt Killian mich, wie er es bereits mehrmals angekündigt hat, alleine. Die Sachen, die er zum Arbeiten braucht, stehen bereits neben der Tür. Ich für meinen Teil warte auf der Couch, bis Killian wieder aus dem Badezimmer kommt. Ungeduldig tippe ich mit meinen Fingern gegen meinen Oberschenkel. Still zu sitzen und zu warten ist nichts, was mir leicht fällt, doch für den Menschen versuche ich es zumindest. Er hat viel Geduld für meine vielen Fragen und beantwortet sie so, dass ich auch wirklich verstehen kann, was er mir sagen möchte. Ich werde versuchen mich an das zu halten, was er mir aufträgt. Immerhin ist es das Mindeste, das ich als Dank für seine Gastfreundschaft und Fürsorge machen kann.
Als Killian zu mir zurückkommt, sehe ich ihn erstaunt an. Er hat sich andere Kleidung angezogen. Seine Haare sind auch ein wenig anders, weniger zerzaust, außerdem hat er seinen Kinnbart mit einem Band zusammengebunden. Zwerge machen das ähnlich. Ihr Volk legt großen Wert auf Bartpflege. Für einige Sekunden fixiere ich Killians Bart, sehe aber dann in seine Augen. Sein Blick ist ernst. Er wirkt, als würde ihm einiges durch den Kopf gehen.
Ich ziehe meine Beine auf die Couch und lehne meinen Rücken gegen die weiche Decke hinter mir. Killian setzt sich neben mich, nimmt meine Hand in seine und sieht mich an. Er wirkt weiterhin ernst, fast schon streng. Meine Hand hält er dagegen sehr liebevoll und vorsichtig. Killian meinte, dass er meine Hand gehalten hat, weil er meine volle Aufmerksamkeit wollte. Auch in diesem Fall bekommt er sie. In seinen Augen erkenne ich, wie wichtig es ihm ist. Ich will den Menschen nicht enttäuschen.
„Alles, was ich dir jetzt sage ist sehr, sehr wichtig, Ilaria. Verstehst du das?“
Ich nicke. „Natürlich.“
„Gut.“ Killian wendet seinen Blick von mir. Sofort löse ich meine Hand von seiner und greife nach seinem Kinn. Wenn die Informationen so wichtig sind, kann er sie mir nicht vorenthalten, er muss mich ansehen. Vorsichtig, aber bestimmt richte ich sein Gesicht in meine Richtung.
„Nicht wegsehen. Bitte. Du hast gesagt, dass es wichtig ist, du musst mich ansehen. Ich soll es doch verstehen.“
Killian blinzelt mich an, er nimmt meine Hand aus seinem Gesicht und wieder in seine. „Okay. Ähm…“ Der Mensch räuspert sich verlegen, sein strenger Blick ist verschwunden, für einen kurzen Moment zumindest. Killian legt seine Stirn wieder einmal in Falten, ehe er weiterspricht: „Ich muss dir ein paar Regeln auferlegen.“
„Regeln?“
„Ja, Regeln. Ich möchte, dass du dich an diese Regeln hältst. Es ist wichtig. Sie sind zu deinem und meinem Schutz. Das verstehst du doch, oder?“
Ich nicke. „Ich verstehe.“
„Wunderbar.“ Er scheint zu überlegen. „Wo fange ich am besten an?“ Ein erneutes Räuspern folgt. „Die Küche. Am besten wäre es, wenn du die Finger von allen Geräten lässt, die ich dir gezeigt habe. Oh, und die Kerzen. Komm bitte nicht auf die Idee, eine Kerze anzuzünden. Geh nicht an die Tür, wenn jemand läutet. Lass die Fenster geschlossen…“
Ich schmunzle, als Killian die vielen Regeln aufzählt, nicke aber ab und zu, damit er weiß, dass ich ihm zuhöre. Die ganze Zeit über fixiere ich seine Augen. Ich sehe deutlich, wie ernst es ihm damit ist, dennoch finde ich es amüsant, dass er mir diese kleinen Verbote so eindringlich näher bringen möchte. Ich stamme zwar nicht aus der Menschenwelt, dennoch verstehe ich es, wenn mir jemand ein Verbot auferlegt.
„Ich mache dir natürlich noch etwas zu essen, bevor ich gehe.“
„Das ist freundlich von dir, Killian.“
Der Mensch wirkt wieder etwas lockerer, er zieht einen seiner Mundwinkel hoch. „Ich kann dich ja nicht verhungern lassen, während ich weg bin.“
Meine Augen weiten sich. „Du hast doch gesagt, dass du nur ein paar Stunden wegbleibst. Bleibst du doch länger weg?“, frage ich fast schon erschrocken nach, dabei drücke ich Killians Hand fest. „Bitte lass mich nicht alleine.“
Meine Reaktion scheint Killian zu überraschen. „Oh, nein, nein, ganz und gar nicht. Das sagt man nur so. Wie versprochen: Ich komme direkt nach meinem Gig nach Hause.“
Killians Worte helfen mir, mich schnell wieder zu beruhigen, doch ich hake nach, da ich nicht verstehe, was der Mensch mir sagen möchte: „Was ist ein Gig? Ist das deine Arbeit?“
„Du weißt nicht… natürlich weißt du das nicht.“ Killian schmunzelt. „Ich bin Musiker. Wenn du möchtest, kann ich dir morgen genau erklären, was ich mache, aber jetzt ist etwas Anderes wichtig.“ Der Mensch tätschelt meine Hand und steht dann auf. „Ich mach dir noch ein Sandwich, damit du etwas essen kannst, falls du später Hunger bekommen solltest.“
Killian lässt mich alleine auf der Couch zurück und geht in die Küche. Ich nehme eines der Kissen an mich, drücke es gegen meinen Brustkorb und lehne mein Kinn darauf. Der Gedanke, die ganze Nacht alleine in Killians Zuhause zu verbringen, bereitet mir ein wenig Unbehagen. Ich will nicht, dass er weggeht, doch ich kann nicht von ihm verlangen, dass er hier bleibt. Eine Nacht werde ich schon durchstehen.
„Hast du noch irgendwelche Fragen an mich?“, erkundigt Killian sich laut.
„Ja, hunderte.“
Das Lachen des Menschen ist deutlich bis ins Wohnzimmer zu hören, seine tiefe Stimme ist nicht gerade leise. „Ich meinte eher, ob du wegen heute Nacht Fragen an mich hast.“
Ich nicke, stehe dann auf und folge dem Mensch in die Küche. Killian ist damit beschäftigt, das Sandwich für mich zuzubereiten. Mit ein wenig Kraftaufwand setze ich mich auf die Oberfläche, direkt neben das Essen und schlage ein Bein über das andere. „Ich habe nur eine Frage: Wieso willst du nicht, dass ich mitkomme?“
Killian seufzt. „Ich dachte, dass ich dir das bereits deutlich erklärt habe. Du kannst nicht mitkommen, weil ich nicht auf dich aufpassen kann.“ Schmollend bewege ich mein Bein auf und ab. Der Mensch lässt das Messer, das er in der Hand hält, sinken und legt es zur Seite. Mit seiner nun freien Hand berührt er mein Knie. „Lass das.“ Killian nimmt seine Hand fast schon erschrocken wieder weg, dann schüttelt er den Kopf. „Hör mir zu, Ilaria. Du kennst die Menschen nicht. Einige von uns sind nicht nett und freundlich, auch das habe ich dir bereits erklärt. Es gibt Menschen, die einem Wesen wie dir etwas antun würden.“ Killian sieht mich eindringlich an, doch ich meide seinen strengen Blick und konzentriere mich auf das Essen. „Du wärst doch mit jedem mitgegangen, der dich aufgegabelt hätte, und das ist einer der Gründe, wieso ich will, dass du hier bleibst.“
Ich nicke, sehe dann von dem Essen zu Killian und lächle, seine strenge Miene wird augenblicklich weicher. „Aber ich bin bei dir gelandet und du bist sehr nett und gastfreundlich. Dass ich alleine hier bleiben muss, ist allerdings trotzdem sehr schade. In deiner Welt gibt es so viel zu entdecken. Es wäre schön, wenn du mich durch deine Welt führen könntest, Killian.“
Der Mensch lässt einen tiefen Seufzer los. „Ich werde dich noch mit nach draußen nehmen. Das verspreche ich dir hoch und heilig, aber heute ist kein geeigneter Zeitpunkt, verstehst du das? Bitte versteh das.“
„Ja, Killian, ich verstehe das, aber-“ Der Mensch legt seine Stirn in Falten und sieht mich streng an, ich verziehe schmollend die Lippen und höre auf zu reden, außerdem wende ich meinen Blick von Killian und sehe zu Boden.
„Bitte mach es mir nicht noch schwerer. Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich dich hier ganz alleine lasse. Ich verspreche, nein, ich schwöre dir, dass ich dich in ein paar Tagen mit zum Strand nehme, aber du musst noch ein kleines bisschen durchhalten. Ich brauche ein wenig Zeit.“ Ich seufze. Killian legt eine Hand an meinen Oberarm und streichelt mich ein wenig. „Ilaria?“
„Ich hätte dich gerne begleitet. Ich bin gerne bei dir, Killian“, erkläre ich etwas deprimiert. Natürlich sehe ich den Menschen wieder an.
„Das kann ich mir vorstellen“, meint er. „Morgen nehme ich mir viel Zeit, um dir das mit meiner Arbeit zu erklären. Ich zeige dir, was ich genau mache und erkläre dir, was auf meiner Arbeit passiert. Du wirst sehen, dass dir das nicht gefallen wird.“
„Darf ich das nicht selbst entscheiden?“, frage ich nach.
Killian schmunzelt. „Magst du laute Geräusche?“
„Nein…“
„Dann wirst du in dem Club keinen Spaß haben.“
„Aber du erklärst es mir morgen trotzdem, auch wenn du denkst, dass es mir keinen Spaß machen wird, oder?“, erkundige ich mich, worauf Killian nickt.
„Wenn es dich interessiert, gerne.“
„Es interessiert mich sehr.“ Mein Blick wandert von Killians Augen zu dem Essen, das er gerade zubereitet. „Kommt das Brot nicht in den Toaster?“ Ich zeige auf das besagte technische Gerät.
Der Mensch schmunzelt bei meiner Frage. „Bei diesem Essen nicht. Wenn ich das Brot weich lasse, schmeckt es später immer noch. Knuspriges Brot wird mit der Zeit weniger knusprig und schmeckt dann nicht mehr so gut. Ich will doch, dass du etwas Gutes zu essen bekommst.“ Killian zwinkert mir zu, was mich wieder zum Lächeln bringt.
„Ich verstehe. Das ist ausgesprochen freundlich von dir. Danke.“
Interessiert sehe ich Killian dabei zu, wie er das Sandwich fertig zubereitet. Er bestreicht die Toastbrotscheiben, doch nicht mit Marmelade wie bei dem Frühstück, sondern mit etwas anderem, das ich noch nicht gekostet habe. Ich lerne später wohl noch etwas Neues kennen. Immer wieder sieht Killian für einen Moment zu mir. Vor allem meine Beine scheinen ihn zu interessieren, denn die betrachtet er, seit ich die Beinkleidung abgelegt habe. Mir kommt schnell in den Sinn, dass es an der Magie liegen muss. In der Menschenwelt gibt es keine Magie, es ist also nur natürlich, dass er fasziniert davon ist, dass meine Flosse sich in ein Paar menschenähnliche Beine verwandeln kann.
Als Killian mit dem Sandwich fertig ist, verpackt er es in einem mir unbekannten Material und legt es auf einen Teller. Auch jetzt sind seine Handgriffe mehr als faszinierend. Nicht nur was er tut ist interessant, auch Killian selbst weckt meine Neugierde. Der Mensch hat kräftige und große Hände, im Gegensatz zu meinen eher zierlichen Händen.
„Ich stelle dir auch einen Krug mit Wasser auf den Couchtisch, dann kannst du dein Glas selbst füllen.“
„Aber ich weiß schon, wie ich das bediene“, antworte ich und zeige auf den Hebel, der das Wasser zum Laufen bringt. „Deine Wanne hat auch so etwas.“
„Dieses Ding nennt sich Wasserhahn.“
„Wasserhahn“, wiederhole ich und nicke im Anschluss. „Verstehe.“
Killian füllt noch einen Krug mit Wasser auf und trägt ihn dann zusammen mit dem Sandwich aus der Küche. Ich lasse mich wieder zu Boden sinken und folge meinem Gastgeber gut gelaunt. Mit einer Handbewegung bittet Killian mich, mich zu setzen. Ich komme dem Menschen natürlich entgegen und tue, was er von mir verlangt. Killian verlässt das Wohnzimmer noch einmal, ist jedoch schnell wieder zurück. Er stellt zwei verschlossene Gefäße auf den Tisch. Aufmerksam sehe ich mir erst die Gefäße an und sehe zu ihm nach oben.
„Pass gut auf, Ilaria.“ Killian demonstriert das öffnen und schließen der beiden Gefäße. „Hier in der Keksdose befinden sich Kekse. Die sind süß, du wirst sie mögen. In dieser Schüssel sind Chips, aber nicht die scharfen Chips, die dir wehgetan haben. Diese Chips hier schmecken nach Salz. Wenn du sie nicht probieren willst, ist das auch okay, ich dachte nur, dass ich sie dir anbiete.“ Konzentriert beobachte ich Killians Handbewegungen. Er lässt mich sogar meinen eigenen Versuch starten. Ich ahme nach, was ich bei Killian gesehen habe. Die beiden Gefäße zu öffnen und zu schließen, ist sehr einfach. „Wunderbar“, lobt Killian mich. „Wenn du das Sandwich essen willst, musst du vorher die Frischhaltefolie entfernen.“ Auch das zeigt Killian mir vor. „Es ist ganz einfach. Du musst dein Sandwich nur auswickeln.“
„Es ist nett, dass du dir so viel Zeit für mich nimmst, Killian.“
„Ich möchte, dass du gut zurechtkommst, während ich arbeite“, antwortet Killian, wonach er mich anlächelt.
Der Mensch überblickt noch einmal den Couchtisch. „Du hast Chips, du hast Kekse und ein Sandwich, dann noch etwas zu trinken…“, murmelt er vor sich hin, doch dann wendet er sich an mich. „Du bleibst brav hier auf der Couch bis ich wieder zurückkomme, okay?“
Etwas irritiert frage ich: „Ich muss die ganze Zeit hier sitzen bleiben?
„Nein, nein, so meinte ich das nicht. Natürlich darfst du dich frei bewegen. Du kannst dir deine Zeit mit fernsehen vertreiben, dann… siehst du auch gleich was von der Welt oder so ähnlich zumindest.“
„Was meinst du?“, frage ich nach, daraufhin beugt der Mensch sich zu dem Tisch vor der Couch.
Er nimmt ein schwarzes, längliches Ding zur Hand und drückt darauf. Das langweilige, schwarze Bild, das gegenüber von der Couch an der Wand hängt, wird wie durch Zauberhand bunt und nicht nur das. Die Bilder, die darauf erscheinen, bewegen sich und sie geben sogar Ton wieder. Ich öffne überrascht den Mund und sehe das nun nicht mehr schwarze Bild an. Fassungslos blinzle ich einige Male.
„Was ist das? Etwa ein Portal zu einer anderen Welt?“, frage ich aufgeregt, worauf Killian laut loslacht.
„Nein, leider nicht. Es ist viel unspektakulärer als das. Das Gerät nennt sich Fernseher und das sind die bewegten Bilder, von denen ich dir erzählt habe, als ich dir das Smartphone erklärt habe, erinnerst du dich? Wäre nicht schlimm, wenn nicht, immerhin sind das heute schon verdammt viele Infos.“
Ich schüttle den Kopf. „Nein, schon gut, ich erinnere mich, ich hab es mir nur ganz, ganz anders vorgestellt, Killian. Und… es ist wieder so laut.“
„Oh, entschuldige, das kann ich natürlich gleich ändern.“ Killian setzt sich zu mir. Er zeigt mir das Gerät, das er in der Hand hält. „Siehst du? Der Fernseher und die Fernbedienung sind verbunden“, erklärt er, drückt dabei auf einen der Knöpfe. Er deutet auf den Fernseher, ich folge seinem Finger. Auf dem Fernseher erscheint ein Balken, der immer weiter schrumpft, simultan dazu werden die Gespräche, die im Fernseher abgehalten werden, leise.
„Erstaunlich. Und das ist wirklich keine Magie?“, frage ich überrascht.
„Nein, das ist keine Magie. Das ist die Technik der Menschen, wie du es nennen würdest.“ Der Mensch grinst mich an und zwinkert mir zu.
Ich nicke, sehe dann zu dem Fernseher. „Ein wenig unheimlich ist das schon.“
„Mir würde spontan keine andere Möglichkeit einfallen, wie ich dich heute Nacht beschäftigen könnte“, antwortet Killian mir nun ein wenig geknickt. „Ich kann dich ja auch nicht in den nächsten Stunden alleine und ohne Beschäftigung hier sitzen lassen. Das wäre asozial von mir.“
Wieder nicke ich. „Okay, dann… Sehe ich mir irgendetwas an?“
„Ich suche gleich etwas, das dir gefallen könnte.“
Der Mensch drückt einige Knöpfe, auf dem Bildschirm ändern sich die bewegten Bilder, anstatt Menschen sehe ich nun die Natur, saftige, grüne Wälder, um genau zu sein. Als der Fernseher einen Fluss zeigt, weiten sich meine Augen. Das klare Wasser sieht einladend aus, zu gerne würde ich hineinspringen und das Gewässer erkunden.
„Oh, das gefällt mir.“
„Hab ich mir fast gedacht“, meint Killian lächelnd. Er zeigt mir diese Fernbedienung, die er in der Hand hält, und erzählt: „Ich weiß, die Fernbedienung hat ganz viele Knöpfe, aber ich erkläre dir jetzt alles, was du wissen musst. Die anderen Knöpfe kannst du getrost ignorieren. Hier regelst du die Lautstärke. Lauter und leiser.“ Er deutet auf einen länglichen Knopf. Wenn er den Knopf oben drückt, dann wird die Musik, die aus dem Fernseher kommt, lauter. Drückt Killian allerdings den unteren Teil des Knopfes, wird sie leiser. Nun deutet er auf einen roten Knopf in der oberen Ecke der Fernbedienung. „Und wenn du keine Lust mehr darauf hast, fernzusehen, dann drückst du diesen Knopf. Damit schaltest du den Fernseher aus und der Bildschirm wird wieder schwarz.“
„Mhm, ich verstehe.“ Ich zeige auf die Knöpfe und wiederhole die Erklärung. „Lauter, leiser, ausschalten.“
„Sehr gut. Du lernst erstaunlich schnell.“
Ich zucke mit den Schultern, lächle Killian allerdings freundlich an. „Das liegt bestimmt daran, dass du mir alles so gut erklärst, Mensch.“
„Du darfst mich gerne Killian nennen. Das scheinst du dir aber nicht merken zu wollen.“
Ich schmunzle und wiederhole seinen Namen. „Killian.“
Der Mensch atmet tief durch. „Du machst das mit Absicht, ich seh schon.“
„Vielleicht“, antworte ich amüsiert.
„Versprich mir, dass du nichts anderes außer die Fernbedienung anfasst, okay? Es ist selbstverständlich auch in Ordnung, wenn du ins Badezimmer gehst und dich in die Wanne legst, aber wenn du nicht mehr alleine raus kommst, musst du eben warten, bis ich wieder zu Hause bin.“
Ich nicke ein weiteres Mal. „Ich verstehe.“
„Es ist wirklich ausgesprochen wichtig, Ilaria. In der Küche gibt es Geräte, die gefährlich sein können. Ich will nicht, dass du dich verletzt oder dass du irgendetwas kaputt machst. Hast du mich verstanden?“
Und ein weiteres Nicken meinerseits folgt. „Ja, ich verstehe dich klar und deutlich, Killian.“
„Wenn du Hunger hast.“ Killian zeigt auf das Essen, das er für mich vorbereitet hat. „Wie ich es dir gezeigt habe. Du nimmst die Frischhaltefolie hinunter und legst sie zur Seite. Und wie die Box und die Keksdose aufgehen weißt du auch noch, ja?“
Ich lache, nicke dann aber. „Du machst dir wohl sehr viele Sorgen, weil du mich hier alleine lässt. Ich werde mich schon beschäftigen.“
„Und wie ich mir Sorgen mache. Nicht nur um meine Wohnung, auch um dich. Ich wünschte, mir würde eine andere Lösung einfallen. Zufrieden bin ich nämlich nicht damit, dass ich dich hier alleine sitzen lasse.“
„Wovor hast du wirklich Angst, Killian?“
Der Mensch seufzt. „Meine größte Sorge ist, dass du dich verletzt oder dass du etwas kaputt machst und die Nachbarn auf dich aufmerksam werden.“
„Wieso wäre es so schlimm, wenn mich jemand sieht?“
„Ich hab dir doch schon…“ Der Mensch hört mitten im Satz auf zu sprechen. Er hebt seinen Zeigefinger und nimmt dann sein leuchtendes Smartphone von dem Tisch. „Entschuldige.“ Die Musik, die das kleine technische Gerät von sich gibt, verstummt. Der Mensch legt es sich ans Ohr. „Ja, hey. Ich bin so gut wie unterwegs. Mhm. Selbstredend. Bis gleich.“
Ein äußerst bekanntes Geräusch zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Der Fernseher zeigt gerade den Strand und das Meer. Ich bekomme sofort Sehnsucht. Der Anblick reizt mich. Auch wenn ich sehr gerne bei Killian bin, vermisse ich das Wasser. Ich höre das Meer beinahe nach mir rufen. Mein Körper sehnt sich regelrecht danach, wieder ins Wasser zu steigen. Ich will schwimmen…
„Ilaria? Ist alles okay?“
Ich zeige auf den Fernseher. „Das Meer.“
„Du vermisst deine Heimat, richtig?“
Ich nicke. „Und das Wasser an sich… Die Wanne ist in Ordnung, aber ich will richtig schwimmen. Ich will mich austoben.“
„Das kann ich mir vorstellen.“ Killian drückt aufmunternd meine Schulter. „Ich verspreche, dass ich eine Lösung finde. Aber jetzt… Muss ich wirklich los. Du kommst ganz sicher klar?“
„Ja, mach dir keine Sorgen. Ich bleibe hier sitzen und sehe den Fernseher an und wenn ich hungrig bin esse ich das Sandwich, die Chips und die Kekse. Und wenn ich durstig bin trinke ich das Wasser.“
„Sehr gut. Ich sehe zu, dass ich mich beeile.“
Killian lächelt mich an. Ich folge ihm noch zur Tür. Er schlüpft in seine Schuhe und zieht noch ein weiteres Kleidungsstück über. „Bis später.“
„Viel Spaß bei deiner Arbeit, Killian.“
„Den werde ich garantiert haben“, antwortet er mit einem Zwinkern. „Und du stellst nichts an, okay?“
Ich schmunzele. „Ich werde mich benehmen.“
„Das wollte ich hören.“
Ich lege meine Arme um den Menschen und drücke ihn. Killian tätschelt meinen Rücken, lässt aber dann gleich wieder von mir. „Bitte halt dich von der Küche fern.“
„Das werde ich. Mach dir keine Sorgen.“
„Das sagt sich so einfach“, murmelt er und greift nach seinem Schlüssel.
Kaum eine Minute später verlässt der Mensch sein Zuhause. Ich höre, dass er den Schlüssel im Schloss dreht. Ich wende meinen Blick von der Tür und sehe in den langen Gang. Eine Nacht alleine im Zuhause des Menschen…