Lustlos schlurfte Sara hinter ihrem großen Bruder her. Nikolas war bereits den gesamten Vormittag mit seinen Freunden unterwegs und sie konnte sich eigentlich eine Millionen Sachen vorstellen, die besser waren als ihren Tag gemeinsam mit Nikolas und seinen Freunden in der Stadt zu verbringen. Zum Beispiel gemeinsam mit Zoe herumzualbern. Aber sie hatte keine andere Wahl. Ihre Eltern waren beide nicht zu Hause und ihre Schwester hatte selber keinen Führerschein. Alleine Busfahren durfte sie jedoch nicht, hatte ihre Mama gesagt. Nikolas hingegen hatte seinen Führerschein schon letzten Sommer gemacht, also war er die einzige Möglichkeit zu Zoe zu kommen. Er hatte versprochen, sie hinzufahren, aber er wollte den Tag über in die Stadt und Zoe konnte erst später, sie war noch auf dem Geburtstag ihrer Tante eingeladen. Manchmal hasste Sara es, erst zehn zu sein.
„Nikolas“, quengelte sie. „Wann können wir los? Wir sind schon eine halbe Ewigkeit hier!“
Aber Nikolas warf ihr nur einen genervten Blick über die Schulter zu, bevor er sich wieder zu Finn umdrehte. Sara ließ die Schultern fallen. Was ein Mist. Sie fühlte sich wie ein nutzloses Anhängsel. Das Maskottchen, was man überall mit hin schleppen konnte. Wütend trat sie gegen einen kleinen Stein, der vor ihr auf dem Weg lag und blickte ihm hinterher, als er etwa zwei Meter weiter nach vorne flog. Irgendwie interessant, was alles so interessant werden konnte, wenn man Langeweile hatte. Sara lief dem Stein hinterher und trat nochmals dagegen. Wie weit konnte sie den Stein wohl treten? Ziemlich weit war die Antwort, die sie herausgefunden hatte, nachdem die das ganze Spielchen einige Male wiederholt hatte. Ziemlich genau so lang, bis sie ausversehen Nikolas Freundin Celine damit traf, die daraufhin ein riesiges Drama veranstaltete, was Sara total unnötig und bescheuert fand. Nikolas leider nicht ganz so, er wurde sauer und sagte, sie solle sich anständig benehmen. Dabei war Celine absolut überhaupt nichts passiert, weil der Stein nur klein war und sie auch nur ganz leicht gestreift hatte. Sie streckte ihre Zunge heraus. Sara mochte Celine nicht. Ihrer Meinung nach war Celine eine blöde und arrogante Kuh, die ihr ihren Bruder wegnahm. Celines Meinung nach war sie nur die nervige kleine Schwester.
Da ihr Bruder ihr gerade verboten hatte, mit dem Stein zu spielen, schlurfte Sara nun wieder nur lustlos der kleinen Gruppe hinterher, bis Finn sich ein wenig zurückfallen ließ, um neben ihr zu gehen.
„Hey, Sara“, begrüßte er sie. „Warum machst du denn so ein deprimiertes Gesicht?“
„Mir ist langweilig“, gab sie zu. „Ich will eigentlich nur zu Zoe, aber die ist noch nicht zu Hause, glaub ich. Außerdem kann Nikolas mich noch nicht fahren, weil er noch mit euch hier ist. Aber er hat versprochen, mich heute zu fahren, deshalb bin ich mitgekommen.“
„Das ist natürlich doof“, gab Finn zu. Darum mochte Sara Finn-bei ihm hatte sie das Gefühl, dass er sie wirklich ernst nahm, nicht wie manch andere Leute. Sie warf einen schnellen Blick nach vorn zu ihrem Bruder. Der zum Beispiel nahm sie definitiv nicht immer ernst.
„Was hältst du davon, wenn wir etwas spielen? Dann geht die Zeit bestimmt schneller vorbei“, schlug Finn vor. Sara lächelte ihn an. „Klingt gut!“, verkündete sie dann. „Was spielen wir denn? Oder nein!“ Jetzt grinste sie und sah ihn bittend an. „Kannst du mich huckepack nehmen? Bitte? Letztes Mal war das so lustig!“ Finn tat so, als würde er überlegen und Sara schob ein „Ach komm schon! Bitte, bitte!“, hinterher. Er wuschelte ihr durch die Haare und lachte. „Klar, kann ich!“ Er ging in die Hocke und Sara sprang auf seinen Rücken, ebenfalls lachend. Dort schlang sie die Arme um Finns Schultern. Ja, so machte dieser Ausflug doch schon mehr Spaß. Und die Zeit, bis sie endlich zu Zoe konnte, wurde auch viel kürzer.